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Erstes bis viertes Bändchen
II.
Das Gemach der Königin von Navarra

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Der Herzog von Guise führte seine Schwägerin die Herzogin von Nevers, in ihr Hotel zurück, das in der Rue du Chaume, der Rue de Brac gegenüber, lag, und ging, nachdem er sie ihren Frauen übergeben hatte, in seine Wohnung, um die Kleider zu wechseln, einen Nachtmantel anzuziehen und sich mit einem von den kurzen, spitzigen Dolchen zu bewaffnen, die man ein Edelmannswort nannte und die ohne den Degen getragen wurden. Im Augenblicke aber, wo er den Dolch von dem Tische nahm, auf welchem er lag, erblickte er ein kleines Billet, das zwischen der Klinge und der Scheide stack.

Er öffnete es und las, wie folgt:

»Ich hoffe, daß Herr von Guise diese Nacht nicht in den Louvre zurückkehren wird, oder wenn er zurückkehrt, daß er wenigstens so vorsichtig sein wird, sich mit einem guten Panzerhemde und einem guten Schwerte zu bewaffnen.«

»Ah! Ah!« sprach der Herzog, sich gegen seinen Kammerdiener umwendend, »das ist eine seltsame Warnung, Meister Robin. Mache mir doch das Vergnügen, mir zu sagen, welche Personen während meiner Abwesenheit hier eingedrungen sind?«

«Eine einzige, Monseigneur.«

»Welche?«

»Herr du Gast.«

»In der That, ich glaubte seine Handschrift zu erkennen. Weißt Du gewiß, das du Gast hierher gekommen ist? hast Du ihn gesehen?«

»Ich habe mehr gethan, Monseigneur, ich habe mit ihm gesprochen.«

»Gut, ich werde seinen Rath befolgen. Meine Jacke und meinen Degen.«

An ein solches Kleiderwechseln gewöhnt, brachte der Kammerdiener das Eine und das Andere. Der Herzog legte nun seine Jacke an, welche aus so geschmeidigen Kettengliedern bestand, das das Stahlgewebe kaum dicker war, als Sammet; dann streifte er darüber eine Hose und ein grau und silbernes Wamms, was seine Lieblingsfarbe war, zog lange Stiefeln an, welche bis an die Mitte seiner Lenden gingen, setzte ein schwarzes Sammetbaret ohne Federn und Edelsteine auf, hüllte sich in einen Mantel von düsterer Farbe, steckte einen Dolch in den Gürtel, gab seinen Degen in die Hände eines Pagen, der einzigen Escorte, von der er sich wollte begleiten lassen, und schlug den Weg nach dem Louvre ein. Als er aus dem Hotel trat, kündigte der Wächter von Saint-Germain-l’Auxerrois ein Uhr Morgens an.

So weit die Stunde auch vorgerückt war und so wenig Sicherheit man damals auf den Straßen hatte, so begegnete dem abenteuerlichen Prinzen aus dem Wege doch kein Unfall, und er gelangte wohlbehalten vor die colossale Masse des alten Louvre, der sich, nachdem alle seine Lichter allmählich erloschen waren, furchtbar in seinem Schweigen und in seiner Dunkelheit erhob.

Vor dem königlichen Schlosse breitete sich ein tiefer Graben ans, auf den die meisten Zimmer der im Palaste wohnenden Prinzen gingen. Die Gemächer von Margarethe lagen im ersten Stocke.

Dieser, wenn kein Graben da gewesen wäre, zugängliche, erste Stock war in Folge der Verschanzung beinahe dreißig Fuß hoch und folglich außer dem Bereiche der Liebenden und der Diebe, was den Herrn Herzog von Guise nicht abhielt, muthig in den Graben hinabzusteigen.

In demselben Augenblick hörte man das Geräusch eines Fensters, das im Erdgeschosse geöffnet wurde.

Dieses Fenster war vergittert, aber es erschien eine Hand, hob eine zum Voraus losgemachte Stange aus und ließ durch diese Öffnung eine seidene Schlinge herabhängen.

»Seid Ihr es, Gillonne?« sagte der Herzog mit leiser Stimme.

»Ja,« antwortete eine Weiberstimme noch leiser.

