Читать книгу Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015 - A. F. Morland - Страница 28
Оглавление20
Da Eddie und Ernie kein Lebenszeichen von sich gaben, glaubten wir annehmen zu können, dass sie von dieser Welt gegangen waren. Wir brauchten uns nur noch auf Dr. Mann zu konzentrieren.
Vorsichtig robbten wir näher an das Haus heran. Es brannte abenteuerlich. Ab und zu hörten wir es krachen. Wahrscheinlich stürzten die Möbel um.
„Dr. Mann!“, schrie ich aus sicherer Entfernung. „Das Spiel ist aus! Hier ist Calder! Kommen Sie mit erhobenen Händen ’raus! Unbewaffnet!“
Im Haus wurde das Gepolter lauter. Irgendetwas musste eingestürzt sein. Vielleicht sogar die Decke.
„Kommen Sie ’raus, Dr. Mann!“, schrie ich noch einmal.
Plötzlich hörten Susan und ich einen markerschütternden Schrei. Wir blickten einander entsetzt an. Dann schnellte ich hoch. Ich war sicher, dass Dr. Mann im Augenblick andere Sorgen hatte, als auf mich zu schießen.
„Dr. Mann!“, brüllte ich.
„Ich kann nicht ’rauskommen!“, gellte der Schrei des Mörders aus dem brennenden Haus. „Ich bin eingeklemmt. Ich kann mich nicht bewegen. Alles um mich herum brennt! Helfen Sie mir, Calder! Helfen Sie mir! Hilfe! Hiiilfe!“
Nun hätte ich an eine Falle denken können, hätte abwarten können, was weiter passieren würde.
Doch ich war überzeugt, dass ein Mann, der so verzweifelt um Hilfe brüllte, nicht die Absicht hatte, mich hereinzulegen. Dr. Mann wollte nun nur noch seine erbärmliche nackte Haut retten. Er brauchte meine Hilfe.
Ich ließ ihn nicht unnötig lange darauf warten. Jede Minute war nun kostbar, denn die Flammen waren verdammt gefräßig. Wenn sie erst einmal an Dr. Mann zu fressen begannen, war er höchstwahrscheinlich nicht mehr zu retten. Ich wollte keinen verkohlten Mörder vor Gericht stellen. Ich wollte einen völlig intakten Mörder seiner gerechten Strafe zuführen. Einen Mann, der für seine Verbrechen büßen sollte, wie es das Gesetz vorsieht und verlangt.
Ich jagte los.
Dass ich an der Haustür keine Chance haben würde, wusste ich, ohne dass ich mich daran versuchte. Schließlich hatte Dr. Mann mit dem Ansturm der Gangster gerechnet und dagegen höchstwahrscheinlich recht wirkungsvolle Maßnahmen getroffen. Also umlief ich das Haus und erreichte keuchend die Hintertür, an der sich schon Ernie Walker versucht hatte. Allerdings hatte er seine Knarre nicht dazu verwendet, das Schloss aufzukriegen.
Ich nahm keine Rücksicht auf das Ding. Vier gezielte Schüsse, und die Tür ließ sich zur Seite fegen.
Dicker, qualmender Rauch schlug mir entgegen. Je weiter ich in das Haus eindrang, desto heißer wurde es. Ich sah den Feuerschein unter einer Tür hervorglimmen. Da war ich richtig.
Ich riss die Tür auf. Höllenhitze schlug mir entgegen. Ich hatte das Gefühl, meine Augenbrauen und die Wimpern hätten Feuer gefangen. Ich stürzte mich in die Flammenhölle — dem Schrei des verzweifelten Mörders entgegen.
Da lag er. Mitten im Raum. Ein Balken war von der Decke gefallen. Ein ungemein schwerer Balken. Er lag quer über Dr. Manns Brust. Flammenzungen tanzten darauf. Zu beiden Seiten war er bereits angekohlt.
Hustend kämpfte ich mich in die Hitze hinein. Ich riss mein Jackett von den Schultern, denn wenn ich den schweren Balken mit bloßen Händen angepackt hätte, hätte ich mir mächtige Brandblasen geholt. Ich wickelte das Jackett um den Balken. Dr. Mann stöhnte unter der schweren Last. Sein Hüsteln war dünn und wurde immer dünner. Die Flammen züngelten bereits um seine Beine. Der qualmende Rauch reizte meine Augen. Sie tränten.
Es war das schlimmste Stück Arbeit, das ich jemals zu leisten hatte. War es nicht paradox, dass ich so viel Mühe gerade für einen Mörder aufbrachte?
Ich zerrte den Balken hoch. Rundherum stürzte die Welt ein. Es gelang mir, den Balken wenige Zentimeter zu heben.
Dr. Mann begann sich sofort zu regen. Er kämpfte verbissen um sein Leben. Wenn ich es nicht schaffte, ihn unter dem Balken hervorzuholen, war er erledigt, das wusste er. Deshalb rackerte er verbissen. Wie irr. Er stemmte sich gegen mich. Er drückte und drängte, er keuchte, hustete, hielt den Atem an, stöhnte wieder. Millimeter um Millimeter rutschte er unter dem Balken hervor.
