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Jerome Kelly war ein hagerer Mann Mitte der vierzig. Seine langen, schmalen, geschmeidigen Hände zuckten noch nervöser als die Millionen Lichter am Strip von Las Vegas. Golden Nugget, Fremont, Star Dust - lauter weltbekannte Namen umgaben ihn. Seit zehn Jahren schon war diese Glitzerstadt seine Heimat, doch zum ersten Mal fühlte er Todesangst. Auf seiner hohen, blassen Stirn lag ein kalter Schweißfilm, den auch der Wind aus der Wüste nicht zu trocknen vermochte. Was machte er eigentlich hier? Hatte er nicht auch so schon Sorgen genug? War es ein Fehler gewesen zu versuchen, nach zwei Seiten abzukassieren?

Kelly fröstelte. Nun, er hatte A gesagt. Er biss die Zähne zusammen, bis sie knirschten. Würde er eben auch noch B sagen. Die Situation war ohnehin schon verfahren genug. Er hatte sich verzettelt, und er wusste es. Alles kam nun darauf an, dass er glaubwürdig blieb.

Doch wer glaubte schon einem Erpresser?

Eine Limousine, schwarz wie ein Leichenwagen, rollte neben ihm aus und kam zum Stehen.

»Mister Kelly?«, fragte eine kalte Stimme aus dem Inneren des Cadillac Caravan, einer Sonderanfertigung. »Bitte steigen Sie ein ...«

Kelly gehorchte. Was blieb ihm jetzt noch anderes übrig. Schwer ließ er sich in die Polster der Beifahrerseite fallen, streckte die müden Beine lang. Er hatte soeben seine Schicht beendet und gerade noch Zeit gefunden, einen Whisky zu trinken. Knapp zehn vorbei. Die Shows in den großen Hotels waren noch nicht zu Ende. Die Kasinos würden sich erst später knallvoll füllen. Las Vegas hatte immer Hochsaison. Das ganze Jahr über und rund um die Uhr. Die Klimaanlagen machten die Jahreszeiten vergessen, die sich hier im südlichen Nevada sowieso kaum voneinander unterschieden und immer nur die Hitze aussperrten.

Früh um fünf wurde reiner Sauerstoff durch die Aggregate geblasen, damit die Spieler bei der Stange blieben. Und verloren. Jerome Kelly war mit sämtlichen Tricks dieses Gewerbes vertraut. Auch mit den dreckigsten.

Und deshalb saß er jetzt hier in diesem Bestattungsunternehmer-Caddy. Der kalte Schweiß floss noch schneller. Er wischte sich die Hände an den Oberschenkeln seines Dinner-Anzugs ab. Der Kragen seines weißen Hemds war ihm zu eng.

Vielleicht hätte er sich vorher doch besser umziehen sollen. Jetzt klebte ihm dieses Hemd am Körper, obwohl er sonst nicht zum Schwitzen neigte. Jerome Kelly konnte sich riechen, und das war ihm zusätzlich peinlich.

Er kannte den Mann neben sich. Doch ihn hatte er eigentlich nicht erwartet. Nicht ausgerechnet ihn. Allerdings wusste er auch nicht, welche Rolle er nun wirklich spielte. Es wunderte ihn ein wenig, dass sich die Gegenseite so weit aus der Deckung wagte.

»Sie haben das Paket dabei?«, fragte der Mann.

Er war blond und muskulös und starrte teilnahmslos durch die Windschutzscheibe. In seinem Mundwinkel hing eine halb gerauchte Zigarette. Die Packung dazu lag in einem Fach der Mittelkonsole. Ein buschiger Oberlippenbart sollte wohl seine strichdünnen Lippen verbergen, die diesem bei aller muskulösen Fülle hageren Gesicht einen Zug von Grausamkeit verliehen. Möglich, dass er Dope nahm. Kokain vermutlich. Wer sich mit »H« abspritzte, verlor in dieser Stadt schneller seinen Job, als eine Space-Shuttle fliegen konnte.

