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Glitzernde Häuserfassaden und Neonreklamen glitten an mir vorbei. Ich war unterwegs nach Chelsea. Der Tag war lang gewesen – es war schon kurz vor zehn.

In einer abendlichen Krisensitzung hatte der Chef uns die Marschroute für die kommenden Tage klargemacht. Er hatte den ganzen Tag mit dem Hauptquartier in Washington und mit der CIA in Langley telefoniert. Geheimdienst und FBI-Führung vertraten dieselbe Einschätzung der Lage: Der Mordbefehl des Londoner Extremisten konnte nicht ernst genug genommen werden.

Der erst zehn Tage zurückliegende Anschlag auf das 92nd Street Y-Theater legte den Schluss nahe, dass es in New York City noch mehr gewaltbereite Islamisten gab. Wir hatten uns also dazu entschlossen von weiteren Anschlägen auszugehen.

Und davon, dass irgendjemand versuchen würde, die ungeheuerlichen Todesurteile zu vollstrecken. Und wir waren entschlossen, diesem Jemand vorher das Handwerk zu legen.

Über das Außenministerium liefen Kontakte zur britischen Regierung. Ein Amtshilfeantrag sollte gestellt werden. Auch unser Büro in London war alarmiert. Notfalls würden sich unsere Agenten in Großbritannien den fanatischen Scheich auch ohne die Erlaubnis von Scotland Yard vorknöpfen.

Und wir, hier im Big Apple, konnten weiter nichts tun, als einen möglichst engmaschigen Personenschutz für die Betroffenen zu organisieren.

Ich fuhr in die 28. Straße und parkte am Chelsea Park. Hier wohnte Michael Valezki, Sharons Partner.

Auch Sharon selbst lebte in dieser Gegend um den Park. Aber sie hatte ich schon den ganzen Tag vergeblich versucht anzurufen. Bis zum frühen Nachmittag war ständig besetzt gewesen, und danach bekam ich nur noch ihre Konservenstimme vom Anrufbeantworter zu hören. Dummerweise hatte ich vergessen, mir ihre Handy-Nummer aufzuschreiben.

Ich kam keinen Augenblick zu früh. Valezki zog die Haustür auf, als ich gerade seinen Namen auf der Leiste der Klingelschilder suchte. Eine dicke Zigarre klemmte zwischen den Fingern seiner Rechten.

„Kennen wir uns nicht?‟ Er beäugte mich misstrauisch.

„Trevellian, FBI. Wir sind uns im 92nd Street Y begegnet.‟

„Ach richtig – Sharons neuster Stern am Himmel.‟ Er sagte das ohne eine Spur von Zynismus oder Spott. Seine Stimme klang eher gleichgültig. Trotzdem ärgerte ich mich. Aber ich ging nicht auf seine herablassende Bemerkung ein.

„Ich kann Sharon telefonisch nicht erreichen‟, sagte ich.

„Nach diesem blöden Artikel in der New York Times haben zwanzigtausend Leute bei ihr angerufen.‟ Er schloss die Haustür ab und schlenderte an mir vorbei die Treppe hinunter. „Ich nehme an, dass ihr das irgendwann auf den Geist ging, und sie einfach nicht mehr abgehoben hat. Jedenfalls habe ich es so gemacht.‟

„Haben Sie ihre Handy-Nummer?‟ Ich wunderte mich fast, als er stehenblieb und sein Notizbuch zückte. Er diktierte mir die Nummer, und ich speicherte sie sofort in mein eigenes Gerät. „Danke.‟ Er winkte und wandte sich ab.

„Was haben Sie vor, Mr. Valezki?‟ Nebeneinander liefen wir die 28. Straße entlang.

„Was soll ich schon machen?‟ Er stieß eine Rauchwolke aus und zuckte mit den Schultern. „Hab den ganzen Tag gearbeitet. Jetzt will ich mich ein wenig entspannen. Erst mal in die Schule und ein bisschen meditieren, und dann auf ein Bier in meine Stammkneipe.‟

„In die Schule?‟ Ich begriff nichts und hätte in diesem Moment geschworen, dass der Mann entweder verrückt war oder tatsächlich noch nichts von dem Todesurteil gegen ihn gehört hatte.

„In die buddhistische Schule für Zen-Meditation und Esoterik‟, erklärte er gleichmütig. „Ist gleich hier um die Ecke.‟

Ich hielt ihn am Arm fest und blieb stehen. „Ich würde mich wohler fühlen, wenn Sie wieder nach Hause gingen und sich in Ihrem Apartment einschließen würden. Genau wie Sharon haben Sie doch sicher sehr aufmerksam gelesen, was die New York Times heute auf der ersten Seite gebracht hat ...‟

„Natürlich hab′ ich davon gehört.‟ Unwirsch machte er sich los. „Soll ich deswegen einen Bunker aufsuchen?‟

„FBI und CIA haben sich sehr mit der Angelegenheit beschäftigt, Valezki.‟ Ich wurde unfreundlich. „Sie sind in Gefahr. Genau wie Sharon und Eve O′Sullivan. Ab morgen bekommen Sie Personenschutz.‟

„Wenn es soweit ist, erwischt es mich‟, sagte er. „Morgen, oder in zwanzig Jahren. Wenn es soweit ist, eben. Und bis dahin arbeite ich, meditiere noch ein bisschen und trink noch das eine oder andere Bier.‟ Er drehte sich um und ging die Straße hinunter.

Ich sah ihm nach. Um die Wahrheit zu sagen: Ich hätte ihm gern etwas Unfreundliches hinterher gerufen. Und gleichzeitig bewunderte ich ihn. War er nun ein leichtsinniger Spinner oder ein weiser Philosoph? Ich kann die Frage heute noch nicht beantworten. Vielleicht beides.

Auf dem Weg zum Dienstwagen tippte ich Sharons Nummer in die Tastatur meines Handys. Sie war sofort am Apparat. „Jesse hier – wo steckst du?‟

„Zuhause, kommst du?‟

Von einer Sekunde auf die andere fühlte ich mich wesentlich leichter. „Ja‟, sagte ich. „Ich bin in ein paar Minuten bei dir ...‟

Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015

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