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Erstes bis viertes Bändchen
I.
Das Latein von Herrn von Guise

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Am Montag, dem achtzehnten Tage des Augusts 1572 fand ein großes Fest im Louvre statt.

Die gewöhnlich dunkeln Fenster des alten königlichen Wohngebäudes waren hell erleuchtet; die in der Regel so einsamen benachbarten Straßen und Plätze waren, seitdem es in Saint-Germain-l’Auxerrois neun Uhr geschlagen hatte, gedrängt voll von Menschen. Dieser lärmende, drohende Volkszusammenlauf glich in der Dunkelheit einem düsteren, bewegten Meere, dessen Wellen sich geräuschvoll von einer Stelle zur andern drängen. Dieses Meer schlug auf dem Quai ausgebreitet, von wo es durch die Rue des Fossés-Saint-Germain und durch die Rue de Lastruce ausmündete, mit seinem Strome den Fuß der Mauern des Louvre und mit seinem Gegenstrome die des Hotel Bourbon.

Es lag trotz des königlichen Festes und vielleicht sogar gerade wegen des königlichen Festes etwas Bedrohliches in diesem Volke; denn es vermuthete nicht, daß die Feierlichkeit, der es als Zuschauer beiwohnte, nur das Vorspiel zu einem auf acht Tage verschobenen Feste sein sollte, bei welchem es eingeladen werden und sich von ganzem Herzen ergötzen würde.

Der Hof feierte die Hochzeit von Frau Margarethe von Valois, der Tochter Heinrich II. und der Schwester von König Karl IX. mit Heinrich von Bourbon, König von Navarra. Der Cardinal von Bourbon hatte wirklich am Morgen die zwei Verlobten mit dem bei den Hochzeiten der Töchter von Frankreich üblichen Ceremoniell auf einem an der Pforte von Notre-Dame aufgeschlagenen Schaugerüste vermählt.

Jedermann staunte über diese Heirath, welche einigen klarer Sehenden viel Stoff zum Nachdenken gab. Man konnte nicht recht die Annäherung der zwei Parteien begreifen, die sich so gehässig einander gegenüberstanden, wie es in diesem Augenblick bei der protestantischen und der katholischen Partei der Fall war. Man fragte sich, wie der junge Prinz von Condé dem Herzog von Anjou, dem Bruder des Königs, den Tod seines in Jarnac von Montesquiou ermordeten Vaters vergeben könnte. Man fragte sich, wie der junge Herzog von Guise Coligny den Tod seines in Orléans von Potrot de Méré ermordeten Vaters vergeben könnte. Mehr noch: Johanna von Navarra, die muthige Gemahlin des schwachen Anton von Bourbon, welche ihren Sohn Heinrich zu der königlichen Hochzeit, die seiner harrte, geführt hatte, war vor zwei Monaten gestorben und es hatten sich seltsame Gerüchte über diesen plötzlichen Tod verbreitet. Ueberall sagte man ganz leise und an einigen Orten ganz laut, sie hätte ein furchtbares Geheimnis entdeckt und Catharina von Medicis hätte dieselbe, die Enthüllung dieses Geheimnisses befürchtend, mit wohlriechenden Handschuhen vergiftet, welche von einem gewissen René, einem in solchen Dingen sehr geschickten Landsmann von ihr, verfertigt worden wären. Dieses Gerücht hatte sich um so mehr verbreitet und gekräftigt, als nach dem Tode der großen Königin auf die Bitte ihres Sohnes zwei Aerzte, worunter der berühmte Ambroise Paré, bevollmächtigt worden waren, den Leib zu öffnen und zu untersuchen, nicht aber das Gehirn. Da man nun aber Johanna von Navarra durch den Geruch vergiftet hatte, so konnte nur das Gehirn, der einzige von der Section ausgeschlossene Theil des Körpers, die Spuren des Verbrechens bieten. Wir sagen Verbrechen, denn Niemand zweifelte daran, das ein solches begangen worden war.

