Читать книгу Fanrea Band 2 - A.E. Eiserlo - Страница 11
Emma und John
ОглавлениеDas Frühstück verlief zwanglos. Jeder trudelte irgendwann in der Küche ein und machte sich mit Unterstützung der Köchin ein Frühstück zurecht, um es anschließend draußen zu genießen. Die Hitze ließ schon morgens Butter oder Käse im Freien schmelzen. Magor erschien heute sehr spät, aber gut gelaunt, da er gestern etwas zu viel Wein verkostet hatte.
Heute trug er schwarze Motorradkleidung und einen Helm in der Hand. Als er die fragenden Gesichter sah, erklärte er: „Ich mach eine kleine Spritztour.“ Vergnügt nahm er sich ein Croissant auf die Hand und aß es schnell im Stehen, kippte einen frisch gepressten Orangensaft hinterher und naschte noch ein paar Stücke Melone.
Für den Nachmittag hatte der Zauberer geplant, mit Emma und Ben in seine Alchemistenkammer zu gehen, um dort mit ihnen das Zaubern zu üben. Es war ihm sehr wichtig, dass sie sich weiterentwickelten und mehr Magie beherrschten.
Bevor er sich verabschiedete, schlug Magor den beiden vor, auszureiten, um sich sein Anwesen anzusehen. Wenig später hörten sie das laute Röhren einer schweren Maschine.
„Ich habe große Lust auf einen Reitausflug. Kommst du mit?“, fragte Ben Emma.
„Nee, ich möchte einfach nur abhängen. Der Luxus von Magors Anwesen ist im Moment genau das Richtige für meine Nerven.“
Verwundert runzelte Ben die Stirn, so träge kannte er seine Freundin nicht. Fürsorglich legte er den Arm um sie: „Was ist los mit dir? Geht es dir nicht gut?“
„Doch, alles ist in Ordnung. Ich brauche einfach ein bisschen Erholung von unserem Fanreatrip.“ Das stimmte zwar, aber es war nicht die ganze Wahrheit. Mit schlechtem Gewissen verschwieg sie Ben, dass sie nach John Ausschau hielt.
Ben zuckte mit den Schultern. „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe ruhig auf morgen*. Na, dann chill mal ´ne Runde.“
Unternehmungslustig schloss sich Ben Agatha an und ritt gemeinsam mit ihr über das riesige Anwesen, auf dem es einen See, ein großes Waldgebiet, Koppeln mit Pferden und Kühen gab. Obstplantagen, Weinfelder und ein kleines Dorf, in dem die Angestellten von Magor lebten. Es war ein sehr gepflegtes Dorf mit Natursteinhäusern, vor denen bunte Blumenkübel standen und in dem es nach frischem Brot duftete, weil die Backstube gerade auf Hochtouren lief.
Bei den Weinstöcken hielten sie an und begrüßten diejenigen, die dort arbeiteten. Ben und Agatha stiegen von ihren Pferden, um sich die Trauben aus der Nähe anzusehen, als das gewaltige, trollähnliche Wesen freundlich lächelnd auf sie zukam: „Kann ich euch helfen?“
Agatha war erfreut: „Wir würden so gern etwas mehr über den Weinanbau erfahren. Kannst du uns ein bisschen dazu erklären?“ Ein Lächeln umspielte ihre Lippen und ihre blauen Augen strahlten.
Der Trollartige hieß Karbo und war beglückt, über seinen geliebten Wein sprechen zu dürfen: „Gerne. Kommt mit!“
Der Mann mit den zwei Köpfen gesellte sich dazu. Der eine hieß Mori und der andere nannte sich Muri. Mori schaltete sich ein: „Von mir könnt ihr auch jede Menge lernen.“
Karbo nahm sie mit sich zu einer Rebe und zeigte darauf: „Es existieren weltweit ungefähr zehntausend Rebsorten, jedoch nur etwa einhundert sind von größerer Bedeutung. Seit mindestens dreitausend Jahren gibt es den Weinbau, doch erst die Römer haben vor circa dreihundert Jahren vor Christus die Reben kultiviert. Später übernahmen dann Klöster diese Aufgabe. Ihr seht, Wein hat eine lange Geschichte.“
Mit ernster Miene musterte er Ben und Agatha und versuchte, zu ergründen, ob sie ihm tatsächlich zuhörten. Dann fuhr Karbo fort: „Die europäischen Sorten sind sehr anfällig für die Reblaus und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte dieses Vieh fast den gesamten Weinbau in Europa zugrunde gerichtet. Erst als europäische Reben auf den Wurzelstock amerikanischer Reben gepfropft wurden, hat sich die Situation verbessert.“
„Was heißt gepfropft?“, fragte Ben.
