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Vor der Abendkasse standen die Leute Schlange. Und im Theaterfoyer standen sie sich auf den Füßen. Genauso hatte Sammy es sich vorgestellt. Er wühlte sich aus dem Eingangsbereich. Bevor er die Warteschlange an der Kasse erreichte, hatte er schon zwei Brieftaschen erbeutet.

Sammy hatte keine Ahnung von Theater. Schon gar nicht von dem modernen Zeug, was hier im 92nd Street Y abgezogen wurde. Aber er hatte sich gedacht, ein Skandalstück, das seit einer Woche hohe Wellen in der New Yorker Presse schlug, müsste eigentlich eine Menge Leute auf die Beine bringen. Volltreffer. Ein Gedränge wie in einer Sardellendose. Paradiesisch für einen Taschendieb.

Er rempelte eine rotblonde Frau. „O, sorry, Ma′am!‟ Sie funkelte ihn zornig an. Mit einem gequälten Lächeln besänftigte er die Lady. „Wahnsinnsgeschiebe hier ...‟ Sie winkte ab.

Sammy steckte ihre Geldbörse ein und peilte sein nächstes Opfer an. Der Schwarzhaarige mit der Hornbrille und dem weiten Trenchcoat, nur ein paar Schritte weiter, sah nach Geld aus. Sammy drückte sich nah an ihn heran, strauchelte, als hätte ihn jemand gestoßen, und ließ sein Zauberhändchen in die Außentasche des Trenchcoats zucken. Er tastete etwas Hartes, Rundes, mit gerippter Oberfläche. Und darunter einen leicht gewölbten, konischen Körper. Kalt fühlte sich das Ding an. Und gefährlich.

Sammys Hand zuckte zurück, als hätte sie versehentlich die Lefzen eines Pitbulls berührt ... „Sorry, Sir - ′ne Menge los hier heut′ Abend ...‟, stammelte er. Der Schweiß brach ihm aus.

„Kein Problem, Sir.‟ Der Mann lächelte höflich. So höflich, wie man in Manhattan normalerweise nicht lächelte, wenn man von einer Menschenmenge eingezwängt war. Ein Ausländer. Sammy registrierte seinen bronzenen Teint, das tiefblaue Schwarz seiner Haare und die semitischen Gesichtszüge. Ein Orientale. Der Kerl hatte nichts gemerkt. Gott sei Dank ...

Sammys Herz klopfte, während er sich durch das Gedränge zurück zum Ausgang arbeitete. Seine Gedärme rumorten, sein Atem flog. Weg hier, nur weg hier, möglichst schnell, möglichst weit ...

Draußen, auf dem Bürgersteig der Lexington Avenue fummelte er eine zerknauschte Zigarettenschachtel aus der Tasche seines Anzugs. „Ein Ei‟, murmelte er. „Der Teufel soll mich holen, wenn das kein Ei war ...‟

Sammy hatte ein Jahr lang bei den Army gedient. Sie hatten ihn zwar unehrenhaft entlassen, weil er die Kameraden beklaut hatte – aber wie sich eine Handgranate anfühlte, das hatte er gelernt in dem Jahr. Weiß Gott – das hatte er gelernt ...

Nur flüchtig nahm der die vielen Leute wahr, die sich auf dem Bürgersteig vor dem 92nd Street Y versammelt hatten. „Wer dieses Theater besucht lästert den Herrn!‟, brüllten einige. Sammy sah ein Transparent. „Gott lässt sich nicht spotten‟, stand darauf.

Nichts, was Sammy interessierte. „Wieso schleppt dieses Arschloch ein Ei mit sich herum ...‟ Er hastete die Lexington Avenue herunter. „Was will dieses Arschloch mit einer Granate im Theater?‟

An der nächsten Kreuzung lief er in die 91. Straße hinein. Der Schock peitschte hundert Gedanken und Bilder durch sein aufgescheuchtes Hirn. Du greifst in eine verdammte Manteltasche, du glaubst, das Leder einer Brieftasche zu erwischen, oder ein Feuerzeug, oder einen Schlüssel oder weiß der Teufel was ...

Er starrte auf den dunklen Asphalt. Wenigstens sprach er nicht mehr mit sich selbst. ... und plötzlich hältst du ein Ei in der Hand ... Die Neonreklame einer Bar auf der anderen Straßenseite. ... das glaubt mir kein Mensch. Das glaub′ ja ich mir kaum ...

Sammy überquerte die Straße und betrat die Bar. Schummriges Licht, Rauchschwaden unter den tief gehängten, schwarzen Lampenschirmen, Stimmengewirr, Jazzklänge. Er setzte sich auf einen freien Barhocker und bestellte einen doppelten Bourbon.

Und wenn ich Idiot mich getäuscht hab ...?

Das Gefühl des kalten Materials schien ihm noch an den Fingerbeeren zu kleben. Die gerippte Oberfläche des Granatmantels, das glatte, gewölbte Bakelitgehäuse ... „Verflucht – es war ein Ei, der Teufel soll mich holen – es war ein Ei ...‟

Der Kellner stellte den Whisky vor ihm ab. Ein schlaksiger Jungfuchs mit Rastalocken. Student vermutlich. „Wie geht’s so?‟ Er grinste spöttisch. Ohne Sammys Antwort abzuwarten, schaukelte er ans andere Ende der Theke.

„Leck mich‟, knurrte Sammy in sich hinein. Er kippte den Bourbon hinunter. Das Bild des Schwarzhaarigen flimmerte auf seiner inneren Bühne. Die dunkle Haut, die braunen Augen, die vollen Lippen ... Das war einer von da unten, einer von diesen Allah-Freaks ...

Hatte er nicht neulich erst wieder von einem Bombenanschlag gelesen? In Jerusalem, oder Kairo, oder weiß Gott wo. Ganz egal – das war einer von diesen Radikalen, ich schwör′s dir Sammy ...

Er bestellte einen zweiten Whisky. So was ist dir noch nie passiert ... Schwein gehabt ... Noch eine Zigarette zwischen die Lippen.

Der zweite Whisky beruhigte ihn. Zunächst. Bis er an die vielen Menschen dachte, die jetzt um die nächste Ecke und einen Häuserblock weiter im 92nd Street Y-Theater hockten. Und mitten unter ihnen der Kerl in dem hellen Trenchcoat und mit der Hornbrille auf seiner Kameltreibernase. Der Kerl mit der Handgranate in der Manteltasche ...

Wer weiß, was er noch alles mit sich herumschleppt ... wer weiß, was das Arschloch vorhat ...

Und ihm fiel ein, was er da gestern über dieses Theaterstück in der New York Post gelesen hatte. „Christliche und islamische Fundamentalisten sprechen von Gotteslästerung und verlangen Verbot des Schauspiels...‟. Die Demonstranten vor dem Theater fielen ihm ein ...

Wie gesagt – Sammy hatte keine Ahnung von Theater. Und von Religion schon gar nicht. Aber er konnte zwei und zwei zusammenzählen. „Ich muss die Polizei rufen‟, murmelte er.

Was willst du ihnen sagen, du Idiot? Dass du arglos deinen Job getan hast und plötzlich eine Handgranate statt einer Brieftasche in der Pfote hattest ...?

„Scheiß drauf – ich muss den Bullen Bescheid sagen ...‟

Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015

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