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Theodor

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Theodor saß bei geöffneter Fahrertür im Auto und hörte leise Radio. Er war unzufrieden. Um halb fünf wollte er in Laboe sein. Sollte er. So hatte die Wirtin es ihm in der Email empfohlen und daran wollte er sich halten. Die gewählte Abfahrtszeit von 15 Uhr hatte er dementsprechend mit genügend Zeitpuffer versehen. Nun war es zehn nach drei und niemand außer ihm war da. `Was sind das für Sportler´, stöhnte er. Er überlegte Frauke noch einmal anzurufen. Waren die Kinder heil zu Hause angekommen? Ein Wochenende musste sie alle drei mal ohne ihn bespaßen. Er könnte ihr wenigstens noch Glück wünschen. Aber wahrscheinlich traf gerade dann einer aus der Mannschaft ein. Also wartete er weiter. Zwei Minuten später fuhren zwei Autos hintereinander auf den Parkplatz. Ein Mercedes und ein Mazda-Cabrio. Dierk im Mazda wollte als Rechtsabbieger dem linksabbiegenden Mercedes den Vorrang lassen. Doch Karsten verweigerte sich und eine kurze Zeit bekämpften sich beide mit ihren Lichthupen. Dann endlich fuhr Dierk auf den Parkplatz. Karsten musste noch ein paar Autos, die hinter Dierk gewartet hatten, durchlassen und folgte dann. Müde stand Theodor auf. `Wie zu Hause´, dacht er, `aber immerhin streiten sie sich darum, wer der Höflichere ist, im Gegensatz zu den Kindern.´ Er wartete vor seinem Passat und beobachtete, wie Dierk sich aus seinem viel zu niedrigen Auto zog. Es kam Theodor vor wie in Zeitlupe, als Dierk den Kofferraum öffnete, hineinstarrte, darin kramte, sich dann unverrichteter Dinge abwandte und auf ihn zukam. Die Kofferraumklappe ließ er geöffnet. „Moin, Theodor.“ Theodor überlegte kurz, ob er den Neuen dazu auffordern sollte, ihn „Theo“ zu nennen. Er streckte ihm die Hand entgegen. Dierk reichte ihm seine schwabbelige Pranke zum Give-Five Gruß. Eine Sekunde verharrten sie mit ihren Händen tatenlos suchend in der Luft, dann lenkte Theodor ein. „Hallo“, sagte er, „auch schon da?“ „Ja“, blinzelte Dierk, „tschuldige, musste noch mein Haus versorgen, aber wie ich sehe, bin ich nicht der einzige Spätankömmling.“ Theodor ließ sich auf das Spiel ein und ließ ebenfalls seinen Blick über den Parkplatz gleiten, „Nein, sind alle spät dran heute“, gab er zu. Fast gleichzeitig hatte Dierk wieder zu reden angesetzt: „oder sind die anderen schon vorgefahren?“ „Nein“, konterte Theodor, „dann wäre ich jetzt auch nicht mehr hier.“ Dierk quittierte die Spitze mit einem Nicken und gemeinsam sahen sie sich zu Karsten um, der gerade seine Tennistasche aus dem Auto holte. „Wer nimmt den Balleimer?“, rief der zu ihnen herüber. Sie machten beide keine Anstalten, sich zu bewegen. „Ich habe meine Sachen noch im Auto gelassen!“, rief Dierk. Karsten wuchtete seine Tasche aus dem Kofferraum und ließ die Klappe ebenfalls geöffnet. Er reichte zuerst Theodor, dann Dierk die Hand. Theodor stellte fest, dass Dierk Karstens Händedruck ohne Anstalten mit der flachen Hand erwiderte. `Kein prolliges Gib-mMir-Fünf-Gehabe.´ Karsten hatte ihnen die Hand ruckartig und ohne Zögern entgegengestreckt. `Habe ich etwa gezögert, als ich dem Dicken die Hand gegeben habe?´ Theodor fühlte sich für einen Moment unwohl zwischen den beiden Männern. `Lass ich zu viel Widerspruch zu? Vermutlich tanzen sie mir deswegen alle auf der Nase herum. Was heißt schon alle. In der Bücherei bin ich der Chef. Da gibt mir keiner ein billiges Five. Es sei denn ich habe Lust, eine von den alten Schrabnellen so zu begrüßen.