Читать книгу Die Großmeister des Mordes: Alfred Bekker präsentiert 12 Strand Krimis - A. F. Morland, Pete Hackett - Страница 15
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ОглавлениеWir gelangten über die Nottreppe in den Keller. Über Mikro und Ohrhörer hatten wir Funkverbindung.
Die Einsatzleitung hatte Clive, der sich zur im ersten Stock befindlichen Videozentrale des Sicherheitsdienstes begeben hatte.
Ich ging als erster, Milo war mir dicht auf den Fersen, danach folgten Fred und Orry sowie weitere G-men.
Die SIGs hielten wir in der Faust.
"Ich kann euch nicht sagen, wo er ist", meldete sich Clive über Funk. "Zuletzt hat er die Kameras im Waschsalon zerstört. Dort befanden sich zu dem Zeitpunkt drei Personen, die wir nicht warnen konnten."
"Was für Personen?", fragte ich.
"Ein Mann, Mitte fünfzig, etwa 1,70 groß. Außerdem zwei junge Frauen."
Es lag auf der Hand, dass er sie als Geiseln genommen hatte.
Wir pirschten uns vorsichtig weiter voran.
Gegenseitig sicherten wir uns ab, tasteten uns jeweils bis zur nächsten Ecke vor und näherten uns auf diese Weise immer weiter dem Waschsalon. Hinweisschilder wiesen uns den Weg.
Ich ließ den Blick schweifen. Es gab wirklich keine Überwachungskamera, die der Killer auf seinem Weg ausgelassen hatte.
Als wir den Korridor vor dem Waschsalon erreichten, hörten wir ein leises Wimmern.
Eine Frauenstimme.
Orrys Gesicht wurde noch dunkler, als es bei dem G-man indianischer Abstammung ohnehin der Fall war. Er packte die SIG mit beiden Händen.
Ich nahm an, das er im nächsten Moment voranstürmen würde.
Ich schüttelte den Kopf, bedeutete ihm mit einer Handbewegung, sich zurückzuhalten.
"Das ist eine Falle!"
Ich flüsterte diese Worte nur. Aber über das Mikro an meinem Hemdkragen konnten alle an diesem Einsatz beteiligten Kollegen sie deutlich verstehen. Selbst Clive Caravaggio in der Videozentrale.
Die Frau stöhnte jetzt schmerzerfüllt auf.
Wut erfasste mich.
Unser Gegner spielte mit unseren Nerven. Innerlich kochte ich angesichts der Brutalität, mit der dieser Mann vorging.
Er war eiskalt. Und berechnend.
Und so nahm ich an, dass jedes Detail dessen, was nun geschah, genau geplant war.
Schritte ertönten.
Lackschuhe auf dem gefliesten Boden des Waschsalons.
Die Frau stöhnte wieder auf.
Die Schritte klangen zögernd, unsicher.
Ein Mann trat auf den Korridor hinaus. Er hatte die Hände erhoben. Das kalte Licht der Neonröhren spiegelte sich in seinem nur von einem Haarkranz umrahmten Schädel.
"Nicht schießen!", rief er.
Er blickte sich um, sah zurück in den Waschsalon.
Zweifellos hatte der Killer die Geisel jetzt noch im Visier.
Sobald der Mann eine falsche Bewegung machte, würde ihn eine Kugel treffen.
Er zitterte leicht.
Schweißperlen rannen ihm von der Stirn.
Er sah uns an.
"Wenn ich mich weiter zu Ihnen hin begebe, wird der Kidnapper eine der beiden Frauen erschießen", sagte der Mann dann mit tonloser Stimme. "Vielleicht auch mich... Ich muss also hier stehen bleiben."
Ich nickte ihm zu.
Im Augenblick konnte ich nichts für den Mann tun. Er stand wie auf dem Präsentierteller vor der Tür des Wachsalons.
Er presste die Lippen aufeinander.
"Sie sollen sich zurückziehen", erklärte er dann tonlos. "Das ist die Forderung dieses Mannes. Und Sie müssen sie erfüllen, sonst wird es Tote geben..."
Das wird es in jedem Fall!, ging es mir bitter durch den Kopf. Denn wenn es diesem Killer gelang, in Freiheit zu bleiben, dann gab es zwangsläufig früher oder später neue Opfer.
"Können Sie mich hören?", rief ich an die Adresse des Killers gerichtet. "Sie haben keine Chance. Das Haus ist umstellt. Ihr Gesicht ist auf Video gespeichert! Sie können nicht entkommen..."
Eine Pause entstand.
Der Mann wandte den Kopf, versuchte aus den Augenwinkeln heraus in den Waschsalon zu sehen.
Dann machte er einen schnellen Schritt nach vorn, wollte sich damit aus der Schusslinie bringen.
Eine Panikreaktion.
