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Santo Domingo de la Calzada - Belorado

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Am nächsten Morgen waren aber Brötchen gebacken – kleine Brötchen – oder besser ganz kleine Brötchen. Verdammt, ich war auf Zwieback eingestellt. Am Nebentisch saßen bereits zwei ältere Paare. Der Hüne und seine kleine Tippie, keine Deutschen, sondern Belgier, mit ihren deutschen Freunden. Das andere Paar ist vor Jahren schon den Camino gegangen, fuhr jetzt mit dem Auto die Strecke, um sich alle Sehenswürdigkeiten anzusehen. Es stimmt schon, wenn man läuft, ist man nicht auf Besichtigungstouren aus. Sie würden die Koffer transportieren und immer die Unterkünfte für alle Vier buchen. Ohne Gepäck lässt es sich eben strammer stickeln.

Bei der Schlüsselabgabe hatten wir wieder die Nonne vom Vortag, nein sie hatte nicht nur gestern einen schlechten Tag. Nach kurzer Diskussion – ob Frühstück schon bezahlt – sie sagte nein, wir bleiben bei: Hatten wir bereits gezahlt, zogen wir los.

Dieser Wandertag sollte in Belorado nach 23,6 km enden. Locker - oder noch locker – erreichten wir nach 7,3 km den Ort Graňón. In Sichtweite gab es einen Pilgerauflauf. Die Päuschenmacher sammelten sich vor der Bar. Die Osnabrücker auch, natürlich musste er in Wuschis fast offene Wunde pieken. Die Frikadellen waren in der Herberge dankend abgenommen worden. Er war darüber verwundert, wie viel doch eine junge Frau essen konnte. Er packte noch drei Bier aus seinem Rucksack, nun wollte er die übriggebliebenen Flaschen nicht weiter mitschleppen. Dass er die bis hierher geschleppt hatte, alle Achtung.

Diesmal war Wolfgang mit der Bestellung beauftragt und die beiden Frauen, die das Kloster zum Übernachten suchten, setzten sich zu mir. Ihre Männer waren sehr früh, mit 54 und 55 Jahren, verstorben. Sie lernten sich auf einem Trauerseminar kennen. Da kam Wolfgang, die Frauen standen auf, legten sich jeweils ein Frotteetuch um, in rot und orange, schnallten sich die Rucksäcke um und gingen mit Buen camino. Ich hatte den Eindruck, sie wollten mir noch etwas mitteilen.

Weiter ging es nach Redecilla del Camino. Kein Baum – kein Strauch, man betrat den Ort und war auch schon wieder am Ende. Ständig an der Autobahn ging es weiter nach Castildelgado, wo ich der irrigen Annahme war, es wäre schon der Ort Viloria. Dachte noch: Was sind wir doch schnell heute! Pustekuchen, der Ort war im Reiseführer nicht als Kilometerpoint aufgeführt.

Ein Pfeil führte uns links in Feldwege, weg von der Autobahn, ging es wie üblich hinauf und hinunter. Nach längerem Laufen, rechts ab – links ab – rechts ab, landeten wir wieder an der Autobahn. Von der Seite kam ein Pilger, er kannte sich wohl aus und war geradeaus gepilgert, damit gefühlte 2 km gespart. Dann kam Viloria, lud dieser Ort zum Verweilen ein? Bot er die Möglichkeit eines kühlen Getränkes? Forderte auf Platz zu nehmen im lauschigen Schatten? Nö – hier gab es so was von nix. Im schmalen Schatten der Mauer eines Gebäudes, hingen die erschöpften vier Amerikanerinnen. Der Tag wäre einfach zu heiß. Doch einen Brunnen gab es, mit einem großen X, also trinken darf man auch nicht. Es war Mittagszeit. Man brauchte nicht auf die Uhr sehen, der Sonnenstand sagte alles.

Haute mich neben einen jungen Mann auf den Kantstein im Minimalschatten. Er zog gerade seine einfachen Turnschuhe aus, die völlig durchgesifften Frotteesocken, ehemals weiß vielleicht, folgten. Wunderte mich keineswegs, dass farben-frohe Blasen zum Vorschein kamen. Für Mitleid war ich aber zu erschöpft. Quakte noch einen Autofahrer an, wo denn hier der Bus abfährt. Mit den Worten, er wäre auch fremd hier, kurbelte er das Autofenster schnell hoch und haute ab. Feigling.

Weiter nach Villamayor sind es ja nur noch lächerliche 3,2 km, erst an der Landstraße und später wieder an der Autobahn lang. Freute mich, als endlich die Ortschaft näher rückte. Auf der anderen Seite der Landstraße sah ich eine Bar, Wolfgangs Übliches: Lass uns doch noch weiter oben gucken, lenkte uns daran vorbei. Im Reiseführer stand: Verwechseln Sie die Herberge nicht mit dem ebenfalls, nicht weit von hier befindlichen Club Siroco. Es handelt sich um ein Bordell. Suchte er das? Foto machen oder was.