Über die Frage freute sich Karbo, sie bedeutete, dass Ben sich wirklich für das Thema Wein interessierte.
Karbo lächelte freundlich und erklärte: „Einfach ausgedrückt: Eine Edelrebe wird auf eine reblausanfällige Rebe gesetzt und die beiden wachsen dann zusammen. Schaut, hier ist so ein Stelle.“ Mit dem Zeigefinger deutete er auf ein Stück am Stamm, das etwas unregelmäßig aussah.
„Also sind die Reben in Europa alle gepfropft?“, wollte Agatha wissen.
„Ja, man trifft kaum nicht veredelte Sorten an.“
„Was macht denn nun einen guten Wein aus?“, wollte Ben wissen.
Mori mischte sich ein: „Karbo schweift wieder zu sehr ab und fängt bei Adam und Eva an. Außerdem redet er wie ein Lehrer. Also die Rebsorte hat natürlich einen starken Einfluss auf den Geschmack, denn jede Rebsorte hat einen anderen Charakter. Einige Sorten entwickeln zum Beispiel während des Wachstums mehr Zucker als andere. Aber auch Boden, Klima, die Landschaft und die Anbaumethoden entscheiden mit, wie der Wein schmeckt.“
„Agatha, ich glaube, das wird ein lehrreicher Vormittag“, kommentierte Ben. „Die Jungs kommen jetzt langsam in Schwung. Lasst es euch gesagt sein: Wer Wein gut trinkt, schläft gut. Wer gut schläft, sündigt nicht.*“
Mitten auf der Schlosstreppe saß Emma und biss in eine saftige, kühle Wassermelone. Emma hoffte darauf, John zu sehen. Jedes Mal, wenn Emma ihn sah, brachte er sie durcheinander, war sie glücklich und unsicher zugleich. Etwas in ihrem Inneren drängte sie danach, ihm nah zu sein und wenn er nicht bei ihr war, wurde sie seltsam unruhig. Endlich gestand sie es sich selbst ein: Sie war verliebt! Verliebt in einen Indianer aus einer anderen Welt, auch wenn das der reinste Irrsinn war. Was konnte daraus werden? Sie wusste es nicht, es gab keine Antwort darauf. Gegen ihr Gefühl war sie jedenfalls machtlos und sie wollte die Tage in Frankreich nur genießen und nicht mit Grübeln verschwenden.
Als sie Hufgetrappel hörte, vermutete sie, dass Ben und Agatha schon zurückkamen, aber sie irrte sich. Es war John auf einem von Magors Pferden, mit einem geflochtenen Korb auf dem Rücken. Er trug nur Jeans und Emma bewunderte das Spiel seiner Muskeln unter seiner glatten, braunen Haut.
Er strahlte sie an: „Emma, was tust du hier?“
„Melone essen?“
John lachte. „Ich bringe das Pferd in den Stall, dann habe ich Zeit für dich. Ich war früh wach und bin mit dem Pferd zum See geritten, um für das Mittagessen Fische zu fangen.“
Aufgeregt sah sie ihm hinterher und freute sich, dass er da war. „Ich gehe zum Pool!“
„Okay, ich komme nach.“
Gut gelaunt schlenderte Emma zum Pool, an dem Nala und Sidney im Schatten von Olivenbäumen lagen, um eine Partie Rummy zu spielen.
„Hi, ihr beiden“, begrüßte Emma Nala und Sid.
„Hallo Emma“, murmelte Sid und konzentrierte sich auf das Spiel. Der schlaksige Sid wirkte ausnahmsweise entspannt und hatte seine Schultern nicht hochgezogen. Seine blonden Haare standen, wie immer, wild vom Kopf ab, nachdenklich rieb er sich die Stirn und überlegte, welche Steine er ablegen sollte. Wenn er nicht durch Magor eingeschüchtert wurde, sah sein Gesicht hübsch aus.
Genussvoll trank Nala einen Schluck von ihrem Smoothie und nickte Emma zu.