»Es gibt kein Paket«, antwortete Kelly. Seine Kehle kratzte. Er hatte sich vor diesem Satz räuspern müssen. »Alles in meinem Kopf.«

Der blonde Fahrer schwieg. Kellys Haar lag wie eine schwarze Kappe um den Schädel.

»Ist das nicht ein bisschen unvorsichtig?«, fragte der Mann am Steuer ruhig. »Ich meine, Sie wissen doch, worauf Sie sich hier einlassen.«

Und ob der Croupier das wusste. Er reiste auf des Messers Schneide. Erneut wischte er sich über die Oberschenkel. Er hätte jetzt so gern einen weiteren Drink gehabt. Etwas stärkeres als Whisky. Am besten einen Tequila. Und er hätte vorher noch etwas essen sollen. Er fühlte Übelkeit aus seinem Magen hochsteigen.

»Natürlich habe ich mich abgesichert«, entgegnete er schroff. »Ich bin doch kein Idiot. Und die Zeiten, in denen missliebige Personen spurlos in der Wüste verschwanden, sind ein für allemal vorbei. Das könnt ihr euch nicht mehr leisten. Es sitzen euch zu viele Leute auf den Hacken. Das FBI, die Kommission, der Sheriff und nicht zuletzt die Multis selbst. Es ist doch Käse, zu behaupten, dass die Mafia heute noch am Roulette-Zylinder mitdreht.«

Der eigene Satz hatte Kelly etwas beruhigt. Denn was er sagte, stimmte. Schon möglich, dass Gangster wie Bugsy Siegel und sogenannte Gangster wie Moe Dalitz und Major Riddle das heutige Las Vegas bald nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Taufe hoben, doch inzwischen hatten die internationalen Multis die Ansprüche des Großkapitals erhoben, diese Goldgrube mit auszubeuten. MGM war genauso vertreten wie EXXON, IBM oder die rührige Rockefeller-Connection. Natürlich auch bei denen wurde mit den allerhärtesten Bandagen gekämpft, doch gehörte Mord offiziell noch nicht zu ihren Geschäftspraktiken, wie Jerome Kelly inständig hoffte.

Und sein Kasinohotel gehörte so einem Multi, wenn auch nicht einem der eben erwähnten.

Der blonde Fahrer schwieg. Sie hatten die Stadt in südwestlicher Richtung hinter sich gelassen. Schwarze Berge rahmten die Landschaft, ein fahlgelber Mond zauberte Glanzlichter auf die nur zwei Monate im Jahr zum Teil schneebedeckten Kämme und Grate.

Nevada - also schneebedeckt - hatten ein gewisser Padre Escalante und seine Truppe spanischer Conquistadores das Land Anno Domini 1776 getauft, als sie ihre christliche Fahne über einer grünen Oase mitten in einer schier endlosen Wüste hissten. Sie nannten den Ort Las Vegas, was im Spanischen so viel wie >Die Wiesen< bedeutet. Und schon damals hatten sich hier nackte Pajute-Indianer stundenlang dem Vergnügen hingegeben, Knöchelchen und bemalte Stäbchen in einer Art Würfelspiel über den Sand zu rollen und bei den Wetten ihre Frauen und Pferde einzusetzen.

Nun Pajutes gab es heute keine mehr, denn sie hatten ihren grausamen Manitu lieber gehabt als den barmherzigen Christengott und wurden folglich ausgerottet.

Doch das Würfeln und die Spielleidenschaft waren geblieben.

Jerome Kelly kannte diese Geschichte. Und er schöpfte Trost daraus. War er etwa ein primitiver Heide? War der Blonde neben ihm etwa ein spanischer Priester aus einer Epoche religiösen Wahns?

»Wo fahren wir hin?«, fragte er. Er fühlte sich jetzt ein bisschen besser. Die etwas frischere Nachtluft hatte gut getan. Der Mond und die Wüste wirkten beruhigend auf ihn. Der Cadillac schaukelte dahin wie eine Sänfte. Was, zum Teufel, sollte ihm schon passieren?

Sie lebten schließlich in zivilisierten Zeiten!


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