Читать книгу Fanrea Band 2 - A.E. Eiserlo - Страница 4
Prolog
ОглавлениеLautes Peitschenknallen dröhnte durch die karge Höhle, während Steinsoldaten eine Horde zerlumpter Gestalten durch die Gänge trieben. Eine schwarzgekleidete Frau mit einem Kapuzenumhang trat ihnen entgegen. Mit einer langsamen Bewegung strich sie ihre Kapuze nach hinten und ließ den Umhang zu Boden gleiten. Wie nachtschwarze Seide ergossen sich ihre hüftlangen Haare über die Schultern und gaben den Blick frei auf ein makelloses Gesicht.
Aus pechfarbenen Augen sah die Hexe Xaria ihren Gefangenen entgegen. „Willkommen in meinen Minen. Wie schön, dass so viele Kinder dabei sind, ihr seid es gewohnt, auf Kommandos zu hören. Schuftet fleißig und macht bloß nicht so schnell schlapp!“
Ihr eiskalter Blick traf die Neuankömmlinge, wanderte dann zu einem Skeletthaufen, auf dem er vielsagend hängenblieb. „Sonst ergeht es euch, wie denen da.“
Ein weiteres Mal ließ sie die Peitsche knallen und rollte diese wieder auf. Dann wandte sie sich an die Steinsoldaten und deutete auf eine Ansammlung von Eisenketten.
„Fesselt die Sklaven!“, forderte Xaria.
Die Hexe drehte sich zu ihrem kleinen, entstellten Diener Mazrar um, der unterwürfig neben ihr wartete. „Du bleibst hier und passt auf!“
Mazrar hob den Umhang auf und reichte ihn Xaria. Mit energischen Schritten verließ sie die Minen.
Die Steinsoldaten und Mazrar begannen die Sklaven aneinander zu ketten. Schwer lagen die rostigen Eisenringe auf ihren Körpern und erdrückten die Kinder fast mit ihrem Gewicht. Als Mazrar bei einem hünenhaften Eidechsenmenschen stoppte, stieß dieser ihn weg, trat um sich und boxte ihn in den Bauch.
„He, was soll das? Wachen!“, rief Mazrar. „Wachen!“
Ein Steinsoldat stellte sich dem Eidechsenmenschen in den Weg und warf ihn zu Boden, der rollte sich gekonnt ab und sprang wieder auf die Füße.
„Euch werde ich es nicht leicht machen“, zischte der Eidechsenmann, sah sich angriffslustig um und baute sich drohend auf. „Kommt her, ihr Schwachköpfe!“
Ein rothaariger Junge, der dem kämpfenden Hünen knapp bis zur Brust reichte, kam ihm zu Hilfe und schleuderte einen Stein auf Mazrar. Dieser wurde am Kopf getroffen und taumelte.
Sofort sprang ein schmächtiger Junge hinzu, griff ebenfalls hektisch nach Steinen. „Hier, David, nimm!“
„Danke! Los, Simon, mach mit!“, befahl David und wandte sich brüllend an die restlichen Gefangenen: „Wehrt euch! Kämpft!“
Durch den Mut der drei Aufsässigen angestachelt, sprangen die anderen Sklaven auf und stürzten sich ebenfalls auf die Wachen. Diese schlugen gnadenlos mit ihren Waffen zu oder traten die Aufständischen zu Boden.
Mazrar flüsterte: „Wir brauchen Verstärkung.“
Er hielt sich seinen schmerzenden Kopf und rannte in einen anderen Teil der Minen. Der Gestank von fauligem Fleisch schlug ihm entgegen und er hielt sich seine Nasenlöcher zu. Als er um die Ecke schoss, empfing ihn wütendes Gejaule und Gekreische von mordlustigen Bestien. Donnernd warf sich eine der Kreaturen gegen die Gitterstäbe ihres Eisenkäfigs, der fast unter der Wucht des Aufpralls nachgab.
Zitternd öffnete Mazrar einen der kleineren Käfige, sprang zur Seite und stellte sich Schutz suchend hinter die Gittertür. Das hyänenartige Wesen fletschte die Zähne und knurrte heiser.
„Kopcha kra!“, schrie Mazrar.
Mit einem gewaltigen Satz schnellte die Bestie los, rannte durch die Höhle dem Lärm entgegen, stürzte sich auf einen der Sklaven und schlug die Zähne in dessen Oberschenkel. Geifer und Blut spritzten nach allen Seiten. Der Sklave kreischte vor Schmerz und versuchte, den schnappenden Zähnen zu entkommen.
Die anderen Sklaven duckten sich oder gingen hinter Felsbrocken in Deckung. Der rothaarige Junge schleuderte einen Stein auf die Bestie, die aufjaulte und von ihrer Beute abließ. Die Kreatur sah sich zähnefletschend um und verfolgte ein weiteres Opfer, das schreiend davon lief.
