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Auswanderungsverbot

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Die Militärverwaltung wurde bereits Anfang November 1941 durch die Sipo-SD davon in Kenntnis gesetzt, daß „die Auswanderung der Juden mit sofortiger Wirkung zu verhindern“ sei, von besonders gelagerten Einzelfällen abgesehen. Kurt Lischka, Knochens Stellvertreter, richtete am 8. November ein entsprechendes Rundschreiben an sämtliche Besatzungsbehörden, darunter die Stäbe des Militärbefehlshabers, die Pariser Botschaft, die Polizei- und Grenzorgane der Wehrmacht sowie die Sipo-SD-Außenstellen, und bat zugleich um Unterrichtung aller nachgeordneten Dienststellen, damit „die Durchführung dieses grundsätzlichen Erlasses allseitig gewährleistet“ werde.82 Am 19. Januar 1942, einen Tag vor der Wannsee-Konferenz, unterstrich das Judenreferat gegenüber der Militärverwaltung und der Botschaft nochmals, bisher sei die Auswanderung von Juden aus dem besetzten Gebiet deshalb unerwünscht gewesen, weil „im Interesse der Durchführung der jüdischen Auswanderung aus Deutschland“ die begrenzten Schiffsplätze hätten ausgenutzt werden müssen. Nunmehr habe Himmler angeordnet, „daß generell jede Judenauswanderung aus Deutschland und den besetzten Gebieten unterbleiben soll“.83 Der Leiter der Gruppe Polizei der Militärverwaltung, Waldemar Ernst, gab dies wiederum an alle interessierten Stellen weiter.84

Nun lagen der Militärverwaltung gegen Ende des Jahres 1941 wiederholt Anträge von Juden vor, die im besetzten Gebiet lebten und die – wie es in einer direkten Anfrage der Gruppe Polizei an das Reichssicherheitshauptamt hieß – „ihre noch im Reichsgebiet ansässigen, von der Ausweisung nach dem Osten bedrohten jüdischen Verwandten“ nach Frankreich kommen lassen wollten. Die zuständigen Polizeibehörden im Reichsgebiet hatten offenbar keine Einwände gegen eine Ausreise erhoben, und die Militärverwaltung erkundigte sich in Berlin, ob diese Angaben zuträfen.85 Tatsächlich waren noch im November 1941 aus Deutschland legal ausgewanderte Juden an der französisch-spanischen Grenze bei St. Jean-de-Luz eingetroffen. Da sie nicht die nötigen überseeischen Einreisevisa besaßen, wurde ihnen die Durchreise durch Spanien und Portugal zunächst verweigert. Die Sipo-SD-Außenstelle Bordeaux meldete nach Paris, es handele sich um Personen, denen ihren eigenen Angaben nach in Deutschland die Wahl gelassen worden sei, „sich für einen Abtransport nach dem Osten oder aber eine sofortige Abreise nach Übersee zu entscheiden“.86 Herbert Hagen, Leiter der Außenstelle, legte – aus „abwehrmäßigen Gründen“ und unter Hinweis auf den „Küstenerlaß“ des Militärbefehlshabers, der Juden den Aufenthalt in der Region verbot – nahe, die an der Grenze festsitzenden Flüchtlinge internieren zu lassen und „für Unterbindung dieser Zuwanderung“ in Berlin zu sorgen. Lischka verlangte daraufhin vom Reichssicherheitshauptamt, „in Zukunft solche Transporte zu unterbinden, da sie den hier getroffenen Anordnungen“ widersprächen; gleichzeitig ordnete er eine Internierung an.87 Doch mittlerweile war der Gruppe die Ausreise gelungen.

Mit Beginn des Jahres 1942 wurden schließlich die letzten Fluchtmöglichkeiten von Juden aus Deutschland über Frankreich unterbunden. Eichmann selbst ging am 23. Januar auf die genannte Anfrage der Militärverwaltung ein, und zwar in einem Schreiben an die Sipo-SD Paris. Darin bezog er sich auf das Auswanderungsverbot Himmlers, teilte mit, daß „Umsiedlungsanträge“ nach dem besetzten Frankreich vom Reichssicherheitshauptamt ausnahmslos abgelehnt würden, und fuhr dann fort: „Ich bitte, den Militärbefehlshaber in vorstehendem Sinne zu unterrichten und ihn zu veranlassen, da die Juden, auf Grund der Evakuierungsaktion nach dem Osten, mit allen Mitteln versuchen, dieser zu entgehen, auch von sich aus jede Übersiedlung von Juden in das besetzte Gebiet Frankreichs abzulehnen.“88 Dies geschah am 9. Februar 1942: In einem von Dannecker entworfenen und von Lischka gezeichneten Schreiben an die Abteilung Verwaltung des Militärbefehlshabers beantwortete das Pariser Judenreferat deren an das Reichssicherheitshauptamt gerichtete Anfrage und teilte wörtlich mit, „daß auf Grund der im Rahmen der Endlösung der Judenfrage vorgesehenen Maßnahmen und besonders auch wegen der bereits laufenden Evakuierung von Juden aus Deutschland nach dem Osten eine Übersiedlung von Juden in das besetzte Gebiet verhindert werden muß“.89

Vergleicht man die zitierten Schriftstücke mit dem Protokoll der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar, dann ist die Übereinstimmung augenfällig. Jedenfalls wurde die Militärverwaltung in Paris nicht im unklaren darüber gelassen, was das Auswanderungsverbot bedeutete und welche konkrete Gestalt die Pläne zur „Endlösung“ im Reichsgebiet inzwischen angenommen hatten.

Täter im Verhör

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