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Das Apartmenthaus stand dem Forrestpark direkt gegenüber. Man konnte hier keinesfalls billig wohnen. Ein Blick auf etwas Grünes kostet in New York immer eine Extramiete.

Ich ließ den jungen New Yorker Kollegen auf der Straße zurück, damit er im Falle eines Falles über Funk Verbindung zur Dienststelle halten konnte.

Das Haus war neu, modern und innen hell erleuchtet. Der Lift brachte mich mit dezentem Schnurren in den siebten Stock. Ich musste einem langen Gang folgen, bis ich Zimmer 176 fand.

Eine Visitenkarte klebte unter dem Guckloch. „Betty Collins. Choreographin“, stand da unverfroren. Ich hatte mir schon im Wagen über Sprechfunk ein paar Informationen geholt. Spärliche zwar, aber demnach war die gute Betty Collins seit ein paar Monaten ohne feste Arbeit. Und zuvor sollte sie in Nachtlokalen und drittklassigen Theatern — man kann auch Hinterhofbühnen dazu sagen — gearbeitet haben.

Der Polizei war sie durch zweifaches Vergehen gegen das Sittengesetz im Zusammenhang mit Jugendlichen bekannt. Striptease vor Minderjährigen, so etwas mag die Polizei in New York gar nicht.

Vor der Tür standen zwei Milchflaschen. Voll. Aber trotzdem schien jemand in der Wohnung zu sein. Ich hörte leise Musik. Und jemand sprach. Ich lauschte und war sicher, dass es eine Frauenstimme war, und zwar nicht aus dem Radio. Sie kam aus einer anderen Richtung als die Musik.

Ich drückte den Summer. Das Sprechen brach ab, die Musik wurde leiser. Jemand schlurfte auf die Tür zu, und ich hörte, wie eine Männerstimme sagte: „Das wird Sam sein. Sicher hat er den Wagen fertig.“

Die Tür wurde geöffnet. Vor mir stand eine blonde Frau. Gefärbt blond, das Gesicht einige Nuancen zu grell geschminkt, und in der harten Neonbeleuchtung des Korridors wirkte das gar nicht gut. Man sah jede Pore, und die waren bei der ein wenig verlebten Blonden recht groß. Auch mit dem Doppelkinn schien sie nicht fertig zu werden, obgleich sie gerade jetzt intensiv daran rieb.

„Ja?“, sagte sie mit kratziger, verräucherter Stimme. Und sie schaute mich in einer herausfordernden Weise an, die mich warnte und irgendwie abstieß. Es war ein abschätzender Blick, dem eine ganze Portion Lebenserfahrung zugrunde lag.

„FBI!“, sagte ich und zog meine Marke heraus.

Das traf sie wie ein Hammer. Trotz der dicken Schminke wurde ihr Gesicht fahl, die Augen verengten sich. Grüne Augen übrigens, aber bei ihr wirkten sie weder aufregend noch anziehend, Ich fand diese Frau — als Frau betrachtet — zunächst völlig uninteressant.

Von meinem Fall aus gesehen, konnte mir der Mann, den ich hinten im Zimmer erkannte, sehr viel mehr Interesse abgewinnen.

Es war Tom Higgins, der Bahndetektiv.

Er kam nach vorn, lächelte entschuldigend und sagte: „Tut mir leid, Mr. McAllister, aber ich habe Miss Collins gegenüber nicht erwähnt, dass Sie auch am gleichen Faden ziehen. Schade, jetzt treten wir uns gegenseitig auf die Zehen. Kommen Sie doch ’rein, Inspektor.“

Ich trat ein, musterte Higgins skeptisch und wandte mich an die Frau. „Sie erwarten Ihren Leihwagen zurück, nicht wahr?“

Sie schwieg und blickte hilfesuchend auf Tom Higgins.

Ich versuchte mir zu erklären, welche Verbindung zwischen den beiden bestand. Und woher hatte Higgins gewusst, dass diese Collins den seegrünen Pontiac gefahren, beziehungsweise gemietet hatte?

Er ahnte wohl meine Frage, setzte sich auf die Tischkante vor der Leselampe und goss sich sein Whiskyglas voll, als sei er hier zu Hause.

