Читать книгу Fanrea Band 2 - A.E. Eiserlo - Страница 6
Schloss d‘Aigle
ОглавлениеIn Frankreich, auf Magors Schloss, befand sich hinter einer Hochsicherheitstür aus Titan ein großer Raum, der mit technischen Geräten vollgestopft war. Überall blinkte und piepte es, immer wieder legte ein Drucker los und auf einer überdimensionalen Weltkarte leuchteten verschiedenfarbige Lichtpunkte. Drei Personen saßen dicht beieinander an einem Schreibtisch und schauten hochkonzentriert auf einen Bildschirm.
Mit seiner pfotenähnlichen Hand rollte Ronaldo, der Fuchsmann mit dem orangen Fell, eine Computermaus hin und her und erklärte mit heiserer Stimme: „Das ist der Sicherheitscode, um an die Informationen der Satelliten zu gelangen. Damit können wir dann überall auf der Welt sehen, was los ist und bei Bedarf eingreifen.“
Die beiden anderen waren die Fanreaner Nala und John, die seit ein paar Tagen von Ronaldo, dem Computerspezialisten, Nachhilfeunterricht erhielten, was moderne Technik, Internet, Tablets und vieles mehr betraf. Ronaldo war ein echter Nerd* und hatte die Gabe, sein Wissen leicht nachvollziehbar zu vermitteln.
Gegen Mittag stöhnte Nala: „Ich kann nicht mehr, mir raucht der Kopf. Ich muss mal an die frische Luft und auch etwas essen.“
„Ich habe etwas Leckeres für euch“, bot Ronaldo an und griff hinter sich in einen Karton. Es raschelte, dann hielt er etwas in der Hand. „Mäusespeck und Schaumküsse, probiert mal.“
Zögernd griffen die beiden Freunde zu und bissen jeder in einen Mohrenkopf. Angeekelt verzogen Nala und John das Gesicht.
„Bäh, wie süß ist das denn?“, fragte Nala und spuckte den Mohrenkopf in den Mülleimer. Mühsam würgte John seinen Bissen hinunter.
„Das ist doch lecker. Ich mag den Geschmack, testet mal den Mäusespeck.“ Verständnislos schüttelte Ronaldo den Kopf.
„Wir teilen uns eine Maus“, schlug Nala vor und steckte John ein Stück in den Mund.
Der kostete und schüttelte den Kopf. „Das schmeckt doch nur nach Chemie. Mein Ding ist es nicht.“
„Meines auch nicht“, bestätigte Nala.
Ronaldo zuckte mit den Schultern. „Ihr habt einfach keine Ahnung, was gut ist. Ich könnte mich den ganzen Tag damit vollstopfen.“
John zog eine Grimasse: „Also, ich muss jetzt aus dem Bunker hier raus. Nala, was hältst du von einer Runde Kampfsport? Oder sollen wir zusammen mit Komor noch mit den Armbrustpistolen trainieren?“
„Nee, nicht schießen, ich muss mich richtig bewegen. Erst Sport, dann essen und danach tüfteln wir hier unten weiter. Ronaldo, kommst du gleich auch hoch zum Essen?“
„Äh, nein. Ich muss da …“
„ … noch ein Problem lösen“, ergänzte Nala. „Das kennen wir schon. Mensch, komm doch mal nach oben und iss mit uns zusammen.“
„Vielleicht ….“
„ … morgen“, unterbrach dieses Mal John und grinste.
Seufzend zuckte Ronaldo mit den Schultern: „Ich lasse mir was von Migune bringen.“
Nala zog eine Schnute und stöhnte: „Du bist ein eigenbrötlerischer Computerfreak - wie ein Maulwurf. Schrecklich mit dir.“
„Ach Nala, ich kann nicht im Garten sitzen und fröhlich sein, wenn so viele Probleme in meinem Kopf herumschwirren und die Lösungen ganz nah sind. Ich wäre sowieso nicht kommunikativ.“
„Hoffnungslos“, murmelte Nala.
„Sei mir bitte nicht böse“, bat Ronaldo.
