Читать книгу Am Ende sterben wir sowieso - Adam Silvera - Страница 14

RUFUS
01:59 Uhr

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Meine Pflegeeltern warten unten. Eigentlich wollten sie sofort hier reinstürmen, als sie es erfahren haben, aber Malcolm hat meinen Leibwächter gespielt, weil er wusste, dass ich noch einen Moment brauche. Ich ziehe mir meine Radklamotten an – die enge Sporthose mit den blauen Basketballshorts drüber, damit meine Weichteile nicht so rausragen wie bei Spider-Man, dazu meine geliebte graue Fleecejacke –, weil ich mir nicht vorstellen kann, wie ich mich an meinem Abschiedstag durch die Stadt bewegen soll, wenn nicht auf meinem Rad. Ich schnappe mir den Helm, denn Sicherheit geht vor. Dann sehe ich mich ein letztes Mal im Zimmer um.

Ich breche nicht zusammen oder so, echt jetzt, selbst als ich dran denken muss, wie ich mit meinen Kumpels Fangen gespielt habe. Als ich rausgehe, lasse ich das Licht brennen und die Tür offen stehen, damit Malcolm und Tagoe nachher kein komisches Gefühl haben, wenn sie wieder hier reinkommen.

Malcolm lächelt mich an. Sein Versuch, den Coolen zu spielen, ist eher lahm, und ich weiß, dass er fast am Durchdrehen ist wie sie alle. Wenn es umgekehrt wäre, würde es mir nicht anders gehen.

»Und du hast Francis echt wach gekriegt, Alter?«, frage ich.

»Jep.«

Vielleicht werde ich durch die Hand meines Pflegevaters sterben. Wenn man nicht gerade sein Wecker ist, lässt man ihn besser schlafen.

Ich gehe hinter Malcolm die Treppe runter. Dort sitzen Tagoe, Jenn Lori und Francis, ohne ein Wort zu sagen. Als Erstes will ich fragen, ob jemand was von Aimee gehört hat, als könnte ihre Tante sie aufgehalten haben, aber das hat sie nicht.

Ich hoffe bloß, dass sie sich das mit dem Besuch nicht anders überlegt hat.

Es wird schon klappen, ich konzentrier mich einfach auf alle, die da sind.

Francis ist hellwach und trägt seinen geliebten geschlitzten Bademantel, als wäre er irgendein Mafiaboss, der mit seinen Geschäften einen Haufen Geld verdient, und nicht nur ein einfacher Facharbeiter, dessen schmales Gehalt für uns draufgeht. Er ist ein gutmütiger Kerl, sieht aber ziemlich wüst aus, weil seine Frisur total schief ist, seit er sich die Haare selber schneidet, um ein paar Dollar zu sparen. Dabei ist das total bescheuert, denn Tagoe ist ein wahrer Haarschneidekünstler. Kein Scheiß, Tagoe macht die besten Undercuts der Stadt, und der Hurensohn sollte auf jeden Fall seinen eigenen Friseurladen aufmachen und seine Träume vom Drehbuchschreiben endlich begraben. Francis ist allerdings eindeutig zu weiß für einen anständigen Undercut.

Jenn Lori trocknet sich die Augen mit dem Kragen ihres alten College-T-Shirts, bevor sie ihre Brille wieder aufsetzt. Sie sitzt ganz vorn auf der Stuhlkante, wie wenn wir Tagoes liebste Splatterfilme gucken, und jetzt springt sie plötzlich auf, aber nicht wegen irgendeiner krassen Selbstentzündung. Sie nimmt mich in den Arm und weint an meiner Schulter. Es ist das erste Mal seit dem Anruf, dass mich jemand umarmt, und ich will nicht, dass sie mich loslässt, aber ich muss weitermachen. Jenn bleibt neben mir stehen und ich starre zu Boden.

»Ein hungriges Maul weniger zu stopfen, was?« Niemand lacht. Ich zucke die Achseln. Keine Ahnung, wie man so was macht. Niemand bringt einem bei, wie man Leute auf den eigenen Tod vorbereitet, vor allem nicht wenn man erst siebzehn ist und kerngesund. Wir haben alle schon genug Scheiß hinter uns und ich will, dass sie lachen. »Hat jemand Bock auf Schere, Stein, Papier?«

Ich schwinge die Faust hin und her und bilde eine Schere, ohne dass jemand reagiert. Dann noch mal, diesmal Stein, aber es reagiert immer noch keiner. »Los, kommt schon, Leute.« Ich schüttle wieder die Hand und Malcolm pariert meine Schere mit Papier. Es dauert noch einen Moment, dann spielen wir mehrere Runden. Francis und Jenn Lori sind leicht zu besiegen. Am Ende bleiben noch Tagoe und ich übrig, und Stein schlägt Schere.

»Noch mal«, sagt Malcolm. »Tagoe hat im letzten Moment von Papier zu Stein gewechselt.«

»Ey, Mann, wieso sollte ich Roof ausgerechnet heute bescheißen?« Tagoe schüttelt den Kopf.

Ich gebe ihm einen freundschaftlichen Schubs. »Weil du ein Arsch bist, Alter.«

Es klingelt.

Mit rasendem Herzen stürme ich zur Tür und mache auf. Aimees Gesicht ist knallrot angelaufen, sodass man das riesige Feuermal auf ihrer Wange kaum sehen kann.

»Willst du mich eigentlich verarschen?«, fragt sie.

Ich schüttele den Kopf. »Ich kann dir die Eingangsbestätigung auf meinem Handy zeigen.«

»Ich meine nicht deinen Abschiedstag«, sagt Aimee. »Sondern das hier.« Sie tritt einen Schritt zur Seite und zeigt zum Fuß der Treppe – auf Peck und sein zerschmettertes Gesicht. Den ich in meinem ganzen Leben nicht mehr sehen wollte.

Am Ende sterben wir sowieso

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