»Und Margarethe?« -

»Sie erwartet Euch.«

»Gut.«

Bei diesen Worten machte der Herzog seinem Pagen ein Zeichen; er öffnete seinen Mantel und entrollte eine kleine Strickleiter. Der Prinz knüpfte eines von den Enden der Leiter an die herabhängende Schlinge. Gillonne zog die Leiter an sich, befestigte sie und der Prinz fing an, nachdem er seinen Degen, an den Gürtel geschnallt hatte, hinaufzusteigen, und erreichte die Höhe ohne einen Unfall. Hinter ihm wurde die Stange wieder an ihren Platz gebracht, das Fenster schloß sich und der Page, nachdem er seinen Herrn friedlich hatte in den Louvre schlüpfen sehen, zu dessen Fenstern er ihm wohl mehr als zwanzigmal auf dieselbe Weise gefolgt war, legte sich, in seinen Mantel gehüllt, auf den Boden des Grabens und in den Schatten der Mauer.

Es war eine finstere Nacht und einige Tropfen fielen lau und breit aus der mit Schwefel und electrischem Stoffe beladenen Wolke.

Der Herzog von Guise folgte der Führerin, welche nichts Geringeres war, als die Tochter von Jacob von Matignon Marschall von Frankreich! Sie war die innige Vertraute von Margarethe, welche kein Geheimnis vor ihr hatte, und man behauptete, unter der Zahl der Mysterien, welche ihre unbestechliche Treue verschloß, wären so furchtbare, daß diese sie nöthigten auch die andern zu bewahren.

Es war weder in den unteren Zimmern noch in den Gängen ein Licht geblieben; nur von Zeit zu Zeit beleuchtete ein bleicher Blitz die düsteren Gemächer mit einem bläulichen Reflexe, der sogleich wieder verwand.

Beständig von seiner Führerin geleitet, die ihn an der Land hielt, erreichte der Herzog endlich eine in der tiefe einer Mauer angebrachte Wendeltreppe, die sich durch eine geheime, unsichtbare Thüre in das Vorgemach der Wohnung von Margarethe öffnete.

Das Vorgemach war wie die Säle unten, wie die Corridors, wie die Treppen, in tiefe Finsternis gehüllt.

In diesem Vorgemache angelangt, blieb Gillonne stille stehen.

»Habt Ihr mitgebracht, was die Königin zu haben wünscht? fragte sie mit leiser Stimme.

»Ja,« antwortete der Herzog von Guise, »aber ich werde es nur Ihrer Majestät selbst zustellen.«

»Kommt also, und zwar ohne einen Augenblick zu verlieren,« sprach nun mitten in der Dunkelheit eine Stimme, die den Herzog beben machte, denn er erkannte darin die von Margarethe.

Und zu gleicher Zeit öffnete sich eine Portiére von veilchenblauem, mit goldenen Lilien bestreutem Sammet. Der Herzog erblickte im Schatten die Königin selbst, welche ihm in ihrer Ungeduld entgegengegangen war.

»Hier bin ich, Madame,« sprach der Herzog. Und er schlüpfte rasch auf die andere Seite der Portiére welche hinter ihm herabfiel.

Nun war es an Margarethe von Valois, dem Prinzen in der ihm übrigens wohl bekannten Wohnung als Führerin zu dienen, während Gillonne, welche an der Thüre geblieben war, den Finger an ihren Mund legend, ihre königliche Gebieterin beruhigt hatte.

Margarethe führte den Herzog, als hätte sie seine eifersüchtige Unruhe errathen, bis in ihr Schlafgemach. Hier blieb sie stille stehen.

»Nun!« sagte sie zu ihm, »seid Ihr zufrieden, Herzog?«

»Zufrieden, Madame?« fragte dieser, »ich bitte Euch worüber?«

»Ueber diesen Beweis, den ich Euch gebe,« versetzte Margarethe mit einem leichten Ausdrucke des Ärgers, »daß ich einem Manne angehöre, der an dem Abend seiner Verheirathung, ja sogar in der Hochzeitnacht sich so wenig aus mir macht, daß er nicht einmal gekommen ist, um mir für die Ehre zu danken, die ich ihm erwies, nicht daß ich ihn wählte, sondern das ich ihn zum Gemahl annahm.«

»Oh! Madame,« versetzte der Herzog traurig, »seid unbesorgt, er wird noch kommen, besonders wenn Ihr es wünscht.«

