Читать книгу Krimi-Sammlung Tod im Leuchtturm und 7 andere Krimis - A. F. Morland - Страница 20
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ОглавлениеBount war ebenso wenig ein Spieler wie Toby Rogers. Trotzdem wollte er die Jetons in seinem Sakko nicht voll verkommen lassen. Lister würde seine Rechnung schon noch präsentiert bekommen. Es kam ganz darauf an.
Craps, das Würfelspiel, sagte ihm wenig. Baccara langweilte ihn, die Automaten wie ein Automat zu bedienen, bis einem die Schultern schmerzten, kam ihm idiotisch vor.
An einem der Blackjack-Tische nahm Bount Reiniger eine Weile Platz. Weil das das einzige Spiel im Angebot war, in dem ein geschickter Spieler gegen das edge, den rechnerischen Hausvorteil, eine Chance hatte. Aber er gewann auch hier nichts. Allenfalls pokerte er ansonsten hin und wieder mit ein paar Freunden.
Anschließend schlenderte er noch an einem Roulette-Tableau vorbei, setzte auf die obere Transversale und gewann dreimal hintereinander. Aus seinen 5000 Dollar waren 8000 geworden.
Toby Rogers würde platzen, wenn er ihm das erzählte. Und auch weiterhin einen großen Bogen um jeden Spieltisch schlagen. Aber noch mehr hätte Bount sich dieses Glück im jetzigen Fall gewünscht. Mit gemischten Gefühlen erwartete er die Reisegruppe aus Hongkong.
Mit gemischten Gefühlen dachte er auch an jene Informationen, die Lister ihm so prompt geliefert hatte. Offenbar war es doch nicht ganz so ungefährlich, nachts in Vegas spazieren zu gehen, wie die Werbung es einem weismachen wollte. Der Kasinodirektor mit seinen offenbar überallhin reichenden Beziehungen hatte es geschafft, einen dieser zum Stillhalten verdammten Reporter anzuzapfen. Und dem Lion gegenüber hatte der geplaudert.
Danach verbarg sich hinter dieser läppischen Zehnzeilenmeldung etwas ziemlich Scheußliches. Da musste ein primitiver Zwilling von King Kong, ein Straßenarbeiter, im Suff fürchterlich gewütet haben. Die Opfer waren zierliche Japaner. Deren Namen konnte sich Reiniger zwar nicht merken, den des Berserkers dafür umso besser.
Mel Ferrer hieß der bullige Knabe, und er war zwanzig Jahre alt.
Bount hatte sogar ein Bild von ihm. Eine gelungene Aufnahme, wie Sheriff Wallaby ihm gerade mit dem Knauf seines Monster-Revolvers eins mitten ins Gesicht schlägt. Dann noch Fotos vom Abtransport des Festgenommenen und der Verletzten. Ihre genaue Zahl hatte auch der Journalist nicht gewusst. Er hätte sie in seinem Blatt ohnedies nicht bringen dürfen. Wozu also sich erst die Mühe machen.
An diese Vergewaltigung der Pressefreiheit musste Bount denken, als er an der Bar einen Drink nahm, und er zog eine nachdenkliche Miene. Andererseits wunderte er sich auch nicht. Er hatte Wallaby keine Sekunde für etwas anderes als einen Erzfaschisten gehalten. Gerade der Beruf eines Sheriffs schien Typen wie ihm die besten Aufstiegschancen zu bieten.
Bount drückte seine Zigarette aus. Jetzt brauchte er unbedingt etwas frische Luft. Das Geknatter der Maschinen, das Klicken der Roulettekugeln, wenn sie in ihre Kammern fielen, das Klackern der Würfel an den Craps-Tischen. All diese Hektik schon am frühen Abend. Allmählich ging sie ihm auf die Nerven.
Der Champagnerrausch von Las Vegas verflog, und die Realitäten des Alltags hatten Reiniger wieder am Wickel. Er wollte ja um Himmels willen nicht pathetisch werden, doch Tatsache blieb nun mal, dass das Verbrechen auch hinter der gleißenden, lauten, turbulenten Fassade des Strip dieser Traumstadt lauerte. Und er war angetreten, es zu bekämpfen, das Verbrechen. Am liebsten freilich gegen bare Münze, denn er hatte schließlich nur seinen einen Kopf zu verlieren.
