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Jan-Derek

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Jan-Derek hielt sein Handy in der Hand und wartete, ob der verrückte Theodor sich noch einmal meldete. `Einsam oder was?´, dachte er grimmig. Als wenn er nicht schon genug zu tun hätte. Er besah sich die drei Mappen in dem schwarzen Ledereinband, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. Auf ihrem Einband war das Blau-weiße VW Zeichen eingestanzt. Er sah auf die Uhr. Schon halb drei. „Au Backe“, Er kratzte sich mit den oberen Schneidezähnen an der Unterlippe, wie er es auch beim Tennis zu tun pflegte, wenn es eng wurde. Und es wurde nicht selten eng. `Ganz andere Luft dort oben an zwei´, dachte er bei sich, um seine Laune aufzubessern. „das kann Theo nicht nachvollziehen. Das bisschen Ball-hin-und-her-Geschubse. An zwei spielt man schon richtig Tennis!´ Er sah durch die große Scheibe nach draußen in den Verkaufsraum. `Auch ganz andere Luft als in Theos Bücherstube. Ist der nicht sogar Beamter?´ Selbst wenn er erst in einer Stunde aufbrach - und das war eindeutig zu spät: Mehr als zwei von drei Mappen schaffte er dann auch nicht. „Ein Auto muss ich auch noch besorgen.“ Schließlich wollten sie nicht mit dem Bus nach Laboe fahren. Jan-Derek klemmte sich die Mappen unter den Arm. `Ich brauch einen Buddy´, war der Gedanke, den er in solchen Situationen zu denken pflegte. Betont unauffällig streifte er durch den großzügig angelegten Verkaufsraum. Auf zwei Etagen nichts als glänzender Lack und Ledergeruch. Bloß keinen Anflug von Eile zeigen. Im Erdgeschoss waren drei von vier Verkaufstischen besetzt. Zwei der vier Bürodamen standen hinter dem Tresen im Verkaufsraum. „Wo sind die anderen Zwei mal wieder? Rauchen oder Käffchen trinken. Die dicke Olga hat wahrscheinlich schon wieder Feierabend gemacht. Freitagnachmittag und alle denken es ist Wochenende. Dabei ist es Showtime!“ Von weitem traf ihn der Blick von Janz. `Die sterile Halbglatze...´ Sogar über den Kopf eines Kunden hinweg behielt Janz den Überblick über das, was im Haus geschah. `Guter Mann´, gestand Jan-Derek ihm zu, aber zum Du würden sie nicht mehr finden. `Riesen Stock im Arsch, hat sich auch nach vier Jahren noch nicht gebessert. Oder wie lange ist der jetzt hier? Kam damals zur Japan-Südkoreaweltmeisterschaft. Machte sich gleich über meine Idee mit der Sushi Deko lustig. Stank noch nach zwei Wochen im ganzen Haus das Zeug. Würd ich auch nicht mehr machen. Keine Lebensmittel auf die Kühlerhaube. Die Brasilianerin war besser. Wie hieß sie noch? Für Katar dann ne Araberin. Mal was anderes. Sollte ich mir notieren. Im Internet kriegst du sowas. Wann war Japan? 2002! Der ist doch nicht schon 13 Jahre hier. Muss wohl so sein. Da waren die Kinder ja noch nicht mal geboren. Keine Sorge´, zischte Jan-Derek und wiegte die zwei Mappen in der Hand hin und her, „dir geb ich schon nicht meine dicksten Fische.´ Immerhin steckten in den Mappen zweimal Tiguan und einmal Golf Plus. `Du schreibst da glatt deinen eigenen Namen drunter.´ Jan-Derek wusste, dass Janz das nicht tun würde. Er würde die Mappen ganz einfach nicht annehmen. Vermutlich verstünde er gar nicht, was Jan-Derek von ihm wolle. `Kollegenschwein´, dachte Jan-Derek, `ein aufmerksames Kollegenschwein. Hätte auch zur Stasi gehen können.