“ Theodor wischte sich mit der Hand über das Gesicht. „Langsam können die Penner mal kommen“, stieß er hervor. Dierk sah ihn erstaunt an. „Du kennst die Verkehrsregeln auch noch nicht richtig?“, fragte Karsten in Dierks Richtung. Dierk grinste verlegen. „Alter vor Schönheit. Hattest ´ne Menge Gegenverkehr auf meiner Seite, da dachte ich, ich lass dich mal durch.“ Karsten nickte. Anscheinend reichte ihm das als Antwort. „Wo sind die Anderen?“, erkundigte er sich. Theodor zuckte mit den Schultern. „Abgesagt hat keiner.“ „Das ist ja schon mal was“, grinste Karsten, „morgen kommen noch Kalle und der Däne. Haben wir Zimmer für die?“ „Was haben wir überhaupt für Zimmer?“, hakte Dierk ein. Karsten strafte ihn mit einem genervten Seitenblick. Auch Theodor konnte sich noch nicht richtig mit dem Neuen anfreunden. `Wer hat den überhaupt in die Mannschaft gebracht?´ Er dachte an Stefan zurück. `Na, ja, besser als mit dem wird´s schon laufen´ „Es sollte kein Problem sein noch Zimmer dazu zu buchen. Auf meinen Namen habe ich fünf gebucht.“ „Für jeden ein eigenes?“, wunderte sich Dierk laut. Beließ es aber dabei. Theodor blinzelte in Dierks Richtung. `Auch so ein Stefan?´, überlegte er. Eigentlich hatte er in den letzten fünf Jahren kaum an Stefan gedacht und er keine Lust das jetzt zu ändern. Ein silberner Twingo kam auf den Parkplatz gefahren. „David?“, fragte Karsten laut. „So schlimm ist es hoffentlich noch nicht“, schmunzelte Theodor. Er hatte nichts gegen französische Autos. Im Gegenteil: In seiner Studentenzeit und lange danach hatte er selbst nichts anderes gefahren. Er hoffte nur, dass David im Moment etwas mehr Geld besaß, als dass er sich nur einen Twingo mit Roststellen leisten konnte. Der Kleinwagen fuhr an ihnen vorbei und hielt drei Parkbuchten weiter. Zwei junge Frauen in lila, grünen Trainingsanzügen kletterten heraus und winkten herüber. „Huhu!“ Die drei Männer hoben die Hand. „Ah unsere Damenmannschaft!“, rief Karsten. „Habt ihr heute Training?“, erkundigte sich Theodor. Die beiden Grazien lächelten und holten ihre Schläger aus dem poförmigen Kofferraum des kleinen Franzosen. Die Männer sahen ihnen dabei zu. „Viel Spaß!“, rief die eine von ihnen zum Abschied und Karsten und Theodor hoben erneut grüßend die Hand. „Das war doch die kleine Schnack?“, erkundigte sich Karsten. „Ja“, Theodor spitzte die Lippen. Sollte er einen Spruch bringen? In 10 Jahren würde es heißen: „Das war doch die Kleine Lachmeyer“, und dann war Katharina auch gerade mal erst 14. Die Männer würden im Sommer ihre schlanken Beine, die unter den Tennisröcken hervorstachen, mit ihren Blicken verfolgen. „So klein erschienen die aber nicht mehr“, witzelte Dierk und leckte sich unbewusst oder auch bewusst über die Lippe. „14“, wies ihn Theodor zurecht. „Sah obenrum älter aus“, witzelte Dierk weiter. `Er denkt wohl, wir sind auf Klassenfahrt´, erboste sich Theodor. „Die kleine Schnack ist auch nicht mehr 14. Die ist mindestens schon 18“, warf Karsten ein. „Ein kleiner Unterschied“, bemerkte Dierk und sah demonstrativ hinter den entschwundenen Mädchen her. „Hast du Kinder?“, fragte ihn Theodor unvermittelt. Verdutzt sah Dierk ihn an. `Freunde werden wir beide nicht mehr´, stellte Theodor fest, aber es war ihm egal. Er wollte nun endlich nach Laboe fahren und dazu fehlten noch zwei aus der Mannschaft. „Nein, du?“, beantwortete Dierk seine Frage. Theodor hatte jetzt eigentlich keine Lust, über seine Kinder zu reden. „Drei“ sagte er dennoch mit einigem Stolz, „aber sie sind noch keine 18.