Das war noch nicht Alles. Der König Karl hatte bei dieser Heirath, welche nicht nur den Frieden seines Reiches wiederherstellte, sondern auch die vonehmsten Hugenotten seines Landes nach Paris zog, eine Beharrlichkeit an den Tag gelegt, die man Halsstarrigkeit nennen konnte. Da die zwei Verlobten eines Theils der katholischen Religion, andern Theils der reformierten angehörten, so war man genöthigt gewesen, sich wegen der Dispensation an Gregor XIII. zu wenden, der damals den päpstlichen Stuhl in Rom inne hatte. Die Dispensation blieb lange aus und diese Zögerung beunruhigte die verstorbene Königin von Navarra ungemein. Sie drückte eines Tags gegen Karl IX. die Befürchtung aus, die Dispensation könnte gar nicht kommen, worauf dieser antwortete:

»Seid unbesorgt, meine gute Tante, ich ehre Euch mehr, als den Papst, und liebe meine Schwester mehr, als ich ihn fürchte. Ich bin kein Hugenott, aber ich bin auch kein Dummkopf, und wenn der Herr Papst eine Albernheit begeht, so nehme ich Margot selbst bei der Hand und führe sie mitten im Gottesdienste an den Traualtar.«

Diese Worte verbreiteten sich vom Louvre aus in die Stadt und gaben, während sie die Hugenotten sehr erfreuten, den Katholiken viel zu denken, denn, diese fragten sich, ob der König sie ganz einfach verriethe oder ob er irgend eine Komödie spielte, welche an einem schönen Morgen oder an einem schönen Abend ihre unerwartete Entwickelung fände.

Besonders dem Admiral Coligny gegenüber, welcher seit fünf bis sechs Jahren einen erbitterten Krieg gegen den König führte, erschien das Benehmen von Karl IX. ganz unerklärlich. Nachdem er einen Preis von hundert und fünfzig tausend Goldthalern auf seinen Kopf gesetzt hatte, schwor der König nur bei ihm, nannte ihn seinen Vater und erklärte ganz laut, er würde ihm allein die Führung des Krieges anvertrauen, so daß selbst Catharina von Medicis, welche bis dahin die Handlungen, den Willen und sogar die Wunsche des jungen Prinzen beherrscht hatte, sich zu beunruhigen schien, und zwar nicht ohne Grund, denn in einem Augenblick des Ergusses sagte Karl IX. zu dem Admiral in Beziehung auf den flandrischen Krieg:

»Mein Vater, es ist hierbei noch Eines, worauf man wohl Acht haben muß: die Königin, meine Mutter, welche ihre Nase in Alles stecken will, wie Ihr wißt, weiß nichts von dieser Unternehmung. Halten wir sie so geheim, daß sie nicht ein Bisschen davon erfährt, denn bei ihrem unruhigen, zänkischen Kopfe würde sie uns Alles verderben.«

So weise und erfahren nun auch Coligny war, so konnte er doch ein solches Vertrauen nicht gänzlich geheim halten, und obgleich er mit großem Argwohn nach Paris kam, obgleich bei seinem Abgange von Chatillon eine Bäuerin sich ihm zu Füßen warf und ausrief: »Oh, Herr und Meister! geht nicht nach Paris, denn wenn Ihr dahin geht, werdet Ihr dort sterben, Ihr und Alle, die mit Euch gehen,« erlosch doch dieser Verdacht allmählich in seinem Innern und in dem von Téligny, seinem Schwiegersohne, welchem der König ebenfalls große Freundschaft bezeigte, denn er nannte ihn seinen Bruder, wie er den Admiral seinen Vater nannte, und duzte ihn, wie er dies gegen seine besten Freunde that.

Abgesehen von einigen mürrischen und mißtrauischen Geistern, waren die Hugenotten also völlig beruhigt. Der Tod der Königin galt als eine Folge von Seitenstechen, und die weiten Säle des Louvre waren voll von allen den braven Protestanten, denen die Heirath ihres jungen Führers Heinrich eine unerwartete Rückkehr zum Glück verhieß. Der Admiral Coligny, Larochefoucault, der Prinz von Condé, Sohn, Téligny, kurz alle die Häupter der Partei triumphierten, als sie im Louvre allmächtig und in Paris so willkommen diejenigen sahen, welche drei Monate vorher der König Karl und die Königin Catharina an Galgen, höher als die der Mörder, hatten hängen lassen wollen. Nur den Marschall von Montmorency suchte man vergebens unter seinen Brüdern, denn kein Versprechen hatte ihn verführen, kein Schein hatte ihn täuschen können, und er blieb zurückgezogen in seinem Schlosse Ile-Adam, wobei er sich mit dem Schmerze entschuldigte, den ihm der Tod seines Vaters, des Groß-Connetable Anne von Montmorency, verursachte, welcher in der Schlacht von Saint-Denis durch einen Pistolenschuß von Robert Stuart getödtet worden war. Da aber diese Begebenheit sich vor mehr als zwei Jahren ereignet hatte und sein gefühlvolles Wesen in jener Zeit eine sehr wenig modische Tugend war, so glaubte man von dieser übermäßig ausgedehnten Trauer nur das, was man glauben wollte.

