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Da wir diesmal einen Wagen mit Fahrer nahmen, hatte ich Zeit, mein Mosaikgebilde zu überprüfen. Meine Theorie, die sich aus vielen Indizien zusammensetzte.

Tom saß schweigsam neben mir, und ich hatte Muße, über alles nachzudenken. Der Fahrer war ein junger Mensch, dem das Fahren im Blut lag. Er sah ein bisschen wie ein Indianer aus, vielleicht floss Indianerblut in seinen Adern. Dass Joe, so hieß er, eine große Rolle in den nächsten zwanzig Minuten spielen sollte, ahnten jetzt weder er noch wir.

Ich war also dabei, mein Beweismosaik zu überdenken. Und bis jetzt sah es so aus:

Ein Mann zwischen 35 und 45 Jahren, groß, dunkelhaarig — von Stellcass als Fred Marek bezeichnet, von Mrs. Sievers Mareks oder Maless genannt, lagert bahneigenes Material zu einer Sprengung, das ein gewisser Pingping bei Sievers abholt.

Lücke 1: Wusste Sievers von dem geplanten Anschlag? Der Mann baut die Sprengladung ein, wird von Lokführer Edison auf dem Bahnkörper beobachtet. Dann erfolgt die Sprengung. Stellcass kommt kurz danach und sieht Fred Marek.

Lücke 2: Gab es zwischen beiden eine Auseinandersetzung? Nach Aussage von Stellcass tauchte auch Sievers auf, sah die Sprengung und lief zu seinem Wagen zurück. Dabei wurde er überfahren, als er die Straße überquerte. Boulanger und die Collins zogen Sievers zur Seite, nahmen auch seinen Wagen und fuhren mit beiden Fahrzeugen weiter.

Lücke 3: Warum unternimmt Stellcass nichts? Die beiden Falschgeldplatten des Stellcass werden unter den Trümmern gefunden. Sie waren also in der Brücke versteckt. Stellcass hinterließ aber keine Fingerabdrücke auf der Zündmaschine. Hingegen Sievers und ein noch Unbekannter, der Sprenger.

Zufall 1: Die Collins, eine geborene Marek, befährt mit Boulanger im Auto kurz nach der Sprengung die wenig benutzte Straße. Boulanger ist der Chef einer Revue. Im Express 253 sitzen die Girls und andere Künstler dieser Revue. Der Sprenger soll Fred Marek sein. Ein Bruder der Collins. Wirklich Zufall?

Zufall 2: Der Beinahe-Bahnunfall geschieht — wenn alles nach Plan gelaufen wäre — zum selben Zeitpunkt wie der Autounfall! Zufall?

Ich war noch nicht zu Ende mit meinen Überlegungen, als Tom sagte: „Rex, könnten wir mal anhalten?“

Ich sah hinaus. Wir befanden uns außerhalb der Stadt. Rechts lag ein Waldstück. „Anhalten?“

„Na ja“, erwiderte er. „Man ist auch nur ein Mensch, und vorhin hatte ich keine Gelegenheit dazu.“

Ich verstand. „Klar. Halten Sie an, Joe!“

Inzwischen drehte sich Joe herum und sagte: „Sie sind hier fremd, Sir, wie?“

„Hm, warum?“ Ich blickte in sein hageres Indianergesicht.

„Dieser Higgins ist eine Pflaume, Sir. Eine Überreife. Ich weiß es, mein Alter ist auch bei der Bahn. Vor vier Wochen sagte er, Junge, sagte er, da haben sie jetzt einen eingestellt bei uns, das ist ein Heini! Ja, und dann sagte er, dieser Bursche wollte Detektiv spielen, dabei würde er selber klauen wie ein Rabe, sagte mein Alter.“

„Sie sprechen von Higgins?“, fragte ich zweifelnd.

Joe nickte. „Klar, den hätten Sie zum Teufel jagen, aber nicht mitnehmen sollen, Sir. Mein Alter hat Äugelchen für so was! Dem trau ich blindlings. Wenn der sagt, einer ist nass unter den Zehen, dann ist er es. Der Alte hat eine feine Nase.“

„Für Schweißfüße?“, fragte ich spöttisch.

Joe sah mich ernst an. „Kein Spaß, Inspektor ...“

„Still jetzt!“, mahnte ich, denn Tom kam zurück.

Tom kam langsam, und ich war schon versucht, ihm zuzurufen, dass er sich beeilen möge. Aber irgendwie schien ihm nicht gut zu sein. Er hielt die linke Hand vor die Stirn, stieg dann aber ein und stöhnte: „Ich hätte doch nicht mitfahren sollen. Kopfschmerzen.“

„Macht nichts“, erwiderte ich. „So lernt man eben immer dazu.“

Wir fuhren weiter, und Joe gab sein Bestes. Er kitzelte alles aus dem Motor heraus. Ich schaute gerade zum Fenster hinaus, als Tom sagte:

„Rex, sehen Sie mal!“

Ich wandte mich ihm zu, da sah ich den Revolver. Die Mündung zeigte auf Joes Rücken.

