Читать книгу Die Jagd nach dem weißen Tiger: Kripow & Kripow - Herr Doktor und die Polizei - A. F. Morland - Страница 5

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„Sie können hier nicht ohne Einladung rein. Heute findet eine private Veranstaltung statt.“

Kriminaloberkommissarin Kathrin Kripow schaute den Türsteher an, der ihr den Zutritt zum ‚Tropicana-Club‘ verwehren wollte. Dann holte sie ihren Dienstausweis aus der Tasche und hielt ihn dem Mann vors Gesicht. „Wir kommen überall rein, verstanden?“

Der Türsteher musterte die Frau aus schmalen Augen. Kathrin Kripow hatte rote, schulterlange Haare, die im Nacken zusammengebunden waren. Sie trug ein weißes T-Shirt und darüber eine schwarze Lederjacke. Die dunkelblaue Jeans saß hauteng. Ihre Füße steckten in weißen Sportschuhen.

„Haben Sie überhaupt einen Durchsuchungsbeschluss?“, erkundigte sich der muskulöse Mann.

„Selbstverständlich.“

Kathrin griff abermals in ihre Tasche, holte das entsprechende Dokument hervor, faltete es auseinander und zeigte es dem Türsteher. Sie hielt die meisten Möchtegern-Helden schon allein durch ihr bestimmtes Auftreten auf Distanz. Und angesichts der Hundertschaft Polizisten, die hinter ihr stand, sah der Türsteher sofort ein, dass jeder Widerstand sinnlos war. Dafür wurde er einfach zu schlecht bezahlt.

„Was soll das eigentlich werden? Eine Razzia?“

„Schlauer Junge“, erwiderte Kathrin. „Hast wohl nicht das erste Mal mit der Polizei zu tun, was?“

„Na ja, ich ...“

„Schon gut. Sag drinnen Bescheid, dass noch ein paar Gäste kommen.“

Der Türsteher zögerte. „Das kostet mich meinen Job.“

„Du wirst dir sowieso einen anderen suchen müssen. Also los, nun mach schon.“

Die Tür zum ‚Tropicana-Club‘ ließ sich nur von innen öffnen. Der breitschultrige Mann drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage, die sich neben dem Türrahmen befand. „Da kommen noch welche. Sie haben eine Einladung.“

Damit sagte er nicht einmal die Unwahrheit. Er verschwieg nur, dass die Gäste eine richterliche Einladung hatten. Kathrin postierte sich neben der Tür und stieß sie auf, als der Summer ertönte. Sie betrat den Club als erste, gab ihren Kollegen Hauptkommissar Theo Felk und Kommissar Stefan Lehnert ein Zeichen und schob die beiden Gestalten mit einer ärgerlichen Handbewegung beiseite, die sich als Vorhut im Garderobenraum aufhielten.

„Keine Panik“, sagte sie. „Ihr habt Feierabend.“

Die Männer sahen sich verdutzt an. „Bullen?“

„Keiner rührt sich vom Fleck!“, rief Kathrin. „Dies ist eine polizeiliche Durchsuchung.“

Es rührte sich tatsächlich keiner. Überrascht starrten alle die Beamten an. Im nächsten Moment ging das Licht aus. Im Lokal ertönte das Scharren von Stühlen und hastige Schritte. Hinter Kathrin leuchteten ein halbes Dutzend Taschenlampen auf und erfassten die Szenerie. Einige der Gäste hatten sich im Schutz der Dunkelheit an die Hintertür herangearbeitet, kamen aber nicht mehr dazu, den Club zu verlassen. Flüche wurden laut, verstummten jedoch bald wieder. Einzeln wurden die Gäste nach Waffen durchsucht. Anschließend mussten sie in einer Ecke warten, bis man ihre Personalien aufgenommen hatte.

„Ich glaube, das war ein Reinfall“, sagte Theo Felk.

