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Mel Ferrer brütete zur selben Zeit dumpf in seiner Zelle und verstand die Welt nicht mehr.

Da haute man so einem ausländischen Pfifferling eins auf die Rübe, und schon landete man im Jail. Was waren denn das für komische Sitten?

Dabei wusste er’s doch ganz genau! Schon Dad, glorreicher Teilnehmer in der pazifischen Abteilung des Zweiten Weltkriegs, hatte es immer wieder gesagt: »Wenn du so einen gelben Engerling siehst, nichts wie mit dem Fuß drauf und den Absatz dreimal umgedreht! Ich weiß’s. Ich war schließlich dabei. Glaub mir, Ferry. So musst du sie behandeln und nicht anders.«

Diese Art von Aufklärung war beim ansonsten wenig wissbegierigen »Ferry« dennoch auf fruchtbaren Boden gefallen, weil er zumindest vom Draufhauen eine ganze Menge verstand. Er wusste auch, dass die Japse irgendwann mal Pearl Harbor angegriffen hatten. Was machte es da schon aus, dass er dieses Wort weder richtig aussprechen noch richtig schreiben konnte, geschweige denn wusste, wo dieses exotische »Peer Harper« sich befand. Wahrscheinlich irgendwo in der Nähe von Hongkong. Oder auf den Fidschi-Inseln bei all den anderen Kanaken, was spielte das schon eine Rolle. Mel Ferrer war jedenfalls ein sehr patriotischer Typ.

Er hatte ebenfalls gelernt, dass alle Schwarzen stinken, die Indianer sowieso und dass man jedem anderen Fremden auch nur mit äußerster Vorsicht begegnen dürfe. »Außer, du machst keine Fiesematenten, Ferry, und haust ihm gleich den Schädel ein.«

Mit diesem geistigen Rückzeug ausgestattet, hatte Mel Ferrer dann sein Heimatnest im nördlichen Nevada verlassen, um in die große weite Welt zu ziehen. Weil sie zweihundert Kilometer südlich gerade dringend ein paar Arbeiter suchten, die trotz der Gluthitze bereit waren, sich an den Ausbesserungsarbeiten des Interstate Highway nach Boulder City zu beteiligen. Bei freier Kost und Logis unter ebenfalls freiem Himmel.

Aber mit Wolldecke.

Und so war er eben an einem Wochenende mit voller Lohntüte auch einmal nach Las Vegas gekommen, hatte gestaunt und gestaunt und sein Staunen in Whisky ersäuft. Bis er schließlich einen vaterländischen Krieg auf eigene Faust fortsetzte. Wobei das Wort »Faust« sehr gut passte.

Dafür sollte er jetzt sitzen? Auch noch unschuldig?

Nicht zu glauben!

Und deshalb war Mel Ferrer uneins mit der Welt. Er spürte nur Reste seines Katers, denn gesoffen hatte er schon von Kindesbeinen an. Dad war ja sorglos mit ihm umgegangen, mit seinem Selbstgebrannten, und eine Mutter hatte er nie gekannt. Dad sprach normalerweise nicht über sie. Nur wenn er besoffen war. Dann nannte er sie immer »Hure«, »Nutte«, oder »'gottverdammte Schlampe«. Dad kannte sich aus im Leben. Schade, dass er vergangenes Jahr in die Zisterne gefallen war und sich das Genick dabei brach.

Dieser Gedanke erheiterte Mel Ferrer wieder ein wenig. Es war ja doch ein tolles Leben, das er da führte. Nur dieses Shit-Jail hätte halt nicht sein müssen. Nichts los in der Bude. Und wenn er doch schon mal in Vegas war?

Hüne Mel Ferrer hätte sich auf diese Weise noch weiter die Zeit in Weltschmerz zergrübelt, die Muskeln zwischen seinen Ohren angespannt, wenn da nicht plötzlich Geräusche im Gang aufgeklungen wären. Das Geräusch von schweren, wuchtigen, ihrer selbst sicheren Schritte. Schlüssel klimperten, eine Tür knarzte auf und ließ Zugluft in den Gang. Auf Ferrers schwitzender Körpermasse bildete sich eine Gänsehaut. Zu den Muskeln zwischen den Ohren setzte er noch ein paar andere in Bewegung und stand von seiner Pritsche auf. Gerade, dass er mit dem Kopf nicht gegen die Decke stieß. Der Junge aus Mittelnevada maß etwas über zwei Meter in der Höhe und gut anderthalb in der Breite. Niemand vermochte den Pickel besser zu schwingen als er, und darauf war er stolz.