„Bin ich nicht, aber du verschwendest dein Leben und schenkst es irgendwelchen Maschinen. Das finde ich schlimm.“
„Ich nicht.“
Jetzt mischte John sich ein: „Nala, lass ihn doch. Es ist sein Leben und seine Entscheidung. Ist schon in Ordnung, Ronaldo, bist trotzdem ein feiner Kerl. Danke, dass du uns hilfst.“
Ein zögerliches Lächeln huschte über das Gesicht des Fuchsmannes. „Vielleicht morgen“, versuchte er es noch einmal.
„Schon gut, Kumpel“, beruhigte ihn Nala. „John, ab an die Luft.“
Der Fuchsmann begleitete sie durch die Sicherheitsschleuse und kehrte zufrieden ins Technikzentrum zurück. Mit den Gedanken war er schon wieder in seine eigene Welt eingetaucht.
Draußen erwartete die beiden Fanreaner strahlender Sonnenschein und sie atmeten tief durch.
„Endlich frische Luft. Wie kann der Fuchs es da unten nur so lange aushalten?“, wunderte sich Nala.
„Keine Ahnung, ich könnte das nicht. Ich würde es auch nicht in einer Stadt aushalten, aber wir sind eben alle verschieden. Fangen wir mit Karate an?“
„Okay.“
Die zwei begannen mit Dehnübungen und starteten dann ihr Trainingsprogramm im Schatten alter Olivenbäume. Als sie schließlich schweißüberströmt waren, duschten sie sich schnell ab und sprangen in den Pool. Nach einer Weile entschlossen sich die beiden, einen kleinen Mittagssnack einzunehmen. Nala und John stürmten in die Küche und trafen dort auf die Köchin, eine menschengroße Maus.
„Dürfen wir uns einen Smoothie und etwas zu essen machen?“, fragte Nala.
„Aber klar doch. Ich habe verschiedene Melonen, Granatäpfel, Ananas, Feigen, Bananen und frisch gepressten Apfelsaft.“
„Mmhh, lecker, komm John, du schälst, ich schneide klein“, ordnete Nala an und drückte John verschiedene Messer in die Hand.
Die Köchin reichte ihnen die Früchte: „Das meiste Obst und Gemüse kommt von unserem Gut und wird natürlich nicht mit Pestiziden verseucht. Unsere Blumenelfen organisieren sofort einen Aufstand, wenn wir auch nur ein Gramm Gift versprühen. Na dann legt mal los, ich muss mich noch um meine Bouillabaisse* kümmern.“
Während die beiden Freunde gemeinsam schnitten und schnippelten, unterhielten sie sich. Nala überlegte laut: „Weißt du, wem es hier gefallen würde und wer sich blendend mit dem Fuchsmann verstanden hätte? Nijano! Der Fuchsfreak wäre sein Ding gewesen. Denkst du noch viel an Nijano?“
Über Johns Gesichtszüge glitt ein Hauch von Schmerz: „Ja, oft, der Katzenjunge fehlt mir sehr. Er war für mich der Bruder, den ich nie hatte. In meinem Kopf redet oder schimpft er manchmal mit mir.“
„Er schimpft mit dir?“
John grinste: „Ja, wenn ich wieder zu zögerlich, ernst und verantwortungsbewusst bin.“
„Bist du ja auch.“
Schulterzuckend nahm John ein Stück Wassermelone und steckte es Nala in den Mund. „Ja, warum wohl? Ich hatte immer die Mitverantwortung für all die Kleinen im Lager und musste täglich die hungrigen Mäuler füllen. Da kann ich doch nicht rumalbern und verrückt sein.“
„Nijano war es trotzdem“, konterte Nala.
„Stimmt. Dann bin ich eben einfach langweilig von meiner Grundstruktur her.“ Schmunzelnd zuckte John mit den Schultern.
„Ach John, du bist unglaublich, du bist alles andere als langweilig. Dein ganzes Leben hat dich zu dem gemacht, der du bist, und so bist du genau richtig.“
Während John die Früchte in den Mixer steckte, den Apfelsaft draufschüttete und dann die Maschine anwarf, bereitete Nala einen großen Teller Tomaten mit Mozarella zu.