So trat er hinaus in die heiße Nacht in der Wüste, umzuckt von vielen Millionen Lichtern, Kaskaden aus Neon, umschwirrt vom Verkehr, der um diese Zeit erst richtig aufbrandete. In offenen Cabrios fuhr lärmendes Jungvolk vorüber. Die Mädchen waren schön, die Burschen hätten direkt vom Surfen in Malibu Beach kommen können.
Da sah er in einer Nebengasse Sheriff Wallabys blau-weißen Chevy mit dem Wappen auf der Seite stehen. Er hatte sich draußen am Airport die Nummer gemerkt, es gab keinen Zweifel.
Der Wagen war leer.
»Wehret den Anfängen«, sagte sich Bount. Denn irgendwann würde er mit diesem Mann sowieso aneinandergeraten, und er war gerade in Stimmung, Dampf abzulassen. Es gab da nämlich ein paar demokratische Grundregeln, die er ihm erklären wollte; und noch so einiges mehr. In aller Ruhe und Höflichkeit natürlich. Ja. So würde er’s machen. Einfach auf ihn zugehen und sich vorstellen. Dann sah er ja, was sich daraus ergab.
Er schlenderte auf den Wagen zu. Ein Chinese kam gerade durch den Hinterausgang in die Gasse und leerte einen Eimer in einen Müllcontainer. Bruce Wallaby war nicht zu sehen.
Bount kniff die Augen zusammen. Nach der Glitzerwelt draußen am Strip erschien es ihm hier dunkel zu sein wie in einem Kuhmagen. Möglicherweise roch es dort auch so ähnlich, denn hier stank es bestialisch. Es war, als wäre er von einer schillernden Revuebühne abgetreten und mitten hinein in die Kulissen eines Aufklärungsfilms für angehende Abortgrubenentleerer. Seine Augen gewöhnten sich nur schlecht an die veränderten Lichtverhältnisse. Zu gewaltig und auch schockierend der Unterschied.
»Hallo, Japs«, sagte da eine Stimme aus der Schwärze. »Woll’n wir nich’ ’n bisschen spielen mit’nander?«
Japs? Bount verstand nicht.
Da löste sich ein riesiger Schatten aus dem Dunkel der Brandmauer auf der anderen Gassenseite. Hm. Das konnte Wallaby sein. Das konnte hinkommen von der Statur her.
»Sheriff?«, fragte Reiniger unsicher. Was sollte dieses saudumme »Japs« bedeuten?
Er steppte einen Schritt zurück, ebenfalls rein instinktiv. Hier stimmte doch was nicht!
Auf einmal schalteten sich seine Reflexe ein und brannten kaum weniger grell auf als die Lichterketten nur ein paar Yards weiter.
Und wie er das kannte!
Die Nackenhaare, die sich sträubten und starr wurden wie die Stacheln bei einem Igel! Das plötzliche Pochen in der Brust, als von einer Sekunde auf die andere Adrenalin wie ein Stromstoß durch seine Adern schoss! Der automatische Griff zum Schulterholster, die er gar nicht trug. Wer geht schon mit einer Kanone zum Abendessen.
Bount duckte sich. Über ihm ein Heulen wie von einem Sturm, der um Hauskanten pfeift. Solche Schwinger zerschmettern einem den Schädel nicht nur, sie reißen ihn einem von den Schultern. Reiniger glaubte nicht länger, es mit Bruce Wallaby zu tun zu haben. Für einen direkten Überfall war dieser Mann, wenn schon nicht zu schlau, dann jedoch mit Sicherheit zu listig. Männer wie Wallaby liebten schmutzige Tricks. Also fiel er als Angreifer aus. Es musste sich um einen Zufall handeln, dass sein Wagen ausgerechnet hier an dieser Stelle stand.