Fünf Stück hatte er in seinem Eifer schon kaputt geschlagen. Innerhalb einer Woche. Aber dafür in der selben Zeit auch mehr Arbeit geleistet als vier seiner Kollegen zusammen. Mel Ferrer arbeitete gern. Nur nicht mit Japsen, von denen einer nun seit gestern Nacht um elf mit einem Schädelbruch im Sunrise Hospital lag.

Rausch hin oder her - einen Mann wie Sheriff Wallaby erkannte man wieder. Auch wenn er einen im Tran festgenommen und mit seinem fürchterlichen Colt eins auf die Schnauze gegeben hatte, dass die Zähne nur so flogen. Man musste Respekt vor dem Mann haben.

Ferrer war dem Dicken nicht mal böse. Deshalb spuckte er das Blut in seinem Mund auch nicht auf den Flur hinaus, sondern zielsicher hinein in die Kloschüssel neben dem Waschbecken in der Ecke. Wirklich. Allen Komfort hatten sie hier. Las Vegas war schon eine tolle Stadt.

Wallaby traf auch sofort den richten Ton. »Hi, Ferry«, sagte er. »Deinen Suff ausgeschlafen?«

»Aber klar doch, Sheriff.«

Mel Ferrer spürte instinktiv, dass dieser Mann es gut mit ihm meinte. Vielleicht hätte er diesen Japsen doch nicht in die Betonmischmaschine stopfen sollen. Sie waren ja so zierlich, diese Püppchen. Gar nicht den Aufwand wert, wenn man es so recht und bei Tageslicht betrachtete. So ganz ohne dieses Summen im Kopf, das ihn immer dann überkam, wenn er zufällig mal ein Gläschen zu viel intus hatte. Aber wer ist schon vollkommen.

Dieser eindrucksvolle Sheriff trug einen mächtigen Schlüsselbund in der einen Hand und hatte eine dünne Akte unter den anderen Arm geklemmt. Seinen Colt ließ er stecken, und das freute Mel Ferrer gleich noch mehr.

»Ist er verreckt, der Japs?«, fragte er hoffnungsvoll.

»Was für’n Japs?«, fragte Wallaby zurück. »Ich weiß nichts von ’nem Japs. Du musst Halluzinationen gehabt haben.«

»Ehrlich?«

Ferrer war enttäuscht. Doch diese Enttäuschung dauerte nicht lange, weil Wallaby jetzt die Zelle aufsperrte und sich auf seine Pritsche setzte. Wie ein wirklich echter Kumpel.

»Nun, komm schon, Mel. Ich hätte da eine Kleinigkeit mit dir zu besprechen. Und vergiss die Sache von gestern Nacht. Du hast geträumt.»

Ferrer fühlte nach seinen Zähnen. Einer fehlte. Hatte er den eventuell weggeträumt? In seinem Kopf begann dieses seltsame Summen wieder.

Dabei hatte er doch heute noch keinen einzigen Schluck getrunken!

Der Hüne setzte sich gehorsam neben den Sheriff. Die Pritsche ächzte höchst gefährlich, doch das Gewicht hielt sie aus. Wallaby achtete auf Spitzenqualität in seinem Jail. Nicht einmal da durfte es Pfusch in irgendeiner Form geben, und wer hätte sich schon besser als Testperson geeignet als er selber, der er doch satte drei Zentner auf die Waage brachte?

Die Tür zum kahlen Korridor blieb offen, und auch der Aktendeckel wurde aufgeklappt. Am Anfang nichts als ein leeres Blatt. Stopp. Ein Name stand drauf. Doch Daddys Liebling war nun mal nicht gut im Lesen. Deshalb schaute er lieber den Sheriff an. Erwartungsvoll.

»Yeah ...?«

»Du hast deine Brille nicht dabei, ich weiß«, erklärte Wallaby salbungsvoll wie ein Priester, selbstverständlich keiner der gängigen Religionen. Da war er neutral.

Er legte das erste Blatt der Akte um. Das zweite zeigte eine halbe Seite der New York Post. Da war ein Mann darauf abgebildet. Sehr scharf und sehr deutlich.

Bount Reiniger hatte es schon immer gehasst, so oft in der Presse zu erscheinen. Reiniger war alles andere als glücklich darüber.

»Präg dir dieses Bild ein«, sagte Sheriff Wallaby. »Kannst du das?»

»Na klar doch, Chef.»

»Dann stell dir außerdem noch vor, er sei ein Japs ...«

Sheriff Wallaby war unter anderem auch noch ein hervorragender Psychologe.


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