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Warten auf Sulla

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Mit dem Jahr 84, in dem der junge Caesar „erwachsen“ geworden war, begann das Warten auf Sulla. Auf Caesars Schultern drückte die Last zweier Toter. Neffe eines Schlächters und Schwiegersohn eines Tyrannen zu sein, war nicht die beste Empfehlung bei den neuen Machthabern. Allerdings waren sie das 84 noch nicht. Vom Ort seiner Landung an, Brindisi, stand Sulla noch ein weiter, vor allem aber blutiger Weg nach Rom bevor. Caesar exponierte sich in dieser Zeit der Kämpfe nicht. Er hielt still, und vermutlich war dies auch das einzige, was er tun konnte.

Sulla traf Anfang 83 in Italien ein. Sein zunächst schneller Vormarsch verlangsamte sich bald, die amtierenden Konsuln traten ihm mit ihren Heeren entgegen. Die numerische Überlegenheit des Gegners konnte Sulla durch seine kriegserfahrenen und motivierten Berufssoldaten ausgleichen. Den Ausschlag aber gaben vermutlich prominente Überläufer, die sich mit eigenen Verbänden dem Rückkehrer anschlossen. Caesars spätere Verbündete im ersten Triumvirat, Crassus und Pompeius, zählten zu den wichtigsten. Zumindest Pompeius hatte im Vorjahr noch Cinna unterstützt. Nun erkannte er in Sulla den vermutlichen Sieger und wechselte die Partei. Mit dem Übertritt legte er den Grundstein für seine spätere Machtstellung, Crassus für sein ungeheures Vermögen. In Zeiten des Bürgerkrieges entschied der rasche Blick für das jeweils Opportune oft über Leben oder Tod. Caesar aber mochte sich Sulla nicht andienen: weder vor dessen Sieg noch danach. Als dieser am 1. November 82 mit der Schlacht an der Porta Collina vor den Mauern Roms die Entscheidung zu seinen Gunsten erzwang, war Caesars Zukunft daher höchst ungewiss. Die meisten glaubten, dass er gar keine besaß.

Sulla war gekommen, die Republik vom Regime der Marianer zu befreien. Gegen Terror half seiner Meinung nach nur noch größerer Terror. Einzelne Quellen sprechen von einem bloßen Wechsel der Tyrannis.16 Der Rückkehrer begann mit der Liquidierung samnitischer Kriegsgefangener und endete mit der von Rittern und Senatoren.17 Bereits zwei Tage nach dem Sieg ließ Sulla etwa 6000 seiner Gegner in ein Gehege auf dem Marsfeld treiben und dort abschlachten. Zur gleichen Zeit tagte der Senat im nahen Tempel der Bellona. Während Sulla seine Rede hielt, drangen die Todesschreie der auf kleinstem Raum zusammengepferchten Menge bis in den Tempel, berichteten Augenzeugen. Die Senatoren seien entsetzt von ihren Sitzen aufgesprungen, doch Sulla habe sie beruhigt: Es würden nur einige Verbrecher gemaßregelt.


Abb. 4: Gaius Marius. Porträtkopf, Marmor. Glyptothek München.

Noch in letzter Minute, die eigene Niederlage schon vor Augen, hatte der Konsul von 82, Gaius Marius, Sohn des berühmten Marius und Cousin Caesars, die angesehensten Optimaten töten lassen. Die Leichen wurden in den Tiber geworfen. Das war eine Verzweiflungstat im Angesicht des Untergangs.18 Mit Sulla folgte dann der ungeordneten Tötung die systematische. Selbst Plutarch, der freundliche Philanthrop aus dem Kleinstädtchen Chaironeia, stets bereit, das Gute in seinen Helden zu sehen, findet harsche Worte: „So hatte Sulla sich also aufs Morden gelegt und erfüllte mit Hinrichtungen ohne Maß und Zahl die Stadt.“19