“ Vielleicht hatte er den Neuen ja auch nur auf dem falschen Fuß erwischt. Die kleine Schnack war wirklich eine ansehnliche junge Frau geworden. Karsten schwieg. Er lächelte leicht und sah schräg vor sich auf den Boden. Der dicke Dierk sagte nichts mehr. `Was war er doch gleich? Richtig, Architekt. Spielt nicht schlecht Tennis für einen Anfänger´, Theodor bezweifelte, dass Dierk wirklich erst seit ein paar Monaten spielte. Wie oft hatte er das schon gehört und meistens wurden da ein paar Jahre aus der Jugend vergessen. Fußballer sei er gewesen. `Jetzt hat er einen Bauch wie ein Fußball.´ Theodor war nicht der Typ, der andere aufgrund ihres Äußeren beurteilte, aber mit Dicken hatte er seine Probleme. Dick sein empfand er als Wohlstandskrankheit, die allein dadurch geheilt werden konnte, indem die Menschen mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhren. Sie schwiegen immer noch und Theodor begann sich Gedanken über den Fortlauf des Gesprächs zu machen. Irgendwie fühlte er sich verantwortlich. `Soll ich ihn fragen, ob er verheiratet ist?´ Er hätte ihn gern gefragt, rechnete aber nicht damit, dass das gut ankäme. `Die Frage nach den Kindern war ja eigentlich schon über der Grenze.´ Er sah auf Dierks massige Hände. Einen Ring sah er nicht. `Hat nicht unbedingt was zu sagen. Typen wie der Tragen auch Ketten oder Armbänder.´ „Wie geht’s deinen Kindern?“, wandte er sich an Karsten. Karsten sah vom Boden auf, als wäre er bei etwas Wichtigem gestört worden. „Sind groß geworden. Studieren beide.“ „Spielen sie noch Tennis?“ „Schon langen nicht mehr. Tim spielt Fußball. Landesliga in Hessen. Jetzt neben dem Studium wird es schwierig, meint er.“ Ein weiteres Auto fuhr auf den Parkplatz. Ein großer weißer Tuareg. Hinter den getönten Scheiben war der Fahrer nicht auszumachen. „Vielleicht ist das David“, bemerkte Theodor. Er freute sich selbst riesig über den gelungenen Witz. „Ich denke mal, das ist unser Reisegefährt“, sagte Karsten, „womit habt ihr das verdient Jungs?“ Er hatte Jan-Derek durch die Scheibe erkannt. Ohne auf die ausgewiesenen Parkbuchten zu achten, bremste Jan-Derek schräg vor ihnen ab. Er ließ das Seitenfenster herunter. „Abfahrbereit?“ „Schon etwas länger!“, meckerte Theodor. Es klang harscher als er beabsichtig hatte. Jan-Derek ließ das Fenster unten und öffnete die Tür. „Hat ´ne Weile gedauert, den Schlitten für euch klar zu machen.“ Er strahlte. „Zufrieden?“ „Alles bestens“, bestätigte Karsten. Jan-Derek ging auf ihn zu und gab ihm Five. Dann Dierk, der näher dran stand und schließlich ergriff er Theodors ausgestreckte Hand. „Dann können wir jetzt einladen?“, fragte Theodor. Er hielt seine Tennistasche bereits in der Hand. Jan-Derek zuckte mit den Schultern. „Warum nicht. Sind alle da?“ Er sah sich um. „Nein, einer fehlt und du darfst raten wer“, half ihm Theodor beim Zählen. „Kalle?“, antwortete Jan-Derek. „Der kommt morgen erst“, klärte Karsten auf, „vielleicht mit dem Dänen.“ „Mit dem Dänen…“, Jan Derek pfiff durch die Zähne. Der Däne war stark im Doppel. Unangenehm zu spielen. „David fehlt“, sagte Theodor und zog seine Reisetasche aus dem Kofferraum, „aber von mir aus können wir los.“ Keiner der anderen schenkte dem Beachtung. Sie sahen zu, wie Theodor die Heckklappenöffnung des Touaregs suchte. Mit der freien Hand tastete er die Kante unter dem Nummernschild ab. „Geht das jetzt alles automatisch, oder was?“, meckerte er. „Na, wird’s noch?“, frotzelte Karsten. „Du musst ins VW-Zeichen greifen“, grinste Jan-Derek. „Ich muss was?“, Theodor verstand nicht, was Jan-Derek von ihm wollte. „Das Zeichen umklappen“, versuchte der es noch einmal. „Willst du mich verarschen?