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Kapitel 1

Rosario

Dezember 2007

„Ich kaufe etwas Hinterviertel vom Rind, das habe ich auch in Barcelona gesehen, weiß aber nicht, wie man es dort nennt. Jedes Stück salze ich etwas, dann tauche ich die Stücke in Ei und wende sie in Semmelbröseln. Ich brate sie, bis sie schön goldbraun sind, und lege sie in eine Ofenform. Die Zwiebel hacke ich fein und dünste sie an. Wenn die Zwiebel glasig wird, gebe ich gehackte Tomaten, ein bisschen Wasser, Salz, Oregano und eine Prise Zucker dazu und erhitze alles für etwa 20 Minuten. Sobald die Sauce fertig ist, gieße ich sie auf die Fleischstücke, so dass sie alle gut bedeckt sind. Ich nehme etwas Frischkäse oder Schnittkäse aus dem Kühlschrank und lege dünne Scheiben davon auf das Fleisch. Das Ganze lasse ich im Ofen, bis der Käse schmilzt. Dann müssen nur noch die Kartoffeln als Beilage gebraten werden, und das milanesa à la napolitana [Schnitzel nach neapolitanischer Art] kann serviert werden.“ Mit der Leidenschaft einer guten Köchin beschreibt Celia das Lieblingsgericht ihres Sohnes Lionel Messi.

„Wenn ich in Barcelona bin, muss ich das zwei- oder dreimal in der Woche kochen, mit mindestens drei mittelgroßen Fleischstücken. Ich wuschele ihm durchs Haar und erkläre ihm: ‚Wegen meines milanesa à la napolitana und meines Mate schießt du so viele Tore.‘“ Lionel hat einen aus Feinschmeckersicht einfachen Geschmack: Er mag Schnitzel, aber nicht, wenn es mit Schinken oder Pferdefleisch zubereitet ist, oder Hühnchen mit einer Sauce aus Pfeffer, Zwiebeln, Tomaten und Oregano. Aufwendige Gerichte, wie sie sein Bruder Rodrigo kocht, interessieren ihn eher weniger. Rodrigo ist Koch und träumt davon, irgendwann einmal sein eigenes Restaurant zu eröffnen. Er experimentiert gerne mit neuen Rezepten, auch wenn sein kleiner Bruder sie nicht immer zu schätzen weiß. Hat Lionel denn auch eine Schwäche für Süßes? „Ja, Leo liebt Schokolade und alfajores. Wenn wir nach Spanien kommen, müssen wir die immer kistenweise mitbringen, damit er stets gut versorgt ist.“ Dann erzählt sie, wie er als kleiner Junge einmal von einem Trainer für jedes Tor einen alfajor, einen jener traditionellen argentinischen Kekse, versprochen bekam und daraufhin achtmal einnetzte. Ein ziemliches Festessen.

Wir befinden uns in Lionels argentinischer Heimatstadt Rosario und sitzen bei einer Tasse Kaffee in der Bar „La Tienda“ in der Calle San Martín. Die Mutter von Barças Nummer 10 spricht voller Begeisterung von ihrem weltbekannten Sohn. Celia María Cuccittini Oliveira de Messi hat eine weiche, liebenswürdige Stimme, schwarze Haare, ein feines Lächeln und einige an Leo erinnernde Gesichtszüge – auch wenn sie selbst darüber lacht und sagt, dass er ganz wie sein Vater aussieht. Während sie redet, schaut sie immer wieder zu ihrer gegenübersitzenden Schwester Marcela. Marcela ist die Jüngste aus der Familie Cuccittini und ebenfalls Mutter von Fuß-ballspielern. Maximiliano und Emanuel spielen beide für Bahia in Brasilien. Marcela Cuccittini de Biancucchi ist Leos Paten- und Lieblingstante. Kommt er nach Rosario, verbringt er seine Zeit am liebsten bei ihr zu Hause. „Wir müssen dann zu Marcela, um ihn zu sehen, oder dort anrufen, um zu erfahren, wie es ihm geht. Aber meine Schwester verhätschelt ihn natürlich auch“, sagt Celia. „Und dann ist da noch Emanuel. Die beiden sind unzertrennlich.“ Seit frühester Kindheit spielten sie immer zusammen Ball. „Sie waren zu fünft: meine drei Jungs, also Matías, Rodrigo und Leo, und die beiden von meiner Schwester, Maximiliano und Emanuel. Wenn wir am Sonntag bei meiner Mutter waren, gingen sie vor dem Mittagessen immer zum Spielen auf die Straße“, erinnert sich Celia. Es waren wilde Spiele, Fuß-ball oder Fußballtennis, und am Ende kam Leo oftmals weinend zurück ins Haus, weil er verloren oder die Älteren geschummelt hatten. „Erst gestern hat Maxi mich wieder an diese Spiele erinnert“, fügt Marcela hinzu. „Er meinte, dass er mal wieder wie in alten Zeiten Messis gegen Biancucchinis spielen wolle, wenn sie sich alle hier in Rosario treffen.“