»Und Ihr sagt dies, Heinrich,« rief Margarethe, »Ihr, der Ihr unter Allen gerade das Gegentheil von dem wißt, was Ihr sagt! Hätte ich den Wunsch, den Ihr bei mir voraussetzt, würde ich Euch dann gebeten haben, in den Louvre zu kommen?«

»Ihr habt mich gebeten, in den Louvre zukommen, Margarethe, weil Ihr jede Spur unserer Vergangenheit zu tilgen wünscht, und weil diese Vergangenheit nicht nur in meinem Herzen, sondern auch in diesem silbernen Kistchen lebte, das ich Euch überbringe.«

«Heinrich, soll ich Euch etwas sagen?« versetzte Margarethe, und schaute den Herzog dabei fest an. »Ihr macht nicht mehr die Wirkung eines Prinzen, sondern die eines Schülers auf mich. Ich leugnen, daß ich Euch geliebt habe! Ich eine Flamme ersticken wollen, welche vielleicht sterben wird, deren Reflex aber nie stirbt! Denn die Liebschaften von Personen meines Ranges beleuchten und verzehren oft ihre ganze Epoche; nein, nein, mein Herzog! Ihr könnt die Briefe Eurer Margarethe und das Kistchen, das sie Euch gegeben hat, behalten. Von allen Briefen, welche dieses Kistchen enthält, verlangt sie nur einen einzigen, und zwar nur, weil dieser Brief eben so gefährlich für Euch, als für sie ist.«

»Alles gehört Euch,« sprach der Herzog, »nehmt also den heraus, welchen Ihr vernichten wollt.«

Margarethe durchwühlte rasch das offene Kistchen und nahm, einen nach dem andern, ein Dutzend Briefe heraus, deren Adresse sie zu beschauen sich begnügte, als ob bei der Ansicht dieser Adressen allein ihr Gedächtniß sie an den Inhalt der Briefe erinnerte; aber an das Ende ihrer Forschung gelangt, schaute sie den Herzog an und sagte erbleichend.

»Mein Herr, der Brief, den ich suche, ist nicht hier; solltet Ihr ihn zufällig verloren haben? denn daß er abgeliefert worden ist …«

»Welchen Brief sucht Ihr, Madame?«

»Denjenigen, in welchem ich Euch schrieb, Ihr solltet Euch sogleich verheirathen.«

»Um Eure Untreue zu entschuldigen.«

Margarethe zuckte die Achseln.

»Nein, sondern um Euch das Leben zu retten. Derjenige, in welchem ich Euch sagte, daß der König unsere Liebe und meine Bemühungen, Eure zukünftige Verbindung mit der Infantin von Portugal abzubrechen, wahrnehmend, seinen Bruder, den Bastard von Angoulème habe kommen lassen und, ihm zwei Schwerter zeigend, gesagt habe: »»Mit diesem tödte heute Abend Heinrich von Guise oder ich tödte Dich morgen mit Jenem.«« Dieser Brief, wo ist er?«

»Hier,« antwortete der Herzog und zog ihn aus seiner Brust hervor.

»Margarete riß ihn beinahe seinen Händen, öffnete ihn rasch. versicherte sich, daß es wirklich der geforderte war, stieß ein Freudengeschrei aus und näherte ihn der Kerze. Die Flamme theilte sich sogleich dem Papier mit, das in einem Augenblick von dem Feuer verzehrt war. Dann, als hätte Margarethe gefürchtet, man könnte den unklugen Rath sogar in der Asche suchen, zertrat sie diese unter ihren Füßen. Der Herzog von Guise folgte während dieser ganzen fieberhaften Geschäftigkeit seiner Geliebten mit den Augen.

»Nun, Margarethe,« sprach er, als sie damit zu Ende war, »seid Ihr jetzt zufrieden?«

»Ja, denn da Ihr nun die Prinzessin von Porcian geheirathet habt, so wird mir mein Bruder Eure Liebe verzeihen, während er mir die Enthüllung eines Geheimnisses wie dieses, das ich in meiner Schwäche vor Euch zu verbergen nicht die Kraft hatte, nie verziehen hätte.«

»Das ist wahr,« sprach der Herzog von Guise, »zu jener Zeit liebtet Ihr mich.«

»Ich liebe Euch noch, Heinrich, ich liebe Euch noch eben so sehr, und vielleicht mehr als je.«

»Ihr …«

»Ja, ich, denn mehr als je bedarf ich heute eines aufrichtigen und ergebenen Freundes. Als Königin habe ich keinen Thron, als Frau keinen Gatten.«

Der Prinz schüttelte traurig den Kopf.

