Читать книгу Tagebuch eines frommen Chaoten - Adrian Plass - Страница 38
Mittwoch, 15. Januar
ОглавлениеSetzte mich am Abend mit Lunchingtons Buch hin, in der Hoffnung, mir ein paar gute Tipps von ihm zu holen. Was für ein erstaunliches Werk! Ich verstehe nicht, wann dieser Mann Zeit findet, um zu essen oder zu schlafen. Sein Leben ist buchstäblich eine Aneinanderreihung von atemberaubenden Wundern. Wem er auch begegnet und was er auch tut – das alles könnte direkt aus dem Neuen Testament stammen! Besser gesagt: Das Neue Testament wirkt wie ein frühes und eher missglücktes Vorspiel zu Lunchingtons Leben.
Der Mann weiß nicht, wie es ist, wenn man Zweifel, Depressionen, Versagen oder Mutlosigkeit erlebt. Jeder, dem er begegnet, scheint sich auf der Stelle zu bekehren, und absolut nichts kann diesen Mann runterziehen. Und erst die Straßenevangelisation! Soweit ich sehe, muss Lunchington nur einen Schritt aus der Haustür machen und schon wimmelt es auf einem bis dato gänzlich verwaisten Abschnitt des Bürgersteigs von einer unüberschaubaren Menge von Menschen, die schubsen und drängeln, um nah genug an Lunchington ranzukommen, damit er ihnen bei ihrer Glaubensentscheidung mit Rat und Tat zur Seite steht. Fiel nach der Lektüre des Buches ausgelaugt in den Sessel zurück.
War verwirrt, als ich in meinem Hinterkopf den leisen, aber definitiven Wunsch bemerkte, diesem Lunchington einen gezielten Tritt zu verpassen, am besten zwischen zwei Wundern. Wies diesen unwürdigen Impuls als Anfechtung des Feindes von mir und wählte Leonards Nummer.
Ich sagte: »Hallo, Leonard, ich wollte dir nur sagen, dass ich gerade ein großartiges Buch übers Zeugnisgeben gelesen habe, und ich denke, wir sollten es machen wie dieser Mann und am Freitagabend in der Kraft des Glaubens hinausschreiten, angetan mit der Waffenrüstung des Geistes und in der Gewissheit, dass der Sieg bereits unser ist, bevor wir überhaupt anfangen!«
Thynn sagte: »Ganz deiner Meinung, aber können wir vielleicht vorher bei George’s reinschauen und uns ein oder zwei kühle Helle genehmigen, nur ‘nen Schluck gegen die Muffe oder was?«
Wenn ich einst meine geistliche Autobiografie verfasse, wird Thynn nicht darin vorkommen – oder bestenfalls in etwas nachgebesserter Form. Anstatt »ein oder zwei kühle Helle« vorzuschlagen, wird er sagen: »Amen, Bruder! Halleluja!«