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Vorentscheidungen in Berlin

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Als Otto Abetz 1948 in Nürnberg verhört wurde, fragte ihn Kempner auch nach einer Denkschrift vom 22. August 1941, die der Legationsrat Zeitschel verfaßt und dem Botschafter mit der Bitte überreicht hatte, sie anläßlich eines bevorstehenden Besuchs beim Reichsaußenminister und im Führerhauptquartier mitzunehmen. Abetz behauptete, wie im ersten Kapitel zitiert, weder habe Zeitschel ihm diese Denkschrift gegeben, noch habe er sie nach Berlin mitgenommen, und er habe sie auch nicht gelesen.52 Hinter dieser Aussage, die wenig glaubwürdig, aber kaum zu widerlegen ist, verbargen sich Vorgänge und Entscheidungsprozesse, die eine Radikalisierung der Judenverfolgung im besetzten Frankreich ab Ende des Jahres 1941 nach sich zogen.

Während in Paris die zweite Welle der Massenverhaftungen begonnen hatte, fertigte Carltheo Zeitschel mehrere Aufzeichnungen für Abetz an und korrespondierte mit Dannecker und dem Vertreter des „Einsatzstabs Rosenberg“ in Paris, Kurt von Behr, die wie er beide bei der Razzia zugegen gewesen waren. Zunächst bemühte er sich am 21. August um eine Unterstützung der Versuche Danneckers, durch direkte Anweisungen an die französische Polizei die Exekutivbefugnisse des Judenreferats auszuweiten. Er bat Abetz, über Ribbentrop beim Führer durchsetzen zu lassen, daß der SD künftig die „volle und uneingeschränkte Vollzugsgewalt“ zur Verhaftung von Juden eingeräumt bekomme, um die Internierungen weiter vorantreiben zu können.53 Am 22. August schlug er Dannecker vor, die Häftlinge in Drancy zur Denunziation von polizeilich nicht gemeldeten Juden aufzufordern und sie gegebenenfalls vorübergehend freizulassen: sie könnten „noch eine zeitlang rumlaufen [...], bis sie dann bei der endgültigen Lösung des Judenproblems sowieso mit allen anderen zusammen aus Frankreich verschoben werden“.54 Damit wurde an eine Perspektive angeknüpft, die sich bereits in Danneckers Projekt zur Einrichtung eines „Zentralen Judenamts“ vom Anfang des Jahres und in Bests Andeutungen gegenüber Vallat vom April 1941 gefunden hatte, die aber nun realistisch geworden war und Konturen annahm: die Möglichkeit, im Vorgriff auf eine baldige und definitive Entscheidung über die Zukunft der europäischen Juden eine neue Etappe der Verfolgung in Frankreich einzuleiten.

Am selben Tag nämlich, dem 22. August, legte Zeitschel die besagte Denkschrift vor, in der er seine – wahnhaft erscheinenden, aber nicht aus der Luft gegriffenen – Vorstellungen zur Lösung der „Judenfrage“ in ganz Europa mit der konkreten Forderung nach Deportation der französischen Juden verband. Zeitschel empfahl, da der Madagaskarplan mangels ausreichender Schiffstonnage und bei einem Transportumfang von „nahezu 10 Millionen“ unrealistisch sei, die Juden sämtlicher europäischen Staaten in die soeben eroberten Gebiete der Sowjetunion „abzustoßen“ und sie mit den dort lebenden Juden auf einem „abgegrenzten Territorium“ zusammenzufassen. Solche Massentransporte auf dem Landwege ließen sich nach Zeitschels Ansicht „selbst während des Krieges“ durchführen:

Die fortschreitende Eroberung und Besetzung der weiten Ostgebiete können m.E. das Judenproblem in ganz Europa in kürzester Zeit zu einer endgültigen, befriedigenden Lösung bringen.