„Ich drücke ab, wenn er stoppt! Und wenn er nicht das tut, was ich sage. Legen Sie Ihre Hände auf die Rücklehne des Vordersitzes, Rex!“

„Lassen Sie Ihre blödsinnigen Witze!“, fuhr ich ihn an.

Er lächelte. „Es sind keine Witze, Inspektor McAllister!“

Joe nahm das Gas weg. „Habe ich nicht gesagt, dass dieser Bursche ein Dreck ist?“

„Schneller fahren!“, befahl Tom. „Und Sie, Rex, tun Sie, was ich eben befohlen habe!“

„Sie sind ein Narr!“, knurrte ich.

In diesem Augenblick trat Joe mit voller Wucht auf die Bremse.

Ich wurde wie vom Katapult nach vorn geschleudert, hatte aber noch soviel Geistesgegenwart, mit der Faust nach Tom Higgins′ Arm zu schlagen. Higgins flog ebenfalls nach vorn und knallte mit seinem Schädel gegen Joes Schulter. Er schrie auf, und in diesem Augenblick krachte der Schuss.

Ich lag vor dem Sitz und hatte mir die Brust geprellt. Außer momentanen Atembeschwerden spürte ich aber wenig. Ich wusste auch nicht, ob der Schuss irgendwen getroffen hatte. Ich sah nur das Blut über Higgins Gesicht laufen, und den herabgerutschten Verband.

Higgins lag auch vor dem Sitz. Er regte sich nicht. Ich sah die Hand mit dem Revolver.

Plötzlich krachte und splitterte es. Wieder schien mich eine Geisterhand zu packen, und ich wurde auf Higgins geworfen. Dann schlug ich mit der linken Schulter irgendwo so an, dass ich meinte, mir sei ein Schwert in die Achsel gerammt worden.

Der Schmerz war so stark, dass mir schwarz vor Augen wurde.

Als ich aufwachte, kroch es mir kalt den Unterkörper hinauf. Über mir war es stockdunkel. Ich konnte überhaupt nichts sehen. Nur unter mir war etwas Weiches. Anzugstoff. Eine Hand.

Ich brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, dass der Wagen auf dem Dach in irgendeinem Gewässer lag. Möglicherweise tief im Wasser. Das drang nämlich jetzt durch alle Ritzen und Schlitze.

Ich erinnerte mich an Joe. Ich rief seinen Namen. Aber es kam keine Antwort.

Das Wasser sprudelte wie eine Fontäne in den Wagen. Ich suchte den Türgriff und zog ihn zurück, stemmte beide Beine gegen die Tür. Indessen flutete das Wasser auf mich und den, der unter mir lag. Es musste Tom Higgins sein.

Ich packte den Mann unter mir, stieß mich ab und strampelte aufwärts. Als ich auftauchte, blendete mich grelles Licht. Sonnenschein.

Ich schleppte Tom Higgins nach und erreichte das schlammige Ufer, das weithin mit Schilf bestanden war. Mühsam zerrte ich Higgins aufs Trockne. Ich sah, dass er stark blutete, entdeckte aber auch an mir selbst über den ganzen linken Arm Blut.

Aber Joe musste noch im Auto stecken!

Ich ließ Higgins los und wollte zurück, als mir vom anderen Ufer jemand etwas zurief. Ich schaute hinüber und entdeckte Männer in einem Schlauchboot.

„Ist noch einer drin?“, riefen sie.

„Ja!“, brüllte ich zurück. Da sah ich zufällig zur Seite und entdeckte gar nicht weit von mir einen menschlichen Körper im Schilf. Ich sah nur das Gesicht: Joe!

„Es ist keiner mehr drin. Kommt herüber!“, rief ich den Männern im Boot zu.

Dann ging ich zu Joe. Auf seiner Stirn wuchs eine mächtige Beule. Seine Hand war voller Blut, und eines seiner Beine war merkwürdig verdreht.

Die Männer legten an, kamen näher.

„Kümmert euch um den Jungen!“, sagte ich und wankte zu Tom, der sich zu regen begann.

Einer Männer kam zu mir. „Mann, Sie bluten ja toll!“

„Lassen Sie mich! Der dort braucht Sie auch!“, Ich wies auf Tom.

Während der Helfer Toms Kopf verband, sagte dieser röchelnd: „Es ist ... aus. Ich weiß ... es, Rex ... Verspielt …‟

Jetzt wusste ich es. Er hatte die Maske zu früh abgesetzt. Vorher wäre ich so leicht nicht darauf gekommen, obgleich manches darauf hingewiesen hatte.

