Читать книгу 5 Romane Auswahlband Ärzte und Schicksale Februar 2019 - A. F. Morland - Страница 34
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ОглавлениеAls Dr. Sven Kayser von Torbens wirrer Handlungsweise erfuhr, griff er zum Telefon und rief Dr. Heinrich C. Fischer, den Leiter der Humboldt-Klinik in Hannover, an, mit dem er zufällig sehr gut bekannt war. Sie waren einander auf mehreren Ärztekongressen begegnet und liefen sich bei solchen Gelegenheiten immer wieder über den Weg.
Im Verlaufe dieses Telefonats stellte sich heraus, dass Dr. Fischer nicht die Absicht hatte, seinen Platz zu räumen – weder für Dr. Torben Lorentz noch für sonst jemanden. Er war so alt wie Dr. Kayser und wollte die Klinik noch mindestens fünfzehn Jahre leiten.
„Wie kommt der Mann dazu, sich so eine närrische Lüge einfallen zu lassen?“, fragte Dr. Fischer. „Man kann seine Angaben doch jederzeit ganz leicht nachprüfen, auch wenn man nicht so gut bekannt ist wie wir beide.“
Sven Kayser seufzte. „Irgend etwas muss ihn geistig ziemlich verwirrt haben.“
„Er ist Chirurg?“
„Ja.“
„Man sollte ihn in der Seeberg-Klinik bis auf Weiteres an der Ausübung seines Berufs hindern.“
„Das ist nicht nötig“, entgegnete Dr. Kayser. „Er ist nämlich spurlos verschwunden, nachdem er seinen Chef gebeten hatte, ihn zu beurlauben.“
Nach diesem Gespräch mit Heinrich Fischer fuhr Sven Kayser zu Nicola Sperling, die ihm mit rotgeweinten Augen Torbens Brief zeigte.
„Warum tut er das?“, schluchzte sie. „Wie kann er mir das antun? Jetzt habe ich nicht nur mein Baby verloren, sondern auch mein Glück, den Mann, der mir in dieser schweren Zeit Halt bot – überhaupt den ganzen Sinn meines Lebens. O Sven, das ist alles so grauenvoll.“
Er legte den Brief auf den Tisch, nahm sie in die Arme, sprach kaum, ließ sie weinen. Sobald sie sich einigermaßen beruhigt hatte, fragte er: „Was kann ihn nur so sehr aus der Bahn geworfen haben?“
„Wenn ich das bloß wüsste! Ich habe keine Ahnung!“
„Ich bin sicher, dass er sich bei dir melden wird, wenn seine Konfusion nachlässt.“
Nicola löste sich von Sven. „Das glaube ich nicht.“ Sie zeigte auf den Brief. „Er hat Schluss gemacht.“ Sie wischte sich die Tränen mit dem Handrücken von den Wangen. „Vielleicht steht auf diesem Papier nicht die Wahrheit. Vielleicht möchte er bei keiner Frau bleiben, die ihm möglicherweise kein Kind schenken kann. Vielleicht war er zu feige für diese Ehrlichkeit.“
Dr. Kayser schüttelte den Kopf. „Es muss einen anderen Grund für sein unbegreifliches Verhalten geben. Hat er irgend etwas gesagt, das jetzt, rückblickend, einen Schluss zulässt, an den du noch nicht gedacht hast?“
Nicola dachte nach. Sie wurde plötzlich blass, legte die Hand auf ihren Mund und stieß undeutlich den Namen „Bruno“ hervor.
Sven horchte auf. „Wer ist Bruno?“
Sie sagte es ihm, und sie nahm die Gelegenheit wahr, sich endlich einmal alles von der Seele zu reden.
Nachdem sie geendet hatte, wusste Sven Kayser sehr genau, was für ein unangenehmer Mensch dieser Bruno Pfaff war – ein widerlicher Zeitgenosse und liederlicher Taugenichts. Seinetwegen hatte Nicola ihren Liebsten belogen.
„Kann es sein, dass Torben deine Unaufrichtigkeit gespürt hat?“, fragte Dr. Kayser.
„Vielleicht ist er sogar hinter meine Lüge gekommen“, sagte Nicola schuldbewusst.
Dr. Kayser überlegte eine Weile, dann meinte er kopfschüttelnd: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihn das so sehr verbittert hat, dass er nichts mehr von dir wissen will.“
Nicola sah den Grünwalder Arzt verzweifelt an. „Ich wüsste nicht, aus welchem anderen Grund er mich verlassen haben könnte!“
„Ich denke, er wird dich schon bald so sehr vermissen, dass er sich mit dir wieder in Verbindung setzen wird, und dann wird sich alles aufklären.“
„Ach, Sven, das wäre zu schön, um wahr zu sein.“ Nicola machte eine kleine Pause. Dann fragte sie: „Wird Torben wieder in der Seeberg-Klinik arbeiten dürfen?“
„Er ist ein hervorragender Chirurg“, entgegnete Dr. Kayser. „Es wird nicht einmal nötig sein, dass ich bei Uli ein gutes Wort für ihn einlege. Er wird seinen Job wiederbekommen, und man wird wegen dieser Sache so wenig Aufhebens wie nur irgend möglich machen … Schwamm drüber und vergeben und vergessen.“