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„Es war ein Sabotageanschlag. Glatte Sprengung!“

Ich blickte nachdenklich den Mann an, der das gesagt hatte. Vorhin hatte ihn mir jemand als Martin Harper vorgestellt, den Experten der Citizen Police in Shamokin. Experte für Sprengstoffanschläge.

Er war zu mir auf den Bahndamm getreten und blickte hinunter in die Tiefe, wo auf der Straße Polizisten und Beamte vom FBI — aus dieser Höhe wie Ameisen anzusehen — die Fundstelle des Toten bevölkerten.

Ohne mich anzusehen, fuhr Harper fort: „Sie vom FBI werden dieses Resultat meiner Untersuchung nur bestätigen.“

Er zog sein Taschentuch aus der Jacke und wischte sich die schweißnasse Stirn ab. Dann tupfte er über den graumelierten Schnurrbart, der sein Gesicht einem Seehundkopf ähnlich machte. Auch sonst machte Experte Harper einen beachtlichen Eindruck. Sei Bauch war beinahe unamerikanisch dick. Alles in allem, der seehundgesichtige Harper war ein Fass auf Beinen, und die Hitze machte ihm schwer zu schaffen.

„Der arme Sievers“, murmelte er und blickte dabei unverwandt nach unten zur Straße. Gerade wurde die Leiche in einen weißen Wagen geladen.

„Kannten Sie den Bahningenieur?“, fragte ich und beobachtete, wie mein Kollege Larry Blackwell Kreidezeichen auf der Straße anbrachte, die prompt vom Polizeifotografen aufgenommen wurden.

„Ja“, sagte Harper. „Allerdings kannte ich ihn nur flüchtig. Er war im Schulausschuss der Schule, in dem auch meine beiden Jungs waren. Ein ruhiger und liebenswürdiger Mensch.“

Ich sah ihn an, und er wandte sich mir zu. „Ist er ... ist er erschossen worden?“, fragte er.

Ich schüttelte den Kopf. „Überfahren. Mein Kollege hat im Verein mit Ihren Leuten bereits ermittelt, wo es passiert ist. Danach wurde der Tote oder Schwerverletzte von der Straße gezerrt und seitlich liegengelassen. Dort ist er, falls er nicht sofort tot gewesen ist, kurz danach verstorben. Streckenwärter Hudson hat ihn etwa eine Stunde später gefunden —, wenn man sich auf die Auskunft des Arztes verlassen kann, der die Todesstunde so geschätzt hat. Außerdem fuhr siebzig Minuten zuvor der letzte Zug durch.“

„Wer auch immer es getan hat, Inspektor, er muss etwas vom Brückenbau verstanden haben. Er hat sich genau die Stelle am Mittelpfeiler ausgesucht, wo selbst die halbe Menge des verwendeten Sprengstoffes ausgereicht hätte.“

Ich sah ihn verblüfft an. „Meinen Sie, ein anderer wäre nicht drauf gekommen?“

„Höchstens durch Zufall“, erwiderte der Dicke und versuchte vergebens, seinen Seehundbart glattzustreichen. „Und wer würde dazu zehn Fuß am Pfeiler emporklettern? Genau in der Querkammer aber ist der Sprengstoff eingelagert worden.“

Ich nickte dem dicken Manne zu und ging zur Brücke vor. Dort hingen die Gleise durch. Der gesamte Mittelpfeiler der Brücke lag in Trümmerstücken unten im Tal. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte der alte Streckenwärter nicht so geistesgegenwärtig gehandelt!

Gut, dass ich an ihn dachte. Mit Hudson musste ich auch noch ein paar Worte sprechen.