»Aber wenn ich Euch sage, wenn ich Euch wiederhole, daß mein Gatte mich nicht nur nicht liebt, sondern daß er mich haßt, daß er mich verachtet … Ueberdies scheint mir Eure Anwesenheit in dem Zimmer, wo er sein sollte, ein vollgültiger Beweis für diesen Haß und diese Verachtung zu sein.«

»Es ist noch nicht spät, Madame, und der König von Navarra brauchte Zeit, um seine Edelleute zu entlassen. Ist er noch nicht gekommen, so wird er doch bald erscheinen.«

»Und ich sage Euch,« rief Margarethe mit wachsendem Ärger, »ich sage Euch, daß er nicht kommen wird.«

»Madame!« rief Gillonne, die Thüre öffnend und die Portiére aufhebend, »Madame, der König von Navarra verläßt sein Gemach.«

»Oh! ich wußte es wohl, daß er kommen würde,« sprach der Herzog von Guise.

»Heinrich,« sagte Margarethe mit kurzem Tone, und den Herzog bei der Hand ergreifend, »Heinrich, Ihr sollt sehen, ob ich eine Frau von Wort bin und ob man auf das, was ich einmal gesprochen habe, bauen kann. Heinrich, tretet in dieses Cabinet.«

»Madame, laßt mich gehen, wenn es noch Zeit ist, denn bedenkt, daß ich bei dem ersten Zeichen von Liebe, das er Euch gibt, dieses Cabinet verlasse … und dann, wehe ihm!«

»Ihr seid ein Narr; geht hinein, geht hinein, sage ich Euch, ich stehe für Alles.«

Und sie stieß den Herzog in das Cabinet.

Es war die höchste Zeit. Kaum war die Thüre hinter dem Prinzen geschlossen, als der König von Navarra, begleitet von zwei Pagen, welche acht rosenfarbige Kerzen auf zwei Candelabern trugen, lächelnd auf der Schwelle des Gemaches erschien.

Margarethe verbarg ihre Unruhe unter einer tiefen Verbeugung.

»Ihr seid noch nicht zu Bette?« fragte der Bearner mit seinem offenen, heiteren Gesichte. »Habt Ihr mich zufällig erwartet?«

»Nein, Herr,« antwortete Margarethe, »denn noch gestern sagtet Ihr mir, Ihr wüßtet wohl, unsere Heirath wäre nur eine politische Verbindung, und Ihr würdet mir nie Zwang anthun.«

»Ganz gut; das ist aber kein Grund, daß wir nicht ein wenig miteinander plaudern sollten. »Gillonne, schließt die Thüre und laßt uns allein.«

Margarethe stand auf und streckte die Hand aus, als wollte sie den Pagen befehlen, zu bleiben.

»Soll ich Euere Frauen rufen?« fragte der König. »Ich werde es thun, wenn Ihr es wünscht, obgleich es mir in Beziehung auf die Dinge, welche ich Euch zu sagen habe, lieber wäre, wenn wir unter vier Augen blieben.«

Und der König von Navarra ging auf das Cabinet zu.

»Nein,« rief Margarethe, ihm ungestüm entgegentretend, »nein, es ist unnöthig, ich bin bereit, Euch zu hören.«

Der Bearner wußte, was er wissen wollte; er warf einen raschen, scharfen Blick nach dem Cabinet, als hätte er, trotz des Vorhanges, der es bedeckte, seine düsterste Tiefe durchdringen wollen; dann aber sprach er, seine Blicke wieder auf seine vor Schrecken bleiche Gemahlin zurücklenkend:

»Wenn Ihr so wollt, plaudern wir einen Augenblick.«

»Wie es Euerer Majestät gefällig ist,« antwortete die junge Frau, auf den Stuhl, den ihr Gemahl ihr bezeichnete, mehr zurückfallend, als sich setzend.

Der Bearner setzte sich neben sie.

»Madame,« fuhr er fort, »was auch viele Leute sagen mochten, unsere Heirath ist eine gute Heirath. Ich bin gut für Euch und Ihr seid gut für mich.«

»Aber, …« sprach Margarethe erschrocken.