„Gib mir mal Basilikum und grobes Meersalz“, bat sie John und roch an einer Tomate. „Hm, die riecht intensiv. Weißt du, was mir an der Menschenwelt gefällt?“
Erwartungsvoll schaute John zu ihr: „Nein, aber du wirst es mir bestimmt verraten.“
„Dass ich nicht alles selber herstellen muss, sondern in einem Geschäft kaufen kann.“
Die Köchin reichte Nala Olivenöl und Baguette, dann mischte sie sich ein: „Na ja, so stimmt es auch nicht. Auf Magors Schloss wird jede Menge angebaut. Das Öl ist aus unseren Oliven gemacht und schmeckt köstlich, das Mehl für das Baguette ist aus unserem Getreide hergestellt, die Tomaten und Kräuter sind aus dem Schlossgarten.“
Grinsend zwinkerte John der Köchin zu: „Das war wohl nichts, Nala.“
„Aber zum Beispiel die Anziehsachen, die Migune uns besorgt hat, die sind gekauft, und ich finde sie richtig cool. Mal ehrlich, so ein schönes Sommerkleid steht mir gut und du siehst auch toll mit deinen Shorts aus.“ Nala drehte sich im Kreis.
„Stimmt, du siehst süß damit aus.“
„Oh, ein Kompliment von John. Du übst wohl schon für Emma“, zog Nala ihn auf.
„Wer weiß? Vielleicht?“
Als ihr kleines Picknick fertig zubereitet war, gesellten Nala und John sich mit ihren Leckereien zu den Fanreanern Agatha und Komor, die hier ebenfalls Urlaub machten und träge am Pool im Schatten lagen.
„Möchtet ihr auch etwas zu essen?“, fragte Nala die beiden.
„Nein danke, wir hatten gerade eben einen Riesenbecher Eis, wir sind satt“, wehrte Agatha ab und band sich ihre langen, braunen Haare zu einem Zopf zusammen.
„Wir haben Hunger“, seufzte Nala. „Diese Denkarbeit mit Ronaldo schlaucht ganz schön. Das ist alles neu für uns und wir müssen uns anstrengen, das zu kapieren. Ich will es aber unbedingt verstehen.“
„Ich finde, du hast es schon echt gut drauf, du verstehst es schneller als ich. Mir schwirrt der Kopf“, stöhnte John und trank genussvoll einen Schluck von seinem Smoothie.
Komor grinste und um seine dunklen Augen bildeten sich Lachfältchen. „Ich habe meine Lektionen mit Ronaldo schon hinter mir, der Freak ist echt gut. Vor allen Dingen erklärt er es so, dass ich es nachvollziehen kann.“
Hungrig spießten Nala und John die Tomaten und den Mozarella auf. Nach dem Essen fragte Nala schläfrig: „John, Muckibude oder weiter abhängen?“
Die Luft war erfüllt vom Duft des Lavendels und die Sonne machte alle träge. Verlockendes Nichtstun, Stille genießen, Augen schließen.
„Hm“, brummte John unschlüssig.
„Macht einfach Pause. Komm her, meine Kleine“, mischte Komor sich ein, zog Nala zu sich heran und bettete ihren Kopf auf einem seiner Arme.
Wie oft hatten sie schon so dagelegen? Wenn Komor bei ihr war, fühlte Nala sich beschützt und konnte entspannen. Komor war ihr Vaterersatz, genauso schokoladenbraun wie sie, kampferfahren, groß und muskelbepackt auf der einen Seite, sanft und gutmütig auf der anderen Seite.
„Also abhängen“, stellte John lakonisch fest.
Agatha murmelte: „John, sei nicht immer so ein Getriebener. Du musst mal nichts tun. Keine Fische fangen oder Hütten bauen, nicht an deinem Kanu schnitzen, keine Kinder retten, nicht in der Schwitzhütte schmoren. Sei mal locker!“
Seufzend streckte John sich aus, legte seine Arme unter den Kopf und betrachtete den stahlblauen, wolkenlosen Himmel. Einfach nur abhängen, ohne Griff am Messer oder angespannte Muskeln. Die Gedanken schweifen lassen, träumen. An Emma denken. Ob sie sich genauso auf ihn freute, wie er sich auf sie?
Am Nachmittag gingen Nala und John zurück zum Fuchsmann. Migune hatte ihm einen Teller mit belegtem Baguette gebracht, das noch unberührt dort stand.
„Ronaldo, du bist unglaublich. Du hast ja gar nichts gegessen.“, tadelte Nala.
