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Der Akasha-Raum

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Der „Meister“ machte ein Zeichen, ihm zu folgen – durch eine andere Tür des Warteraums.

Anthony und Tamara blieben zurück. Wir winkten uns noch einmal freundschaftlich zu.

Es ging eine Treppe hinab.

Ich dachte über das Wort „Akasha-Raum“ nach. Das Wort „Akasha“ war mir nicht unbekannt. Ob Patrick sich etwas darunter vorstellen konnte?

„Es ist ein Wort aus dem alten Sanskrit, den indischen Weisheitsbüchern.

Doch was genau es bedeutet?“

Auch Patrick war nicht näher im Bild.

Die Treppe führte in einen unterirdischen nur matt erleuchteten Gang. Die Wände schimmerten in einer bernsteinfarbenen Substanz: ein warmes Gelb mit Brauntönen gemischt.

Der „Meister“ öffnete die Tür zu einem dämmrigen Saal. Dieser war so gebaut, dass er auf der einen Seite mit einem großen Bogen abschloss. der fast ein Halbkreis war. Es befanden sich Sitzreihen davor. Die Wand dieser Seite war bis auf den Boden mit einem dunkelblauen samtenen Tuch bedeckt.

Der Anblick ließ an einen Theatersaal denken, mit einer sonderbar im Halbrund angefertigten Bühne. Wirklich hob sich nun, so wie ein Vorhang, langsam das blaue Tuch. Man blickte auf eine weiße Fläche – offenbar eine Leinwand. Befanden wir uns in einem Kinosaal?

Hoch an der Decke mitten im Saal bewegten sich plötzlich wirbelnde Lichter. Sie fokussierten sich auf die Leinwand, die sich plötzlich mit Farben und Konturen füllte.

Eine ferne Landschaft erschien – sie war eher kahl, man sah blaue Bergketten im Hintergrund. Es war ein dreidimensionales Bild. Im Vordergrund konturierte sich ein Garten. Es war eine prachtvolle Anlage. Gepflegte Sträucher und Beete, Obstbäume, zwei Springbrunnen.

Der „Meister“ forderte uns mit einer Geste auf, Platz zu nehmen. Dann schritt er selbst auf den Garten zu und verschwand in diesen hinein.

War auch die Leinwand verschwunden?

Diese Bilder waren offenbar nicht nur drei-dimensional, man konnte sich auch ganz real in sie hinein bewegen.

Doch Patrick und ich zogen es vor, auf den nun eingenommenen Plätzen zu verharren.

Es bot sich uns ein Panorama von faszinierender Klarheit, dies auch an den Seiten, ununterscheidbar von jeder Realität.

Am Ende des weitläufigen Prachtgartens erhob sich jetzt ein Palast.

Es war kein Bauwerk von überwältigenden Ausmaßen, doch die Fassaden und Dächer waren prunkvoll gestaltet, der Baustil zeigte einen orientalischen Einschlag. Die Dachgiebel schmückten mehrere goldene Reiher.

Zwei Gestalten waren aufgetaucht: ein junger Mann und ein junges Mädchen, er vielleicht achtzehn, sie etwa sechzehn Jahre alt. Sie gingen Hand in Hand. Doch in ihren Bewegungen lag noch etwas wie Scheu. Nur flüchtig tauschten sie dann und wann einen Blick. Sie näherten sich einer steinernen Bank und nahmen dort Platz, weiterhin die Hände haltend.

Es war ein warmer Frühlingstag, einige Bäume und Sträucher blühten. Ein orange sich erhebender Mond spiegelte sein Licht auf den Palastkuppeln.

Plötzlich ertönte eine Stimme.

Es schien die des „Meisters“ zu sein.

Wir konnten sie nicht wirklich lokalisieren und wieder erschien es uns, als ob die Stimme zugleich in unserem eigenen Kopf spräche.

„Das Schauspiel beginnt.

Die Geschichte, die es euch erzählt, spielt in einem euch fernen Land dieses Planeten; in einer schon einige Jahrhunderte zurückliegenden Zeit.

Es ist die Geschichte einer Fürstentochter im alten Aserbeidschan, wie dieses Land bei euch heißt. Ihr Name ist Tansila. Und es ist die Geschichte eines jungen Mannes mit dem Namen Archani. Schaut genau. Sie sind euch beide nicht fremd.

Beide sind sie, gehütet und gut umsorgt, gemeinsam aufgewachsen am Fürstenhof und jede Trennung des einen vom andern erschiene ihnen undenkbar. Sie haben sich geliebt wie enge Geschwister; jetzt lieben sie sich, wie Liebende sich zu lieben beginnen. Beide sind mit Schönheit und mit einem klaren Verstand beschenkt. Die mädchenhafte Anmut, die Tansila verstrahlt, hat am Fürstenhof nichts Vergleichbares. Archani, der Sohn des ersten Ministers am Hof, strotzt vor jugendlicher Kraft.

Beide sind sie, in diesen Jahren der Jugend, ganz offen zum Leben, ganz offen zum Glück.

Nichts wird verbleiben in diesem Zustand des Glücks.

Es wird Schauspiele geben von Lüge und Hinterhalt, von Intrige, von Neid und Verrat. Es wird Schauspiele der Verrohung und Gewalt geben.

Es wird Trennung geben. Wege der Demütigung, bittere Einsamkeit.

Elend und Verzweiflung, langjährige Gefangenschaft und beginnenden Wahn.

Schauspiele von Vergeltung und Rache. Schauspiele immer neuer Verwundungen, grausamer Schmerzen.

Unversöhnlicher Feindschaften.

Nichts wird verbleiben im Glück.“

Das Schauspiel begann.

Ich erwähne hier wieder ein besonderes Phänomen, das unsere Wahrnehmung der Bilder und Worte begleitete.

Es gab eine Ähnlichkeit zu manchen Formen des Traums, die sich dadurch auszeichnen, dass wir im Anblick eines sich vor uns entfaltenden Szenarios die Zuordnungen intuitiv erfassen, ohne eine uns in Worten gegebene Erklärung. Manchmal sind es ganze Vorgeschichten, über die wir augenblicklich in Kenntnis gesetzt sind, und alle gesprochenen Worte wie alle Gesten haben eine geheimnisvolle zweite Dimension, als begriffen wir auch das hinter den Worten und Gesten Gedachte.

Und immer wieder erfolgte, wie in einem üblichen Film, auch ein Zeitsprung – mit einem sich von einem Moment zum anderen verwandelnden Szenario.

Wo diese Zeitsprünge stattfanden, habe ich sie für Sie, den Leser, im fortlaufenden Text durch eine neue Überschrift markiert.

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