Uebrigens gab Jedermann dem Marschall von Montmorency Unrecht; der König, die Königin, der Herzog von Anjou und der Herzog von Alençon machten vortrefflich die Honneurs des königlichen Festes.

Der Herzog von Anjou empfing die Hugenotten selbst mit wohlverdienten Complimenten über die zwei Schlachten von Jarnac und Moncontour, die er vor seinem achtzehnten Jahre gewonnen hatte, in dieser Beziehung also frühreifer, als Cäsar und Alexander, mit welchen man ihn verglich, indem man, wohl verstanden, die Sieger von Issus und Pharsalus unter ihn stellte. Der Herzog von Alençon schaute Alles mit seinem schmeichelnden, falschen Auge an. Die Königin Catharina strahlte vor Freude, und beglückwünschte, überströmend von Höflichkeiten, Heinrich von Condé zu seiner Vermählung mit Maria von Kleve. Die Herren von Guise selbst lächelten den furchtbaren Feinden ihres Hauses zu, und der Herzog von Mayenne plauderte mit Herrn von Tavannes und dem Admiral über den nahe bevorstehenden Krieg, den ihn an Philipp II. zu erklären er mehr als je im Sinne hatte.

Mitten unter diesen Gruppen ging, das Haupt leicht gebeugt, das Ohr, für jedes Wort offen, ein junger Mensch von etwa neunzehn Jahren mit seinem Auge, schwarzen, kurz geschnittenen Haaren, dicken Augenbrauen, mit adlerartig gebogener Nase, mit schlauem Lächeln und kaum erst sprießendem Barte hin und her. Dieser junge Mensch, welcher sich nur erst in dem Gefechte von Arnay-le-Duc durch seinen Muth bemerkbar gemacht hatte und Complimente über Complimente erhielt, war der viel geliebte Zögling von Coligny und der Held des Tages. Drei Monate vorher, das heißt, zu der Zeit, wo seine Mutter noch lebte, hatte man ihn den Prinzen von Bearn genannt. Jetzt nannte man ihn den König von Navarra in Erwartung der Epoche, wo man ihn Heinrich IV. nennen würde.

Zuweilen zog eine düstere, rasche Wolke über seine Stirne hin. Ohne Zweifel erinnerte er sich, daß seine Mutter vor kaum zwei Monaten gestorben war, und er zweifelte weniger als irgend Jemand daran, daß sie den Tod durch Gift erlitten hatte. Aber die Wolke war vorübergehend und verschwand wie ein schwebender Schatten; denn diejenigen, welche mit ihm sprachen, die ihn beglückwünschten, die sich an ihn drängten, waren dieselben Menschen, welche die muthige Johanna von Albret ermordet hatten.

Einige Schritte von dem König von Navarra sprach beinahe eben so gedankenvoll, beinahe eben so bekümmert, als der erstere freudig und offen zu sein heuchelte, der junge Herzog von Guise mit Téligny. Glücklicher als der Bearner hatte sein Ruf mit zweiundzwanzig Jahren beinahe den seines Vaters, des großen Franz von Guise, erreicht. Es war ein schmucker Herr von hohem Wachse, mit stolzem Blicke, und begabt mit jener natürlichen Majestät, welche die Leute sagen machte, wenn er vorüberging, neben ihm erschienen die übrigen Prinzen wie Pöbel. So jung er auch war, so sahen doch die Katholiken in ihm das Haupt ihrer Partei, wie die Hugenotten das Haupt der ihrigen in dem jungen Heinrich von Navarra erblickten, dessen Porträt wir so eben entworfen haben. Anfangs führte er den Titel eines Prinzen von Joinville, und er verrichtet seine erste Waffenthat bei der Belagerung von Orléans unter seinem Vater, der in seinen Armen starb und ihm den Admiral Coligny als seinen Mörder bezeichnete. Da leistete der junge Herzog, wie Hannibal, einen feierlichen Eid, die Ermordung seines Vaters an dem Admiral und seiner Familie zu rächen und seine Religionsangehörigen zu verfolgen, wobei er Gott gelobte, ihr Würgengel auf Erden zu sein bis zu dem Tage, wo der letzte Ketzer ausgerottet wäre. Nicht ohne ein tiefes Erstaunen sah man diesen seinem Worte gewöhnlich so treuen Prinzen denjenigen; welche er für seine ewige Feinde zu halten geschworen hatte, die Hand reichen und vertraulich mit dem Schwiegersohne des Mannes sprechen, dessen Tod er seinem sterbenden Vater gelobt hatte.