´ Die Tür des Chefbüros. Eiche in Stahloptik. Eher industriell als klobig. Jan-Derek hatte versucht, so etwas für sein Arbeitszimmer zu Hause zu bekommen. War aber anscheinend eine Extraanfertigung. `Ich kann um Aufschub bitten. Die drei hier nehme ich mit nach Haus. Bekommt ihr am Montag. Mh, nicht meine Art.´ Er brauchte ja auch noch ein Auto. `Da kann ich dann auch gleich nach fragen: Hey Jungs, ich nehme mir dann noch ein Auto mit. Ok, DJ, bester Mitarbeiter. Pass aber auf, dass keiner von den Jungs reinkotzt. Ehrensache.´ Der dünne Michael saß am Tisch vorne und starrte auf seinen Computer. `Hat mal wieder keine Kunden. Arme Sau und das am Freitagnachmittag.´ Letzten Freitag hatte Jan-Derek zwei A8, einen Golf…die Liste war lang. `Dass der sich immer noch hält. Die Zahlen, die er bringt sind anscheinend ausreichend, unteres Limit, aber ok. Ich frag mich nur, wann er die einfährt. Verkauft er online oder was?´ Auf jeden Fall schuldete Michael ihm keinen Gefallen und er ihm bisher auch nicht. `Dabei kann es bleiben! Apropos Gefallen: Trixi!´ Aber wo war die geile Trixi? Hinter dem Tresen standen die weißblonde Viktoria und die kleine Hellen. „Aber wo ist Trixi-Bitch?“ Er hatte vor ein paar Wochen bei der Kontrolle des Überwachungsvideos gesehen, wie sie die Karte eines Kunden entgegengenommen hatte. Auf eindeutig privater Ebene. Er hatte sie nur spaßeshalber darauf angesprochen. Sie hatte es zunächst geleugnet und ihn dann sehr giftig angesehen. Dabei hatte er doch nur einen Spaß gemacht. `Nun ist es aber mindestens eine Mappe wert. Trixi schreibt ganz sicher nicht ihren billigen Namen unter mein schönes Auto.´ Aber Trixi stand nicht hinter dem Tresen. Den Gedanken mit drei Mappen unter dem Arm raus auf den hinteren Parkplatz in die Raucherecke zu gehen und Trixi dort zu stellen, verwarf Jan-Derek. Um Zeit zu gewinnen, starrte er durch den Verkaufsraum als wenn er etwas suchte. In Wirklichkeit hatte er die Lust am Suchen verloren. Drei Mappen waren doch ein heikles Thema. Außerdem hatte er bereits Feierabend. Das war mit den Chefs abgesprochen. „Was suche ich also noch hier.“ Er drückte die Mappen enger an sich und ging zurück in sein Büro. Dort warf er sie auf den Schreibtisch. „Bis Montag müssen die Dinger fertig sein. Ohne PC schwierig. Muss Lindas I Pad mitnehmen. Muss dann noch das Programm installieren. Vielleicht mach ich gleich alles auf dem Stick.“ Er kratzte sich am Kopf. Das nächste Mal würde es doch ein Samsung werden. Der Stick mit dem Programm lag in der Schublade. Schwungvoll riss er sie auf. `Nicht wirklich ein Spaß, das auf dem I Pad zu erledigen.´ Er griff sich die Mappen, steckte den Stick und seine Schlüssel in die Jackentasche und verließ das Büro. Mit einem leicht angedeuteten, keineswegs aufdringlichen Lächeln steuerte er auf den Empfangstresen durch. Er wusste, was sie von ihm erwarteten. „Hallo die Damen.“ Hellen strahlte ihn an. Viktoria sah kurz auf, lächelte kühl und heftete weiter Zettel ab. `Du bist wenigstens sexy!´, dachte Jan-Derek und wandte sich an Hellen. „He has left the building.“ Hellen Strahlen verlor ein wenig an Glanz. Aber sie hielt es aufrecht. Nur eine leichte Neigung ihres Kopfes verriet ihre Ungeduld. “Wer denn?” “Ich”, erklärte Jan-Derek, „gleich bin ich weg, aber nicht in den Feierabend, wie du jetzt denkst“, er bezog Viktoria absichtlich nicht mehr in das Gespräch mit ein, „sondern auf Probefahrt.