Читать книгу Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015 - A. F. Morland - Страница 34
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Ich kann mich gut erinnern an diese Nacht. Viel zu gut. Wahnsinnigen begegnet man in unserem Job öfter mal. Aber einer Frau, die einem auf Anhieb den Schlaf raubt, eher selten.
Wir waren im East Village unterwegs. Milo steuerte unseren Dienstwagen, einen grauen Mercury. Langsam rollten wir die zwölfte Straße Richtung Campos Plaza entlang. Es war ein Frühsommerabend. Kurz vor acht würde ich sagen – es dämmerte bereits.
„Da ist es.‟ Milo deutete auf die Hausnummer und fuhr an den Straßenrand.
Ich griff nach dem Mikro. „Trevellian an Zentrale. Wir haben fragliche Adresse erreicht. Schauen uns die Burschen mal an.‟
„Okay. Die anderen sind auch schon bei ihren Zieladressen angekommen.‟ Clive Caravaggios Stimme. Er koordinierte den Einsatz von der Federal Plaza aus. „Dann greift zu. Und haltet uns auf dem Laufenden.‟ Wir stiegen aus. An der Haustür des Mietblocks sahen wir uns die Namen neben den Klingelschildern an.
Ein halbes Dutzend FBI-Teams waren an diesem Abend in Manhattan unterwegs. Die CIA hatte in den letzten Wochen mehrfach Alarm geschlagen. Den Kollegen aus Langley, Virginia, lagen beunruhigende Informationen ihrer ägyptischen Agenten vor: Eine radikale Gruppierung der Muslim-Men – der Muslim-Brüder – in Kairo versuchten ihre Terroristen in die Vereinigten Staaten einzuschleusen.
„Das ist der Name.‟ Ich deutete auf ein Klingelschild im dritten Obergeschoss: „Hosni Mussawi‟. Der Mann war vor zwei Wochen über den John F. Kennedy International Airport aus London eingereist. Mit gefälschten Papieren. Diese Nachricht aus Langley war unserem Chef erst am Vormittag dieses Tages auf den Schreibtisch geflattert.
Und nicht nur Mussawi. Mindestens vier weitere Männer hatten sich in den letzten Wochen mit gefälschten Dokumenten in Manhattan eingenistet. Deswegen also unsere Aktion an diesem Abend – mit sieben Teams wollten wir möglichst zeitgleich an verschiedenen Stellen des Big Apples zuschlagen.
Milo klingelte im Erdgeschoss. Der Türöffner summte, Licht flammte im Treppenhaus auf, wir traten ein. Auf dem Treppenabsatz stand eine alte Lady mit Morgenmantel und Lockenwicklern in den Haaren. „Verzeihung, Ma′am.‟ Milo zog seine Dienstmarke. „Wir müssen ins Haus, danke fürs Aufmachen.‟
Die Frau riss erschrocken die Augen auf. Sie wackelte zurück in ihre Wohnung. Schon auf der Treppe nach oben hörten wir ihre Sicherungsschlösser einschnappen.
Vor der Tür im dritten Stock entsicherten wir unsere Dienstwaffen. Ich drückte auf den Klingelknopf über dem Namen „Mussawi‟.
Schritte vor der Tür. „Wer ist da?‟ Die Männerstimme aus der Wohnung sprach ein Englisch mit hartem Akzent.
„FBI‟, sagte ich, „wir müssten Sie mal sprechen, Mr. Mussawi.‟
Einen Augenblick herrschte Stille hinter der Tür. „Moment bitte.‟ Dann wieder Schritte, rascher diesmal, und schließlich das Geräusch eines hastig hochgezogenen Fensters. Ein kurzer Blick meines Partners verriet mir seine Gedanken – sie deckten sich mit meinen: Mussawi versuchte über die Feuertreppe zu fliehen.
Wir zogen unsere SIG Sauer Pistolen, traten drei Schritte zurück, und warfen uns gegen die Tür. Sie sprang sofort auf. Ein spartanisch eingerichteter Raum. Kühlschrank, Matratze, zwei Stühle, eine Herdplatte auf einer Kommode. Auf einem Tisch eine Batterie Cola-Flaschen um PC und Monitor, und eine Menge loser Blätter. Drei Fenster – eines davon hochgezogen.
Wir stürzten ans Fenster – ein Stockwerk unter uns zwei Männer auf der Feuerleiter.
„FBI!‟, brüllte ich. „Stehen bleiben oder wir schießen.‟ Ein Schusssalve aus einer Maschinenpistole war die eindeutige Antwort – Kugeln ratschten über den Klinker der Hausfassade, schlugen über uns in ein Fenster ein, knallten gegen die Feuertreppe und pfiffen als Querschläger durch die Abenddämmerung.