„Betty, sei lieb, und hol ihm auch ein Glas“, bat er und lächelte wieder. Ich fand keine Erklärung für seine Selbstsicherheit.

„McAllister, Sie sehen, ich schlafe nicht im Stehen. Ich sagte ja, in der Schule war es mies bei mir, aber danach bin ich doch um einiges munterer geworden. Ich bin von Ihnen aus hier nach New York gegondelt. Allerdings will ich nicht verhehlen, dass ich zwischendurch irgendwo gehalten habe, und was ich da hörte, veranlasste überhaupt erst die Fahrt nach New York. Tja, und hier habe ich das getan, was jeder amerikanische Bürger tun kann: Ich habe mich bei der Verkehrsbehörde nach dem Besitzer des Wagens erkundigt, dem eine gewisse Autonummer gehört. Ich hörte von Fukas. Fukas war nicht da, aber sein Schmiermaxe erzählte mir von Miss Collins. Jetzt bin ich seit ein paar Stunden hier. Ich weiß, dass sie diesen Wagen gemietet hatte. Ich weiß, und sie bestreitet es nicht, dass es genau der Wagen war, mit dem unser Sievers überfahren worden ist. Miss Collins hat den Wagen in eine Werkstatt bringen lassen, wo er in Windeseile ausgebeult werden soll.“

In mir begann es zu kochen. Hatte Higgins es zugelassen, dass jede Spur am Wagen vernichtet wurde?

Er lächelte versöhnend und meinte: „Inspektor, ich habe das natürlich unterbunden …‟

„Nein!“, rief die Frau entsetzt und sah Higgins erschrocken an.

Er zuckte die Schultern, drückte seine Zigarre aus und sagte bedauernd: „Tut mir leid, aber immerhin bin ich kein Privatdetektiv, wie du angenommen hast, Betty. Ich bin Detektiv der A.P. & N.Y. Bahnen. Das Beweisstück Auto konnte ich nicht verändern lassen.“

Ich atmete auf. In meinem Ansehen wuchs der smarte Higgins um ein paar Größen. Um ehrlich zu sein: Ich fand den Detektiv eigentlich mächtig auf Draht.

„Der Wagen befindet sich in der Housler Garage, eine halbe Meile von hier. Es wird niemand an ihn herankommen, dafür habe ich gesorgt. So wie die Dinge liegen, würde ich ihn dort abholen lassen, Mr. McAllister.“

Ich nickte. „Und wie war das mit Sievers?“, wandte ich mich direkt an die Collins.

„Das ist der Tote“, erläuterte ihr Higgins.

„Ich war doch nicht dabei! Ich bin doch gar nicht gefahren …‟

Tom Higgins sah sie lächelnd an. „Setz dich, Betty. Im Stehen, fällt das Reden schwer. Erzähl ihm deine Story!“

Sie war aber misstrauisch geworden und blieb neben ihrer bescheidenen Hausbar stehen. „Ich habe Ihnen ja gesagt, dass es Mr. Boulanger war, der gefahren ist. Ich war doch gar nicht mit. Er hat mir nur erzählt, als er kam, dass er einen Unfall gehabt hätte, und dass es weiter nicht schlimm gewesen sei.“

„Wer ist Boulanger?“, fragte ich.

„Richard Boulanger“, erklärte Higgins.

„Der Dirigent des Television-Schau-Orchesters?“

Higgins und die Collins nickten beide.

„Hm, und weiter?“, bohrte ich.

„Nichts weiter!“, behauptete die Collins. Sie goss sich ein Wasserglas halb voll Whisky, verzichtete auf Soda, und setzte zu einem harten und mannhaften Zug an.

Bevor sie abgesetzt hatte, sagte Higgins: „Betty, die es offenbar vorzieht, wieder Sie zu mir zu sagen, hat sich geirrt.“ Er lächelte verächtlich und warf der Collins einen missbilligenden Blick zu. „Sie hat etwas übersehen.“

Die Frau setzte das Glas mit hartem Schlag auf den Tisch und fauchte: „Ich habe was übersehen?“

„Die Tankstelle. Ihr habt getankt, und der Tankwart konnte sich recht gut entsinnen, dass es eine blonde Frau war, und neben ihr ein älterer, distinguiert aussehender Herr. Die Tankstelle liegt kurz hinter Shamokin. Es war vor dem Unfall. Der Tankwart entsinnt sich, dass du immer zur Eile gedrängt hast. Ihn und auch diesen Mr. Boulanger. Übrigens hast du ihn Dick genannt, den graumelierten Mr. Boulanger.“ Er lachte trocken und sagte zu mir gewandt: „Sind das nun gute Informationen oder nicht, Inspektor?“

„Er lügt da nichts wie Unsinn zusammen!“, schrie die Collins, und jetzt konnte ihre Schminke sie nicht mehr retten. Nun zeigte sie sich so, wie sie war. Und da war nicht viel Erfreuliches zu entdecken.