Scheu näherte sich Migune mit einem Tablett weiterer Smoothies. Wegen ihres ungewöhnlichen Aussehens schämte sie sich vor den Neuankömmlingen, seit ihrer Verwandlung fand sie sich hässlich und fühlte sich nur noch auf Magors Schloss wohl. Dem Zauberer war sie unendlich dankbar für ihre Rettung und seither war sie ständig bemüht, ihm zu helfen und ihn zu unterstützen. Unauffällig managte sie alles, was Magors Leben und das seiner Gäste betraf.
„Mögt ihr noch etwas zur Erfrischung?“, fragte die Elfe.
Alle drei griffen durstig zu, bedankten sich und widmeten sich wieder dem Spiel.
Endlich kam John frisch geduscht und mit Badehose an den Pool und strahlte Emma an: „Ich habe der Köchin noch schnell beim Ausnehmen der Fische geholfen, es waren so viele.“
„Es gefällt dir hier“, wunderte sich Emma.
„Klar ist es schön auf dem Schloss und ich genieße den Urlaub. Vor allem, weil ich mit dir zusammen sein kann“, gestand er ihr.
Emmas Herz schlug schneller und sie überspielte seine offenen Worte, indem sie nicht darauf einging: „Siehst du, ich habe dir doch gesagt, dass die Erde toll ist und vor allem der Komfort sehr angenehm ist.“
John widersprach ihr: „Aber das hier ist doch nicht das normale Leben, sondern der pure Luxus in einem kleinen Paradies. Herkömmliche Menschen führen ein ganz anderes Leben, sie arbeiten hart und vielleicht in einem Job, der ihnen keinen Spaß macht. Viele wohnen in einer Industriestadt, in der es stinkt, deren Fabriken die Umgebung verpesten und die umliegenden Flüsse verseuchen. Für euer modernes Leben zahlt ihr einen hohen Preis und ich ziehe Fanrea eurer Welt vor.“
Irgendwie machte John sie immer wütend mit seinen Gedanken, aber in ihrem Inneren wusste Emma, dass er Recht hatte. Trotzdem schmollte sie. Vorsichtig strich er ihr eine Locke aus der Stirn und sagte versöhnlich: „Du brauchst das nicht persönlich zu nehmen. Du kannst doch nichts dafür, dass es auf der Erde so ist, wie es ist und ich finde es nicht schlimm, dass du deinen gewohnten Lebensstandard in Fanrea vermisst hast.“
Die beiden unterhielten sich intensiv den ganzen Vormittag, bis Migune auf dem langen Esstisch einen kleinen Snack bereitstellte, der aus einem bunt gemischten Salat, gegrilltem Fisch und einer kalten Gemüsesuppe, Gazpacho* genannt, bestand. Dazu gab es frisches Baguette und als Nachtisch eisgekühlte Wassermelone.
Nach dem Essen hatte John eine Überraschung für Emma und er bat sie, ihm zu folgen. Schnell zog Emma ihr Kleid über und ließ sich von John durch das riesige Schloss führen. Schließlich öffnete John eine Holztür, hinter der sich ein großer Saal verbarg.
„Erinnerst du dich an unser Gespräch in Fanrea über das Tanzen?“, fragte John.
„Ja.“
„Jetzt werde ich es dir beibringen.“
„Oh nein.“ Verunsichert sah Emma ihn an.
„He, du hast doch wohl keine Angst vor dem Tanzen? Du machst Ballett und tötest, ohne mit der Wimper zu zucken, dutzende von Achillikrussen und traust dich nicht, mit mir zu tanzen?“
Emma zögerte, aber diese Herausforderung musste sie natürlich annehmen: „Na, dann los!“
Lässig schlenderte John zu einem in der Ecke stehenden CD-Player: „Wir beginnen mit dem langsamen Walzer, der ist für den Einstieg leicht zu erlernen und nicht so schnell.“
Zielgerichtet legte er zunächst eine CD mit klassischer Walzermusik ein, stellte sich neben Emma und machte ihr den Damenschritt vor. Sie ahmte die Bewegung nach und so übten sie eine Weile. Dann verbeugte er sich galant vor Emma und nahm ihre rechte Hand in seine Linke.
„Leg die andere Hand auf meinen Oberarm.“ Ein freches Lächeln umspielte seine Mundwinkel und Emma spürte, dass es ihm einen Heidenspaß bereitete, ihr das Tanzen beizubringen. Sie versuchte, sich zu entspannen und nicht wie eine verkrampfte Henne dort zu stehen.