Und ein tödlicher Fehler.
Eine Kugel traf ihn an der Schläfe.
Er taumelte zu Boden und blieb regungslos liegen.
"Schätze, dass war so eine Art Antwort!", knurrte Orry grimmig.
Uns waren die Hände gebunden. Noch hatte dieser Wahnsinnige zwei Geiseln in seiner Gewalt.
Wieder waren Schritte zu hören. Sie wirkten noch unsicherer als es die des Mannes gewesen waren. Eine junge Frau Mitte zwanzig trat aus dem Waschsalon heraus. Sie trug mittelhohe Absätze, hielt die Hände empor. Die enganliegenden Jeans und das knappe T-Shirt betonten ihre Figur. Das rostbraune Haar hing ihr zerzaust im Gesicht.
Sie hatte Mühe, ein Schluchzen zu unterdrücken.
Der Killer musste sie angewiesen haben, sich nicht umzudrehen. Starr blickte sie erst gegen die Wand, dann in unsere Richtung.
"Ziehen Sie sich zurück!", bat die Frau. Ein Weinkrampf durchfuhr sie, ließ sie zittern. Sie war mit den Nerven völlig am Ende. Kein Wunder. Schließlich hatte sie soeben mit ansehen müssen, wie eine Mitgeisel kaltblütig erschossen worden war. Ihr Blick verweilte kurz bei dem Toten.
"Bitte!", wimmerte die junge Frau. "Dieser Verrückte ist zu allem fähig..."
Sie machte einen Schritt rückwärts, auf die Tür zum Waschsalon zu. Dabei drehte sie sich jedoch nicht um.
"Ich muss zurück", sagte sie. "Sonst erschießt er mich. Bitte, ziehen Sie sich zurück... Der Kerl macht ernst!"
Ich wechselte einen Blick mit Milo, dann mit Orry.
"Wir gehen auf die Bedingung ein", rief ich, in der Hoffnung, dass der Killer das hörte. "Wir ziehen uns zurück."
Clive Caravaggio meldete sich über Funk. "Der Kerl muss früher oder später durch Bereiche, in denen es noch Kameras gibt!"
Die weibliche Geisel ging rückwärts zurück in Richtung des Eingangs zum Waschsalon.
Schritt um Schritt näherte sie sich ihrem Peiniger.
Aber sie hatte keine andere Wahl.
Ein Stöhnen drang aus dem Waschsalon, das in ein entsetztes Wimmern überging.
Dann folgte ein Schussgeräusch.
"Dieses Schwein", murmelte Orry.
Kein Zweifel, der Kerl hatte seine zweite Geisel erschossen! Möglicherweise hatte sie die Nerven verloren und irgendeine Dummheit begangen.
Die junge Frau, die sich unweit des Waschsalon-Eingangs befand, warf sich zu Boden. Ein Schuss zischte über sie hinweg. Die Kugel drang in die Wand ein und ließ den Putz bröckeln.
In diesem Moment stürmte ich nach vorn, die SIG in der Faust.
Milo und Orry waren mir dicht auf den Fersen.
Mit der SIG in beiden Händen stürzte ich in den Waschsalon, ging in die Hocke dabei und legte die Waffe an.
Zu beiden Seiten befanden sich Waschmaschinen. Mindestens eine davon war sogar in Betrieb. Ein Summton erfüllte den Raum. Auf der gegenüberliegenden Seite stand eine Tür halb offen. Dahinter war Dunkelheit.
Sekunden nachdem ich in Stellung gegangen war, sah ich dort ein Mündungsfeuer aufblitzen.
Ich spürte, wie das Projektil mich mitten in die Brust traf. Die Wucht des Geschosses riss mich zurück, streckte mich zu Boden. Die Kevlar-Weste rettete mir das Leben. Aber selbst wenn man so etwas trug, konnte ein Treffer wie ein kräftiger Tritt wirken.
Mir blieb für eine Sekunde die Luft weg, während ein weiterer Schuss dicht über mich hinwegzischte.
Ich rollte mich zur Seite, verschanzte mich hinter einer der Waschmaschinen. Dabei rang ich nach Luft.
Unser Gegner ballerte wild drauf los.
Schuss um Schuss zischte in unsere Richtung. Ich hatte keine Ahnung, was mit Milo und Orry war. Ich kauerte hinter der Waschmaschine, die SIG in der rechten Faust. Durch den Geschosshagel gab es Dutzende von brandgefährlichen Querschlägern. Löcher wurden in die Waschmaschinen gestanzt.
Eine der Sichtscheiben platzte auf, blubberndes Waschwasser ergoss sich auf den Boden.
Der Geschosshagel verebbte.
Die Tür klappte geräuschvoll zu.