Kathrins Gesichtsausdruck verfinsterte sich. Sie musste ihrem Kollegen recht geben. Der Mann, auf den es am meisten ankam, war verschwunden. Keiner der Anwesenden entsprach der Beschreibung, die sie von ihrem Informanten Julian Sosnik erhalten hatte. Seiner Nachricht zufolge sollte er sich an diesem Tag hier im ‚Tropicana-Club‘ aufhalten, um die Dealer mit Ware zu versorgen. Aber offenbar hatte er die Finsternis ausgenutzt, um zu fliehen. Durch die Hintertür konnte er nicht verschwunden sein. Draußen wäre er sofort von einem halben Dutzend Polizisten in Empfang genommen worden. Kathrin betrachtete die Männer und Frauen, die an der Wand Aufstellung genommen hatten.

Auch die Angestellten schienen geflohen zu sein. Daraus konnte man schließen, dass sie eine Tür benutzt hatten, die sich in unmittelbarer Nähe des Tresens befand. Einem war die Flucht allerdings nicht gelungen. Unter den Festgenommenen entdeckte Kathrin einen Mann in einer Kellnerkluft. Mit schnellen Schritten ging sie auf ihn zu.

„Durch welche Tür sind die anderen verschwunden?“, schnauzte sie ihn an.

Der Mann machte ein verständnisloses Gesicht. „Ich weiß gar nicht, wo von Sie reden.“

Kathrin packte ihn am Kragen und zog ihn ganz dicht zu sich heran. „Wenn Sie nicht sofort reden“, zischte sie drohend, „dann werde ich ungemütlich und Sie wachen erst im Krankenhaus wieder auf!“

Kathrin hatte durchaus nicht die Absicht, den Mann zusammenzuschlagen, dazu war sie viel zu korrekt, aber das konnte ihr Gegenüber natürlich nicht wissen. Er sah nur den drohenden Gesichtsausdruck und war fest davon überzeugt, dass die Kommissarin ihre Worte ernst meinte. Und weil er kein Held war, zog er es vor, mit heilen Knochen ins Gefängnis zu kommen.

„Lassen Sie mich los“, bat er. „Ich werde Ihnen die Tür zeigen.“

Zu seiner Feigheit kam noch die Überlegung, dass er keinem der Entflohenen mehr schaden würde, wenn er der Polizei den Fluchtweg zeigte. Die anderen hatten mit Sicherheit schon einen ordentlichen Vorsprung. Er führte Kathrin zum Tresen und deutete wortlos auf eine Stelle in der Wand. Bei genauerem Hinsehen konnte man dort die Umrisse einer verborgenen Tür erkennen.

„Und wie geht das Ding auf?“, fragte Kathrin.

Der Kellner ging zum Tresen, griff unter die Platte und betätigte einen Knopf. Lautlos öffnete sich die Geheimtür.

„Gehen Sie zu den anderen zurück!“, befahl Kathrin dem Kellner. Während sie ihre Pistole aus dem Schulterhalfter zog, wandte sie sich an ihren Kollegen. „Gib mir Deckung.“

Theo nickte und holte ebenfalls seine Waffe hervor.

Vorsichtig drangen die beiden in den Gang ein. Nach wenigen Metern gelangten sie in ein Büro. Rechts neben dem Schreibtisch gab es einen Tresor. Die Tür stand offen. Jemand schien es sehr eilig gehabt zu haben.

„Getürmt“, stellte Kathrin grimmig fest. „Und zwar auf Nimmerwiedersehen. Es hat wohl keinen Sinn, wenn wir die Kerle jetzt noch suchen.“ Sie wandte sich an Theo. „Ich bin zwar davon überzeugt, dass wir hier nichts mehr finden werden, aber die Leute von der Spurensicherung sollen den Raum trotzdem durchsuchen. Vor allem den Schreibtisch.“

„In Ordnung.“

Kathrin und Theo verließen das Büro und kehrten in den Clubraum zurück. Die Polizeibeamten waren gerade dabei, die Angestellten nach draußen zu führen und in die bereitgestellten Transporter zu setzen.