Aber wie gesagt, dieser Tag war ein Tag der Verwunderung. Mit der Kenntniß der Zukunft, welche leider den Menschen fehlt, mit der Fähigkeit, in den Herzen zu lesen, die zum Glücke nur Gott gehört, hätte der bevorzugte Beobachter, der diesem Feste beizuwohnen im Stande gewesen wäre, gewiß eines der seltsamsten Schauspiele genossen, welche die Jahrbücher der traurigen menschlichen Komödie liefern. Aber dieser Beobachter, welcher aus der innern Gallerie des Louvre nicht zu finden war, fuhr auf der Strafe fort, mit seinen flammenden Augen zu betrachten, mit seiner drohenden Stimme zu murren. Dieser Beobachter war das Volk, das mit seinem wunderbar geschärften Instinkte die Schatten seiner unversöhnlichen Feinde tanzen sah und ihre Eindrücke so genau übersetzte, als es der Neugierige vor den Fenstern eines hermetisch verschlossenen Ballsaales thun kann. Die Musik berauscht und beherrscht den Tänzer, während der Neugierige nur die Bewegung sieht und über die Drahtpuppe lacht, welche sich ohne allen Grund geberdet; denn der Neugierige hört die Musik nicht.

Die Scheine, welche den Augen der Pariser mitten in der Nacht hinzogen, waren die Zukunft beleuchtende Blitze ihres Hasses.

Und dennoch war im Innern fortwährend Alles lachend, und es durchlief sogar ein Gemurmel, süßer und freundlicher als je, in diesem Augenblicke den ganzen Louvre. Die junge Braut, nachdem sie ihre Staatsgewänder, den Schleppmantel und ihren langen Schleier abgelegt hatte, kehrte in den Ballsaal zurück, begleitet von der schönen Herzogin von Nevers, ihrer besten Freundin, und geführt von ihrem Bruder, Karl IX., der sie seinen vornehmsten Gästen vorstellte.

Diese Braut war die Tochter von Heinrich II., es war die Perle der Krone von Frankreich, es war Margarethe von Valois, welche der König Karl IX. In seiner zärtlichen Zuneigung für sie nie anders, als »meine Schwester Margot« nannte.

Gewiß war nie ein Empfang, so schmeichelhaft er auch sein mochte, besser verdient gewesen, als der welchen man in diesem Augenblick der neuen Königin von Navarra bereitete. Margarethe zählte zu dieser Zeit kaum Zwanzig Jahre und war bereits der Gegenstand der Lobeserhebungen aller Dichter, welche sie die Einen mit Aurora, die Andern mit Cythere verglichen. Es war in der That die Schönheit ohne Gleichen dieses Hofes, wo Catharina von Medicis, um ihre Sirenen daraus zu machen, die schönsten Frauen versammelt hatte, welche man finden konnte. Sie hatte schwarze Haare, einen glänzenden Teint, ein wollüstiges, von langen Wimpern verschleiertes Auge, einen frischrothen, feinen Mund, einen zierlichen Hals, eine reiche, geschmeidige Taille und einen in dem Atlasschuh sich verlierenden Kinderfuß. Die Franzosen, welche sie besaßen, waren stolz darauf, auf ihrem Boden eine so herrliche Blume blühen zu sehen, und die Fremden, welche nach Frankreich kamen, kehrten verblendet von ihrer Schönheit, wenn sie dieselbe nur gesehen hatten, im höchste Maße erstaunt über ihr Wissen, wenn sie mit ihr gesprochen hatten, zurück. Margarethe war nicht nur die schönste, sondern auch die gebildetste und gelehrteste Frau ihrer Zeit, und man führt das Wort eines gelehrten Italieners an, der ihr vorgestellt wurde und nachdem er eine Stunde lang in italienischer, spanischer und lateinischer Sprache mit ihr geplaudert hatte, als er sie verließ, in seiner Begeisterung von ihr sagte: den Hof sehen, ohne Margarethe zu sehen, heißt weder Frankreich noch den Hof sehen.