Hinter mir näherten sich rasche Schritte. Ich drehte mich um. Ein schmächtiger Uniformierter von der Citizen Police kam mit einem Umschlag auf mich zu. Er grüßte und sagte: „Ich bringe Ihnen die Liste der Zuginsassen, Sir.“

„Sehr gut, danke. Wie viel Hunderte sind es?“

Der schmale junge Mann lachte. „N u r dreihundertvierundvierzig, Sir.“

„Neckische Aussichten. Danke, Sergeant.“

Der junge Mann grüßte stramm, dann ging er, und ich hatte im Kuvert die Namen von 344 Menschen, von denen einer das Ziel des Attentates sein konnte. Vielleicht auch nicht, denn so mancher Sabotageanschlag wurde aus wesentlich anderen Gründen gemacht. Auf alle Fälle stand meinen Kollegen und mir allerhand Kleinarbeit bevor. Na ja, man kann es sich nicht immer aussuchen.

Ich warf einen flüchtigen Blick auf die lange Liste. Zufrieden bemerkte ich, dass sich die Kollegen von der Citizen Police die Arbeit gemacht hatten, auch Beruf, Wohnsitz und Alter der aufgeführten. Personen anzuführen.

„Wer sagt’s denn“, brummte ich, „Die Jungs geben sich alle Mühe.“ Diese optimistische Bemerkung entsprach nicht so ganz meinem Gefühl von diesem Fall. Ehrlich gestanden ahnte ich schon, wie schwierig es sein würde, diese Geschichte aufzuklären.

Ich kletterte hinab zur Straße, und das war ein zirkusreifes Programm. Der Hang war so steil, dass man wie eine Lawine bis zur Talsohle kollern konnte, wenn man ausrutschte. Ich musste den alten Hudson bewundern, der diesen Weg in der umgekehrten Richtung genommen hatte.

Als ich unten ankam, war Larry Blackwell so ziemlich mit seinen Ermittlungen fertig. Er machte ein Gesicht wie Marlon Brando — halb Napoleon nach der Völkerschlacht, halb Lincoln nach Bull Run —, kam auf mich zu und sagte bekümmert: „Sieht böse aus. Von dem Reifenprofil, das zu dem Wagen gehört, der Sievers getötet haben wird, gibt es schätzungsweise ein paar hunderttausend in den Staaten.“

Ich musterte ihn belustigt. Larry neigte eben noch immer zu Übertreibungen. Entweder sah er dunkelschwarz oder rosarot. Vorrecht eines Mannes, der zwischen zwanzig und dreißig schwebte. Dennoch, Larry war tüchtig, nur diese Übertreibungen amüsierten mich immer wieder. „Gipsabdrücke fertig?“

„Wir könnten damit handeln, Häuptling.“

„Wer ist denn dieser komische Knabe dort?“, fragte ich und deutete versteckt auf einen Mann mit Strohhut, hellem Anzug und überdimensionaler Zigarre im Mundwinkel.

„Tom Higgins von der Bahn. Detektiv.‟ Larry sah mich grinsend an, als wisse er, was gleich kommen würde.

„Der hat uns noch gefehlt. Und was gibt er von sich?“

„Er entwickelt Theorien am Fließband und redet von kooperativer Arbeit. Die Cops von der Citizen Police kennen ihn und schlagen Bogen um sein Zelt.“

„Er beginnt mir direkt sympathisch zu werden.“ Ich blickte forschend auf den langen, schwarzhaarigen Mann, der meiner Schätzung nach etwa vierzig Jahre alt sein mochte. Jetzt sah ich erst, dass er die Zigarre in einer Spitze rauchte.

Der ganze Kerl wirkte so affektiert, dass mir davor schauderte, mich mit ihm unterhalten zu müssen. Und genau das stand mir bevor, denn er sah zu mir herüber, rief etwas den Polizisten zu, die neben der Straße noch immer das Gras nach etwaigen Spuren absuchten, dann kam er herüber.

Er ging, beide Hände in den Hosentaschen, die Fußspitzen beim Gehen weit nach außen gestellt. So bewegen sich plattfüßige Menschen.