Erneutes Peitschenknallen übertönte den Tumult. „Aufhören, sonst hab ich kein Frischfleisch mehr!“, donnerte eine Stimme durch die Minen.
Xaria war zurückgekehrt und lähmte die Sklaven mit einem Zauberspruch: „Paraliza takata cuerpo karata!“
Mit glitzernden Augen beobachtete die Hexe, wie die Lähmung einsetzte. Danach befahl sie: „Keine Nahrung für drei Tage, dafür jeden Tag drei Stunden mehr arbeiten! Mazrar, du Versager!“
Nun war es ein Leichtes, die Gefangenen in Ketten zu legen. Wehrlos mussten sie dies über sich ergehen lassen. Als die Lähmung nach endlosen Minuten nachließ, kümmerte sich der rothaarige Junge um seinen jüngeren Bruder. „Simon, alles in Ordnung mit dir? Bist du verwundet?“
„Nein. Es geht schon. Hauptsache, du bist da.“
Mit seiner gefesselten Hand strich David seinem Bruder die verknoteten Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Ich bin für dich da, das weißt du doch.“
Der Eidechsenmensch beobachtete die liebevolle Geste: „Wer seid ihr und woher kommt ihr? Ich heiße Hendot und bin einer der obersten Krieger aus dem Eidechsenland.“
„Ich bin David und das ist mein Bruder Simon. Wir kommen von der Erde und sind aus einem Waisenheim abgehauen. Da haben uns die Fänger dieser Hexe erwischt und hierher geschleppt.“
„Für so einen kleinen Hänfling bist du ganz schön mutig“, lobte Hendot und schlug mit seinem schuppigen Schwanz auf den Boden.
„Das muss ich sein, wenn ich uns beide durchbringen soll. Ich werde jedenfalls nicht hier in den Minen verrecken, sondern mit meinem Bruder fliehen, sobald sich wieder eine Gelegenheit bietet.“
„Ich bin dabei. Leicht wird es aber nicht werden.“ Hendots gespaltene Zunge schnellte heraus und seine Eidechsenaugen fixierten David.
Ein schiefes Grinsen breitete sich in dessen Gesicht aus. „Nichts ist leicht, das ganze Leben ist ein einziger Überlebenskampf. Für uns nichts Neues. Aufgeben gibt’s nicht!“
Hendot und David sahen sich verschwörerisch an.
„Aufgeben gibt’s nicht!“, bestätigte Hendot.
Sanfte Flammen hüllten das Ei von Bernsteinauge ein. Die Feuerelfen von Anijala ummantelten es mit ihrer Wärme und wiegten sich im Flammentanz. Sie flüsterten Geschichten aus vergangenen Tagen und wisperten von Heldentaten.
Im Inneren des Eis ruhte der kleine Drache und lauschte gebannt ihren Worten. Er wunderte sich, warum er nicht mehr die Stimme seiner Mutter vernahm und hätte gerne gefragt, wo sie war. Ihre Stimme hatte nach so viel Zärtlichkeit geklungen und ihre Geschichten waren voller Weisheit gewesen. Er vermisste Bernsteinauge und kam sich verlassen vor, auch wenn die geflüsterten Worte der Feuerelfen sein Herz berührten. Wo war seine Mutter?
Jetzt sangen die Feuerelfen wieder sein Lieblingslied, es handelte von einem Drachenreiter, für den es sich zu sterben lohnte. Die Stimmen der Elfen trösteten den Drachen und er ließ sich von ihnen in den Schlaf wiegen.
Der Drache träumte von seinem Reiter, der groß, stark und muskulös war. Mutig kämpften sie gemeinsam gegen Trolle und Achillikrusse, flogen gewagte Flugmanöver und gingen als siegreiche Helden aus jeder Schlacht hervor. Sein Reiter war ein wilder Kerl mit langen, roten Zottelhaaren und einem ungepflegten Bart, er stank und trank gerne Bier. Und er selbst war der schönste und mächtigste Drache weit und breit, keiner konnte ihn besiegen und alle Drachendamen himmelten ihn an. Im Schlaf zuckten seine Krallen vor Aufregung und sein Schwanz peitschte hin und her. Der Drache konnte es kaum erwarten, zu schlüpfen, um endlich all seine geträumten Abenteuer in die Tat umzusetzen.
Durch die Bewegung bebte das Ei leicht. Erschrocken bemerkten die Feuerelfen die Erschütterung. War es etwa schon so weit? Würde der Drache von Bernsteinauge zu früh schlüpfen und ohne seinen Drachenreiter das Licht der Welt erblicken?