Es fehlte nicht an Reden für Karl IX. und die Königin zu Navarra. Man weiß, in welchem Masse die Hugenotten Redner waren. Viele Anspielungen auf die Vergangenheit, viele Fragen in Beziehung auf die Zukunft wurden mitten unter diesen Reden an den König gerichtet; aber auf alle diese Anspielungen antwortete er mit seinen bleichen Lippen und seinem verschmitzten Lächeln:

»Indem ich meine Schwester Margot Heinrich von Navarra gebe, gebe ich sie allen Protestanten des Königreiches.«

Dieses Wort beruhigte die Einen und machte die Andern lächeln; denn es war wirklich doppelsinnig. Der eine Sinn war väterlich und Karl IX. wollte mit gutem Gewissen seinen Geist nicht damit belästigen; der andere war verletzend für die Neuvermählte, für ihren Gemahl und sogar für denjenigen, welcher ihn aussprach; denn er erinnerte an einige dumpfe scandalöse Gerüchte, mit denen die Chronik des Hofes den Hochzeitrock von Margarete von Valois zu beflecken Mittel gefunden hatte.

Herr von Guise plauderte indessen wie gesagt mit Téligny; aber er schenkte der Unterhaltung keine so beharrliche Aufmerksamkeit, daß er nicht zuweilen umgewendet hatte, um einen Blick auf die Gruppe von Damen zu werfen, in deren Mitte die Königin von Navarra glänzte. Wenn der Blick der Prinzessin dem des jungen Herzogs begegnete, so schien Wolke die reizende Stirne zu verdunkeln, um welche Sterne von Diamanten eine zitternde Glorie bildeten und irgend ein unbestimmter Plan drang aus ihrer ungeduldigen, bewegten Haltung hervor.

Die Prinzessin Claudia, die ältere Schwester von Margarethe, welche einige Jahre vorher den Herzog von Lothringen geheirathet hatte, bemerkte diese Unruhe und näherte sich ihr, um nach der Ursache zu fragen, als Jedermann vor der Königin Mutter, welche auf den Arm des jungen Prinzen von Condé gestützt, herbeikam, zurückwich, und die Prinzessin sich ferne von ihrer Schwester gedrängt sah. Es herrschte nun eine allgemeine Bewegung, welche der Herzog von Guise benutzte, um sich Frau von Nevers, seiner Schwägerin, und folglich auch Margarethe zu nähern. Die Herzogin von Lothringen, welche die Königin nicht aus dem Auge verlor, sah, statt der Wolke, die sie auf ihrer Stirne wahrgenommen hatte, eine glühende Flamme über ihre Wangen hinziehen. Der Herzog kam indessen immer näher, und als er nur noch zwei Schritte von Margarethe entfernt war, wandte sich diese, welche ihn mehr zu fühlen als zu sehen schien, nach ihm um, wobei sie sich unendlich anstrengte, um ihrem Gesichte die Ruhe der Sorglosigkeit zu geben.

Der Herzog verbeugte sich nun ehrfurchtsvoll, und während er sich verbeugte, murmelte er mit halber Stimme:

»Ipse attuli.«

Was bedeutete:

»Ich habe es selbst gebracht.«

Margarethe gab dem jungen Herzog seine Begrüßung zurück und ließ aufstehend die Antwort fallen:

»Noctu pro more.«

»Das heißt:«

»Diese Nacht wie gewöhnlich.«

Durch den ungeheuren gefältelten Kragen der Prinzessin wie in einem Sprachrohre aufgefangen, wurden diese Worte nur von der Person gehört, an welche man sie richtete. So kurz aber auch dieser Zwiesprach gewesen war, so umfaßte er doch ohne Zweifel Alles, was die zwei jungen Leute sich zu sagen hatten; denn nach dem Austausche von zwei Worten gegen drei trennten sie sich, Margarethe die Stirne träumerischer und der Herzog die Stirne strahlender, als ehe sie sich genähert hatten. Diese kleine Scene fand statt, ohne daß der Mann, der am Meisten dabei betheiligt war, im Geringsten darauf aufmerksam zu sein schien; denn der König von Navarra hatte seinerseits nur ein Auge für eine einzige Person, welche um sich her einen eben so zahlreichen Hof versammelte, als Margarethe von Valois. Diese Person war die schöne Frau von Sauves.