Schon waren wir durch Villamayor hindurch, kein Café con leche oder so. Wer mich kennt, weiß, dass man das nicht mit mir macht. Nonnengrimmig eilte ich im Hünenstickschritt vorwärts, denn eins macht man nie, zurückgehen!!! Irgendwann gab es einige Bäume am Weg. Ich blieb stehen und meinte, hör mal wie die Vögel singen. War eine ganz laue Anmache von mir, um die Wogen wieder zu glätten. Er konnte ja nicht wirklich was dafür, dass es kein Café mehr gab.

Es wurde immer schwüler, wir waren müde und die Füße schon lange in ”Endzeitstimmung“. Wir pilgerten neben der Nationalstraße. Die aufmunternd hupenden Lastwagenfahrer lachte ich nicht mehr freundlich an, sondern grummelte erschöpft. Aber das sahen sie zum Glück nicht. Der Weg wollte nicht enden. Auch bei diesen letzten angeblichen 5,4 km müssen die sich verrechnet haben.

In der Ferne tauchte dann am Ortseingang von Belorado die private Herberge, mit Doppelzimmer hoffentlich, a Santiago auf. Bis dahin und keinen Schritt weiter, sagte mein Kopf und wehe die sind belegt. 16,2 km ohne längere Pause das geht ja mal gar nicht. Vielleicht ist es auch anders, wenn man vorher darauf gefasst ist, dass keine Möglichkeiten der Unterwegserfrischungen kommen.

Es war noch ein Doppelzimmer frei, gerne haben wir es genommen. Auf der Theke prangte frisch gebackener Kastenkuchen, der unverzüglich mit Kaffee geordert und Genuss verspeist wurde. Als wenn ein Schalter in meinem Kopf umgelegt wurde, ging es mir viel besser. Wir wurden durch die Albergue zum Zimmer geleitet. Aha, Waschmaschinen gab es auch. Nach dem Duschen raffte ich alle nicht am Körper befindlichen Kleidungsstücke zusammen und trottete zu den Waschmaschinen und Trocknern. Stopfte alles in eine Maschine, Farbe war mir wurst, schmiss die Geldstücke in den Zähler und drehte am Knopf. Der Zähler an der Wand tickte herunter, aber die Waschmaschine selber erzählte mir keine Trommelgeschichten. Hatte ich den falschen Zähler? Nö. Da musste ich doch hilfesuchend nach vorne laufen. In Begleitung ging es wieder zurück. Die junge Frau drehte den Knopf einen Millimeter in die andere Richtung und die Maschine lief. Ja ja, was hatte ich doch für einen Supertag.

Die 700 m in den Ort waren uns zu weit, man muss ja auch immer zurücklaufen, im Ergebnis 1,4 km zusätzlich. Folglich beschlossen wir in der Albergue ein Pilgermenu einzunehmen. Nach unserer Bestellung wurde Paella an einen etwas weiter weg stehenden Tisch ausgegeben. Es gibt ja appetitlichen Fischgeruch und den anderen Geruch, hier war es definitiv der andere. Wären wir doch bloß noch gelaufen – oder weggelaufen. Die Strafe für uns faule Bande folgte. Es gab Rotwein, eisgekühlt (man singt das doch nur über Bommerlunder), eventuell damit die ”Qualität“ nicht so durch kommt. Die Vorspeisen, Spaghetti und Knoblauchsuppa, gingen ja noch, dann folgte mein Pollo umrahmt von Matschpommes. Das Öl in dem das Hähnchenbein, man hatte vergessen dem Bein die Gummistützstrümpfe abzunehmen, gebraten wurde, muss man sehr geliebt haben und konnte sich seit Längerem nicht von ihm trennen. Nach zweimaligem Anpicken war ich satt. Obwohl Wuschi nur gut mit dem Öl getränkte Spiegeleier mit Schinken gegessen hatte, verweigerte er auch el Pollo.

Vor der Herberge auf der Terrasse saßen die Rasencamper mit Hund, der Stetsonträger war auch wieder dabei. Er wolle den nächsten Tag am Pool verbringen, es gab hier ein etwas größeres Planschbecken. Der kommende Tag wäre ja ein Sonntag, da würden keine Busse fahren. Ach – Mist – wir wollten auch mit dem Bus fahren. Völlig abgekämpft gingen die vier Amerikanerinnen winkend an der Albergue vorbei. Schade, es war das letzte Mal, dass wir sie trafen. Die jungen Leute kochten sich ihr Essen selber, der eigene Wein schien ihnen bestens zu schmecken. Ich erkundigte mich danach, wem denn der Hund gehöre. Sein Herrchen wäre ein Schweizer. Wir brachen auf, um schnell unsere auf der Spinne hängenden Wäschestücke vor dem nahenden Gewitter zu retten. Da kam der Schweizer beladen mit einer dampfenden Pfanne an mir vorbei. Vor Jahren wäre Bob Dylan auf seine Haartracht neidisch gewesen und jung war er auch nicht. Trotz Windböen hing sein Siffaroma einige Zeit nach, der erste Pilger mit Körpergeruch.

Nun war unsere Wäsche frisch und trocken, sauber bis auf meine Fettflecken. Sie wollten wohl noch weiter mitlaufen und saßen immer noch dort, wo sie nicht hingehörten. Der kräftige Regen spülte die drückende Luft fort und wir sanken müde um 20.30 Uhr ins Bett.

Mails von Marge

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