Wie aus dem Hilfeschrei der gesamten Juden Palästinas in deren Presse an die amerikanischen Juden hervorgeht, sind in den von uns in den letzten Wochen besetzten Gebieten, besonders Bessarabien, über 6 Millionen Juden ansässig, das bedeutet 1 / 3 des Weltjudentums. Diese 6 Millionen Juden müßte man sowieso bei der Neuordnung des Ostraums irgendwie zusammenfassen und voraussichtlich doch ein besonderes Territorium für sie abgegrenzt werden [sic]. Es dürfte bei dieser Gelegenheit kein allzu großes Problem sein, wenn aus allen übrigen europäischen Staaten die Juden noch hinzukommen und auch die z.Zt. in Warschau, Litzmannstadt, Lublin, u.s.w. in Ghettos zusammengepferchten Juden auch dorthin abgeschoben werden.

Soweit es sich um die besetzten Gebiete handelt, wie Holland, Belgien, Luxemburg, Norwegen, Jugoslawien, Griechenland, könnten doch einfach durch militärische Befehle die Juden in Massentransporten in das neue Territorium abtransportiert und den übrigen Staaten nahegelegt werden, dem Beispiel zu folgen und ihre Juden in dieses Territorium abzustoßen. Wir könnten dann Europa in kürzester Zeit judenfrei haben.

Er schlug Abetz vor, bei nächster Gelegenheit Außenminister Ribbentrop das Projekt vorzutragen und diesen zu bitten, es – gemeinsam mit dem zukünftigen Minister für die besetzten Ostgebiete Rosenberg und dem Reichsführer-SS Himmler – in seinem Sinne zu prüfen. Damit kam Zeitschel auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen:

Bei dieser Gelegenheit könnte man auch besonders betonen, daß beispielsweise in Frankreich, wo mit aller Intensität an einer baldigen Regelung der Judenfrage gearbeitet wird, die Durchführung in stärkstem Maße darunter leidet, daß nicht genügend Lager zur Internierung der Juden zur Verfügung stehen.55

Ebenfalls noch am 22. August wandte sich Zeitschel in einem ähnlich lautenden Brief an von Behr, dem er seine Vorschläge mit der Bitte unterbreitete, sie direkt an dessen Chef, Reichsleiter Rosenberg, heranzutragen. Er wies erneut auf die Situation der nordfranzösischen Internierungslager hin und sagte diesmal deutlicher, worum es ihm ging: Die „Lagerfrage“ sei bisher der Angelpunkt der antijüdischen Politik in Frankreich gewesen, und „gegen die Ausführung des Mil[ilitär]Bef[ehlshabers], daß er außer dem kleinen Lager bei Orléans weitere Lager nicht zur Verfügung stellen könne, da nicht einmal die Organisation Todt genügend Baracken zu ihrer Verfügung habe“, könne man nichts einwenden. (Gemeint waren Pithiviers und Beaunela-Rolande, das gerade eingerichtete Lager Drancy erwähnte Zeitschel nicht. Offensichtlich bezog er sich auf seine Besprechung mit Best von Anfang April, in der dieser einen generellen Mangel an Lagern und Unterkünften für Zwecke der Wehrmacht beklagt hatte.56) Es bestehe daher, so lautete die Schlußfolgerung, die Zeitschel zog, „nur eine Möglichkeit, daß bei der großen Lagerknappheit die Lager von Zeit zu Zeit geräumt werden, indem die dort befindlichen Juden woandershin transportiert werden“. Allerdings machte er von Behr auf eine Weisung Himmlers aufmerksam, die auf einer Führeranordnung beruhe, wonach „in den besetzten Gebieten Juden augenblicklich keinesfalls irgendwo anders hin transportiert [...], sondern an Ort und Stelle nach Möglichkeit interniert und bis auf weiteres da konserviert werden sollen“. Diese Anordnung treffe Frankreich wegen der fehlenden Voraussetzungen zur Internierung „besonders hart“.57