»Wir müssen also,« fuhr der König von Navarra fort, ohne daß er das Zögern von Margarethe zu bemerken schien, »wir müssen als gute Verbündete gegen einander handeln, da wir heute vor Gott einen Bund und beschworen haben. Ist das nicht auch Eure Meinung?«

»Allerdings.«

»Ich weiß, Madame, wie groß Euer Scharfsinn ist; ich weiß, wie der Boden des Hofes von gefährlichen Abgründen durchzogen ist; nun aber bin ich jung, und habe, obgleich ich nie einem Menschen Böses zufügte, eine Menge von Feinden. Zu welchem Lager muß ich diejenige rechnen, Madame, welche meinen Namen führt und mir vor dem Altare Ergebenheit geschworen hat?«

»Oh! Herr, könntet Ihr denken …«

»Ich denke nichts, Madame, ich hoffe und will mich versichern, daß meine Hoffnung gegründet ist. Unsere Heirath ist offenbar nur ein Vorwand oder eine Falle.«

Margarethe bebte, dieser Gedanke hatte sich auch vielleicht in ihrem Geiste geregt.

»Sprecht nun, welches von Beiden ist es?« fuhr Heinrich von Navarra fort. »Der König haßt mich, der Herzog von Anjou haßt mich, der Herzog von Alençon hast mich, Catharina von Medicis haßte meine Mutter zu sehr, um mich nicht auch zu hassen.«

»Oh! Herr, was sagt Ihr?« »

»Die Wahrheit, Madame,« versetzte der König, »und damit man nicht glauben möchte, ich wäre blind in Beziehung auf die Ermordung von Herrn von Mouy und die Vergiftung meiner Mutter, wünschte ich wohl, es wäre Jemand hier, der mich hören könnte.«

»Oh! Herr,« rief Margarethe lebhaft und mit der ruhigsten, lächelndsten Miene, die sie anzunehmen vermochte, »Ihr wißt, daß Niemand außer Euch und mir hier ist.«

»Das ist es gerade, warum ich mich gehen lasse, das ist es, warum ich Euch zu sagen wage, daß ich weder der Thor der Schmeicheleien des Hauses Frankreich, noch der des Hauses Lothringen bin.«

»Sire! Sire!« rief Margarethe.

»Nun, was gibt es denn?« fragte Heinrich lächelnd.

»Was es gibt? … Solche Gespräche sind gefährlich.«

»Wenn man allein ist, nicht,« versetzte der König. »Ich sagte Euch also …«

Margarethe war sichtbar auf der Folter; sie hätte gern ein Wort auf den Lippen des Königs zurückgehalten, aber Heinrich fuhr mit seiner scheinbaren Gutmüthigkeit fort.

»Ich sagte Euch also, ich wäre von allen Seiten bedroht, bedroht von dem König, bedroht von dem Herzog von Alençon, bedroht von dem Herzog von Anjou bedroht von der Königin Mutter, bedroht von dem Herzog von Guise, bedroht von dem Cardinal von Lothringen, kurz bedroht von aller Welt. Man fühlt das instinktartig, Ihr wißt es, Madame. Gegen alle diese Drohungen, welche bald Angriffe werden müssen, kann ich mich nur mit Eurer Hilfe vertheidigen; denn Ihr seid geliebt von allen Personen, die mich verwünschen.«

»Ich!« sprach Margarethe.

»Ja, Ihr,« versetzte Heinrich mit dem gutmüthigsten Tone, »ja, Ihr seid geliebt von König Karl; Ihr seid geliebt (er legte einen besondern Nachdruck auf dieses Wort) von dem Herzog von Alençon; Ihr seid geliebt von der Königin Catharina; Ihr seid geliebt von dem Herzog von Guise.«

»Mein Herr!« murmelte Margarethe.

»Nun, darf man sich denn wundern, daß Ihr von aller Welt geliebt seid? Diejenigen, welche ich Euch nannte, sind Eure Brüder oder Eure Verwandten. Seine Brüder und Verwandten lieben heißt nach dem Sinne Gottes leben.«

»Aber worauf zielt Ihr denn am Ende ab?« versetze Margarethe.