Erinnerungen an Großmutter Celia werden wach: an ihr köstliches Essen, ihr Gebäck, die sonntäglichen Familientreffen und ihre Leidenschaft für Fußball. „Sie war es, die die Kinder zum Training begleitete und darauf bestand, dass sie meinen Lionel trotz seines Alters schon spielen lassen, auch wenn er der Jüngste und klein war“, erzählt Celia. „Er war immer klein und die hatten Angst, dass er umgetreten und verletzt werden würde, aber Großmutter hatte diese Angst nicht. Sie sagte: ‚Spiel zu Lionel, spiel zu dem kleinen Mann, der schießt die Tore.‘ Sie überredete uns auch, ihm Fußballschuhe zu kaufen. Es ist ein Jammer, dass sie ihn heute nicht mehr erleben kann. Sie starb, als er zehn Jahre alt war. Aber wer weiß, ob sie nicht von dort oben sehen kann, was aus ihm geworden ist, und sich nicht für ihren geliebten Enkelsohn freut?“

Doch wie fing Leo mit dem Fußball an? Wer war sein Lehrer? Woher kommt all sein Können – ist es etwa eine Frage der Gene? „Keine Ahnung – von seinem Vater, seinen Brüder, seinen Cousins. Unsere Familie hat Fuß-ball immer geliebt. Ich bin auch ein Fan. Mein Idol? Maradona. Seine Karriere und seine Tore habe ich mit großer Leidenschaft verfolgt. Auf dem Platz war er ein Wilder. Als ich ihn mal kennenlernte, sagte ich zu ihm: ‚Ich hoffe, dass mein Sohn eines Tages ein großer Fußballer sein wird und du ihn trainieren kannst.‘“ Ein Wunsch, der in Erfüllung gehen sollte: Als Nationaltrainer Argentiniens von 2008 bis 2010 trainierte Maradona auch Messi.

Die Erzählung wird kurz unterbrochen durch das Klingeln von Celias Mobiltelefon. Sie entschuldigt sich und entfernt sich ein paar Schritte, um dranzugehen. In der Zwischenzeit kommt Marcela auf den jungen Leo zurück. „Er war unglaublich. Er war noch nicht einmal fünf Jahre alt und hatte eine Ballkontrolle wie sonst keiner. Er liebte es, zu spielen, und tat dies unaufhörlich. So donnerte er den Ball immer wieder gegen das Vordertor, bis die Nachbarn ihn baten, ein paar Gänge runterzuschalten.“

Celia setzt sich wieder zu uns und nickt zustimmend. „Wir konnten ihm keine schlimmere Strafe androhen als ‚Heute gehst du nicht zum Training.‘ Er bettelte und flehte dann: ‚Nein, Mutti, bitte, ich werde ganz artig sein, keine Sorge, ich verspreche es‘, bis er mich überredet hatte. Leo war weder ein besonders lebhaftes Kind, noch war er faul. Er war immer ein guter Junge, ruhig und schüchtern, so wie heute noch.“

Tatsächlich? „Ja, wirklich. Der ganze Ruhm interessiert ihn nicht. Wenn er zu Besuch in Rosario ist, will er immer zusammen mit seinem Cousin Emanuel in der Calle San Martín hier bei uns im Viertel spazieren gehen. Erklären wir ihm, dass das nicht geht, weil die Leute in seiner Heimatstadt bei seinem Anblick hysterisch werden und ihn auf Schritt und Tritt verfolgen, wird er sauer. Er versteht das nicht. In Barcelona geht er in Turnschuhen und Sportsachen zum Kaufhaus Corte Inglés. Ronaldinho hat ihm immer mal wieder das Haar zerzaust und ihm gesagt, dass er verrückt ist, in solchen Klamotten auf die Straße zu gehen. Es interessiert ihn aber gar nicht, wer er ist. Deshalb stört es ihn auch nicht, berühmt zu sein, Autogramme zu schreiben oder Fotos mit Fans zu machen. Wenn er nach längerer Zeit mal wieder nach Hause kommt und ich an manchen Abenden nach ihm sehe, lege ich mich neben ihm aufs Bett. Wir schwatzen, ich streiche ihm durchs Haar, erzähle ihm das eine oder andere und sage halb im Scherz: ‚Was würden die ganzen Mädchen nicht alles tun, um so neben dir zu liegen wie ich.‘ Dann verzieht er das Gesicht und sagt: ‚Ach komm, Mama, sei nicht albern.‘“

