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aa) Erweiterung der Integrationsperspektive

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Mit der Aussage, die Bundesrepublik Deutschland wirke zur „Verwirklichung eines vereinten Europas [...] bei der Entwicklung der Europäischen Union“ mit, benennt Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG zwei Staatsziele: erstens in Bekräftigung der Präambel das übergreifende Ziel eines „vereinten Europa“ und zweitens als dafür konkret und vorrangig anzustrebendes Ziel die Entwicklung der Europäischen Union.[101] Die nachfolgenden inhaltlichen Vorgaben beziehen sich demgemäß auf die EU. Mit ihrem Namen verbindet sich trotz der prozesshaften Konnotation des Begriffs „Union“[102] ein Integrationsziel, welches zwar über den Integrationsstand des Maastrichter Vertrages hinausreicht, jedoch nicht die Schaffung eines Bundesstaats einschließt. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Sinne einschränkend von der Europäischen Union als einem „Staatenverbund“ gesprochen.[103] In Übereinstimmung mit der Entstehungsgeschichte wird bis heute ganz überwiegend angenommen, dass Art. 23 GG nicht zur Aufgabe der völkerrechtlichen Souveränität der Bundesrepublik Deutschland durch Eingliederung in einen europäischen Bundesstaat ermächtigt. Dieser Punkt wäre spätestens dann erreicht, wenn die Europäische Union für sich die Verfassungsautonomie und damit die „Kompetenz-Kompetenz“ reklamierte. Der am 29. Oktober 2004 von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union unterzeichnete Verfassungsvertrag[104] überschreitet diese Grenze nicht, auch wenn im Hinblick auf diesen Vertrag mit guten Gründen von der Entstehung einer „Republik“ gesprochen wurde.[105] Zwar führt vor allem die Reduzierung der Anwendungsfälle des Einstimmigkeitsprinzips im Rat zu einer Stärkung der Union. Doch beruht die Kompetenzverteilung zwischen nationaler und unionaler Ebene weiterhin auf dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung.[106]

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Die Aussage, dass Art. 23 GG nicht zur Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in einen europäischen Bundesstaat ermächtigt, bedeutet nicht, dass ein solches Ziel nicht durch Verfassungsänderung zu erreichen wäre. Allerdings ist in der deutschen Staatsrechtslehre streitig, ob in diesem Falle die Verfassungsänderungsschranke des Art. 79 Abs. 3 GG, der auf die Grundsätze des Art. 20 GG verweist, greifen würde. Soweit man in Art. 20 Abs. 1 GG („Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“) oder in Art. 20 Abs. 2 GG (Prinzip der Volkssouveränität) eine Garantie der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland im völkerrechtlichen Sinne erblickt, wäre in der Tat für die Dauer der Geltung des Grundgesetzes ein solcher Schritt ausgeschlossen. Nach zutreffender Ansicht ist indes ein Fortbestand der Bundesrepublik Deutschland mit ihren zwei staatlichen Ebenen auch in einem europäischen Bundesstaat denkbar. Jedenfalls im staatsrechtlichen Sinne bliebe die Bundesrepublik auch als zweite Ebene in einem dreigliedrigen Staatsgebilde Staat, solange ihr in der bundesstaatlichen Ordnung substanzielle Kompetenzen im Bereich der Legislative, der Exekutive und der Judikative verblieben. Vergleichbar wird den deutschen Ländern Staatsqualität im staatsrechtlichen Sinne zugeschrieben.[107]

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