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c) Fortentwicklung des Europaverfassungsrechts

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Angesichts der fortschreitenden Integration der Europäischen Gemeinschaften hatte es seit den 1970er Jahren Überlegungen zu einer Reform der auf die europäische Integration bezogenen Bestimmungen des Grundgesetzes gegeben. Die im Jahr 1973 vom Bundestag eingesetzte Enquête-Kommission Verfassungsreform befasste sich auch näher mit den Art. 24, 25, 32 und 59 des Grundgesetzes.[90] Eine der im Bericht aus dem Jahr 1976 formulierten Empfehlungen ging dahin, die Übertragung von Hoheitsrechten der Länder künftig nur auf der Grundlage eines von der Zustimmung des Bundesrates abhängigen Vertragsgesetzes zu erlauben.[91] Ein entsprechender Vorschlag war bereits im Parlamentarischen Rat diskutiert worden.

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Den entscheidenden Anlass für die Einfügung spezifischen Europaverfassungsrechts in das Grundgesetz lieferte der Maastrichter Unionsvertrag. In der im Januar 1992 konstituierten Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat kam man, nicht zuletzt auf der Basis einer Sachverständigenanhörung,[92] zu dem Schluss, dass mit dem Unionsvertrag ein „neues Stadium“ der europäischen Integration erreicht werde.[93] Bei der Expertenanhörung im Mai 1992 hatte die Mehrzahl der Sachverständigen vertreten, dass die mit dem Unionsvertrag erreichte Integrationsstufe nicht mehr durch das geltende Verfassungsrecht gedeckt sei. Art. 24 Abs. 1 GG gehe von der Übertragung einzelner Hoheitsrechte aus und nicht von einem Zusammenschluss, der weite Bereiche der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland bestimme. Entgegen dieser engen Interpretation des Art. 24 Abs. 1 GG hat man in anderen europäischen Ländern vergleichbare, nach dem deutschen Vorbild formulierte Integrationsklauseln weiter ausgelegt und sieht keine Schwierigkeit, auf ihrer Grundlage auch den Europäischen Verfassungsvertrag zu ratifizieren.[94]

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Mit ihrem Vorschlag für eine besondere Regelung der europäischen Integration wollte die Gemeinsame Verfassungskommission freilich nicht nur weitere Integrationsschritte ermöglichen, sondern auch gewährleisten, dass die Sicherung bestimmter vom Grundgesetz besonders geschützter Strukturprinzipien von der Bundesrepublik Deutschland zur Voraussetzung weiterer Integrationsschritte gemacht wird. Der neue „Europa-Artikel“ sollte dabei symbolträchtig die Stelle der früheren nationalen Integrationsklausel, der Bestimmung über das Inkrafttreten des Grundgesetzes in „anderen Teilen Deutschlands“, einnehmen. Der alte Art. 23 GG war mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik,[95] d.h. mit der am 3. Oktober 1990 wirksam gewordenen Wiedervereinigung, gegenstandslos geworden.

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Die Vorschläge der Gemeinsamen Verfassungskommission, die auch eine Reihe weiterer Bestimmungen des Grundgesetzes betrafen, wurden durch das 38. Änderungsgesetz zum Grundgesetz am 21. Dezember 1992[96] umgesetzt. Die weiteren durch dieses Gesetz eingefügten Grundgesetzbestimmungen betreffen u.a. die Einrichtung eines Europa-Ausschusses im Bundestag (Art. 45 a GG) und einer Europakammer im Bundesrat (Art. 52 Abs. 3a GG) sowie die Regelung des Kommunalwahlrechts von Unionsbürgern (Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG).

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Der vorerst letzte Schritt eines Ausbaus des Integrationsverfassungsrechts erfolgte im Jahr 2000[97] mit der Regelung von Ausnahmen des Verbotes der Auslieferung Deutscher an das Ausland im Interesse der Mitwirkung Deutschlands an einer internationalen Strafgerichtsbarkeit sowie an einer integrierten justiziellen Zusammenarbeit im Rahmen der Europäischen Union (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG).

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