„Hm, Miss Collins, dann wollen wir es nicht so lange hinziehen. Am besten kommen Sie mit.“

„Wollen Sie mich etwa verhaften?“, schrie sie mich an.

Ich schüttelte den Kopf. „Eine Vernehmung, Miss Collins. Zunächst nur eine Vernehmung. Einen Haftbefehl muss ich nämlich erst besorgen. Kommen Sie bitte.“ Sie war im Hausanzug. Übrigens ein bemerkenswertes Exemplar von einem Textil, das verhüllte, um zu offenbaren. Nur hätte Betty Collins ein paar Jahre jünger sein müssen. Es hätte ihr besser gestanden.

„Ich will einen Anwalt!“, erklärte sie widerspenstig.

„Natürlich, der steht Ihnen zu. Aber erst kommen Sie mit. Den Anwalt besorgen wir Ihnen schon. Also?“

Ich trat auf sie zu, und sie meinte: „Umkleiden werde ich mich ja wohl noch dürfen, wie?“

„Bedaure. Wenn ich eine Beamtin dabei hätte, gerne, aber so ... Kommen Sie, Miss Collins! Sie brauchen nicht durch die Straßen zu laufen.“

„Das würde sie wenig stören, Inspektor“, behauptete Higgins boshaft.

Fünf Minuten später saß Betty Collins mit übergeworfenem Mantel im Dienstwagen und rollte mit meinem Kollegen und mir zum FBI-Büro. Hinter uns fuhr Tom Higgins in seinem frisierten Donnervogel.

Unterwegs dachte ich über Higgins nach. Ich war mir noch nicht ganz klar darüber, ob ich ihm für seine Unterstützung danken sollte oder nicht. Mir kam da so ein Gedanke, dem ich intensiver nachgehen musste.

Higgins wollte sich bei unserer Ankunft verabschieden, aber da spielte ich nicht mit. „Ich brauche Sie leider noch, Kollege. Kommen Sie bitte mit hoch. Außerdem kostet hier der Kaffee nichts, und den können Sie sicher gebrauchen. Also, hinauf mit Ihnen, Tom!“

Er grinste mich an und meinte dann misstrauisch: „Dass Sie mich Tom nennen, fände ich unter anderen Umständen verdammt nett. Aber mir schwant, Sie haben dabei einen unfeinen FBI-Hintergedanken. Ich soll in Ihrer Umarmung und unter freundlichen Redensarten verwelken, wie? Aber ich bin ein gut erzogener Mensch. Sie heißen Rex, wenn ich nicht irre. Also gut, Rex, ich komme mit. Aber glauben Sie nicht, dass ich mich von Ihnen wie ein Kuli einspannen lasse!“

Der hatte Sorgen, aber ich konnte ihn sogar begreifen. Detektiv bei einer Bahn zu sein, war kein Quell der Freude. Die Bahnen waren Aktiengesellschaften mit recht nervösen Aufsichtsräten. So eine Brückensprengung schadete der Gesellschaft enorm. Die Reisenden wanderten zu anderen Bahngesellschaften ab oder fuhren mit dem Wagen, vielleicht flogen sie auch, und weil es sich um Privatunternehmen handelte, ging es um Sein oder Nichtsein.

Der Gesellschaft musste sehr an einer schnellen Aufklärung des Falles liegen. Den Täter wollte man haben! Solange er frei herumlief, bestand für die Bahn das Risiko einer Wiederholung eines solchen Anschlages. Ob FBI mit der Klärung beschäftigt war oder nicht, interessierte vielleicht die Öffentlichkeit, nicht die Aufsichtsräte. Sie hatten Tom Higgins, und von ihm verlangten sie Erfolge.