Eine feuerfeste Metalltür mit einem Warnhinweis, der besagte, dass der Zutritt zum Heizungskeller nur autorisierten Personen gestattet sei.
Ich rappelte mich auf, rannte die Reihe der Waschmaschinen entlang, erreichte dann die Tür.
Milo und Orry tauchten ebenfalls aus ihrer Deckung hervor.
Das Schloss der Metalltür war bereits zerstört. Offenbar hatte der Killer mit einem gezielten Schuss dafür gesorgt, dass ihm ein Fluchtweg aus dem Wachsalon blieb, denn normalerweise war diese Tür sicherlich verschlossen.
Ich meldete mich über Funk bei Clive.
"Er ist im Heizungskeller. Gibt es von dort einen zweiten Ausgang?"
"Nein. Er sitzt in der Falle, Jesse. Dem Plan nach gäbe es da allenfalls noch einen Entlüftungsschacht, aber der ist so schmal, dass höchstens ein Kind darüber entkommen könnte..."
"Der Kerl ist gefährlich. Er hat uns in eine Falle gelockt, indem er vortäuschte, dass er seine Geisel erschossen hat!"
"Sie lebt noch?"
"Jedenfalls ist sie nicht im Waschsalon, das heißt, dass die Frau noch bei ihm sein muss... Was schlägst du vor, Clive?"
"Ihn zermürben. Er kann dort nicht heraus..."
"Verdammt, denk an die Geisel!"
"Was meinst du wohl, was mir im Kopf rumschwirrt, Jesse?"
"Na, schön..."
Ich ließ die SIG sinken.
Wir hielten uns seitlich der Metalltür. Sie mochte feuersicher sein, aber was ein großkalibriges Projektil damit anstellen konnte zeigte das zerstörte Schloss. Schließlich bestand sie nicht aus massiven Panzerplatten, die dafür gemacht waren, vor einem Kugelhagel zu schützen.
"Könnt ihr mit dem Killer in Kontakt treten?", fragte Clive.
"Schätze, der kann uns verstehen", meinte Milo.
Er nickte mir zu.
"Hier ist das FBI! Sie haben keine Chance zu entkommen! Geben Sie auf! Sie werden einen fairen Prozess bekommen..."
Keine Antwort.
"Sie haben eine Geisel und so lange können wir nichts gegen Sie unternehmen", fuhr ich fort. "Aber wie lange wollen Sie da drinnen aushalten? Einen Tag? Zwei Tage? Wir haben Zeit. Irgendwann werden Ihnen die Augen zufallen vor Müdigkeit! Haben Sie mal darüber nachgedacht, wie lange ein Mensch ohne Schlaf auskommt? Wenn Sie sich jetzt ergeben und das Leben Ihrer Geisel schonen, wird man Ihnen das positiv anrechnen..."
Ich wartete.
Mit Sicherheit hatte er meine Worte verstanden. Ich musste ihm eine Perspektive geben, notfalls sogar etwas vorlügen. Es ging um das Leben der Geisel.
"Ich habe Anwälte erlebt, die haben Leute vor dem elektrischen Stuhl bewahrt, gegen die Sie ein Chorknabe sind! Also seien Sie vernünftig! Ihre Karten bei der Justiz werden nur schlechter..."
Ein Schrei folgte.
Der Schmerzensschrei einer weiblichen Stimme, dann ein Aufstöhnen. Schließlich ein Geräusch, dass sich anhörte, als ob ein Körper auf dem Boden aufschlug.
Die Geisel!
Ich packte die SIG mit beiden Händen.
Die Versuchung war groß.
Ein Tritt gegen die unverschlossene, nur angelehnte Metalltür und...
Aber ich wollte mich nicht zweimal auf dieselbe Weise hereinlegen lassen.
Milo und ich wechselten einen kurzen Blick. Ich sah die Wut in seinen Augen. Er empfand dasselbe wie ich.
"Geben Sie ein Lebenszeichen Ihrer Gefangenen!", rief ich.
Ich hatte Mühe, mich zu beherrschen. Aber unser Gegner war ein eiskalt kalkulierender Killer. Um ihn zur Strecke zu bringen, mussten wir genauso kühl bleiben.
Die Sekunden rannen dahin.
Dann quoll plötzlich eine Flüssigkeit unter der Metalltür hervor.
Im ersten Moment dachte ich daran, dass der Killer möglicherweise eines der Heizöl-Reservoire angezapft hatte und uns alle in die Luft jagen wollte.
Aber für einen eiskalten Rechner wäre das untypisch gewesen. Einer wie der wollte selbst überleben, auch wenn es ihm völlig gleichgültig war, wie viele ansonsten dabei draufgehen mussten.
Ich beugte mich nieder, nahm mit den Fingern ein paar Tropfen auf, roch daran, benetzte die Lippen damit.
Orry sah mich erwartungsvoll an.