„Was machen wir jetzt?“, fragte Theo.

„Wir werden jeden einzelnen verhören. Irgendjemand muss etwas über den ‚weißen Tiger‘ wissen.“

„Ich glaube nicht, dass jemand reden wird. Die wissen ganz genau, was mit ihnen passiert, wenn sie den Mund aufmachen.“

„Abwarten“, erwiderte Kathrin.

Sie verließen den Club und traten auf die Straße. Im nächsten Moment brach bei einem der Polizeifahrzeuge ein Tumult aus.

„Was ist denn da los?“, fragte Theo.

Ein Schrei ertönte. Einer der Polizisten wurde zurückgeschleudert. Mit schmerzverzerrtem Gesicht krümmte er sich zusammen und fiel auf die Knie. Ein Mann in einer Jeansweste tauchte hinter einem der Fahrzeuge auf. Seine Arme waren mit Handschellen hinter seinem Rücken fixiert. Er warf Kathrin einen kurzen Blick zu, wandte sich ab und rannte die Straße entlang.

„Halt!“, schrie Theo. „Stehenbleiben!“ Er zog seine Pistole aus dem Schulterhalfter, zielte und betätigte den Abzug. Der Knall des Schusses mischte sich in Kathrins Schrei.

„Nein!“

Der Mann in der Jeansweste taumelte, drehte sich um die eigene Achse und stürzte zu Boden. Regungslos blieb er liegen.

„Verdammt!“, brüllte Kathrin ihren Kollegen an. „Warum hast du das gemacht? Ein Toter nützt uns nichts!“

Theo ließ die Waffe sinken und blickte sie hilflos an. „Ich ... ich dachte ...“

Kathrin lief zu dem am Boden liegenden Mann, kniete neben ihm nieder und legte zwei Finger an seine Halsschlagader. Er lebte noch. Unter ihm hatte sich eine Blutlache gebildet. Sofort wandte sie sich an Kommissar Stefan Lehnert. „Los, ruf einen Notarzt!“

Er nickte, zog sein Smartphone hervor und setzte sich mit der Zentrale in Verbindung. Währenddessen kam Theo mit zögernden Schritten näher.

„Ich ... ich ...“, stammelte er.

„Musste das sein?“, fragte Kathrin schärfer als beabsichtigt.

„Entschuldige, es ... es war eine Kurzschlussreaktion.“

Die ersten Schaulustigen fanden sich ein. Sie redeten aufgeregt durcheinander, aber Kathrin blendete das Sprachengewirr aus. Einige hielten ihre Smartphones hoch und machten Aufnahmen. Kathrin spürte, wie das Blut in ihren Schläfen pochte. Als sie dem Verletzten die Handschellen abnahm, hörte sie die Sirene des Rettungswagens, und dahinter bog der Wagen des Notarztes um die Ecke. Mit quietschenden Reifen kamen die Fahrzeuge zum Stillstand. Die Türen wurden aufgerissen. Zwei Sanitäter liefen auf sie zu. Der Größere von ihnen schob Kathrin sanft zur Seite.

„Bitte lassen Sie uns durch.“

Auch der Notarzt näherte sich mit schnellen Schritten dem Verletzten. Er untersuchte ihn kurz, dann gab er den Sanitätern ein Zeichen. Sie liefen zurück zum Rettungswagen und kehrten mit einer Bahre zurück. Vorsichtig schnallten sie den Verletzten darauf fest. Der Arzt legte eine Infusion und schloss ihn an ein Beatmungsgerät an. Während der Verletzte in den Fond des Rettungswagens gebracht wurde, zeigte Kathrin dem Notarzt ihren Dienstausweis.

„Ich möchte, dass der Mann in die Falkenberg-Klinik gebracht wird“, verlangte sie.

Der Arzt nickte. „In Ordnung.“

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