„Sie sind Fred Marek?“

Er nickte und verzog im Schmerz das Gesicht

„Warum, Tom, haben Sie gesprengt?“

Er lächelte trotz der Qualen und flüsterte schwach: „Sievers ... und ich ... alte Freunde ... zusammen Soldat. Sievers unzufrieden ... immer gemaßregelt von Vorgesetzten … hatte Entlassung … Wurde später rückgängig gemacht, weil verunglückt ... Wir beide zusammen ... Plan gemacht ... Ich habe Klischees gesucht ... wusste, dass ... im Pfeiler versteckt … Wollten noch mehr ... im Zug 253 saßen Mädchen von Revue ... Mein Schwester ... Tänzerin ... wollte zur Revue ... aber man hat sie ... ah ... hat sie nicht genommen ...“ Er verzog vor Schmerz das Gesicht, und so allmählich begannen auch mir rote Punkte vor den Augen zu tanzen. Ich wurde aber hellwach, als jemand meinen linken Arm hochhob und die Jacke auftrennte.

Tom sprach weiter. „Sie war arm, meine Schwester ... auch so ein Bettelkind ...“

„Wie kamen Sie zur Bahn, als Tom Higgins?“

„Hat Sievers arrangiert … Falsche Papiere … der echte Higgins ist lange tot. Verkehrsunfall ... Blutiger Zufall, wie? ... War damals Zeuge ... habe seine Papiere mitgenommen ... Zeugnisse auch ... Der war bei der Union Pacific. Ah, wenn es nur nicht so verteufelt wehtäte.“

Mir wurde wieder schwarz vor Schmerzen. Als es besser ging, und mir jemand etwas zu trinken an den Mund setzte, hörte ich Tom gerade sagen:

„Meine Schwester hat Boulanger erpresst … Der hat Fukas auf sie losgehetzt. Aber damals, als die Brücke zusammenfiel, da war noch alles okay zwischen ihr und Boulanger. Sie hat ihn veranlasst, die Strecke ... zu fahren. Sie wollte sehen … wollte zusehen ... sie hat Boulanger gedrängt ... wollte nicht zu spät kommen ... und ausgerechnet sie haben Sievers ...“

„War es wirklich ein Unfall?“

Er nickte kaum merklich. „Ein wirklicher Zufalls-Unfall ... ich hätte diesem Narr Boulanger helfen können … Sievers ist ihnen direkt vor den Wagen gerannt ... aber ich wollte nicht. Wollte nicht, dass er mich sieht ... und bin weg.“

„Sievers ist aber niedergeschlagen worden.“

„Nein“, erwiderte er und schloss die Augen. „Er nicht. Nur ein Unfall. Ich aber ... ich bin niedergeschlagen worden ... ein Stück entfernt ... von Stellcass. Er kam ... hat mich gesehen ... auch den Unfall ... Er wusste, was ich suchte ... hat es dann bei mir gesucht, aber ich hatte es nicht. Hab’ es nie gefunden. Die Platten … beide Platten.“

„Warum haben Ihr Bruder und dieser noch unbekannte zweite Mann auf Sie geschossen?“, fragte ich.

„Ich bin ihr Bruder … und Konkurrent. Wir hassen uns ... meine Mutter und meine Brüder … Betty …‟ Er lächelte verzerrt, „Meine liebe alte Betty. Die Brüder und meine Mutter, sie wollten auch die Druckplatten ... wollten sie immer. Nie hat es bessere Kopien gegeben ... die Polizei hatte sie nicht. Wir besaßen zwei, die anderen Stellcass. Er wollte nicht, dieser Bastard. Wollte ein anständiger Mensch sein.“

„Ist er zu seiner Tat gezwungen worden?“

„Er hat nie Geld gefälscht, nie! Er hat nur Platten geätzt, für den Wettbewerb. Geldplatten sind schwer zu machen — sehr schwer. Rex, ich habe einen Fehler gemacht ... einen einzigen. Ich habe Ihnen die Chromschrift von dem Wagen gegeben. Ich dachte, Sie würden sowieso den Wagen finden und wollte mich nützlich erweisen. Damit habe ich Betty in Schwierigkeiten gebracht.“

„Ihr Bruder hat auf Sie geschossen, Tom!“

Er lächelte bitter. „Sie wollten mich sogar töten, weil sie dachten, ich hätte die Platten.“

„Warum haben Sie mich mitgenommen, als Sie zu Stellcass wollten?“

Er lächelte wieder. „Angst, Rex, Angst. Ich wusste, dass meine Brüder und meine Mutter hinter mir her waren.“

„Und die Krankenschwester?“

Das Sprechen fiel ihm plötzlich schwer. Er wurde wachsgelb im Gesicht und flüsterte kaum hörbar: „Sie ... ist ... gut.“

„Tom, wer war in Sievers’ Wohnung, als der Sergeant Mrs. Sievers vernehmen wollte?“

„Betty ...“

Es war sein letztes Wort.

ENDE

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