Schließlich fragte Zeitschel noch einmal am 10. September im eigenen Hause nach. Er erinnerte Abetz, der im Begriff stand, zum Vortrag in das Führerhauptquartier zu reisen, an seine Aufzeichnung vom 22. August, „die im besetzten Gebiet bisher internierten 10.000 Juden betreffend“ – zwischenzeitlich hatte er sich im Namen des Botschafters bei Dannecker nach der Anzahl und den Nationalitäten der in den Lagern Pithiviers, Beaune-la-Rolande und Drancy internierten Personen erkundigt, aber Danneckers Auskunft ging erst im Oktober ein und ergab, daß insgesamt „7.443 Juden in drei Konzentrationslagern untergebracht“ waren.58 Ohne auf die sonstigen Inhalte der Denkschrift – den vorgeschlagenen Transfer aller europäischen Juden in den Osten – Bezug zu nehmen, wiederholte Zeitschel seine Bitte, „durch eine Besprechung beim RAM [Reichsaußenminister] zu erwirken, daß dieser beim Reichsführer SS durchsetzt, daß diese Juden sobald sich eine Möglichkeit bietet, in die neubesetzten Ostgebiete abgeschoben werden, damit wir die einzigsten kümmerlichen Lager die wir zur Verfügung haben, freibekommen, um weitere Juden internieren zu können“. Der Botschafter möge „diese ausführliche Aufzeichnung über die Angelegenheit mitnehmen“.59

Aus dieser Rückfrage bei Abetz wird klar, daß es Zeitschel in erster Linie um die Deportation von Juden aus Frankreich zu tun war, und in dieser Hinsicht ist die Bedeutung seiner Initiative auch kaum zu unterschätzen. Das wichtigste Argument, das er benutzte, um die Deportation zu forcieren, sein Hinweis auf die mangelnden Unterbringungsmöglichkeiten in Frankreich selbst, stützte sich auf die faktischen Vorgaben der Militärverwaltung, die dies Argument später – als von Stülpnagel im Winter 1941 / 42 gegenüber dem Oberkommando des Heeres den Abtransport von Kommunisten und Juden verlangte – ihrerseits geltend machte.60 Zu Recht spricht der Historiker und Best-Biograph Ulrich Herbert in diesem Zusammenhang von einem „Kalkül des Sachzwangs“, das durch die Weigerung des Militärbefehlshabers, weitere Lager zu errichten, erzeugt worden sei.61

Was wurde nun aus Zeitschels Aufzeichnung, um deren Übermittlung an höchste Stellen er Abetz und von Behr gebeten hatte?62 Man muß wohl davon ausgehen, daß Zeitschel, der gewöhnlich von Informationen des Pariser Judenreferats profitierte, seine Vorschläge in Kenntnis der Planungen im Reichssicherheitshauptamt formuliert hat. So gehört seine Aufzeichnung vom 22. August zweifellos in den Kontext der Überlegungen zu einer territorialen „Lösung der Judenfrage“ im Osten, und sie spiegelt die Radikalisierung der Vertreibungspläne vor dem Hintergrund des Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion und der Massaker der SS-Einsatzgruppen.63 Zeitschel lieferte also keine „Anregung“, auf die man anderenorts zurückgriff, wie gelegentlich vermutet wurde,64 sondern er konnte seinerseits voraussetzen, daß das Programm der Deportation von Juden nach Osteuropa in Berlin mittlerweile realistisch und aktuell war.65 Es gibt jedenfalls, um es zu unterstreichen, keinen ausreichenden dokumentarischen Beleg dafür, daß Abetz das Memorandum Zeitschels mit nach Berlin genommen hätte66 oder daß das Papier auf Umwegen in Rosenbergs Hände gelangt wäre.67 Ob die weitgespannten, auf eine Neuordnung des „Ostraums“ gerichteten Zukunftsvisionen68 des „Judenexperten“ der Deutschen Botschaft womöglich dem Außenminister, dem Reichsführer-SS oder sonst wem vorgelegen haben, ist jedoch eher zweitrangig, wenn man berücksichtigt, daß Zeitschels konkretes Ziel – an das er Abetz unmittelbar vor dessen Abreise erinnert hatte – ein möglichst rascher Abtransport der bisher im besetzten französischen Gebiet internierten Juden war. Die gesicherten Daten sind folgende:

