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3.4 Konsequenzen für die Großformen Mitteleuropas

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Die in den vorangegenagenen Texten referierten neueren geologischen und vor allem geochronologischen Erkenntnisse bilden die Voraussetzung, um die folgenden Gedanken über eine Revision bisheriger Lehrmeinungen zur Geomorphogenese der mitteleuropäischen Mittelgebirge nachvollziehen zu können. Danach sind die Großformen unseres Betrachtungsraumes mit wenigen räumlich unbedeutenden Ausnahmen erst seit dem Tertiär entstanden. Vor allem die in der Nachkriegszeit jahrzehntelang vorherrschende Klimagenetische Geomorphologie sah im auffälligen Stockwerkbau deutscher Mittelgebirge eine unter warm-feuchtem („tropoidem“) Klima gebildete mehrgliedrige Rumpftreppe. Dieser Ansatz wurde erst in jüngerer Zeit zugunsten einer morphotektonischen Interpretation revidiert (Peterek 2012, Hüser & Kleber 2002), wobei aber auch von einer unter tropischem Klima entstandenen Rumpffläche ausgegangen wurde.

Östlich einer Linie vom Osning über den Teutoburger Wald, den Thüringer Wald, den Frankenwald, das westliche Fichtelgebirge, den Oberpfälzer Wald und den Bayerischen Wald (Abb. 3.18) fallen mehr oder weniger Nordwest-Südost-Streichrichtungen der Höhenzüge ins Auge, also mehr oder weniger parallel zur Tornquist-Teysseire-Zone. Daneben tritt, vor allem entlang des Eger-Rifts, die Südwest-Nordost-Erstreckung (erzgebirgisch) in Erscheinung (Erzgebirge, Kaiserwald). Abweichende oder uneinheitliche Richtungen der Höhenzüge kennzeichnen den südlichen und südöstlichen Teil der Böhmischen Masse.

Südwestlich dieser „geomorphologischen Diagonale“ fallen Nord-Süd- bzw. Nordnordost-Südsüdwest-Erstreckung vor allem entlang des Mitteleuropäischen Grabensystems (Oberrheingraben, Hessische Senke, Leinetalgraben) sowie Südwest-Nordost-Ausrichtung von Höhenzügen besonders im Rheinischen Schiefergebirge auf. Der Verlauf markanter Schichtstufen sei an dieser Stelle noch ausgeklammert.

Die besprochenen thermochronologischen Daten – auch wenn eine flächendeckende Verfügbarkeit wünschenswert wäre – erscheinen vielleicht geeignet, diese auffälligen Richtungsunterschiede zeitlich-genetisch zu erklären. Alle auffällig nordwest-südost-erstreckten Mittelgebirge unterlagen – soweit Daten vorliegen – einer rapiden Abkühlung der Gesteinssäule in der obersten Kreidezeit bis ins älteste Tertiär. Im Falle der Lausitzer Überschiebung, der Harznordrandüberschiebung und der Fränkischen Linie kann anhand der geologischen Befunde eine bedeutende Aufschiebung als Ursache der schnellen Abkühlung klargestellt werden. Allerdings ist diese rasche Abkühlung und Exhumierung nicht auf die herzynisch streichenden Gebirge beschränkt, wie die Beispiele aus dem sächsischen Grundgebirge gezeigt haben. Eine oberkretazische Anlage der Großformen bedeutet nicht, dass diese seitdem nicht durch Denudation verändert wurden, aber die jüngere Denudation war zu gering, um sich mit den bisher verfügbaren thermochronologischen Methoden nachweisen zu lassen.

In den Mittelgebirgen südwestlich der oben genannten Linie unterstützen die Zeit-Temperatur-Pfade (T-t-Pfade) eine derart klare Hypothese nicht. Im Falle von Hohem Venn und Schnee-Eifel (Nord-Eifel) liegen zwar noch keine thermochronologischen Ergebnisse vor, der Nachweis von oberkretazischen Feuersteinen selbst auf dem höchsten Rumpfflächenniveau (Albers & Felder 1981) schließt aber hier eine oberkretazische starke Heraushebung aus. Die Entstehung der Rumpftreppe am Nordabfall des Hohen Venns infolge differenzierter Blockschollenhebung kann anhand von Resten mittel- bis oberoligozäner Sande sogar auf postoligozän eingegrenzt werden. Ähnliche Ergebnisse liegen für die Eifel (Löhnertz et al. 1978, Semmel 1996, Frankenhäuser et al. 2009) und für den Osthunsrück (Zöller 1984, 1985) vor. Somit wird hier die Hypothese aufgestellt, dass in den Gebieten südwestlich der geomorphologischen Diagonale vornehmlich oligozäne und neogene Tektonik für die Anlage der Großformen und des Stockwerkbaus verantwortlich ist.


Abb. 3.18 Die geomorphologische Diagonale Mitteleuropas erstreckt sich vom Osning über den Teutoburger Wald, den Thüringer Wald, den Frankenwald, das westliche Fichtelgebirge, den Oberpfälzer Wald und den Bayerischen Wald bis an den Donaurandbruch. Im Abschnitt zwischen dem Südostende des Thüringer Waldes und dem Meißner setzt sie aus oder ist im Großrelief nur undeutlich erkennbar. Zwischen Oberpfälzer Wald und Bayerischem Wald ist sie nach Südwesten versetzt (Kartengrundlage: Free Relief Layers for Google Maps, www.maps-for-free.com).

Die hier aufgestellten Hypothesen, die in näheren Untersuchungen in den kommenden Jahren zu überprüfen sind, können die aufgeworfenen Fragen noch nicht endgültig lösen. Sie können aber hoffentlich Diskussionen und vor allem die Weiterentwicklung neuer Methoden beflügeln. Dabei sollten auch sich abzeichnende neueste Ergebnisse aus China im Auge behalten werden, wonach in der ohnehin warmen obersten Kreidezeit (Maastricht) drastische Temperaturschwankungen bis zu 20 °C in Zeiträumen von nur Zehntausenden Jahren rekonstruiert wurden, die auf Auswirkungen des Dekkan-Trapp-Vulkanismus (Indien) zurückgeführt werden (Qiu 2015). In den Warmphasen stieg danach der atmosphärische CO2-Gehalt bis auf etwa den doppelten Wert an, was die ohnehin starke Kohlensäureverwitterung noch erheblich verstärkt haben muss. Die drastischen, relativ kurzzeitigen Klimaturbulenzen hingegen dürften zur beschleunigten Abtragung der Verwitterungsresiduen geführt haben.

Die Physische Geographie Deutschlands

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