Higgins hatte zwei Möglichkeiten: Entweder hing er sich an uns an, dann stand ihm die Apparatur der gesamten Polizei zur Verfügung. Oder aber er arbeitete auf der gleichen Basis wie ein Privatdetektiv, und das ist nur im Film ein fröhliches Geschäft. Trotzdem hatte Higgins diesen Weg vorgezogen, um bei seinen Chefs Erfolge buchen zu können. Ich musste zugeben, dass der leicht versnobte Tom die Sache ganz geschickt anging. Allerdings nicht immer mit fairen Methoden. Dafür musste ich ihm noch auf die Finger klopfen.

Betty Collins wurde zwei weiblichen Beamten übergeben und abgeführt. Sie protestierte und wollte sofort verhört werden, aber dazu hatte sie kein Recht. Vierundzwanzig Stunden lang konnte ich sie festhalten. Genau das hatte ich auch vor, falls ich keinen Haftbefehl bekommen sollte. Doch daran zweifelte ich eigentlich nicht.

Es gab wieder Kleinarbeit. Der Wagen von Fukas musste aus der Housler Garage geholt werden. Dann wollte ich diesen Mr. Boulanger sehen. Es war zwar erst vier Uhr morgens, aber Bahningenieur Sievers wäre sicher gerne um diese frühe Zeit aufgestanden, wenn er dafür noch leben dürfte. Dass er Vater von vier Kindern war, sei nur am Rande erwähnt, aber uns Männer vom FBI lässt so eine Tatsache nicht so kalt, wie mancher meinen möchte. Das Höchste in der menschlichen Gesellschaft ist nun einmal die Familie.

Einer der New Yorker FBI-Agenten machte sich auf den Weg zu Boulanger, der im Waldorf-Astoria abgestiegen war.

Und nun noch ein Anruf bei Larry Blackwell in Shamokin. Tom Higgins saß neben mir, als ich telefonierte, aber das sollte so sein. Er ahnte noch nichts.

Dann endlich hatte ich Larry an der Strippe. Er wusste nicht sofort, wer ihn aufgescheucht hatte und murrte etwas von unverschämter Störung. Als er hörte, dass ich es war, buk er kleinere Brötchen.

„Sag mal, Larry“, begann ich, „da habe ich doch gestern angeordnet, dass sämtliche Tankstellen an der Strecke abgeklappert werden sollten. Wie sieht es damit aus?“

„Gut, dass du davon anfängst, Rex! Da ist eine tolle Schweinerei passiert. Dieser Higgins, dieser Knilch ...“

„Moment mal, Larry, nur einen Augenblick!“, unterbrach ich und sagte zu Tom: „Drücken Sie mal auf die Sprechanlage, dann hören Sie mit!“ Und zu Larry: „Rede weiter, Larry, aber wiederhole deinen letzten Satz!“

„Ich sagte: Higgins, dieser miese Geier, hat uns eine Schweinerei verbraten gestern. Er war in der Tankstelle vor Shamokin. Als er hinkam, war einer von den Cops dort, um den Tankwart zu befragen. Higgins stellte sich dazu und hörte sich an, dass der seegrüne Pontiac dort getankt hätte.“

„Was jetzt kommt, weiß ich. Aber was war mit dem Cop? Warum hat der nichts gemeldet?“, fragte ich.

Ich hörte Larry schnaufen, dann sagte er: „Weil er dem Higgins vertraut hat! Der behauptete nämlich, er würde zu dir fahren und die Nachricht ausrichten.“

„Danke, Larry, das war es. Wir sehen uns in etwa fünf Stunden wieder.“

Ich legte auf und sah Higgins an, der mich schief angrinste.

„Schöne Späße sind das, Tom! Das gefällt mir ganz und gar nicht.

„Soll nicht mehr vorkommen, Rex“, beteuerte er aufrichtig.

Plötzlich summte das Telefon. Einer der Beamten nahm ab, deutete dann aber auf mich, und ich ahnte schon nichts Gutes. Ich übernahm, und der Agent meldete sich, den ich zu Boulanger geschickt hatte.

„Inspektor, kommen Sie sofort!“ sagte er. „Boulanger hat einen Selbstmordversuch unternommen. Er lebt aber noch. Kommen Sie rasch!“

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