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Kapitel Zwölf

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Am nächsten Morgen fuhr Max gleich nach dem späten Frühstück auf der Terrasse hinunter ins wenige Kilometer entfernte Dorf Castelnuovo.

An den Markttagen war die einzige Straße durch den Dorfkern mit Marktständen besetzt, und er musste den Volvo auf dem großen Parkplatz gleich beim Dorfeingang parkieren. Gemächlich schlenderte er die Straße hinauf, die sich der hohen Mauer um den Park der Villa Chigi entlang zur Piazza zog. Die Marktstände reihten sich im Schatten der Mauer aneinander, über die Piazza hinaus und vorbei an der wie an jedem Markttag dicht mit Gästen besetzten Terrasse der Bar Centrale.

Dank Leonardos Beschreibung erkannte er Julia schon von weitem. Er bahnte sich einen Weg durch den Knäuel der Marktbesucher zu ihrem Stand, wo sie in ein Gespräch mit einem Marktbesucher vertieft war. So stellte er sich vorerst neben die Eingangstür der Bar und wartete. Das gab ihm Zeit, die Verkäuferin und ihre Auslagen ein wenig genauer zu betrachten.

Er sah eine kleine, attraktive Frau in Jeans und einem etwas zu weiten, grob karierten Männerhemd, dessen Ärmel bis über die Ellenbogen aufgekrempelt waren. Arme und Gesicht waren sonnengebräunt. Die dichten schwarzen Haare fielen ihr auf die Schultern. Obschon sie die leicht gewellten Strähnen mit einem Haarband hinter den Ohren zu bändigen versuchte, rutschte ihr die eine oder andere immer wieder ins Gesicht, wo sie mit einer energischen Handbewegung wieder an ihren Platz verwiesen wurde.

Max hörte sie mit dem Besucher sprechen, ohne dass er ihre Worte von seinem Standort aus verstehen konnte. Ihr Alter konnte er schwer einschätzen. Er sah aus der Distanz einige graue Strähnen in ihrem Haar. So Mitte vierzig, vermutete er.

Neben ihr saß eine deutlich jüngere Frau auf einer der hölzernen Kisten, die wahrscheinlich dem Transport der Produkte auf den Markt gedient hatten. Sie beteiligte sich nicht am Gespräch und tippte mit den Daumen auf ihrem Handy herum.

Julia schien seine Blicke zu spüren. Sie wandte das Gesicht für einen Moment von ihrem Gesprächspartner weg und blickte zu Max hinüber. Da sich gleichzeitig der Besucher verabschiedete, ging Max rasch die paar Schritte zu ihrem Verkaufstisch hinüber.

Julia empfing ihn mit einem freundlichen Lächeln.

„Sie müssen der deutsche Journalist sein, den mir Leonardo angekündigt hat. Das ging aber schnell!“

Sie kam hinter ihrem Verkaufsstand hervor und streckte Max die Hand entgegen.

„Buongiorno. Ich bin Julia.“

„Und das“, sie wies auf die junge Frau neben ihr, die inzwischen ihr Handy in die Tasche gesteckt hatte, „ist meine Freundin Isa. Sie hilft mir manchmal, wenn sie Zeit hat. Sonst arbeitet sie im Shop des Olivenguts San Vicente, wo sie während der Saison auch eine beliebte Touristenführerin ist.“

Isa stand auf und lächelte Max freundlich zu. Sie mochte etwas über zwanzig sein, mit kurz geschnittenen dunkelbraunen Haaren und wachen Augen, die Max freundlich musterten.

Max schüttelte beiden die Hand.

„Piacere! Ich bin Max.“

Julias Händedruck zeigte ihm, dass die Kraft, die in diesen Händen und Armen steckte, die wahrscheinlich nicht in einem Fitnessstudio erworben wurde.

„Sie haben recht, ich bin der Journalist, von dem Leonardo mit Ihnen gesprochen hat. Ich fürchte, ich komme etwas ungelegen?“

Er wies auf ihre Auslagen und die Menschen, die an den Marktständen vorbei promenierten.

