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Die Liebenden in der Alchemie
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Solve et coagula
Die alchemistische Formel solve et coagula, löse und verbinde, wird hier auf die beiden Karten VI – Die Liebenden und XIV – Kunst verteilt. Sie stehen sich dabei wie die beiden sich ergänzenden Teile einer gemeinsamen Sache gegenüber, zwei Waagschalen, deren Kipp-Punkt sich in der Karte Glück oder Schicksalsrad befindet. Das ergibt auch durch die astrologische Brille Sinn, denn im Tierkreis befinden sich Zwillinge und Schütze in Opposition. Diese beiden Karten sind also so etwas wie die »Brückenköpfe«, die den Entwicklungsprozess der Karten VII bis XIII umschließen. Der Vorgang des solve assoziiert sich mit den Liebenden, der des coagula mit der Karte Kunst.
Bevor wir tiefer in die Materie eindringen, fassen wir noch einmal die Essenz dieser Verbindung zusammen: Die Notwendigkeit der Analyse (Teilung) wird in den Liebenden durch die Paare (Lilith – Eva, König – Königin, Lanze – Gral, weißes und schwarzes Kind und Löwe und Adler) symbolisiert. Als operatives Instrument, um die Teilung vorzusehen, bietet sich die höhere Absicht an, die sich unter dem Decknamen Liebe unter Willen in Amors Köcher versteckt. In der crowleyschen Art, alles miteinander zu verknüpfen und in sein Weltbild einzubinden, was je als interessanter Einfall sein Hirn passierte, hat er die Kinder aus der Karte Die Liebenden aufgrund seiner Visionen in der Wüste9 zu Kain und Abel erklärt und damit die Paradiesgeschichte ein bisschen uminterpretiert. Er kommentiert: Es gibt eine Legende von Eva und der Schlange, denn Kain war das Kind von Eva und der Schlange und nicht von Eva und Adam; aus diesem Grunde hatte Kain, nachdem er seinen Bruder erschlug, das Zeichen auf der Stirn, welches das Zeichen des in der Apokalypse erwähnten Tieres 666 ist.10
Die feindlichen Brüder (Der 2. Aethyr)
Auf der Karte wird Kain als schwarzer Junge mit einer Keule dargestellt, der die Lanze seines Vaters stützt, während Abel mit einem Strauß Rosen in der Hand den goldenen Kelch seiner Mutter umfasst. Der historische Abel, gut, sanft, schwach und gottergeben wurde vom »bösen« Kain aus Neid erschlagen, der es nicht verkraften konnte, dass Gott seine Opfergabe ablehnte und die seines Bruders vorzog. So starb der erste Mensch auf dem Opferaltar des Missverständnisses, eine Tat, durch die sich nicht nur der Boden mit Abels Blut färbte, sondern die sich wie ein roter Faden bis in die heutige Zeit hinzieht, solange der Mensch es nicht begreifen kann, dass die Liebe nicht teilbar ist und sich keinem verschließt, auch wenn sie die anderen ebenso mit einbezieht.
Crowley schreibt: In der Mitte der Karte steht Kain, in seiner rechten Hand hält er Thors Hammer, mit dem er seinen Bruder erschlagen hat, und er ist feucht von dessen Blut. Und seine linke Hand hält er geöffnet als Zeichen seiner Unschuld. Ihm zur Rechten steht seine Mutter Eva, um die sich eine Schlange windet, deren Haube sich hinter ihrem Haupte spreizt; zu seiner Linken ist eine Gestalt, die der Hinduistischen Kali ähnelt, doch ihre Form ist wesentlich verführerischer. Ich weiß jedoch, dass es Lilith ist. Und über ihm ist das große Siegel des Pfeiles, nach unten gerichtet, doch er ist in das Herz eines Kindes eingedrungen. Auch dieses Kind ist Abel. Die Bedeutung dieses Teils der Karte ist verborgen, dies ist jedoch die richtige Darstellung der Tarotkarte; und dies ist die korrekte Fabel, von der die hebräischen Schreiber ihre Legende vom Sündenfall stahlen.11
Er will uns damit sagen, dass wir den Blick nicht auf die Probleme aus der moralischen Schuld und Sühne-Ecke werfen sollten, sondern unser Auge auf die Verbindung der Dinge richten sollten, auf die heilige Hochzeit, die die Vereinigung der zuvor geschiedenen Gegensätze symbolisiert (XIV – Kunst). Bewusstsein muss sich aus dem Naturzustand durch Differenzierung entwickeln und Gut funktioniert nicht ohne (scheinbar) Böses, Erlösung nicht ohne (scheinbare) Schuld. Jeder Mensch trägt sowohl gut wie böse, Abel und Kain in sich, und Sinn und Zweck ist weder die Kompensierung des einen durch die Übertreibung des anderen noch die Regression, die Flucht in den Mutterschoß vor den unvermeidlichen Verletzungen und Ungerechtigkeiten, die das Leben beinhaltet. Ziel muss sein, die beiden Teile, die in der menschlichen Entwicklung getrennt wurden, als wir uns durch das Bewusstsein von den Tieren zu unterscheiden lernten und ein (duales) Interesse für eine soziale Kultur zu entwickeln begannen, durch differenziertes Erleben und Aufarbeiten wieder miteinander zu versöhnen. Wenn das Paradies die ursprüngliche Einheit der unbewussten Natur als Ausgangspunkt verkörpert, dann richtet sich das Ziel unserer Reise auf das bewusste Erkennen der psychischen Mechanismen und schöpferischen Zusammenhänge. Salopp formuliert ist die Ganzheit unserer Seele das Ziel: die Liebe unter Willen, um sich aus dem Karmarad zu befreien.
So begreife, o mein Sohn, dass alle Phänomene, die Auswirkungen eines Konfliktes sind, ebenso wie das Universum ein Nichts ist, das ausgedrückt wird als die Unterschiedenheit zweier Gleichheiten oder, wenn Du so willst, als die Scheidung von Nuit und Hadit. Und deshalb löst jede Vermählung einen mehr materiellen Komplex auf und schafft einen weniger materiellen; und dies ist unser Weg der Liebe, sich ewiglich von Ekstase zu Ekstase zu erheben. Somit ist dann alle höhere Gewaltsamkeit, das heißt alles Bewusstsein, der spirituelle Orgasmus einer Leidenschaft zwischen feineren und gröberen Gegensätzen. So resultieren Hitze und Licht aus der Vermählung von Wasserstoff und Sauerstoff, Liebe aus der von Mann und Frau, Dhyana oder Ekstase aus der von Ego und Nicht-Ego.
Liber Aleph, Kapitel 20 – DE MOTU VITAE