Читать книгу Am Ende sterben wir sowieso - Adam Silvera - Страница 17

MATEO
02:52 Uhr

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Es sind wohl eher aller schlechten Dinge drei. Ich weiß nicht mal, ob Elle wirklich todgeweiht ist, aber ich habe sie ohne weitere Nachforschungen blockiert, weil sie mich mit irgendwelchen Links zu »witzigen Snuff-Filmen, die danebengegangen sind«, zugemüllt hat. Danach habe ich die App geschlossen.

Ich muss zugeben, dass ich mich in gewisser Weise bestätigt darin fühle, wie ich mein Leben gelebt habe. Menschen können echt übel sein. Es ist gar nicht so einfach, ein Gespräch in gegenseitigem Respekt zu führen, geschweige denn einen letzten Freund zu finden.

Es kommen immer weiter Pop-ups rein, die mich über neue Nachrichten informieren, aber ich beachte sie nicht, weil ich gerade im zehnten Level von A Dark Vanishing bin, diesem genialen Videospiel, für das ich gerade nach Cheats suchen will. Mein Held Cove, ein Level-siebzehn-Hexer mit Flammenhaar, kann das bettelarme Königreich nicht ohne eine Gabe für die Prinzessin durchqueren. Also gehe ich (besser gesagt, geht Cove) vorbei an allen Straßenhändlern, die versuchen, ihre bronzenen Anstecknadeln und verrosteten Schlösser an den Mann zu bringen, direkt zu den Piraten.

Offenbar habe ich auf dem Weg zum Hafen kurz nicht aufgepasst, denn Cove tritt auf eine Landmine und ich habe keine Zeit mehr, mich für die Explosion in die Geisterebene zurückzuziehen. Coves Arm fliegt durchs Fenster einer Hütte, sein Kopf steigt in den Himmel auf und seine Beine werden völlig zerfetzt.

Während die Seite neu lädt, hämmert mein Herz, bis Cove plötzlich wieder da ist, so gut wie neu. Cove hat echt Glück.

Ich werde nachher nicht wiederauferstehen können.

Ich verschwende hier drin meine Zeit und …

In meinem Zimmer steht ein zweiteiliges Bücherregal. In dem blauen unteren Teil stehen meine Lieblingsbücher, von denen ich mich nicht trennen konnte, wenn ich einmal im Monat Bücher für das Jugendgesundheitszentrum bei uns in der Straße aussortiert habe. Im weißen Regalteil darüber stehen die Bücher, die ich noch lesen wollte.

Ich hole die Bücher herunter, als hätte ich Zeit, sie alle noch zu lesen. Ich möchte wissen, wie dieser Junge nach seiner rituellen Wiedererweckung mit einem Leben klarkommt, das inzwischen ohne ihn weitergegangen ist. Oder wie das kleine Mädchen sich gefühlt hat, das nicht bei der Talentshow in der Schule auftreten konnte, weil seine Eltern den Anruf des Todesboten bekamen, während es von Klavieren träumte. Oder wie dieser Held, der die Hoffnung seines Volkes genannt wird, eine Nachricht von todesbotenähnlichen Propheten bekommt, die ihm mitteilen, dass er sechs Tage vor der entscheidenden Schlacht sterben wird, bei der er den Sieg über den bösen König herbeiführen könnte. Ich schleudere die Bücher durchs Zimmer und trete sogar noch einige meiner Lieblingsbücher von ihrem Regalbrett, weil der Unterschied zwischen Lieblingsbüchern und Büchern, die nie dazu werden können, keine Rolle mehr spielt.

Dann stürme ich auf meine Lautsprecher zu und schleudere auch sie beinahe gegen die Wand, halte mich jedoch im letzten Moment zurück. Bücher stehen nicht unter Strom, aber Lautsprecher schon, und damit könnte alles vorbei sein. Die Lautsprecher und das Klavier verhöhnen mich, erinnern mich an all die Male, die ich schnell von der Schule nach Hause gelaufen bin, um möglichst viel Zeit allein mit meiner Musik zu haben, bevor Dad von seiner Arbeit als Geschäftsführer eines Bastelladens nach Hause kam. Dann habe ich gesungen, wenn auch nicht laut, damit unsere Nachbarn mich nicht hören konnten.

Ich reiße eine Landkarte von der Wand. Ich habe New York nie verlassen und werde auch kein Flugzeug mehr besteigen, um in Ägypten zu landen und Tempel oder Pyramiden zu besichtigen, oder zu Dads Geburtsort in Puerto Rico reisen und den Regenwald sehen, wo er sich als Kind oft aufgehalten hat. Ich zerreiße die Karte und lasse all die Länder, Städte und Ortschaften vor mir zu Boden flattern.

Hier drin herrscht jetzt Chaos. Es ist, wie wenn der Held eines Fantasyblockbusters mitten in seinem vom Krieg verwüsteten Dorf steht, das von den Schurken in Schutt und Asche gelegt wurde, weil sie ihn nicht finden konnten. Nur dass statt eingestürzter Häuser und zerschmetterter Ziegel aufgeschlagene Bücher mit zerbrochenen Buchrücken auf dem Boden liegen. Ich kann das jetzt nicht in Ordnung bringen, sonst sortiere ich noch alle Bücher alphabetisch und klebe die Landkarte wieder. (Und das ist nicht nur eine Ausrede, damit ich mein Zimmer nicht aufräumen muss.)

Ich schalte die Xbox Infinity aus, wo Cove inzwischen wiederauferstanden ist, alle Gliedmaßen an ihrem Platz, als wäre er nicht erst vor Minuten explodiert. Cove steht am Start und lässt träge seinen Stab baumeln.

Ich muss was unternehmen. Also hole ich mein Handy wieder hervor und öffne Letzte Freunde. Ich hoffe, ich kann den Leuten, die so gefährlich sind wie Landminen, aus dem Weg gehen.

Am Ende sterben wir sowieso

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