„Hörst du den Takt der Musik? Eins, zwei, drei; eins, zwei, drei. Du beginnst mit dem linken Fuß, ich mit dem Rechten. Lass dich einfach führen, das bedeutet, ich habe hier das Sagen! Okay? Kann es losgehen?“
Aufgeregt nickte Emma und hoffte, dass sie sich nicht blamierte. Außerdem, was bedeutete: Ich habe hier das Sagen´?
John bewegte sich vorwärts und führte Emma durch die Schritte, wobei sie ihm natürlich mehrmals auf die Füße trat. Er lachte jedoch und beruhigte sie: „Das ist normal am Anfang, mach dir nichts draus. Ist mir auch passiert.“
Je mehr Emma sich entspannte, auf den Takt der Musik achtete und John die Führung überließ, umso besser klappte es. Auf einmal begann es sogar, ihr Spaß zu machen. Emma bemerkte nicht, dass sie vergaß, auf ihre einzelnen Schritte zu achten und den Takt mitzuzählen, sondern dass die Bewegungen fließender wurden und ihre Haltung sich stabilisierte. John freute sich, als er spürte, wie Emma sich auf ihn einließ.
Eben war Emma vor lauter Aufregung nicht bewusst gewesen, wie nah John ihr war. Aber nun wich die Anspannung und sie fühlte die zarte und dennoch dominante Berührung seiner Hände. Er trug immer noch kein T-Shirt und seine nackte Haut verwirrte sie.
Als die CD zu Ende ging, bedauerte Emma das und John legte eine etwas modernere CD ein, Simply Red, If you don´t know me by now. Die Tanzschritte wurden immer flüssiger und Emma ließ sich nun ganz und gar auf die Musik und John ein. Sie strahlte über das ganze Gesicht und auch John war glücklich, dass seine Überraschung gelungen war. Nachdem der Song durchgelaufen war, fragte er: „Hast du Lust, noch einen anderen Tanz zu lernen?“
Emma erwachte wie aus einem Traum und landete sanft auf der Erde: „Ja! Super gerne. Es macht mir riesigen Spaß.“
John schlug vor: „Okay, wir probieren den Discofox. Der ist auch nicht so schwer und hat coole Drehungen. Ich erkläre dir, wie es geht. Oder Samba.“
Sie zögerte: „Weiß Magor eigentlich, dass wir hier tanzen?“
„Aber natürlich, er hat mir netterweise diesen Saal zum Üben vorgeschlagen und jede Menge CD`s zur Verfügung gestellt. Er ist wie zwei Wesen, einmal der großartige, unnahbare Zauberer, der schon unzählige Welten gerettet hat und dann wiederum der Genießer, der als reicher Weinbauer hier in Frankreich residiert. Ich glaube, er braucht diesen Ausgleich auf seinem Chateau, um sich von den immensen Strapazen und Herausforderungen zu erholen und neue Kraft zu schöpfen.“
„Ich bin immer ein wenig verlegen in seiner Gegenwart, obwohl ich ihn mag“, gab Emma unerwartet zu.
Verständnisvoll nickte John. „Das sind die meisten Menschen und das macht ihn bestimmt ein wenig einsam. Vielleicht will er hier einfach nur ein großartiger Gastgeber sein und nicht auf einem Sockel stehen, an den sich niemand herantraut. Was meinst du?“
Nachdenklich erwiderte Emma: „Ich glaube fast, du hast Recht. Hm, meinst du, ich kann mit ihm über etwas Wichtiges sprechen, was ihm vielleicht nicht gefallen wird?“
„Ich tippe mal, ja.“
Es war wieder typisch für John, dass er nicht nachfragte, um welche Sache es ging, sondern dass er es auf sich beruhen ließ, wenn sie hätte mehr erzählen wollen, hätte sie es ja getan. Emma dachte an Sidney und seine Liebe zur Malerei und überlegte, Magor in diesem Urlaub darauf anzusprechen. Irgendwie musste sie es hinkriegen, Magor davon zu überzeugen, dass Sid seine Leidenschaft ausleben und malen durfte. Aber nun wollte sie weitertanzen.
„Los, dann zeig mir erst den Discofox und danach noch Samba“, drängte sie mit leuchtenden Augen.