Читать книгу Am Ende sterben wir sowieso - Adam Silvera - Страница 15

MATEO
02:02 Uhr

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Ich weiß nicht, wie viele letzte Freunde weltweit online sind, aber allein in New York sind es im Moment zweiundvierzig. Mir all diese Leute anzusehen, fühlt sich so ähnlich an, wie am ersten Schultag in der Aula der Highschool zu sitzen. Ich stehe ziemlich unter Druck und weiß gar nicht, wo ich anfangen soll – da bekomme ich plötzlich eine Nachricht.

Ein leuchtend blauer Umschlag blinkt in meinem Posteingang auf und wartet darauf, geöffnet zu werden. In der Betreffzeile stehen nur ein paar grundlegende Informationen: Wendy Mae Greene. 19 Jahre. Weiblich. Manhattan, New York (3 Kilometer entfernt). Ich klicke ihr Profil an. Sie ist keine Todgeweihte, sondern nur ein Mädchen, das spätnachts noch wach ist, um einen zu trösten. Sie bezeichnet sich selbst als »Bücherwurm und großen Fan von allem, was mit Scorpius Hawthorne zu tun hat«. Wahrscheinlich ist dieses gemeinsame Interesse der Grund, warum sie mich angeschrieben hat. Sie geht auch gern spazieren, »vor allem Ende Mai bei herrlichem Wetter«. Ende Mai werde ich nicht mehr da sein, Wendy Mae. Ich frage mich, wie lange sie dieses Profil schon hat und ob irgendjemand ihr mal gesagt hat, dass es für die Todgeweihten vielleicht nicht so toll ist, wenn sie so über die Zukunft spricht und ihnen unter die Nase reibt, wie viel Zeit sie noch vor sich hat. Ich scrolle weiter und klicke ihr Foto an. Sie scheint nett zu sein – hellhäutig, braune Augen, braune Haare, ein Nasenpiercing und ein strahlendes Lächeln. Ich öffne die Nachricht.

Wendy Mae G. (02:02 Uhr): hi mateo. cooler buchgeschmack. wette du hättest jetzt gern ’nen tarnzauber gegen den tod, stimmts??

Sie meint es sicher gut, aber mit ihrem Profil und dieser Nachricht versetzt sie mir eher Nadelstiche, als mir aufmunternd auf den Rücken zu klopfen, wie ich gehofft hatte. Aber ich will nicht unfreundlich sein.

Mateo T. (02:03 Uhr): Hey, Wendy Mae. Danke, du hast auch einen coolen Buchgeschmack.

Wendy Mae G. (02:03 Uhr): scorpius hawthorne 4ever … wie gehts dir?

Mateo T. (02:03 Uhr): Nicht so toll. Ich will mein Zimmer nicht verlassen, weiß aber, dass ich hier rausmuss.

Wendy Mae G. (02:03 Uhr): wie war der anruf? hattest du angst?

Mateo T. (02:04 Uhr): Ich hab leichte Panik gekriegt – eigentlich sogar deutlich mehr als nur leichte, um ehrlich zu sein.

Wendy Mae G. (02:04 Uhr): lol. du bist echt witzig. und total süß. deine eltern sind bestimmt auch voll fertig, oder?

Mateo T. (02:05 Uhr): Nimms mir nicht übel, aber ich muss jetzt los. Gute Nacht noch, Wendy Mae.

Wendy Mae G. (02:05 Uhr): was hab ich denn gesagt? warum redet ihr toten typen nie mit mir?

Mateo T. (02:05 Uhr): Nicht so wichtig. Aber meine Eltern können gar nicht fertig sein, weil meine Mutter schon lange tot ist und mein Vater im Koma liegt.

Wendy Mae G. (02:05 Uhr): und woher soll ich das wissen?

Mateo T. (02:05 Uhr): Steht in meinem Profil.

Wendy Mae G. (02:05 Uhr): okay, wie auch immer. hast du dann sturmfrei? eigentlich sollte ich meine jungfräulichkeit an meinen freund verlieren, aber ich wollte vorher noch üben und dachte, du könntest mir vielleicht dabei helfen.

Ich schließe den Chat, während sie eine weitere Nachricht tippt, und blockiere sie sicherheitshalber. Ich kann ihre Unsicherheit zwar nachvollziehen, und sie und ihr Freund tun mir leid, falls es ihr gelingen sollte, ihn zu betrügen, aber ich kann keine Wunder vollbringen. Es sind noch andere Nachrichten eingegangen, diesmal mit Betreff:

Betreff: Tüte gefällig?

Kevin und Kelly. 21 Jahre. Männlich.

Bronx, New York (6 Kilometer entfernt).

Todgeweiht? Nein.

Betreff: Mein Beileid, Mateo (schöner Name)

Philly Buiser. 24 Jahre. Männlich.

Manhattan, New York (5 Kilometer entfernt).

Todgeweiht? Nein.

Betreff: Sofa zu verkaufen? Guter Preis?

J. Marc. 26 Jahre. Männlich.

Manhattan, New York (1 Kilometer entfernt).

Todgeweiht? Nein.

Betreff: Sterben ist scheiße, was?

Elle R. 20 Jahre. Weiblich.

Manhattan, New York (5 Kilometer entfernt).

Todgeweiht? Ja.

Ich ignoriere Kevins und Kellys Nachricht; kein Interesse an Dope. Ich lösche J. Marcs Nachricht, weil ich das Sofa nicht verkaufen werde, das Dad irgendwann wieder für seinen Mittagsschlaf am Wochenende brauchen wird. Ich antworte Philly – weil seine Nachricht als Erste reinkam.

Philly B. (02:06 Uhr): Hey, Mateo. Wie gehts?

Mateo T. (02:08 Uhr): Hey, Philly. Ist es erbärmlich, wenn ich sage, ich komm schon klar?

Philly B. (02:08 Uhr): Nee, ich kann mir vorstellen, dass es hart ist. Bin nicht gerade scharf auf den Tag, an dem der Todesbote bei mir anruft. Bist du denn krank oder so? Ganz schön jung fürs Sterben.

Mateo T. (02:09 Uhr): Stimmt, ich bin gesund. Und ich hab Panik davor, wie es sein wird, aber gleichzeitig hab ich auch Angst, mich irgendwie selbst zu enttäuschen, wenn ich nicht rausgehe. Ich will auf keinen Fall die Wohnung verpesten, wenn ich hier drin sterbe.

Philly B. (02:09 Uhr): Dabei kann ich dir helfen, Mateo.

Mateo T. (02:09 Uhr): Wobei?

Philly B. (02:09 Uhr): Ich kann dafür sorgen, dass du nicht stirbst.

Mateo T. (02:09 Uhr): Das kann keiner.

Philly B. (02:10 Uhr): Ich schon. Du scheinst ein cooler Typ zu sein, der es nicht verdient zu sterben, deshalb solltest du zu mir kommen. Es muss ein Geheimnis bleiben, aber ich habe das Mittel gegen den Tod in meiner Hose.

Ich blockiere Philly und öffne Elles Nachicht. Aller guten Dinge sind drei.

Am Ende sterben wir sowieso

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