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a) Die Ratifikation des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl

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Da die Niederlande zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen Gemeinschaft zählen, fand die Diskussion über mögliche Übertragungen von Hoheitsrechten bereits in den 1950er Jahren statt. Im Jahre 1953 wurde der heutige Art. 92 Grondwet in die Verfassung aufgenommen, welcher Folgendes vorsieht: „Durch Vertrag oder kraft eines Vertrages können völkerrechtlichen Organisationen Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Rechtsprechungsbefugnisse übertragen werden, erforderlichenfalls unter Berücksichtigung von Art. 91 Abs. 3.“

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Wie bereits dargelegt, wurde Art. 92 Grondwet im Hinblick auf die mögliche Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäischen Gemeinschaften in die niederländische Verfassung eingeführt. Darüber hinaus sollte Art. 92 Grondwet der europäischen Integration förderlich sein.[31] Die Übertragung von Hoheitsrechten wurde von 1953 bis heute erweitert, vertieft und geographisch ausgedehnt.[32] Es wurde ausdrücklich anerkannt, dass die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl mit einem, wenn auch funktional begrenzten, „Souveränitätstransfer“ verbunden war. Man ging davon aus, dass die Hoheitsrechte auf einen neu gegründeten „funktionalen Staat“ übertragen würden.[33]

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Durch Art. 92 Grondwet soll die ständige Praxis der Übertragung von Hoheitsrechten auf internationale Organisationen in der Verfassung geregelt werden.[34] Mit der Formulierung, dass die Übertragung nur durch oder kraft eines Vertrages erfolgen kann, kommt deutlich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber nunmehr sein Monopol bei der Ausübung der Staatsgewalt verloren hat. Der Staatsrat[35] sowie die Regierung[36] wiesen zudem darauf hin, dass gemäß Art. 94 Grondwet Hoheitsrechte ausschließlich auf internationale Organisationen übertragen werden können. Hoheitsrechte können natürlich darüber hinaus auch auf andere (souveräne) Nationalstaaten übertragen werden, so dass es insofern bei der alten Rechtslage bleibt.[37] Aus der Begründung zu Art. 94 Grondwet geht hervor, dass durch seine Einführung jeder Zweifel beseitigt werden sollte, ob Hoheitsrechte auf internationale Organisationen übertragen werden können.[38] Außerdem macht Art. 92 Grondwet bezüglich der Art der internationalen Organisation, auf welche Hoheitsrechte übertragen werden können, keine Einschränkung.[39] Nicht einmal die Delegation von übertragenen Hoheitsrechten durch die Organisation auf andere Nationalstaaten soll ausgeschlossen bzw. eingeschränkt werden.[40] Nachdem ein entsprechender Vertrag von den Niederlanden ratifiziert und in Kraft getreten ist, erlangen die von der jeweiligen Organisation gefassten Beschlüsse Bindungswirkung und in dem vom Vertrag vorgesehenen Umfang Rechtsgeltung in der niederländischen Rechtsordnung.[41]

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Dies erklärt, weshalb sowohl die Regierung als auch die beiden Kammern des Parlaments von der Vereinbarkeit des EGKS-Vertrages und später des EG-Vertrages mit der niederländischen Verfassung ausgegangen sind und weshalb eine gründliche Debatte über die dabei möglicherweise auftretenden verfassungsrechtlichen Probleme ausgeblieben ist.[42] Sogar Verträge, die Hoheitsrechte auf dem Gebiet der Rechtsprechung auf internationale Gerichtshöfe übertragen, weichen nach dieser Auffassung nicht von den Verfassungsbestimmungen ab, welche die Befugnisse und die Ernennung der niederländischen Richter regeln.[43]

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