“, argwöhnte Theodor sofort. Es wäre nicht das erste Mal. „So“, Jan-Derek stellte sich neben ihn und drückte gegen das große VW Zeichen am Heck. Es klappte um und der Kofferraum öffnete sich. „Geht das nicht auch automatisch?“, meckerte Theodor weiter. „Geht es auch“, beruhigte ihn Jan-Derek, „aber dafür braucht man den Schlüssel und den hast du nicht.“ Dierk und Karsten grinsten im Hintergrund. „Holt mal lieber eure Sachen, anstatt blöd zu lachen!“, ermahnte sie Theodor „Wer lacht denn?“, fragte Dierk unschuldig, „ich lache nicht.“ Karsten ging langsam zu seinem Auto. „Fahrt ihr auch ohne David?“, erkundigte sich Dierk, als Karsten an ihm vorüberging. „Ich denke nicht“, erwiderte Karsten und ließ die anderen stehen. „Es ist fast halb vier. Wie lange willst du noch warten?“, rief Theodor hinter ihm her. Jan-Derek räumte gerade Theodors Tasche im Kofferraum noch einmal um. „Wir haben ja nicht wirklich Zeitdruck oder hast du noch was organisiert?“, fragte er mit dem Kopf im Kofferraum. „Wie wärs zum Beispiel mit Tennis spielen?“, blaffte Theodor. „Heute Abend noch?“, Jan-Derek zeigte sich erstaunt. „Trainer, weißt du davon was, dass wir heute Abend noch spielen.“ „Na, ich denke, deswegen fahrt ihr in die Saisonvorbereitung, um Tennis zu spielen“, rief Karsten und verschwand im Inneren seines Wagens, um sein Geld zu holen. „Da liegt doch sicher noch Schnee auf den Plätzen“, beschwerte sich Jan-Derek. Theodor hievte seine Taschen in den Kofferraum. „Sie haben mir Sandplätze zugesagt. Da es aber eh dunkel ist, bis wir da sind, gehen wir eben in die Halle.“ „Wie viele Plätze haben die da?“, erkundigte sich Dierk, der jetzt ebenfalls seine Taschen aus dem Auto geholt hatte. „Das Hotel hat eine Web-Side. Hat sich da einer mal erkundigt?“ „Wir haben doch dich“, antwortete Jan-Derek und streichelte Theodor von hinten über den Rücken. „Vier“, gab der wieder aufgetauchte Karsten die Antwort, „ich habe nachgesehen. Allerdings muss man sie buchen.“ „Sobald ich weiß, wann wir loskommen, kann ich anrufen“, erklärte Theodor. Er hoffte plötzlich sehr, dass die Fahrt sich auch auszahlte. Er hatte sie angeleiert und wie es aussah wurde er auch für alles verantwortlich gemacht. `Aber wenn es das wird, was sie versprochen hat´, dachte er und bekam augenblicklich eine Erektion. „Vorausgesetzt wir wollen heute Abend noch spielen“, schaltete sich Dierk ein. „Eben“, sagte Jan-Derek, „ich hatte eher mit Essengehen und Taktikgesprächen gerechnet.“ „Was für eine Taktik?“, fragte Karsten. „Na, das sagst du uns dann“, konterte Jan-Derek. „Ach so, ich dachte, du hättest schon eine“, sagte Karsten unüberhörbar ironisch. „Immer auf die schwache Seite des Gegners“, erklärte Jan-Derek, „sagst du uns doch immer.“ „Da gibt es dann ja genug Auswahl“, murmelte Karsten und zwinkerte den anderen zu. Ein blauer Audi fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit auf den Parkplatz und kam mit quietschendem Reifen in einer der Parkbuchten zum Stehen. „Unser Student!“, rief Jan-Derek. „Langzeitstudent“, ergänzte Theodor, „anscheinend braucht er immer länger als alle anderen.“ „Nur beim Tennis nicht“, nahm Karsten die Nummer 1 in Schutz. Theodor ärgerte sich erneut über sich selbst: `Ich sollte es mir nicht so anmerken lassen, dass ich es eilig habe. Kein Mensch hat es bei so einem Tenniswochenende eilig.´ Im Gegensatz zu seinem Fahrstil kam David eher gemächlich aus dem Fond des Audis gekrochen. Er hob grüßend die Hand. „Moin Jungs. Bin grad noch pünktlich, oder!?“


Saisonvorbereitung mit Seitensprung

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