Schlimmer als der Diktator, der er bald wurde, war freilich die Schar der Kriegsgewinnler, die sich ihm angeschlossen hatte, und nun den Lohn forderte. Sulla betrieb das Morden aus politischen Gründen, seine Anhänger verbrämten die Hinrichtungen nur politisch. Verdächtig war ihnen jeder, der ein Landgut hatte, das zu konfiszieren sich lohnte. Sulla musste die Geister, die er gerufen hatte, zufriedenstellen. Zu seinem Erbe zählen die Proskriptionen, auf die später auch Antonius und Augustus verfielen. Proscriptio bezeichnete zunächst nur die öffentliche Bekanntmachung von Gütern, war also eine Vermögenskonfiskation. Nun wurden mit den öffentlich ausgehängten Listen Menschen geächtet. Mit Sulla wurde die proscriptio hominis zum Schreckenswort, aber nicht zum Rechtswort, schrieb Theodor Mommsen.20 Wer auf der Liste stand, galt als vogelfrei, sein Besitz verfiel dem Staat und wurde versteigert. Es gab Prämien für die Festnahme; Sklaven wurden aufgefordert, ihre Herren zu denunzieren; Angehörigen, die einem Proskribierten halfen, drohte die Todesstrafe. Söhne und Enkel der Geächteten verloren die bürgerlichen Ehrenrechte, ihr Vermögen wurde eingezogen. Der Diktator wollte sicherstellen, dass keiner von ihnen je wieder zu Amt und Einfluss kam.

Sulla zelebrierte den Schrecken, indem er ihn sukzessive verbreitete. Am ersten Tag lasen die Bürger achtzig Namen auf der Liste, am zweiten standen 120 auf ihr und am dritten nochmals 120. Wer politisch verdächtig war oder reich genug, um es zu werden, konnte Tag für Tag zum Forum gehen, um sich zu überzeugen, ob er abends noch leben würde. Plutarch berichtet vom Fall des Quintus Aurelius. Auch er fand eines Morgens beim Gang auf das Forum seinen Namen auf der Liste. „O weh, mein Albanergütchen verfolgt mich!“, soll er noch gerufen haben, bevor ihn die Verfolger nach wenigen Schritten der Flucht niederschlugen.21 Appian, der Historiker aus Alexandria, ergänzt:

„Von diesen Unglücklichen wurden die einen ganz unerwartet gefasst und ermordet, wo man sie gerade verhaftete, in ihren Wohnhäusern, auf den Straßen, in den Heiligtümern. Andere wurden von Häusern herabgestürzt, vor die Füße Sullas geworfen. Wieder andere schleiften sie durch die Stadt und trampelten auf ihnen herum, wobei vor Entsetzen keiner von den Zuschauern auch nur ein einziges Wort der Empörung zu äußern wagte. Weitere mussten in die Verbannung gehen, und wieder welche traf Vermögenskonfiskation. Die Verfolger durchstöberten alles nach jenen, die aus der Stadt geflohen waren, und liefen hin und her und brachten jeden von ihnen um, den sie zu fassen kriegten. Vielfach traf Mord, Verbannung und Enteignung auch die Italiker, die Carbo, Norbanus, Marius oder deren Unterfeldherrn gedient hatten. Strenge Gerichtsurteile ergingen gegen sie in ganz Italien, und verschiedene Anklagen wurden erhoben wegen Bekleidung eines militärischen Kommandos, wegen Dienstes im Heer, wegen Leistung von Zahlungen, wegen sonstiger Unterstützung oder überhaupt feindlicher Einstellung gegen Sulla. Gleichermaßen dienten gastliche Aufnahme, persönliche Freundschaft, gegenseitiges Borgen oder Leihen von Geld als Anschuldigungen. Ja, man wurde sogar schon wegen Gefälligkeit gegenüber einem verdächtigen Menschen oder wegen bloßer Reisebegleitung eines solchen gefasst, wobei solche Beschuldigungen meistens gegen reiche Leute verwendet wurden. Als man mit persönlichen Anklagen am Ende war, ging Sulla gegen die Städte vor und bestrafte auch diese, indem er ihre Zitadellen zerstören, ihre Mauern niederreißen, ihnen allgemeine Strafen auferlegen oder sie durch schwerste Tribute ausbluten ließ. In die Mehrzahl von ihnen verpflanzte er Kolonien aus dem Kreis seiner ehemaligen Kriegsgefährten, um so über ganz Italien hin Besatzungen zu haben, und verteilte Ländereien und Hausbesitz der Altbürger, indem er sie auf diese Soldaten übertrug. So schuf er sich in ihnen besonders treue Anhänger, selbst über seinen Tod hinaus; denn in der Überzeugung, ihres Besitzes nur dann sicher zu sein, wenn Sullas ganze Staatsordnung auf sicheren Füßen stehe, traten sie auch nach seinem Heimgang nachdrücklich für ihn ein.“22

Appian hat auch genaue Zahlen: Dreißig Senatoren und 1600 Ritter fielen den Proskriptionen zum Opfer. Insgesamt standen rund 4700 Bürger auf den Listen.

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