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§ 25. Die zwiespältige Macht der Vernunft 1. Abälard

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Bernhard von Clairvaux wendet sich mit seiner im Paragraphen 22 dargelegten Absage an die Philosophie vor allem gegen Abälard 1, den Denker, der in seinem Zeitalter am stärksten der natürlichen Vernunft zu vertrauen scheint: „Petrus Abälardus arbeitet darauf hin, das Verdienst des christlichen Glaubens auszuhöhlen, indem er meint, er könne das Ganze dessen, was Gott ist, mit der menschlichen Vernunft begreifen.“ 2 Das ist freilich eine aus der Polemik geborene Übertreibung. Zwar ist Abälard, in der Aufnahme von Anstößen des Aristoteles, wesentlich an der Ausarbeitung der Dialektik des „Sic et Non“, der rationalen Diskussion des Widerstreites der traditionellen Autoritäten, beteiligt; darum auch betont er die Bedeutung des Zweifels: „Durch Zweifeln nämlich gelangen wir zur Nachforschung; durch Nachforschen erfassen wir die Wahrheit“ (S prol.). Er betont überdies ausdrücklich das Zutrauen zu den natürlichen Erkenntnismöglichkeiten des Menschen; „zur Erkenntnis des einen Gottes … hat die philosophierende Vernunft selbst hingeführt.“ Platon etwa, „jener größte der Philosophen“, hat in gewisser Weise die Lehre von der Dreieinigkeit vorweggenommen (T I 5), ja sogar auf „das Mysterium der Erlösung“ symbolisch hingedeutet. So kann Abälard schließlich von einem „Einklang (concordia) der evangelischen und philosophischen Lehre“ sprechen (TII).

In alledem ist Abälard jedoch kein Vertreter der Selbstherrlichkeit der Vernunft im ausdrücklichen Gegensatz zum Glauben. Er sieht zwar die vernünftige Einsicht oftmals im Widerspruch zu den als Autorität geltenden Kirchenvätern, nicht aber im grundsätzlichen Gegensatz zu den Glaubenswahrheiten. „Ich will nicht so Philosoph sein, daß ich Paulus entgegenhandelte, nicht so Aristoteles, daß er (mich) von Christus trennte“ (E XVII). Vor allem ist es die eigentliche Aufgabe der Vernunft, wie Abälard, ganz im Sinne des Augustinus, sagt, den Glauben einsichtig zu machen; „denn wer, was er sagt, nicht einsieht, weiß in der Tat nicht, was er selber sagt“. Daher betont er, daß „die Dialektik vornehmlich für die Heilige Schrift sehr notwendig“ sei (J II 2f.). Aber die Philosophie bleibt in dieser Aufgabe letztlich unzureichend: „Was wir auch über diese höchste Philosophie auseinandersetzen mögen, wir bekennen, daß es nur ein Schatten, nicht die Wahrheit ist“ (T III). So bestimmt Abälard am Ende die Aufgabe der Philosophie nicht anders, als dies sein Gegner Bernhard tut: „Wir sind wahrhaft Philosophen zu nennen, wenn wir Christus wahrhaft lieben“ (T II). Dieser um seines Eintretens für die Vernunft willen so viel bekämpfte Denker gehört also durchaus in den Zusammenhang der christlichen Philosophie des Mittelalters, in dem die Vernunft zwar nicht ausgelöscht, aber doch in eine untergeordnete Rolle gewiesen wird.

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