Versunken stand der Fuchsmann vor der riesigen Weltkarte und starrte auf die blinkenden Lichter. Als Ronaldo das Baguette anvisierte, schien er erstaunt zu sein. Für ihn war ein belegtes Brot irritierender als die ganze Technik.
„Äh, stimmt. Obwohl...“ Kurz hielt Ronaldo inne. „Moment mal, ich habe was gegessen, der Mäusespeck ist leer.“
„Das gilt nicht. Komm schon, iss das Baguette“, befahl Nala.
John schmunzelte: „Mach lieber, Ronaldo, sie ist ganz schön rabiat.“
Folgsam aß der Fuchsmann sein Baguette, wahrscheinlich schmeckte er noch nicht einmal, dass es mit Serranoschinken, Tomaten und Salat belegt war.
„Was sind das für Lichtpunkte auf der Karte?“, fragte John interessiert.
Kauend nuschelte Ronaldo: „Aktuelle Brennpunkte, Kriegsschauplätze, bekannte und geheime Militärstützpunkte. Dann ehemalige sowie noch vorhandene Weltentore, Atommülllager und vieles mehr.“
Nala und John bestaunten die gigantische Karte und Ronaldo kam in Fahrt. Er erklärte ihnen deren Geheimnisse, bis die Köpfe der Fanreaner erneut rauchten.
„Ronaldo, du hörst doch gerne Musik. Bring mich mal auf den aktuellen Stand“, bat John.
„Kommt, ich zeige euch mein momentanes Lieblingsvideo. Es ist von Ed Sheeran, Thinking out loud. Ich suche es euch raus.“ Ronaldo tippte etwas in seinen Laptop ein und das Musikvideo begann. Der romantische Song füllte den Computerraum, während die beiden Fanreaner wie gebannt vor dem Bildschirm saßen. Ed Sheeran wirbelte seine Tanzpartnerin in einem riesigen Ballsaal herum und die Bewegungen der Tänzerin waren betörend und anmutig.
„Ist das schön“, flüsterte Nala und John stimmte ihr zu. Seine Gedanken waren bei Emma und dass sie ebenfalls Ballett und Modern Dance tanzte. Ob sie sich auch so elegant bewegen konnte?
„Du kriegst ja ganz glänzende Augen, siehst du schon, wie deine Emma sich um dich herumschlängelt?“, zog Nala John auf. Der wurde rot und schwieg ertappt.
„Volltreffer“, kicherte Nala. „Braucht dir doch nicht peinlich zu sein. Ich verrate es keinem.“
„Hast ja recht, könnte ich mir gut mit Emma vorstellen“, grinste John. „Komm, Ronaldo, was hast du noch in deiner Zauberkiste?“
Mithilfe des Fuchsmannes durchforsteten sie Youtube und die dortigen Musikvideos, doch nach einer Weile wurde Ronaldo unruhig, er hatte noch Wichtiges zu erledigen. Nala und John dagegen konnten keine Computer mehr sehen, für sie war diese virtuelle Welt auf Dauer sehr anstrengend. Zusammen flüchteten sie in die Muckibude und trafen dort auf Magor, der gerade Gewichte stemmte.
„Ein Zauberer, der die Hanteln schwingt“, flüsterte Nala.
Die Worte schien Magor gehört zu haben und er grinste verhalten: „Magie ist nicht alles. Körper, Geist und Seele bilden eine Einheit und wenn etwas im Ungleichgewicht ist, hat das negative Folgen. Das gilt auch für einen Zauberer. Doch das ist nichts Neues für euch, oder?“
John schüttelte den Kopf: „Nein, ist es nicht. Ich versuche, danach zu leben. Mens sana in corpore sano* würde unser schlauer Melvin jetzt sagen.“
Nala grinste: „Wenn er nicht da ist, vermisst man die Nervensäge mit den coolen Sprüchen richtig, oder? Ich freue mich schon darauf, wenn unsere Truppe wieder vereint ist.“
Schmunzelnd nickte Magor: „Ich weiß. Gefällt es euch hier?“
Nala stellte fest: „Ich könnte mich daran gewöhnen. Ist toll hier!“
„Ich käme mir auf die Dauer ein wenig nutzlos vor. Definitiv zu wenig Fische fangen, Hütten bauen und Kanus schnitzen“, witzelte John.