Читать книгу Kollateraldesaster - A.B. Exner - Страница 9
10 Minuten später,
ОглавлениеFelix und Horst ließen sich den Kopf kraulen. Da waren Sirenen zu hören. Das machte nichts. Er hatte alles was er wollte. Durch Zufall, okay. Na und. Sein Leben hatte wieder einen Sinn. Hier kannte ihn kein Mensch wirklich. Wo war seine Videokamera?
Die Polizeiwagen bogen ab, nahmen ihn nicht wahr. Das Gesträuch neben dem Fahrradweg versteckte ihn.
Wo war die Kamera, verdammt? So ein Mist. Als er sich aus dem Rollstuhl warf, um an das Gewehr zu kommen, musste ihm die Kamera aus der Halterung gefallen sein. Dahin kann er jetzt nicht zurück. Wenn seine Schwester nur nicht so ein verdammter Kelly Fan wäre. Er wollte sie überraschen. Dieses Segelschiff auf der anderen Seite der Warnow, gehörte Joey Kelly. Dieser hatte das Schiff im Jahr 2000 an die Stadt Rostock in einer Art von Pacht übergeben, um sozial gefährdete Jugendliche auf diesem Schiff an ein Leben zu gewöhnen, welches eben nicht nur die seichten Seiten zeigt. Ein gern gesehenes, förderungswürdiges Projekt. Viele Begeisterte, wenig Geld - wie immer. Aber Joey Kelly hatte das Schiff, immerhin in einem Wert von fast 500.000 Euro, einfach gespendet. Keiner in Rostock konnte das begreifen. Und alle waren überfordert.
Nach acht Jahren sah das Schiff jetzt famos aus.
Ein richtiger Rahsegelschoner, sogar mit einer Breitfock. Das gab es nicht so oft in der Ostsee. Er kannte sich aus. Genau genommen gab es das nur einmal.
Als seine Schwester erfuhr, dass Joeys Schiff in Rostock gelandet ist, fing sie richtig an zu nerven. Er schaffte es, sich vor zwei Jahren für einen Törn nach Kopenhagen anzumelden. Kosten - keine dreihundert Euro. Für einen Segeltörn über die Ostsee, für immerhin eine Woche. Verpflegung inklusive. Fand er toll. Er konnte viele Impressionen für seine Schwester mitbringen.
Dann dieser blöde Unfall. Einverstanden, der Arzt sagte voraus, dass er in etwa sechs Monaten wieder laufen kann. Aber richtig rennen und klettern würde wohl noch mal sechs Monate dauern.
Und alles nur wegen Heino. Dieses Arschloch musste ja unbedingt Rambo am Lenkrad spielen, nur weil ihm ein Anderer die Vorfahrt nahm. Blöderweise war Heino, der nicht sonderlich helle Freund seiner nicht sonderlich attraktiven, immerhin fast dreißigjährigen Schwester. Und dieser Gummihund nimmt sich den Wagen seiner Schwester, um ihn nach Haus zu fahren und legt den ollen Opel aufs Dach. Dass er jetzt einen fulminanten Hüftschaden mit Omas Hunden gemeinsam auskurieren durfte, war also so nicht geplant.
Aber wo zum Teufel war die Kamera? Eines dieser „Sammeln Sie doch bitte Punkte und wir werfen Ihnen High Tech hinterher – Tankstellen Produkte“. Angeblich hatte seine Freundin nicht einmal fünfzig Euro dazu bezahlt. Trotzdem war dieses Mistding jetzt verschwunden. Er war nur diesen Weg runtergefahren und hatte immer auf dieses Schiff gehalten. Dazu etwas moderiert. Er näherte sich dem Fluss, der Warnow, und filmte weiter. Immer die „Santa Barbara Anna“, so hieß das Schiff, nach der Mutter der Kelly Familie, im Visier.
Und dann folgte dieser Schuss. Er hatte keine Angst. Er hatte keine Illusionen. Er wusste genau was er tat. Er sah, dass der Mann, trotz seiner Maske, irritiert war. Das war eine neue, unbekannte Situation für ihn. Er überbewertete den anscheinenden Krüppel. Er war in Panik. Obwohl er wirklich gut vorbereitet war. Er hatte eine Plane, eine Maske, eine Halterung für das Gewehr, so eines hatte er noch nie gesehen, und er hatte einen Schuss abgefeuert. Er selbst hatte keine Erfahrung mit Waffen.
Aber jetzt hatte er eine Waffe. Das war das Entscheidende.
Und er wusste, dass er lernen würde, damit umzugehen.
Und er wusste, dass er ein Leben beenden würde.
Er, Marc Hüter, würde vielleicht im Knast landen.
Aber der Andere wäre endlich tot.