Charlotte von Beaune-Semblançay, Enkelin des unglücklichen Semblancap und Frau von Simon von Fizes, Baron von Sauves, war eine von den Hofdamen von Catharina von Medicis und eine der furchtbarsten Gehilfinnen dieser Königin, welche ihren Feinden den Liebestrank eingoß, wenn sie ihnen nicht das florentinische Gift einflößen konnte. Eine kleine Blonde, abwechselnd sprühend von Lebhaftigkeit oder schmachtend von Schwermuth, stets bereit zur Liebe und zur Intrigue, zu diesen zwei großen Beschäftigungen, welche seit fünfzig Jahren den Hof der drei auf einander folgenden Könige einnahmen, eine Frau in der vollen Bedeutung des Wortes und in dem vollen Zauber der Sache, von rein schmachtenden oder in Flammen glänzenden blauen Auge bis zu den zierlichen, in ihren Sammetschuhen wohlgebogenen, kleinen Füßen, hatte sich Frau von Sauves seit einigen Monaten aller Fähigkeiten und Kräfte des Königs von Navarra bemächtigt, der um diese Zeit auf der Liebeslaufbahn wie auf der politischen Laufbahn debutirte, so daß Margarethe von Valois, eine königliche, prachtvolle Schönheit, in dem Herzen ihres Gatten nicht einmal mehr Bewunderung gefunden hatte; und worüber sich Jedermann wunderte, selbst Catharina von Medicis, diese Seele voll finsterer Geheimnisse, hatte, während sie ihren Heiratsplan zwischen ihrer Tochter und dem König von Navarra verfolgte, nicht aufgehört, die Liebe des letzteren zu Frau von Sauves zu begünstigen. Aber trotz dieser mächtigen Hilfe und trotz der leichten Sitten der Zeit, hatte die schöne Charlotte bis jetzt Widerstand geleistet, und aus diesem unbekannten, unglaublichen Widerstande, aus diesem Widerstande, welcher noch viel unerhörter erschien, als die Schönheit und der Geist der Widerstehenden, war in dem Herzen des Bearners eine Leidenschaft entstanden, welche, da sie sich nicht befriedigen konnte, sich auf sich selbst zurückwarf und in dem Herzen des jungen Königs die Schüchternheit, den Stolz und sogar jene halb philosophische, halb der Trägheit entspringende Sorglosigkeit verschlang, welche den Grund seines Charakters bildete.

Frau von Sauves war wohl seit einigen Minuten in den Saal eingetreten. Mag es nun Trotz, mag es Schmerz gewesen sein sie war Anfangs entschlossen, dem Triumphe ihrer Nebenbuhlerin nicht beizuwohnen, und ließ unter dem Vorwande einer Unpäßlichkeit ihren Gatten, der seit fünf Jahren Staatssecretär war, allein nach dem Louvre gehen. Als aber Catharina von Medicis den Baron von Sauves ohne seine Gemahlin erscheinen sah, fragte sie nach den Ursachen, welche ihre viel geliebte Charlotte entfernt hielten, und da sie erfuhr, es wäre nur eine leichte Unpäßlichkeit, schrieb sie ihr ein paar Worte, denen die junge Frau zu gehorchen sich beeilte. Anfangs ganz betrübt über ihre Abwesenheit, athmete Heinrich indessen doch freier, als er Herrn von Sauves allein eintreten sah. In dem Augenblick aber, wo er, keineswegs dieser Erscheinung gewärtig, seufzend sich dem liebenswürdigen Geschöpfe zu nähern im Begriffe war, das er, wenn nicht zu lieben, doch wenigstens als Gemahlin zu behandeln verdammt sein sollte, sah er am Ende der Gallerie Frau von Sauves auftauchen. Nun blieb er an seinen Platz genagelt, die Augen starr nach der Circe gerichtet, die ihn mit einem magischen Bande an sich fesselte, und statt seinen Gang n seiner Gemahlin fortzusetzen, schritt er mit einem zögern, das mehr dem Staunen als der Furcht zuzuschreiben war, auf Frau von Sauves zu.

Die Höflinge, als sie sahen, daß der König von Navarra, dessen entzündbares Herz man bereits kannte, sich der schönen Charlotte näherte, hatten nicht den Muth, sich ihrem Zusammenkommen zu widersetzen, und entfernten sich gefällig, so daß in demselben Augenblicke, wo Margarethe von Valois und Herr von Guise die von uns erwähnten lateinischen Worte wechselten, Heinrich, bei Frau von Sauves angelangt, mit dieser in sehr verständlichem, obwohl mit gascognischem Accente bestreutem, Französisch ein minder geheimnißvolles Gespräch anknüpfte.

»Ah, mein Herz,« sagte er zu ihr, »Ihr kommt in dem Augenblick, wo man mir mittheilte, Ihr wäret krank, wo ich jede Hoffnung verlor, Euch zu sehen.«

»Sollte mich Eure Majestät glauben machen wollen,« antwortete Frau von Sauves, »der Verlust dieser Hoffnung hätte sie viel gekostet?«

»Bei Blut, ich glaube wohl,« versetzte der Bearner. »Wisst Ihr nicht, daß Ihr meine Sonne bei Tag und mein Stern bei Nacht seid? In der That, ich wähnte mich in der tiefsten Finsterniß, als Ihr so eben erschienet und Alles beleuchtetet.«

»Dann spiele ich Euch einen schlimmen Streich, Sire.«

»Was wollt Ihr damit sagen, mein Herz?« fragte Heinrich.