"Wasser!", stellte ich fest.
"Was hat der Kerl vor?"
"Das werden wir gleich wissen!"
Mein Instinkt sagte mir, das ich nicht länger warten durfte.
Ich öffnete die angelehnte Tür. Sie flog nicht zur Seite. Stattdessen musste ich sie mühsam aufdrücken. Auf der anderen Seite stand das Wasser fast Knöchelhoch. Wie ein Strom ergoss es sich in den Waschsalon.
Ich war darauf gefasst, dass ein Geschosshagel in meine Richtung prasselte und sprang seitwärts, presste mich dann gegen die Wand.
Aber nicht ein einziger Schuss fiel.
Ich schnellte in geduckter Haltung vor, die SIG im Beidhand-Anschlag.
Das Licht, das aus dem Waschsaloon in den Heizungskeller fiel, war spärlich. Es verlor sich nach wenigen Metern, spiegelte sich im blanken Metall der mehrere Kubikmeter großen, zylinderförmigen Kessel, in denen das Wasser für die Zentralheizung vorgeheizt wurde.
Lauwarm war die Brühe, die mir um die Knöchel floss.
Ich suchte nach dem Lichtschalter, fand ihn auch.
Dann ließ ich den Blick schweifen.
Milo war mir gefolgt, sicherte mich ab.
Dann folgte Orry, zusammen mit einigen anderen G-men.
Im Wasser lag ein menschlicher Körper.
Es war die letzte Geisel. Orry kümmerte sich um die Frau, beugte sich nieder und drehte sie herum. Sie hatte eine Platzwunde an der Stirn, die vermutlich von einem Schlag mit einem stumpfen Gegenstand herrührte.
"Sie ist bewusstlos!", stellte Orry fest.
Ich suchte fieberhaft nach dem Killer. Unsere Kollegen schwärmten aus.
Jeden Winkel durchsuchten wir. Aber der Kerl war nicht zu finden. Er befand sich weder zwischen den Kesseln, noch hinter den Heizaggregaten.
Der Killer schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein.
Milo glaubte schließlich, etwas gefunden zu haben.
Er deutete auf ein Gitter, das nur provisorisch vor eine Öffnung in der Wand gestellt war. Zweifellos war es herausgebrochen worden.
"Der Lüftungsschacht", stellte Milo fest.
Ich ging die Hocke, sah in die Öffnung hinein.
"Das ist völlig unmöglich!", meinte ich. "Auf diesem Weg kann er nicht entkommen sein!"
"Er ist aber nicht hier, Jesse!"
"Aber an einen Killer, der die Fähigkeit hat, seine Knochen zu verbiegen, glaube ich nicht!"
"Und an einen, der sich unsichtbar machen kann?"
Ich sah mir die Öffnung zum Lüftungsschacht noch einmal an.
Alles viel zu offensichtlich!, dachte ich. Als ob der Kerl uns mit der Nase darauf stoßen wollte.
Inzwischen kam die Frau wieder zu sich. Sie war benommen von dem Schlag, den sie erhalten hatte, stöhnte auf. Orry half ihr.
Ich ging die Reihe der Wasserkessel entlang.
Gegen jeden der Kessel schlug ich mit dem Lauf der SIG.
Kessel Nummer drei war abgelassen worden.
Der Klang verriet es deutlich.
Ich sah Milo an und nickte.
"Hier ist er!"
Ehe Milo etwas erwidern konnte, stieg ich die schmalen Sprossen der Trittleiter empor, mit der man zu Wartungszwecken an die Oberkante des Kessels gelangen konnte. Oben angekommen, war es gar nicht so einfach, sich freihändig zu halten. Mit der Linken öffnete ich die Abdeckklappe, in der Rechten hielt ich die SIG...
...und blickte Sekundenbruchteile später in die Mündung eines Spezialgewehrs.
Der Strahl des Laserpointers tanzte auf meiner Stirn.
Der Killer hockte am Boden des Kessels, stand dabei noch knietief im lauwarmen, auf ca. 40 Grad vorgeheiztem Heizungswasser.
Der Lauf meiner SIG war auf seinen Kopf gerichtet.
Sekundenbruchteile geschah nichts. Es bestand ein Patt zwischen uns. Auf die geringe Distanz konnte er kaum hoffen, mich ausschalten zu können, ohne selbst noch eine Kugel abzubekommen. Und außerdem wusste er, dass ich nicht allein war. "Das Spiel ist aus!", sagte ich.
Er war der kühle Rechner, den ich erwartet hatte.
Der Killer ließ das Gewehr sinken.
Ich deutete auf die Trittleiter, die an der Innenseite des Kessel hinunterführte.
"Ihre Rechte bete ich Ihnen vor, wenn Sie hier herausgeklettert sind!"