„Das sind ja wahrscheinlich alles Ihre Kunden“, vermutete er. „Ich kann gerne auch später wieder vorbeikommen. Sagen Sie mir einfach, wann Sie mir etwas Zeit widmen können. Leonardo hat Ihnen ja sicher gesagt, dass ich für einen Text über Oliven und Olivenöl recherchiere und nach jemandem suche, der mir ein wenig Nachhilfe zu diesem Thema gibt.“

Sie schenkte ihm ein weiteres Lächeln.

„Schön wär’s, wenn das alles meine Kunden wären“, meinte sie mit einer bedauernden Handbewegung. „Aber ich denke auch, dass wir eine etwas ruhigere Zeit und Umgebung für eine kleine Schulstunde finden sollten.“

Sie dachte kurz nach.

„Der Markt schließt in einer Stunde. Ich brauche eine halbe Stunde, um meine Produkte und den Verkaufstisch wieder in meinem Pickup zu verstauen. Nachher habe ich meist einen Bärenhunger, obwohl ich ja eigentlich den ganzen Vormittag hindurch nur hier herumstehe.“

Sie zeigte mit der Hand in die Richtung, aus der Max her-gekommen war.

„Weiter unten gibt es eine kleine Osteria. Sie heißt Que Due. Nach dem Markt esse ich dort gerne eine Kleinigkeit. Sie haben auch einen schönen Garten. Wollen wir uns, sagen wir um halb zwei Uhr, dort zu einem kleinen Lunch treffen?“

„Das passt gut. Ich kann Ihnen aber gerne auch beim Zusammenpacken helfen. Dann komme ich einfach zum Marktende wieder hierher!“

Julia wehrte mit einem Lachen ab.

„Das ist nett von Ihnen, vielen Dank! Aber glauben Sie mir, diesen ganzen Krempel hier“, und sie zeigte mit einer Handbewegung auf ihre Auslagen, „so zu packen und zu verstauen, dass er in meinem Pickup Platz findet und daheim in der richtigen Reihenfolge wieder ausgeladen werden kann, klappt nur, wenn ich das selber mache.“

Sie blickte kurz zu Isa, die außer der Begrüßung nichts gesagt hatte.

„Zudem wird Isa mir heute helfen können. Aber nochmals vielen Dank für Ihr großzügiges Angebot!“

Ein asiatisch aussehendes Touristenpaar trat an ihren Stand, und sie beendete rasch das Gespräch.

„Ci vediamo! Nicht vergessen: Que Due!“

Damit wandte sie sich den beiden Touristen zu, die sich nach einer Kostprobe ihres Olivenöls erkundigten.

Max ließ sich noch eine Weile mit der Menschenmenge durch den Markt treiben. In einem der Cafés bestellte er einen Ristretto und schaute dem farbenfrohen Gewimmel der Menschen zu, die an ihm vorbeiflanierten. Er musste an die vielen Märkte denken, die er aus seiner Heimat jenseits der Alpen kannte. Dort war alles bis ins letzte Detail geordnet und reglementiert. Verglichen mit einem Wochenmarkt in der Schweiz oder in Deutschland herrschte hier das reine Chaos. Und doch funktionierte der Markt genauso perfekt wie im Norden, auch wenn die Stände nicht genormt, die Auslagen nicht mit dem Millimeterstab aus-gerichtet und die Produkte nicht mit staatlichen Gütesiegeln ausgestattet waren. Er schloss kurz die Augen und ließ den Ristretto in winzigen Schlucken die Kehle hinunter rinnen. War das der Grund, weshalb so viele Nordeuropäer Italien zu ihrem Sehnsuchtsland erkoren hatten? Er wusste natürlich, dass die Vorstellung vom italienischen Lebensgefühl des „dolce far niente“, die so viele Touristen fasziniert, nicht mehr war als eine romantische Illusion. Doch wer nur wenige Tage oder Wochen hier verbrachte, konnte die Traumbilder leicht aufrechterhalten. Er reiste ja meist wieder ab, bevor die Realität des Lebens in Italien ihn einholte und die Illusionen platzen ließ.

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