»Ich will damit sagen, daß man, wenn man Herr der schönsten Frau von Frankreich ist, nur Eines wünschen kann: es möge das Licht verschwinden, um der Dunkelheit Platz zu machen, denn in der Dunkelheit erwartet uns das Glück.«

»Dieses Glück, Schlimme, liegt, wie Ihr wohl wißt, in den Händen einer einzigen Person, und diese Person lacht und spottet über den armen Heinrich!«

»Oh,« versetzte die Baronin, »ich hätte im Gegentheil geglaubt, es wäre diese Person, welche dem König von Navarra zum Gelächter und Spotte diente.«

Heinrich erschrak über diese feindselige Haltung und dennoch bedachte er, daß sie Trotz verieth und daß der Trotz nur die Maske der Liebe ist.

»Ja der That, liebe Charlotte,« sagte er, »Ihr macht mir da einen ungerechten Vorwurf, und ich begreife nicht, wie ein so schöner Mund zugleich so grausam sein kann. Glaubt Ihr denn, ich heirathe? O nein, Ventre-saint-gris! nicht ich!«

»Ich, vielleicht,« versetzte die Baronin spitzig, wenn die Stimme der Frau, die uns liebt und uns zum Vorwurfe macht, daß wir sie nicht lieben, spitzig erscheinen kann.

»Habt Ihr mit Euren schönen Augen nicht weiter gesehen, Baronin? Nein, es ist nicht Heinrich von Navarra, welcher Margarethe von Valois heirathet.«

»Und wer ist es denn sonst?«

»Ei, Bei Gott! es ist die reformirte Religion, welche den Papst heirathet und nichts Anderes!«

»Nein, nein, Monseigneur, ich lasse mich nicht durch Eure Wortspiele hintergehen. Eure Majestät liebt Frau Margarethe, und Gott soll mich behüten, daß ich Euch dies zum Vorwurfe mache. Sie ist schön genug, um geliebt zu werden.«

Heinrich dachte einen Augenblick nach, und während er nachdachte zog ein feines Lächeln die Winkel seiner Lippen etwas in die Höhe.

»Baronin,« sagte er, »Ihr sucht Streit mit mir, wie es scheint, und seid doch nicht berechtigt dazu. Laßt hören, was habt Ihr gethan, um mich von der Vermählung mit Frau Margarethe abzuhalten. Nichts. Ihr ließt mich im Gegentheil verzweifeln.«

»Und dafür bestrafte mich Monseigneur.«

»Wie so?«

»Allerdings, da Ihr heute eine Andere heirathet.«

»Ah, ich heirathe, weil Ihr mich nicht liebet.«

»Wenn ich Euch geliebt hätte, Sire, müsste ich also in einer Stunde sterben.«

»In einer Stunde, was wollt Ihr damit sagen? Und welchen Tod würdet Ihr sterben?«

»Den Tod der Eifersucht, denn in einer Stunde wird die Königin von Navarra ihre Frauen und Eure Majestät ihre Herren wegschicken.«

»Ist das wirklich der Gedanke, der Euch beschäftigt, mein Herz?«

»Das sage ich nicht; ich sage nur, wenn ich Euch liebte, würde mich dieser Gedanke furchtbar beunruhigen.«

»Nun wohl,« rief Heinrich voll Freude, als er dieses Geständnis, das erste, welches er empfing, hörte, »wenn nun der König von Navarra die Herren seines Hofes diesen Abend nicht wegschickte? …«

»Sire,« sagte Frau von Sauves und schaute dabei den König mit einem Erstaunen an, welches diesmal nicht geheuchelt war, »Ihr sprecht da unmögliche und besonders unglaubliche Dinge.«

»Was soll ich thun, damit Ihr sie glaubt?«

»Ihr müßtet mir den Beweis geben, und diesen Beweis könnt Ihr nicht geben.«

»Allerdings, Baronin, allerdings. Bei dem heiligen Heinrich! ich werde ihn Euch im Gegentheil geben!« rief der König, die junge Frau mit einem liebeglühenden Blicke verzehrend.

