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„Was sollte ich tun, verdammt!‟ Der Polizeisergeant fuchtelte mit den Armen in der Luft herum. „Ich seh′ den Scheißkerl zur Bühne marschieren ...‟ Er schoss einen bösen Blick auf den Mann in Handschellen ab. „... ich seh′ die gottverdammte Granate in seiner Hand! Was hätten Sie getan?!‟

„Schon okay, Sergeant Castle.‟ Ich klopfte ihm auf die Schulter. „Schon okay.‟ Der Mann hatte ja Recht. Wahrscheinlich hätte ich ähnlich gehandelt wie er.

Es hatte drei Tote gegeben. Die Handgranate unter der Bühne hatte einen Bühnentechniker getötet. Ich durfte gar nicht daran denken. Bei der panikartigen Flucht der Zuschauermenge waren zwei Frauen zu Tode getrampelt worden. Außerdem hatten die Ambulanzen fünfundzwanzig, zum Teil Schwerverletzte, in die Krankenhäuser gefahren.

Sergeant Castle packte den Attentäter. „Komm mit, du Mistkerl ...‟

Die Augen des Mannes versprühten Hass. „Es wird euch nichts nützen‟, zischte er. „Mich habt ihr, aber das gerechte Urteil des Allmächtigen könnt ihr nicht rückgängig machen!‟

Vier Cops zerrten ihn über den Mittelgang des Saales zu einem der Ausgänge. Es knirschte, als er auf seine Brille trat. Sie war aus Fensterglas.

„Klingt überzeugend, was?‟, knurrte Milo.

„Klingt wahnsinnig‟, sagte ich.

Das Saallicht war inzwischen eingeschaltet worden. Hinten, in der letzten Reihe, saßen zwei Frauen und ein Mann. Eine der Frauen weinte leise vor sich hin, eine zierliche, rothaarige. Der Attentäter stemmte sich gegen den Cop, der hinter ihm ging. Für ein paar Sekunden blieb die Gruppe stehen. Ich sah, wie der Fanatiker die drei Leute fixierte.

Er schrie etwas in einer fremden Sprache. Es klang persisch und hörte sich nach einem Fluch an. Die größere der beiden Frauen sprang auf.

„Du verdammter Idiot!‟, schrie sie. „Fahr zur Hölle!‟ Die Cops zerrten den Mann aus dem Saal.

Milo und ich gingen zu den drei Leuten. Der Mann hielt die Rothaarige in seinen Armen und versuchte, sie zu trösten. Er hatte langes, strähniges Haar und ein hartes, knochiges Gesicht. Ich schätzte ihn etwas älter, als fünfundvierzig.

„Entschuldigen Sie, Gentlemen‟, sagte die Frau, die den Attentäter angebrüllt hatte. „Ich hab eine Stinkwut! Kommt hier rein und schmeißt mit Bomben um sich! Diese Fanatiker! Irgendeiner sieht die Welt anders als sie – und sie stimmen ein gehässiges Gebrüll an und bringen Tod und Verderben!‟ Sie stemmte die Fäuste in die Hüften. „Das darf doch nicht wahr sein, oder?!‟

Sie hatte rotblondes Haar, und einen großen Mund mit vollen Lippen. Ziemlich groß war sie und eher kräftig gebaut. Im Rückblick würde ich nicht sagen, dass Sharon eine Schönheit war. Aber sie hatte das gewisse Etwas. Schon die Art, wie sie mit ihren großen, blaugrauen Augen funkelte.

„Ich kann ihre Wut verstehen‟, sagte ich.

„Wir sind auch wütend, glauben Sie uns das.‟ Milo ließ sich auf einem der Klappstühle nieder. „Leider sind solche Leute nicht vom Aussterben bedroht.‟

„Ja, leider.‟ Sie kam näher. „Ich bin Sharon Lewis. Sie waren Klasse, Sie beide! Einfach toll! Vielen Dank!‟ Sie drehte sich nach den anderen beiden um. „Das arme Mädchen da heißt Eve O′Sullivan. Sie hat dieses Theaterstück geschrieben. Und jetzt ist sie ziemlich fertig.‟

Das „Mädchen‟ war ein paar Jahre älter Sharon. Mitte bis Ende dreißig schätzte ich. Ihre schwarze Lederkleidung und ihr kurzes, feuerrot gefärbtes Haar wollten nicht recht zu dem heulenden Elend passen, dass sie bot. „Und das ist mein Kollege Mike Valezki.‟ Der Mann brummte irgendetwas Unverständliches und nickte kurz.