An den Wänden der Bar hängen Trikots argentinischer Spieler. Auch das von Leo ist darunter. Es hängt unter einem Fenster und trägt die Nummer 30 vom FC Barcelona. „Die haben keine Ahnung, dass ich seine Mutter bin, obwohl wir in der Stadt wohnen“, meint Celia nur. Sie ist eine Frau, die den Ruhm scheut, sich der Risiken eines Promis vollkommen bewusst ist und klare Prioritäten für ihr eigenes und das Leben ihrer Kinder gesetzt hat. Alles schön und gut, aber wie fühlt es sich an, Mutter eines Stars zu sein? „Ich bin stolz, einfach nur stolz. Wenn ich die Zeitung aufschlage und – hier in Argentinien wie drüben in Spanien – einen Artikel über ihn, seine Rückennummer oder die Kinder, die damit herumlaufen, sehe … dann erfüllt mich das einfach mit Stolz. Deshalb tut es mir auch weh, wenn ich Kritik an seinem Spiel höre oder falsche Informationen über sein Leben verbreitet werden. Es trifft einen tief in der Seele, wenn dich jemand anruft und fragt, hast du dies gesehen, hast du das gesehen. Leo? Der liest doch kaum, was über ihn geschrieben wird. Und wenn doch, macht ihm das nicht viel aus. Aber das heißt nicht, dass er nicht auch harte Zeiten erlebt hat. Selbst er hatte seine Tiefpunkte, als er monatelang verletzt war und die Dinge nicht nach seinem Willen liefen. In solchen Zeiten denke ich nicht lang nach, packe meine Sachen und fliege nach Barcelona – um zu erfahren, was los ist, um in seiner Nähe zu sein und um möglichst gut auf ihn aufzupassen. Leo war immer ein Junge, der seine Probleme für sich behalten hat. Gleichzeitig ist er aber auch sehr erwachsen für sein Alter. Ich erinnere mich noch gut an seine Worte, als wir andeuteten, dass er ja auch nach Argentinien zurückkehren könne: ‚Mama, mach dir keine Sorgen. Ich bleibe, du gehst zurück, und Gott wird mit uns sein.‘ Er hat einen ziemlich starken Willen.“

Celia kommt wieder auf das Thema Erfolg zurück, auf die Leute, die auf beiden Seiten des Atlantiks ganz verrückt sind nach „La Pulga“, dem Floh. „Am schönsten finde ich, dass die Leute ihn so lieben“, sagt Celia. „Ich glaube, dass sie ihn lieben, weil er ein einfacher, bescheidener und guter Mensch ist. Er denkt immer an die anderen und tut alles dafür, dass es jedem in seiner Nähe gut geht: seinen Eltern, seinen Geschwistern, seinen Neffen und Nichten, seinen Cousins. Ständig denkt er an seine Familie. Natürlich bin ich seine Mutter, und eine Mutter erzählt von ihren Kindern, die ja ihr Ein und Alles sind, immer nur Gutes. Aber Leo hat ein ganz großes Herz.“

Wie sieht eine Mutter die Zukunft ihres Sohns? „In Sachen Fußball schreibt er hoffentlich Geschichte, so wie Pelé oder Maradona. Ich hoffe, dass er es weit bringt. Als Mutter aber hoffe ich bei Gott vor allem, dass er glücklich ist und sein Leben lebt. Bisher hat er noch nicht wirklich gelebt, hat er sich doch mit Leib und Seele dem Fußball verschrieben. Er geht nicht aus und tut nicht viel von dem, was junge Leute in seinem Alter so tun. Ich hoffe, dass er ein wunderschönes Leben hat. Er hätte es verdient.“

Draußen vor dem großen Fenster hat sich der Himmel mittlerweile verdunkelt. Der Verkehr ist noch chaotischer geworden. Man sieht Busse, klapprige Lieferwagen, Autos, die eine Rauchwolke hinter sich herziehen, dazu ein von einem abgemagerten Pferd gezogener Karren voller Müll und viele Menschen, die sich zu den Einkaufsläden und Bushaltestellen hindurchschlängeln. Celia muss nach Hause. Dort wartet María Sol auf sie, die Jüngste der Familie. Marcela muss Bruno von der Fußballschule abholen. Es regnet, aber Celia besteht darauf, ihre Gäste bis zum Stadtzentrum zu begleiten. Während sie das Auto holt, spricht Marcela an der Tür noch kurz über die Sorgen einer Mutter – Verletzungen und zu Kopf steigendes Geld: „Bislang haben meine Kinder und Leo nicht den Sinn für die Realität verloren. Ich, meine Familie und die Familie meiner Schwester wohnen in der gleichen Stadt, in der wir zur Welt gekommen sind, in den gleichen Häusern, wo wir schon immer gewohnt haben, wir sind in keine andere Gegend gezogen, wir wollten unsere Wurzeln nicht aufgeben, und unsere Kinder haben sich auch nicht verändert. Ich hoffe, dass das so bleibt und sie sich nicht wie andere Fußballer durch den Ruhm selbst verlieren.“

Ein grauer VW hält am Bürgersteig, dann heizt Celia mit Karacho durch die Straßen von Süd-Rosario. Wir kommen an Leos alter Schule vorbei, wo sie kurz anmerkt: „Er war kein guter Schüler. Er war ein bisschen zu faul.“ Beim Tiro Suizo, einem 1889 von Einwanderern aus dem Schweizer Kanton Tessin gegründeten Sportverein, biegt sie rechts ab. Zwei Kinder bemerken das Auto überhaupt nicht, viel zu beschäftigt sind sie mit einem Ball, der zwischen ihren Füßen hin und her flitzt. „Genauso war Lionel auch“, sagt Celia.

Messi

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