„Machen Sie schnell!“, brüllte ich verzweifelt. Der Schweiß rann mir in dicken Bächen über das Gesicht. Die Anstrengung war unmenschlich. Ich spürte, dass ich den Balken nun nicht mehr lange zu halten vermochte. Auch mit meinen Kräften ist es irgendwann mal vorbei.
Dr. Mann arbeitete sich mühsam hervor.
Endlich!
Ich ließ den schweren Balken sofort fallen. Rings um uns näherten sich die Flammen dem noch flammenlosen Zentrum des Raumes.
„Biff!“, hörte ich Susan draußen schreien. Das Mädchen machte sich berechtigte Sorgen um mich. Ich befand mich alles andere als in einer rosigen Lage.
Dr. Mann war erledigt. Groggy. Ausgeflippt. Er konnte einfach nicht mehr.
Auch das noch. Ich sah, wie er sich auf die Knie rollte, doch er konnte nicht mehr aufstehen. Sein Jackett hatte Feuer gefangen. Ich riss es von seinen Schultern und schleuderte es in die Flammenwand. So heiß war mir noch nie gewesen.
Dr. Mann hängte sich an mich. Ich musste ihn halb tragen. In seinen Beinen war keine Kraft mehr.
Hinter uns krachte es wieder. Doch nun war die Gefahr der Flammen für uns bereits gebannt. Wenn uns jetzt nur nicht das Rauchgas zur Strecke brachte.
Rauchgas ist ein heimtückischer Feind. Er ist sozusagen der Futterbeschaffer der Flammen. Er bringt die Menschen um, wenn die Flammen noch weit weg sind. Und sie haben dann Zeit, sich ihre grausige Mahlzeit irgendwann mal zu holen.
„Biff!“, schrie Susan wieder.
Wir wankten beide aus der offen stehenden Hintertür in die reine Nachtluft hinaus.
Gierig pumpte ich meine brennenden Lungen mit unvergifteter Luft voll. Ich konnte gar nicht genug davon kriegen. Das kann nur jemand verstehen, der sich schon mal in meiner entsetzlichen Lage befunden hat.
Ich schleppte Dr. Mann um das Haus herum.
Die Flammen schlugen lodernd aus den Fenstern und leckten zum Obergeschoss hinauf. Die nähere Umgebung des Hauses wurde vom Feuerschein gespenstisch zuckend ausgeleuchtet.
Susan sah uns kommen. Ich glaube, sie schickte ein Dankgebet zum Himmel.
Plötzlich stieß meine Partnerin einen gellenden Warnungsschrei aus.
Ich war so fertig, dass ich nicht sofort reagieren konnte, aber ich glaube, dass ich auch so nichts mehr hätte dagegen tun können.
Ich sah mit einem Mal Pino Calva.
Pino Calva! Der Mann, der nach meinem Gefühl längst hätte tot sein müssen. Pino Calva, der eine volle Schrotladung in den Rücken abbekommen hatte.
Er kniete auf dem Boden, hielt mit versteinertem Gesicht und mit beiden Händen seinen Revolver und drückte in diesem Moment ab.
Da ich Dr. Mann immer noch schleppte, spürte ich ihn zusammenzucken. Ich spürte die Kugel in seinen Leib dringen. Er knickte ein.
Calva fiel ebenfalls zusammen wie ein Strohfeuer. Der höllische Hass hatte ihm die übermenschliche Kraft verliehen, sich noch ein letztes Mal aufzurichten, um seinen erbittertsten Feind ins Jenseits zu befördern, dahin, wohin nach dem Schuss auch er sich zurückzog.
Dr. Mann rutschte ganz langsam an mir herunter.
Susan kam gelaufen. Wir betteten den Sterbenden auf die Wiese. Seine Augen flackerten uns an. Er öffnete den Mund zum Sprechen, aber es kam nur Blut heraus.
Schließlich flüsterte er: „Es ... es hat alles so leicht ... ausgesehen ... Ich ... ich wollte mich nach diesem einen Coup ... zur Ruhe setzen. Ich konnte nicht mehr ... arbeiten ... Zuckerkrank, verstehen Sie, Calder? Ich wollte nicht arm in den Ruhestand ... treten. Deshalb habe ich an etwa fünfzig Leute ... diese ... diese Briefe ... geschickt. Ich hatte noch mal ... fünfzig vorbereitet ...“
„Warum haben Sie Kelly und Mary Scott umgebracht?“, fragte Susan.
„Weil sie sich an uns gewandt hatten?“, stellte ich die Zusatzfrage.
Dr. Mann schüttelte den Kopf.
„Ich wollte ... Sie hätten auf jeden Fall ... sterben müssen. Ich wollte ... den anderen Briefempfängern ... damit beweisen, dass ... meine Drohungen ernst zu nehmen ... waren. Wenn zwei Leute sterben ... machen die anderen keine ... Schwierigkeiten, verstehen Sie? Ich hatte alles einkalkuliert. Es war Pech, dass ich mir als ... erstes Opfer ausgerechnet den ... Bruder eines ... Gangsters ausgesucht hatte. War Pech, Calder ...“ Er zuckte die Achseln.
Dieses Zucken durchlief dann seinen ganzen Körper, und als er nicht mehr zuckte, war er tot.