Meine Augen wanderten immer wieder zu Sharon. Sie war nicht besonders auffällig gekleidet – eine enge, bunte Hose, ein seidenes, schwarzes T-Shirt – und trotzdem: Sie gehörte zu der Sorte Frauen, die selbst mit einem schmierigen Overall noch etwas Edles und Elegantes ausstrahlen. Das T-Shirt war oben herum ziemlich offenherzig geschnitten und enthüllte einen großen Teil ihrer herrlichen Schultern. Ich entdeckte ein paar Sommersprossen über ihren Schlüsselbeinen.

Ein paar gute Freunde von mir kennen die wenigen Dinge, die mich aus der Fassung können. Sommersprossen auf der Haut einer attraktiven Frau gehören dazu.

Eve O′Sullivan konnte sich nicht mehr beruhigen. Sie verfiel in einen regelrechten Weinkrampf. Wir holten einen der Notärzte in den Theatersaal. Er spritzte ihr ein Beruhigungsmittel und nahm sie mit ins Lennox Hill Hospital.

Auf einer Trage brachten zwei Sanitäter die Autorin nach draußen. Wir begleiteten sie bis zum Ambulanzwagen. Auf der Treppe entdeckte ich Medina und Jennifer.

„Verdammt, Jesse‟, sagte Orry. „Das hätte viel schlimmer ausgehen können ...‟

„Wem erzählst du das?‟ Ich blickte über die vielen Einsatzfahrzeuge auf der Lexington Avenue vor dem Theater. Hinter dem Trassierband, aus der Menge der Gaffer, ragten ein paar Transparente. „Gott lässt sich nicht spotten‟, stand auf einem.

„Was sind das für Leute?‟, wollte ich wissen.

„Fromme Leute‟, erklärte Jennifer, „rechtgläubig bis in die Knochen. Demonstrieren bei jeder Vorstellung.‟

Wir informierten die Zentrale. Milo und Sharon standen immer noch zwischen den Einsatzfahrzeugen. Eve O′Sullivan war inzwischen in die Klinik gebracht worden, und den langhaarigen Griesgram konnte ich nirgends entdecken. Ich ging zu Milo und Sharon. Gerade rechtzeitig, um Zeuge zu werden, wie die Lady meinem Partner ihre Visitenkarte überreichte. Na, prächtig, dachte ich, dein unvergleichlicher Partner versteht es mal wieder Arbeit und Vergnügen miteinander zu verbinden ...

Sharon verabschiedete sich von uns. Ich hatte den Verdacht, sie hatte damit gewartet, bis ich wiederkam. Ihr Händedruck und der Blick ihrer Augen gingen mir mächtig unter die Haut. Wir sahen ihr nach, bis sie in einen alten, braunen Jaguar Sovereign stieg. Mr. Mürrisch hockte schon hinter dem Steuer und rauchte Zigarre.

„Sie wird doch wohl nichts mit diesem grantigen Tier haben?‟ Milo runzelte die Stirn.

„Du machst dir Sorgen um die Lady?‟ Ich ging voraus zu unserem Dienstwagen.

„Was heißt hier Sorgen – ich würde ihr nur einen angenehmeren Typen gönnen.‟

„Einen richtig netten und gutaussehenden, stimmt′s?‟ Ich setzte mich auf den Beifahrerplatz und überließ Milo das Steuer.

„Stimmt genau.‟

„Einem Kerl, dem die Männlichkeit, der Charme und die innere Überlegenheit aus allen Knopflöchern quillt ...‟

„So ist es, mein Freund, ein anderer passt doch nicht zu einer Edel-Lady wie Sharon ...‟ Milo startete den Mercury.

„Kurz: Du würdest ihr einen Kerl wünschen, wie du einer bist!‟ Ich grinste ihn an, aber mein Grinsen war etwas mühsam.

„Hey, Jesse!‟ Milo strahlte. „Du überrascht mich doch immer wieder aufs Neue – korrekt: Einen Kerl wie mich, würd′ ich ihr wünschen.‟

Auf dem Weg in die Federal Plaza erfuhr ich, dass Sharon in Chelsea wohnte, dass sie einunddreißig Jahre alt war, und dass sie zusammen mit Mr. Mürrisch eine erfolgreiche Comicserie produzierte. Und natürlich, dass Milo ihre Visitenkarte erobert hatte. Aber das wusste ich schon.

Viel später stand ich mit einer Dose Bier am offenen Fenster meines Apartments und blickte auf den nächtlichen Central Park hinunter. Der zurückliegende Abend zog an mir vorbei. Ich kam zu dem Schluss, dass es ein brandgefährlicher Abend gewesen war.

Weniger wegen der beiden Handgranaten, über die ich gestolpert war, und wegen des Wahnsinnigen im 92nd Street Y. Diese Art von Gefahr gehört ja zu meinem Job. Nein – ein gefährlicher Abend, weil ich über Sharon gestolpert war. Ich hatte mich verliebt. Herzlichen Glückwunsch ...

Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015

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