Abetz traf am 16. September im Führerhauptquartier ein, wo er Gespräche mit Hitler69 und – wie wir neuerdings durch die Veröffentlichung von dessen Dienstkalender wissen – mit Himmler führte;70 zweifellos kam er auch mit Ribbentrop zusammen. Zu eben diesem Zeitpunkt bahnte sich im nationalsozialistischen Machtzentrum eine Entscheidung an, mit der faktisch die erste Phase der systematischen Deportation deutscher, österreichischer, tschechischer und luxemburgischer Juden eingeleitet wurde.71 Noch im August hatte Hitler „Evakuierungen“ in den Osten während des Krieges abgelehnt – in Erwartung einer baldigen Niederlage der Sowjetunion. Als sich die Siegeseuphorie Mitte September 1941 weiter steigerte,72 erging nun – den Studien Peter Wittes zufolge am 17. September73 – ein Befehl Hitlers, den Himmler am Tag darauf an den Gauleiter im Wartheland, Arthur Greiser, weitergab: Der Führer wünsche, so Himmler wörtlich, „daß möglichst bald das Altreich und das Protektorat vom Westen nach dem Osten von Juden geleert und befreit werden“. Beabsichtigt sei, rund 60.000 Juden zunächst in das Ghetto Łódź zu verbringen, „um sie im nächsten Frühjahr noch weiter nach dem Osten abzuschieben“.74 Die Transporte aus dem Reichsgebiet, aus Wien und aus Prag begannen einen Monat später, am 15. Oktober 1941; ebenfalls Mitte Oktober wurden die ersten Juden aus Luxemburg nach Łódź deportiert. Drei Wochen darauf setzten die Deportationen nach Minsk, Riga und Kowno ein – die ersten, die aus Deutschland in die Vernichtungszonen Osteuropas führten und deren Opfer Ende November am Ankunftsort zum Teil sofort erschossen wurden.75 Die Mehrzahl der in das Łódźer Ghetto deportierten Menschen wurde zwischen Januar und Mai 1942 nach Chełmno gebracht und dort in Gaswagen ermordet.

Wenn man nun ein weiteres Schreiben von Zeitschel heranzieht, dann ergibt sich, daß in der Besprechung zwischen Himmler und Abetz in der „Wolfsschanze“ am 16. September eine zweite Entscheidung gefallen sein muß. Am 8. Oktober übermittelte Zeitschel dem Beauftragten des Chefs der Sipo-SD, zu Händen Danneckers, die folgende Nachricht, die er als Ergebnis seiner eigenen Demarche ausgab:

Gelegentlich des letzten Besuches von Botschafter Abetz im Hauptquartier habe ich diesem die Ihnen bekannte Aufzeichnung mitgegeben, mit dem Vorschlag, unsere im Konzentrationslager befindlichen Juden wegen der Lagerknappheit möglichst bald nach dem Osten abzuschieben. Botschafter Abetz hat aufgrund dieser Aufzeichnung mit dem Reichsführer SS persönlich Rücksprache genommen und von diesem zugesagt bekommen, daß die im KZ befindlichen Juden im besetzten Gebiet nach dem Osten abgeschoben werden können, sobald dies die Transportmittel zulassen.76

Das Schreiben – in dem von Zeitschels umfassenden Deportationsplänen nicht mehr die Rede war, in dem man jedoch das pragmatische Argument der geringen Haftkapazitäten in Frankreich wiederfindet – schloß mit dem Rat an Dannecker, „in dieser Richtung, in der es mir [!] gelungen ist, die prinzipielle Einwilligung des Reichsführers zu erreichen, nicht lockerzulassen“, und auch seinerseits „alle paar Wochen“ in Berlin auf eine baldige Abschiebung der Juden aus Frankreich zu drängen. Das läßt allerdings Zweifel an der Verbindlichkeit von Himmlers Äußerungen aufkommen.77 Zudem muß man davon ausgehen, daß Zeitschel seinen eigenen Einfluß stark übertrieben hat.