“ Hellen musste lachen. Jan-Derek nutzte den Augenblick: „ Eine längere Probefahrt und dafür brauche ich.., nein, machen wir es andersherum: Sag mir, wer mich braucht?“ Sie zuckte hilflos mit den Schultern. Viktoria hob den Kopf und bemerkte tonlos: „Deine Frau vielleicht?" „Janni“, beeilte sich Hellen „wir haben hier noch ein bisschen was zu tun.“ Dass sie ihn Janni nannte, gefiel ihm nicht wirklich. Er war am Ende der 40 er angekommen und damit sicher doppelt so alt wie die Hühner am Tresen. Andererseits entsprach es zu seiner Firmenpolitik: Verbünde dich mit den Unterprivilegierten! Sei gut drauf! Sei der Janni und sieh zu, dass sie für dich die Mäuse an den Speck locken. Selbst die Putzfrauen behandelte er freundlich. Auch wenn sie ihn nicht Janni nennen durften. Auf die Zahlen kam es an. Nur darauf. Dafür ließ er sich Janni, DJ oder auch Jan-Derek nennen. Für die Kunden natürlich immer Herr Vorsaum. `Von mir aus auch VW Vorsaum.´ Verstohlen sah er zu Janz herüber. `13 Jahre… und immer noch für alle Kollegen der Herr Janz. Geht also auch so. Aber als Stinkstiefel will man ja auch nicht durch die Welt gehen.´ „Gut“, sagte er laut, „nichts freut mich mehr, als wenn ihr im Akkord für das Haus arbeitet.“ Er sah auf das Schlüsselbrett hinter Hellens Kopf. „Gib mir den großen weißen da.“ „Den Tuareg? Das ist ein Extramodell. Der war für den Saudi.“ „Jep.“ „Muss ich mit Herrn Soltje abklären.“ „Schon geschehen.“ Jan-Derek hielt ihrem Blick stand. Mit sanften Augen und einem gutmütigem Lächeln von Mundwinkel zu Mundwinkel. So gesehen war er im besten Mannesalter. Die Haare noch dunkel und nur an den Schläfen leicht ergraut. Die Haut fast noch glatt, die Zähne weiß und eine Ausstrahlung, die kein 20-Jähriger bieten konnte. Er roch förmlich nach Erfahrung. Besser noch: Nach vitaler Erfahrung. Das Leben hatte ihn weder müde noch griesgrämig gemacht. Im Gegenteil: Er war gelassener geworden. „Wie du meinst“, bestätigte Hellen und nahm den Schlüssel vom Haken. Viktoria sah von ihren Klemmblöcken auf. „Ist jetzt nicht euer Ernst, oder?“ `O Viktoria´, dachte Jan-Derek, `immer einen Furz schief sitzen.´ Er strafte sie mit leichtem Kopfschütteln, `Mädel, du verträgst die kumpelhafte Tour nicht. Mach so weiter und du fällst hier ganz schnell auf deine hübsche Nase!´ Laut sagte er: „ Viktoria wie lange? 1 Jahr? 2 Jahre? Wenn du 20 Jahre hier bist, wie ich, dann darfst du auch mal an die Großen ran.“ Er streckte Hellen seine Hand entgegen und wartete, dass sie ihm den Schlüssel hineinlegte. „Sag das deiner Frau“, murmelte Viktoria und sah wieder auf ihr Klemmbrett herunter. `Heute hat sie es aber mit meiner Frau.´ Jan-Derek deutete es als Zeichen, dass Viktoria scharf auf ihn war `Vermutlich hat sie sogar Recht und ich übertreibe es gerade ein wenig.´ Für eine Rückkehr war es nun zu spät. Er spürte das Gewicht des Touareg-Schlüssels in der Hand. „Danke“, sagte er mit festem Blick auf Hellen und bemühte sich, das Siegerlächeln aus dem Gesicht zu bekommen. `Bin ich gut´, lobte er sich. Er sah zu Viktoria hin, doch die hielt den Kopf gesenkt.


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