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3. Die Geschöpflichkeit als Grund der philosophischen Gewißheit

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Thomas selber weist darauf hin, daß die Philosophie und demgemäß auch die Philosophische Theologie von gewissem Vorgegebenem, von „praesuppositis“ ausgehen muß (II/II 154, 12 c), nämlich von den „intellectis“, dem „einsichtig Gewordenen“ (II/II 8, 1 ad 2). Die Philosophische Theologie vollzieht sich also in ihrem Ursprung als intellectus, und zwar wurzelt sie in diesem als einem „vorgängigen (praecedenti)“. Das Ursprüngliche wird somit nicht auf dem Wege eines rationalen Erkenntnisprozesses erfaßt; „intelligere“ bedeutet vielmehr „einfachhin die einsichtige Wahrheit erfassen“ (I 79, 8 c). Es vollzieht sich als „einfacher Hinblick (simplex intuitus) in das, was als Gegenwärtiges einsichtig (praesens intelligibile) ist“ (Se I 3, 4, 5, c).

Das solcherart einfachhin Eingesehene nun sind die ersten Prinzipien. Sie sind es, „an denen der intellectus natürlicherweise und mit Notwendigkeit hängt“ (I 82, 2 c). Der Sache nach betreffen sie das, „was in allem Seienden darin ist und nicht allein in irgendeiner Gattung des Seienden, gesondert von den anderen“; sie „gehören zum Seienden, sofern es Seiendes ist“ (M IV 5, 590). Als Gegenstände des intellectus werden diese ersten Prinzipien „unmittelbar (statim) erkannt“ (II/II 8, 1 ad 1). Eben in dieser ihrer unmittelbaren Einsichtigkeit bilden sie den Ausgangspunkt für alles Vorgehen der ratio (vgl. I 79, 8 c) und damit auch für die Philosophische Theologie im Sinne des Thomas. In ihnen ruht daher auch ursprünglich alle Wahrheit der Vernunft. Denn „die Gewißheit der Erkenntnis hängt von der Gewißheit der Prinzipien ab“ (M IV 6, 596).

Doch worin gründet diese Gewißheit der Prinzipien selber? Thomas stellt sich diese Frage nicht mehr. Ihm genügt der Hinweis darauf, daß die ersten Prinzipien „natürlicherweise bekannt (naturaliter nota)“ sind (II/II 47, 6 c). Ihre Kenntnis ist also mit der Natur, dem Wesen des Menschen mitgegeben; sie gehört zu dessen Seinsverfassung. Denn es gibt „eine natürliche Verfassung (dispositio naturalis), die der menschlichen Art gebührt, außerhalb deren es keinen Menschen gibt“ (I/II 51, 1 c). Thomas behauptet also, der Mensch sei von sich selber her, aus seinem ursprünglichen Wesen, in der Wahrheit. Und das ist für ihn kein Gegenstand der Frage mehr, sondern eine Sache selbstverständlicher Gewißheit. „Von demjenigen, was der Vernunft eingepflanzt ist, steht fest, daß es aufs höchste wahr ist, so sehr, daß es nicht einmal möglich ist zu denken, es sei falsch“ (Sg I 7, 43).

An diesem Punkte freilich gilt es, hinter das für Thomas Selbstverständliche zurückzufragen. Wie kommt es, daß er von der Wahrheit dessen, was der intellectus als erste Prinzipien erfaßt, so sicher überzeugt ist, daß er die Möglichkeit jeden Zweifels ausschließt? Spürt man dem tiefer nach, dann entdeckt man: Dahinter steckt die Überzeugung, daß das Sein in der Wahrheit, das dem Menschen vermöge seiner ursprünglichen Wesensausstattung zukommt, nicht in sich selber ruht, sondern ein Empfangenes ist und daß eben diese ursprüngliche Herkunft den ersten Prinzipien die Gewißheit garantiert. Thomas bezeichnet in der Tat diese Prinzipien als „natürlicherweise uns eingegeben“ (I 79, 12 c). Im gleichen Sinne nennt er das „lumen naturale“, die mit dem Wesen des Menschen verbundene Helle, in der die ersten Prinzipien aufleuchten, „uns eingegeben“ (II/II 8, 1 c); es ist eine „gewisse Teilhabe an der göttlichen Helle“ (I 12, 11 ad 3), eine „Erleuchtung durch Gott (illustratio Dei)“ (I/II 109, 1 c). Dieser Gedanke wird von Thomas immer wieder betont. „Das Tun des intellectus … hängt von Gott ab“ (I/II 109, 1 c). „Die Kenntnis der natürlicherweise bekannten Prinzipien ist uns von Gott her eingegeben, da Gott selber der Urheber unserer Natur ist“ (Sg I 7, 44). „Von der Wahrheit der göttlichen Einsicht geht urbildlich (exemplariter) auf unsere Einsicht die Wahrheit der ersten Prinzipien über“ (Ve I 4 c). Gerade das also, was in seiner Unmittelbarkeit die Garantie der Wahrheit enthält, zeigt sich dem tieferen Zusehen als ein Vermitteltes. Es erhält die Gewähr für seine Gewißheit aus dem Faktum seines Geschaffenseins. Und wenn die Philosophische Theologie auf jenen ersten Prinzipien aufbaut, dann ruht auch ihre Möglichkeit letztlich im Gedanken der Geschöpflichkeit.2 Damit aber besitzt sie kein genuin philosophisches, sondern ein theologisches Fundament.

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