Und es war seiner, denn er hatte nur einen einzigen Sitz auf der Fahrerseite. Er musste schließlich seinen Bauch irgendwo unterbringen. Das hatte Bount im Vorübergehen noch bemerkt.
Aber noch so ein Riese? Hier in der Gasse?
Natürlich lief diese Gedankenfolge innerhalb von Sekundenbruchteilen ab. Niemand schreibt eine Doktorarbeit, während es gerade um seine Leben geht. Und darum ging es hier wohl. Um Reinigers Leben.
Er blieb am Boden, rollte sich ab und wirbelte durch matschigen Dreck. Hier war das herumliegende Gemüse noch ein gewaltiges Stück welker als jenes auf dem Salatteller im Restaurant. Noch viel gewaltiger. Trotzdem wollte Bount so schnell wie möglich wieder hoch. Erst musste er aus der Reichweite solch mörderischer Hiebe kommen. Mochten die Kung-Fu-Fighter in den entsprechenden Filmen noch so viele Bretter auf einmal durchschlagen. An solchen Fäusten, wie Bount sie verspürt hatte, brachen auch sie sich die Gräten. Reiniger hätte jeden Eid darauf geschworen.
Eine andere Taktik musste her. Fragte sich nur, welche. Es kam auch vor, dass Rückzug die beste Form der Verteidigung war. Weil die einzige. Nur selten hatte Bount sich und seine Kräfte überschätzt. Doch jedes Mal war er danach in einem Krankenhaus wieder zu sich gekommen. Und das wollte er hier tunlichst vermeiden.
Er brauchte eine Waffe.
Am besten einen Panzer.
Wallabys Wagen stand mit Abblendlicht da. Das funktionierte bei mindestens 80 Prozent aller Fabrikate nur, wenn der Schlüssel im Zündschloss steckte. Deshalb ließ er’s drauf ankommen. Wenigstens kannte Reinigers irre Herumrollerei nun eine Richtung.
»Hey, Japs!«
Bount schwieg. Er konnte seinen Atem für Wichtigeres gebrauchen. Dann hatte er den Chevy endlich erreicht. Noch halb auf dem Rücken liegend, fuhr sein rechter Arm hoch, während ein Koloss in den blutroten Schein der Rückleuchten tapste.
Bount erkannte den Mann auf Anhieb. Vor einer halben Stunde hatte er noch sein Bild zwischen den Fingern gehabt. Mel Ferrer, der Japse-Killer.
Jetzt fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, allerdings noch längst nicht alles. Ein paar dicke Schleier blieben. Und um die konnte er sich im Moment auch nicht kümmern.
Er kam hoch. Einen Lidschlag später saß er hinter dem Steuer und hatte sehr viel Platz. Er musste ganz vorn an der Kante sitzen, um überhaupt den Schlüssel drehen zu können. Doch eines musste man Wallaby lassen. Er hielt seinen Wagen in Schuss. Der Motor kam sofort. Bount ließ ihn aufröhren, als gelte es, das Rennen von Indianapolis auf den letzten Yards zu gewinnen.
Der Wagen hatte eine Automatik-Schaltung, und die war auf Rückwärts eingehebelt. Der Chevy schoss los, wie von der Sehne geschnellt. Die Reifen jaulten durch, doch sie griffen auch. Bount sah noch dieses abgrundtief dumme Gesicht im Rückspiegel, dann, nur das Zucken eines Nervs lang, die Veränderung darauf, wie die Einfalt sich in nacktes Grauen wandelte.
Dann ein Schlag, als hätte Bount einen Baum gerammt, und noch mal drehten die Räder durch. Ein wilder, tierischer Schrei. Und da stand Reiniger auch schon wieder. Und stehen bleiben und aus dem Auto springen war eins.
In diesem Moment kam der Chinese erneut heraus in die Gasse, mit einem weiteren Eimer in der Hand. Und gleichzeitig fiel ein breiter Lichtbalken aus dem Gebäude, genau auf das Wagenheck zu.
Der Chinese schrie möglicherweise noch lauter als Mel Ferrer.