Ich hielt dagegen. Milo zog sich ins Zimmer zurück und alarmierte über Handy die Zentrale. „Ich schneid′ ihnen den Weg ab!‟, rief er. Schon verschwand er wieder im Treppenhaus.
Eng an die Zimmerwand gedrückt feuerte ich in den Hinterhof hinunter. Von gezielten Schüssen konnte keine Rede sein. Ich wollte die Männer aufhalten, um Zeit zu schinden für Milos Angriff.
Die Bewegung links neben mir nahm ich aus den Augenwinkeln wahr – ich fuhr herum. Etwas knallte dumpf auf den Holzboden des Zimmers auf. An der offenen Badezimmertür ein Mann. Ich sah sein entschlossenes Gesicht, ich sah die Pistole in seiner Hand – und zog zweimal durch. Er stürzte nach hinten in die Badewanne. Jetzt erst sah ich das hässliche Ding keine zwei Schritte neben mir unter dem Tisch – eine Handgranate.
Draußen die Maschinenpistolen der Flüchtlinge, hier drinnen Granatsplitter – mein Instinkt traf die Entscheidung. Ich warf mich über das Fensterbrett und drückte mich flach auf das Laufgitter der Nottreppe. Die Explosion hallte über die Hinterhöfe. Glas und Fensterrahmen schossen aus der Hausfassade und fielen in den Hof. Glassplitter regneten auf mich herab.
Ich schoss einfach in den Hof hinunter, nur um die beiden Männer am Zielen zu hindern. Einen sah ich am Müllcontainer vor der Mauer zum Nachbarhof, den zweiten unten an der Feuertreppe – er hielt seine MP nach oben und jagte mir eine Salve nach der anderen entgegen.
Die Treppe dröhnte wie eine Glocke von den Einschlägen der Geschosse. Plötzlich ein einzelner Schuss – der Mann brach zusammen. Milo hatte ihn vom Treppenhaus aus angegriffen.
Der zweite hing schon auf der Mauerkrone. Was sollte ich tun? Einen Bewaffneten, der gerade bewiesen hatte, dass er zum Äußersten entschlossen war, entkommen lassen? Damit er irgendwo in Manhattan untertauchen und wer weiß wen massakrieren konnte? Ich musste schießen, und mir blieb keine Zeit zu zielen. Der Mann rutschte von der Mauerkrone, schlug auf dem Müllcontainer auf und blieb reglos liegen.
Zurück ins Zimmer – zertrümmerte Möbel, Computerteile, Papiere überall verstreut. Der Mann im Bad war blutjung. Ein schwarzhaariger, dunkelhäutiger Typ. Palästinenser oder Ägypter – Orientale jedenfalls. Er hing zusammengekrümmt in der Badewanne und atmete noch. Über Handy alarmierte ich die Ambulanz.
Als ich unten im Hof ankam, stürmten hinter mir zwei Cops ins Treppenhaus. Milo stand neben dem Müllcontainer und tastete die Halsschlagader des Mannes, der darauf lag. „Tot‟, sagte mein Partner.
Der zweite Bursche lag bäuchlings auf dem Hof. Seine Beine hingen noch zwischen den Stufen der Feuertreppe. Auch er hatte keinen Puls mehr. Beide Männer sahen aus, als würden sie aus einem arabischen Land stammen.
„In der Wohnung ist noch ein dritter‟, rief ich den Cops zu. „Schwer verletzt.‟ Die Uniformierten liefen die Treppen hinauf.
Milo machte ein bekümmertes Gesicht. „Ich hörte die Explosion, und dachte: Das ist unser letzter gemeinsamer Einsatz gewesen ...‟
„Bullshit!‟, zischte ich. „Diese Kerle sind verflucht gefährlich ...‟ Ich machte mir klar, dass der junge Mann im Bad ein Himmelfahrtskommando hatte: Er sollte uns aufhalten, um den anderen beiden die Flucht zu ermöglichen. Er wollte sein Leben opfern, um uns aufzuhalten. „Bullshit ...‟
Milos Handy dudelte in seiner Jackentasche. „Tucker?‟ Seine Miene verdunkelte sich, während er seinem Gesprächspartner zuhörte. „Verstanden‟, sagte er. „Clive.‟ Er steckte das Handy weg. „Der Abend hat gerade erst angefangen, Partner – in einem Theater in der zweiundneunzigsten Straße will jemand einen Mann mit einer Handgranate gesehen haben. In einem vollbesetzten Theater ...‟