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Dr. Lorentz war in einer kleinen, unscheinbaren Vorort-Pension untergekommen. Er verließ das enge Zimmer nur, wenn es dunkel war, und selbst da nie für lange. Niemand sollte ihn sehen. Niemand sollte ihn erkennen. Er hatte aufgehört zu existieren. Auch für den Erpresser, der seine hunderttausend Mark nie bekommen würde.

Eine Anwandlung von Schadenfreude bemächtigte sich des Chirurgen, und er fragte sich, was das ruchlose Pärchen nun mit den wertlos gewordenen Bildern anstellen würde.

„Ihr könnt damit die Wände eures Rattenlochs tapezieren“, knurrte er, während er in seinem Zimmer ruhelos auf und ab ging und auf den Abend wartete. Zweimal war er nahe dran gewesen, Nicola anzurufen, doch er hatte es sich jedes Mal versagt, obwohl er sie ganz schrecklich vermisste – so sehr, dass es ihm körperlich weh tat.

Er hasste dieses Mädchen mit den roten Zöpfen und seinen Komplizen, denn ihretwegen war sein Leben völlig aus den Fugen geraten – und es war ihre Schuld, dass er nun wie ein Hund litt.

Draußen begann es langsam zu dämmern, und wieder einmal schlich Wehmut in Torbens liebeskrankes Herz.

Ach, Nicola, dachte er unendlich traurig. Was haben diese Leute uns nur angetan. Sie haben unser Leben, unsere Liebe und unser Glück zerstört.

Endlich breitete sich die Dunkelheit wie ein schwarzer Mantel über den Münchner Vorort. Torbens Zeit brach an. Die Stunden, in denen er sich auf die Straße wagte.

Er wusste nicht, wie lange sich dieses Leben führen ließ, machte sich darüber keine Gedanken, dachte nicht an morgen. Wozu auch? Er hatte ohnedies keine Zukunft mehr, seit er sich von Nicola zurückgezogen hatte. Arme, leidgeprüfte Nicola! Bestimmt verstand sie die Welt nicht mehr.

Auf der Straße, befreit von der Enge des Zimmers, atmete Dr. Torben Lorentz erst mal auf. Dann ging er bis zur nächsten Ecke, bog rechts ab, erreichte seinen Wagen, schloss ihn auf und stieg ein.

Er hatte heute etwas Besonderes vor, wollte sich wie ein Dieb in seine Wohnung schleichen und ein paar Sachen holen, die er schon zu lange vermisste. Wenn er vorsichtig war, würde ihn nicht einmal Frau Kleinert, die hellhörige Nachbarin, bemerken. In einer Stunde konnte er zurück sein und sich wieder in seinem Versteck verkriechen.

Torben fuhr los.

Er parkte sein Fahrzeug in einer schmalen Seitenstraße, betrat wenig später das Haus, in dem er wohnte, und fuhr mit dem Lift nach oben.

Wie ein Dieb verschaffte er sich Einlass in seine Wohnung – lautlos und vorsichtig.

Im Schlafzimmer holte er einen Koffer vom Schrank, legte ihn aufs Bett und klappte ihn auf. Im Nu hatte er alles beisammen, was er nicht länger entbehren wollte, und danach hatte er die Absicht, sich genauso klammheimlich davonzustehlen, wie er gekommen war.

Doch als er die Tür öffnete, prallte er jäh zurück, denn vor ihm stand Dr. Sven Kayser.

„Sven, was …“

„Ich hatte gehofft, dass du irgendwann mal wieder hier auftauchen würdest“, sagte der Grünwalder Arzt. „Ehrlich gesagt, es war meiner Ansicht nach die einzige Chance, dich wiederzufinden, deshalb verbrachte ich jede freie Minute vor deinem Haus.“ Er wiegte den Kopf. „Du hast mich sehr, sehr lange warten lassen, mein Freund.“ Er deutete auf den Koffer, den Torben trug. „Fortlaufen ist keine Lösung. Wir müssen uns den Problemen stellen. Wir alle. Ganz gleich, wie unangenehm dies auch sein mag.“

Dr. Lorentz ächzte verzweifelt. „Ach, Sven, du weißt ja nicht, was alles passiert …“

„O doch, Torben, ich weiß alles“, fiel Dr. Kayser ihm ins Wort. „Und Nicola weiß ebenfalls Bescheid. Ihr ist bekannt, wie übel man dir mitgespielt hat.“ Er schenkte dem anderen ein aufmunterndes Lächeln. „Sie möchte dich schrecklich gerne wiederhaben – jetzt erst recht, und sie ist, wenn es sein muss, fest entschlossen, um ihr Glück an deiner Seite zu kämpfen.“

Torben sah Sven fassungslos an. „Woher …“

Dr. Kayser ließ den Freund und Kollegen nicht aussprechen. Er erzählte, was dieser noch nicht wusste, und sagte anschließend: „Ich würde dich gerne zu Nicola bringen. Bist du damit einverstanden?“

Torben Lorentz nickte – und kurze Zeit später lagen Nicola und Torben einander endlich wieder in den Armen, küssten sich ohne Unterlass und weinten vor Glück, während Sven Kayser zufrieden lächelnd aus dem Haus der jungen Kinderärztin schlich.

Bereits am nächsten Tag kehrte Dr. Lorentz in die Seeberg-Klinik zurück. Er begegnete Rosy Kupfer wieder, und als er sah, wie schlecht es ihr ging, verzieh er ihr, was sie und Bruno Pfaff ihm angetan hatten.

Einen Monat später heiratete Dr. Torben Lorentz seine schöne Kollegin, und ein halbes Jahr danach bestätigte Dr. Kayser Nicolas Verdacht, dass sie neuen Mutterfreuden entgegensah.

Als ihr Mann davon erfuhr, wurde er fast verrückt vor Freude, und sie sagte selig: „Diesmal werde ich besser auf unser Baby aufpassen, das verspreche ich.“

Und er wusste, dass er sich darauf verlassen konnte. Außerdem nahm er sich vor, Nicola von nun an wie seinen kostbarsten Schatz zu hüten.

ENDE

5 Romane Auswahlband Ärzte und Schicksale Februar 2019

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