Dennoch erscheint es kaum zweifelhaft, daß seine Mitteilung an Dannecker einen wahrheitsgemäßen Kern enthielt. Joseph Billig, der die hier zitierten Dokumente als erster einer genauen Analyse unterzogen hat, ohne allerdings einen Beleg für das Treffen zwischen Abetz und Himmler zur Verfügung zu haben, kam dabei zu folgenden überzeugenden Schlüssen: Zeitschel handelte im Einvernehmen mit Dannecker, der über die Aufzeichnung vom 22. August unterrichtet war und von dem Zeitschel seinerseits womöglich den Planungsstand des Reichssicherheitshauptamts erfuhr. Denn er ersuchte Abetz am 10. September nicht etwa darum, Ribbentrop bzw. Himmler einen „Plan“ vorzuschlagen, sondern „Frankreich an guter Stelle in das Programm des Judenabschubs nach dem Osten einzubeziehen“ – und zwar in ein Programm, welches beide bereits als feststehende Tatsache behandelten. Man könne sich nur wundern, schreibt Billig, mit welcher Geschwindigkeit die Information darüber an die Pariser Botschaft gelangt sei. Die nachfolgende Entwicklung bis zur Durchführung des ersten Transports im März 1942 zeige, so lautet sein Fazit, daß Zeitschel kein „Hellseher“ war, sondern daß alles für die „Ernsthaftigkeit des Schreibens von Zeitschel an Dannecker über die von Abetz zur Judendeportation gelieferten Auskünfte“ spricht.78

Damit aber stellen sich neue Fragen. Daß Himmler eine „Abschiebung“ der im besetzten Frankreich internierten Juden „nach dem Osten“ in Aussicht stellte, obzwar mit einer unklaren Zeitperspektive, ist durch kein anderes Dokument als das Schreiben Zeitschels an Dannecker vom 8. Oktober belegt. Himmlers Zusage müßte demnach am 16. September bei der kalendarisch festgehaltenen Unterredung mit Abetz erfolgt sein – und zwar auf dessen Vortrag hin. Das wiederum würde bedeuten, daß die grundsätzliche Entscheidung über Deportationen aus Frankreich einen Tag vor dem „Führerbefehl“ zur Deportation der Juden aus dem Reichsgebiet und dem „Protektorat Böhmen und Mähren“ fiel. Diese Rekonstruktion des Entscheidungsablaufs, die im wesentlichen Peter Witte zu verdanken ist,79 beruht allerdings – soweit es um das besetzte Frankreich geht – ausschließlich auf den Angaben Zeitschels. Man muß das deswegen betonen, weil es erstaunlich ist, daß sich kein weiterer dokumentarischer Hinweis (weder in Telegrammen von Abetz an das Auswärtige Amt noch im Schriftverkehr des Pariser Judenreferats) auf diese frühzeitige Einbeziehung Frankreichs in das Deportationsprogramm hat finden lassen. Auch gibt es keinen Beleg dafür, daß Dannecker – Zeitschels Rat folgend – versucht hätte, die Entwicklung in Berlin zu forcieren.

Was bedeuteten die Ereignisse vom September 1941 für Frankreich? Die verfügbaren Dokumente ergeben folgendes:

1. Die von Zeitschel mehrfach angesprochene Weisung des Reichsführers-SS, wonach „bis auf Weiteres keinesfalls Juden von einem Land in das andere verschoben werden“ sollten,80 war inzwischen aufgehoben worden, Mitte September war die grundsätzliche Entscheidung gefallen, Judentransporte aus den besetzten Gebieten, zumindest aus Frankreich, in Zukunft durchzuführen.

2. Allen deutschen Stellen in Paris muß seit Anfang Oktober 1941 eine vorläufige Zusage Himmlers bekannt gewesen sein, die in den Lagern der französischen Nordzone internierten jüdischen Männer – zu diesem Zeitpunkt handelte es sich wie gesagt um etwa 7.500 Personen – „nach dem Osten“ zu deportieren. Ende des Monats, am 23. Oktober, wurde der Beauftragte der Sipo-SD für Belgien und Frankreich zudem vom Reichssicherheitshauptamt darüber informiert, daß Himmler ein generelles Auswanderungsverbot für Juden aus den besetzten Gebieten angeordnet hatte – der Erlaß enthielt den Zusatz: „Evakuierungsaktionen bleiben hiervon unberührt.“81 Damit geriet die antijüdische Politik der Militärverwaltung in den Mahlstrom der beginnenden „Endlösung“. Auf den weiteren Fortgang, der nicht nur durch die – von Zeitschel erstmals angesprochene – Frage der Transportmittel bestimmt war, werde ich im übernächsten Abschnitt eingehen.

Täter im Verhör

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