»Oh, Eure Majestät,« murmelte die schöne Charlotte, die Stirne und die Augen senkend … »ich begreife nicht … nein, nein, ihr könnt dem Glücke, das Eurer harrt, unmöglich entgehen …«

»Es gibt vier Heinrich in diesem Saale, meine Angebetete,« versetzte der König, »Heinrich von Frankreich, Heinrich von Condé, Heinrich von Guise; aber es gibt nur einen Heinrich von Navarra.«

»Nun?«

»Nun wenn Ihr diesen Heinrich von Navarra die ganze Nacht bei Euch hättet?«

»Diese ganze Nacht?«

»Ja, werdet Ihr dann überzeugt sein, daß er bei keiner Andern ist?«

»Ah! wenn Ihr das thut, Sire?« rief die Dame von Sauve.

»Bei meinem adeligen Worte, ich thue es!«

Frau von Sauves schlug ihre von wollüstigen Versprechungen feuchten Augen auf und lächelte dem König zu, dessen Herz sich mit berauschender Freude füllte.

»Lasst hören,« versetzte Heinrich, »was werdet Ihr dann sagen?«

»Oh, dann werde ich sagen,« antwortete Charlotte, »ich sei wirklich von Eurer Majestät geliebt.«

»Ventre-saint-gris! Ihr müßt es sagen, denn es ist so, Baronin!«

»Aber was ist zu thun?« murmelte Frau von Sauves.

»Ah, bei Gott, Baronin, Ihr müßt nothwendig in Eurer Umgebung irgend eine Kammerfrau, irgend eine Zofe haben, auf die Ihr Euch verlassen könnt.«

»Oh, ich habe Dariole, die mir sehr ergeben ist, die sich für mich in Stücke zuschneiden ließe, ein wahrer Schatz!«

»Bei Gott, Baronin, sagt dieser Zofe, ich werde ihr Glück machen, wenn ich einmal König von Frankreich bin, wie mir die Astrologen weissagen.«

Charlotte lächelte, denn schon zu dieser Zeit war der gascognische Ruf des Bearners in Beziehung auf Versprechungen gegründet.

»Nun? sagte sie, »was verlangt Ihr von Dariole?«

»Sehr wenig für sie, Alles für mich.«

»Laßt hören.«

»Eure Gemach liegt über dem meinigen?«

»Ja.«

Sie warte an der Thüre. Ich klopfe dreimal an, sie wird öffnen, und Ihr habt den Beweis, den ich Euch anbot.«

Frau von Sauves schwieg ein paar Sekunden; dann, als ob sie um sich her geschaut hätte, um nicht gehört zu werden, heftete sie einen Moment ihre Augen auf die Gruppe, welche bei der Königin Mutter weilte; aber so kurz dieser Moment auch war, so genügte er doch das Catharina und ihre Kammerdame einen Blick austauschten.

»Oh, wenn ich wollte,« sagte Frau von Sauves, mit einem Sirenentone, der das Wachs in den Ohren von Ulysses schmelzen gemacht hatte, »wenn ich Eure Majestät auf einer Lüge ertappen wollte …«

»Versucht es, mein Herz. versucht es …«

»Ah, meiner Treue! ich bekämpfe die Lust dazu.«

»Seht Euch besiegt; die Frauen sind nie stärker, als nach ihrer Niederlage.«

»Sire, ich nehme Euer Versprechen für Dariole an, … am Tage, wo Ihr König von Frankreich werdet …«

Heinrich stieß einen Freudenschrei aus.

Dieser Schrei entschlüpfte dem Munde des Bearners gerade in dem Augenblick, wo die Königin von Navarra dem Herzog von Guise antwortete.

Noctu pro more– diese Nacht wie gewöhnlich.

Heinrich entfernte sich nun von Frau von Sauves, so glücklich als der Herzog von Guise war, da er sich von Margarethe von Valois entfernte.

Eine Stunde nach dieser Doppelscene zogen sich der König Karl und die Königin Mutter in ihre Gemächer zurück. Sogleich fingen die Säle an sich zu leeren, die Gallerien ließen die Base ihrer Marmorsäulen erschauen, der Admiral und der Prinz von Condé wurden von vierhundert hugenottischen Edelleuten mitten durch die bei ihrer Erscheinung murrende Menge geführt. Heinrich von Guise entfernte sich ebenfalls mit den lothringischen Herren und den Katholiken, geleitet von dem Freudengeschrei und dem Beifallklatschen des Volkes.

Was Margarethe von Valois, Heinrich von Navarra und Frau von Sauves betrifft, so weiß man, daß sie im Louvre selbst blieben.

Königin Margot

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