Читать книгу Am Ende sterben wir sowieso - Adam Silvera - Страница 9

MATEO
01:06 Uhr

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Ich bin wieder in meinem Zimmer – so viel dazu, dass ich nie hierher zurückkehren würde – und augenblicklich geht es mir besser. Als hätte ich gerade ein weiteres Leben in einem Videospiel gewonnen, nachdem der Endgegner mich fertiggemacht hat. Ich bin nicht naiv, was das Sterben angeht. Ich weiß, dass es passieren wird. Aber ich muss mich ja nicht kopfüber hineinstürzen. Ich schinde gerade noch etwas mehr Zeit. Alles, was ich wollte, war ein längeres Leben, und ich habe die Macht, diesen Traum nicht zu zerstören, indem ich die Wohnung verlasse – vor allem nicht so spät nachts.

Mit der Art Erleichterung, die man nur verspürt, wenn man morgens aufwacht und feststellt, dass Samstag und damit schulfrei ist, springe ich aufs Bett. Ich hänge mir die Decke über die Schultern, nehme wieder meinen Laptop, ignoriere die minutengenaue E-Mail-Bestätigung meines Telefonats mit Andrea vom Todesboten und lese den gestrigen Post auf Countdown weiter, den ich vor dem Anruf angefangen hatte.

Der Todgeweihte hieß Keith und war zweiundzwanzig. Seine Statuszeilen enthalten nicht viel Information über sein Leben, nur dass er ein Einzelgänger war, der lieber mit seinem Golden Retriever namens Turbo spazieren ging, als mit seinen Klassenkameraden unterwegs zu sein. Er war auf der Suche nach einem neuen Zuhause für Turbo, weil er ziemlich sicher war, dass sein Vater ihn dem Nächstbesten überlassen würde, was jeder hätte sein können, weil Turbo so ein schöner Hund ist. Mann, sogar ich hätte ihn adoptiert, obwohl ich eine heftige Hundehaarallergie habe. Aber bevor Keith seinen Hund abgab, liefen Turbo und er noch ein letztes Mal ihre Lieblingsplätze ab, und sein Eintrag endete irgendwo im Central Park.

Ich weiß nicht, wie Keith gestorben ist. Ich weiß nicht, ob Turbo überlebt hat oder mit Keith gestorben ist. Ich weiß nicht, was für Keith oder Turbo besser gewesen wäre. Ich weiß es nicht. Natürlich könnte ich nach irgendwelchen Überfällen oder Morden im Central Park gestern gegen 17:40 Uhr suchen, als der Post abbrach, aber meiner geistigen Gesundheit zuliebe bleibt das besser im Dunkeln. Stattdessen öffne ich meinen Musikordner und starte Space Sounds.

Vor ein paar Jahren hat ein Team der NASA ein spezielles Gerät entwickelt, um die Geräusche verschiedener Planeten aufzunehmen. Ich fand auch erst, dass sich das seltsam anhört, vor allem nach den ganzen Filmen, die ich gesehen hatte, wo es hieß, im Weltraum gebe es keinen Klang. Aber den gibt es sehr wohl, er äußert sich nur in magnetischen Schwingungen. Die NASA hat die Geräusche umgewandelt, sodass das menschliche Ohr sie hören kann, und obwohl ich mich in meinem Zimmer versteckt habe, bin ich auf etwas Magisches aus dem Universum gestoßen – etwas, das diejenigen verpassen, die nicht verfolgen, was gerade im Internet angesagt ist. Einige der Planeten klingen unheilvoll wie in einem Science-Fiction-Film, der in irgendeiner Welt voller Aliens spielt. Neptun klingt wie eine schnelle Strömung, Saturn hat so ein gruseliges Heulen an sich, dass ich ihn lieber gar nicht mehr höre, dasselbe gilt für Uranus, nur dass dort starke Winde pfeifen, was klingt wie Raumschiffe, die sich mit Laserkanonen beschießen. Die Planetenklänge sind ein geniales Thema, um ein Gespräch anzufangen, wenn man Leute hat, mit denen man sich unterhalten kann. Wenn nicht, sind sie wie ein geniales weißes Rauschen zum Einschlafen.

Ich lenke mich von meinem Abschiedstag ab, indem ich weitere Einträge auf Countdown lese und das Geräusch von der Erde höre. Es erinnert mich immer an entspannendes Vogelgezwitscher und diese leisen Töne, die Wale von sich geben, aber gleichzeitig klingt es auch ein bisschen schräg und hat etwas Beunruhigendes an sich, das ich nicht genau benennen kann. So ähnlich wie Pluto, der sich anhört wie eine Muschel, aber auch wie das Zischen einer Schlange.

Ich wechsele zu Neptun.

Am Ende sterben wir sowieso

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