„Ein Hauch von Charlie Chaplin“, meinte Larry grienend.

Mein Instinkt sagte mir, dass dieser scheinbar komische Bursche es faustdick hinter beiden Ohren hatte. Die A.P. & N.Y.Bahnen beschäftigten keine Charlie Chaplins und Witzfiguren. Er musste also etwas können, dieser Spaßvogel mit Strohhut und Zigarrenspitze.

Drei Schritte vor mir blieb er stehen. „Hallo, ich wette, Sie sind Mr. McAllister, wie?“

„Sie haben die Wette gewonnen. Und Sie sind Higgins?“

Er war nicht überrascht, dass ich seinen Namen kannte. Er streckte mir die Hand zu, und so aus der Nähe sah ich, dass er gar nicht so ohne war. Trotz der lässigen Haltung verriet er sich als Sportsmann mit durchtrainierten Muskeln. Und der Händedruck, mit dem er mich begrüßte, war auch nicht von Pappe.

„Ja, ich bin Thomas Higgins, in der Schule immer im letzten Glied, aber jetzt als Bahndetektiv gerade noch tauglich. Haben Sie schon Ihre Theorie entwickelt?“ Er kaute an seiner Zigarre wie ein Säugling am Nuckel.

„Ich habe bisher keine Theorien entwickelt“, antwortete ich im gleichen arroganten Tonfall und sah ihn nicht gerade sehr freundlich an.

Er zog plötzlich die Augenbrauen hoch und sagte: „Mir war so, als hätte ich mal von aufgeschlossenen Detektiven bei FBI gehört, deren Zusammenarbeit so harmonisch sein sollte. Es muss eine Fehlinformation gewesen sein.“

„Vermutlich.“

„Ich wette mit Ihnen, McAllister, dass Sie in drei Tagen noch nicht die Hälfte von dem ermittelt haben wie ich. Wetten, dass?“

„Versuchen Sie’s im Spielkasino, Higgins. Ich wette nicht.“

Er war von der Sorte, die man nicht abschüttelt. Marke Bulldogge. Offenbar konnte man ihn nicht kränken. Er blieb, obgleich es einem Nilpferde klar gewesen wäre, dass sein Typ im Augenblick nicht gefragt war. Higgins ignorierte das.

„Wissen Sie, McAllister, was es für ein Wagen war?“

„Welcher Wagen?“, fragte ich, als wisse ich nicht, wovon er rede.

„Der Wagen, mit dem der arme Sievers überfahren worden ist.“

Er sah mich so herausfordernd an, dass ich ihm am liebsten einen frommen Wunsch ins Gesicht geschleudert hätte. Doch ich wollte mal hören, was er da von sich geben würde. Und was herauskam, verblüffte mich ehrlich.

„Es war ein Pontiac 63, und wenn die Cops nicht so stur im nahen Umkreis der Unfallstelle gesucht hätten und noch immer suchen, wüssten Sie es auch schon, McAllister. Hier, ein Geschenk von Onkel Tom an die hohe FBI-Behörde.“

Er zog seine Hand aus der Tasche und öffnete sie. Ich sah ein blutverschmiertes Stück Chrom, das sich bei genauer Betrachtung als Firmenschriftzug erwies, wie ihn die meisten Autos an der Seite in Chromverpackung aufgeheftet bekommen. Pontiac — stand da.

„Der Schriftzug“, erklärte Tom Higgins herablassend, „ist in dieser Form nur beim 63er Pontiac zu finden. Ich rate Ihnen, das Ihrem Labor zu überreichen. Es werden sich auch Lackspuren finden.“

„Was Sie nicht sagen.“ Ich blickte Larry an, der breit griente. „Wir hätten sicher die Lackfarbe nicht ermittelt.“

Higgins lachte. „Na ja, aber sicher nicht so gut wie mit meinem Fund.“

Larry nahm ihm den Schriftzug ab und sah mich fragend an. Ich nickte, und er ging zu unserem Wagen. Während Higgins mir erklärte, wo er den Fund gemacht hatte, nämlich ein Stück weiter in Richtung auf Shenandoah zu, telefonierte Larry im Wagen.

Higgins erklärte mir aber gerade: „Übrigens, Inspektor, war das mein einziges Geschenk, das ich Ihnen gemacht habe. In Zukunft muss ich an meinem Job und an meine Lorbeeren denken. Sie verstehen?“

Ich verstand. Er wollte allein arbeiten, wollte den Triumph eines eigenen Sieges einheimsen. So ungefähr konnte ich mir ausmalen, wie oft der Kerl unseren Ermittlungen durch seinen Alleingang in die Quere geraten würde.

Er tippte sich jovial grienend an die Hutkrempe, versenkte wieder beide Hände in den Taschen und stolzierte, Zigarre paffend, in Richtung auf seinen Wagen. Dann zischte er mit röhrendem Motor davon.

Larry kam zurück. „Am Gewinde sind grüne Lackspuren. Und die in Shamokin vom Labor bestätigen das. Am Anzug sind grüne Spuren vom Lack. Ich habe die Fahndungsanzeige durchgegeben. Okay, Chef?“

„Ausnahmsweise“, brummte ich übellaunig. „Dieser Gockel missfällt mir sehr.“

„Es ist der Typ, der zwei Freundinnen gleichzeitig hat“, behauptete Larry.

„Unsinn. Er ist ehrgeizig und hartnäckiger als ein Holzbock. Der wird uns noch ’ne Menge Scherereien machen. Wie sieht es mit den Papierfetzen aus? Sind die von den Sprengpackungen?“

„Noch keinen Bericht. Ich glaube, Rex, wir müssen auch die Gipsabdrücke wegbringen. Oder wollen wir hier draußen übernachten ?“

„Nicht ganz. Ich will mir nur die ganze Geschichte nochmals überlegen.“

Ohne auf Larry zu achten, ging ich ein Stück zurück, denn bis jetzt stand ganz eindeutig fest, dass der Wagen, durch den Sievers getötet wurde, aus Shamokin gekommen war. Dicht vor der Unfallstelle, die wir auch präzise ermitteln konnten, befand sich eine scharfe Kurve. Die Sicht wurde durch Gebüsch am Straßenrand behindert. Weiter wussten wir, dass ein Wagen am Straßenrand geparkt hatte. Meiner Vermutung nach, und auf Grund der noch lückenhaften Indizien sah die Sache so aus:

Der parkende Wagen stand am rechten Straßenrand in Richtung Shenandoah. Daneben oder dicht davor befand sich der Bahningenieur. In diesem Augenblick schoss ein Fahrzeug vom Typ Pontiac 63, Farbe seegrün, um die Kurve. Der Fahrer sah das parkende Fahrzeug zuerst, zog noch weiter nach links, aber vielleicht war er zu schnell. Es gab Bremsspuren. Und dann half auch kein Bremsen mehr. Es war passiert.

Ich begann daran zu zweifeln, dass es Absicht gewesen war. Mit Absicht ausgeführte Tötung hätte den Fahrer des Pontiac nicht zum Bremsen veranlasst. Aber er hatte gebremst. Und weil die zuerst eingetroffene Polizei sorgfältig vorgegangen war, wurde diese Spur auch nicht verwischt.

Während ich noch überlegte, kam plötzlich Larry angelaufen. „Rex, Anruf aus New York! Der Wagen vom Bahningenieur ist gefunden worden. Steht mit leerem Tank in einer Parkverbotszone. Dort hat ihn vor ein paar Minuten ein Cop entdeckt. Der Motor soll noch heiß gewesen sein. Sie haben nichts am Wagen verändert. Er steht noch dort.‟

„Okay“, erwiderte ich knapp. „Ich fahre hin.“

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