»Hört: wenn Ihr Euch, ich sage nicht zu meiner Freundin, sondern zu meiner Verbündeten macht, kann ich Allen Trotz bieten, während ich, wenn Ihr Euch zu meiner Feindin macht, im Gegentheil verloren bin.«

»Oh! Eure Feindin, nie Herr,« rief Margarethe.

»Meine Freundin, ebenfalls nie?…«

»Vielleicht.«

»Und meine Verbündete?«

»Gewiß.«

Und Margarethe wandte sich um und reichte dem König die Hand.

Heinrich nahm sie, küßte sie höflich und sprach, die Hand seiner Gemahlin mehr in einem Verlangen zu forschen, als durch ein Gefühl der Zärtlichkeit in der seinigen behaltend:

»Wohl, ich glaube Euch und nehme Euch als Verbündete an. Man hat uns verheirathet, ohne daß wir uns kannten, ohne daß wir uns liebten; man hat uns verheirathet, ohne uns um unsere Meinung zu fragen. Wir sind uns daher als Mann und Frau nichts schuldig. Ihr seht, Madame, daß ich Euren Wünschen entgegenkomme und daß ich heute bestätige, was ich Euch gestern sagte. Aber wir schließen freiwillig eine Verbindung, zu der uns Niemand zwingt. Wir verbinden uns, wie sich zwei redliche Herzen, die sich gegenseitig Schutz schuldig sind, verbinden; so versteht Ihr doch die Sache?«

»Ja, Herr,« erwiederte Margarethe und suchte ihre Hand zurückzuziehen.

»Nun wohl!« sprach der Bearner, die Augen beständig auf die Thüre des Cabinets geheftet, »da unbeschränkte Offenherzigkeit die erste Probe einer freien, redlichen Verbindung ist, so will ich Euch in allen seinen Einzelheiten den Plan mittheilen, den ich entworfen habe, um alle diese Feindseligkeiten siegreich zu bekämpfen.«

»Herr« … murmelte Margarethe, ihre Augen unwillkürlich ebenfalls nach dem Cabinet wendend, während der Bearner, da er seine List gelungen sah, in den Bart lachte.

»Hört also, was ich thun will,« fuhr er fort, indem er sich den Anschein gab, als bemerkte er die Unruhe der jungen Frau gar nicht, »ich will …«

»Herr,« rief Margarethe aufstehend und den König beim Arme fassend, »erlaubt, daß ich Athem schöpfe die Aufregung, die Hitze, ich ersticke …«

Margarethe war wirklich bleich und zitterte, als ob sie zu Boden sinken wollte.

Heinrich eilte auf ein in gehöriger Entfernung liegendes Fenster zu und öffnete es. Dieses Fenster ging auf den Fluß.

Margarethe folgte ihm.

»Stille! Stille! Sire! aus Schonung für Euch,« murmelte sie.

»Ei! Madame, versetzte der Bearner, »auf seine Weise lächelnd, »habt Ihr mir nicht gesagt, wir wären allein.«

»Ja, Herr, wißt Ihr aber nicht, daß man mittelst eines durch die Decke oder durch eine Wand geschehenen Rohres Alles hören kann?«

»Gut, Madame, gut,« sprach lebhaft und ganz leise der Bearner. »Ihr liebt mich nicht, aber Ihr seid eine redliche Frau.«

»Was wollt Ihr damit sagen?«

»Ich will damit sagen, daß Ihr, wenn Ihr fähig wäret, mich zu verrathen, mich hättet fortfahren lassen, da ich mich allein verrieth. Ihr habt mich zurückgehalten. Ich weiß nun, daß Jemand hier verborgen ist, daß Ihr eine ungetreue Gattin, aber eine getreue Verbündete seid, und für diesen Augenblick,« fügte der Bearner lächelnd bei, »bedarf ich offenherzig gestanden, mehr der Treue in der Politik, als in der Liebe.«

»Sire,« murmelte Margarethe ganz verwirrt.

»Gut, gut, wir sprechen von Allem dem später, wenn wir uns einander besser kennen werden,« sagte Heinrich.

Dann zuckte er die Achseln und fuhr fort:

»Athmet Ihr jetzt freier, Madame?«

»Ja, Sire, ja,« murmelte Margarethe.

»In diesem Fall,« verfehle der Bearner, »will ich Euch nicht länger belästigen. Ich war Euch nur meine Achtungsbezeigung und ein freundschaftliches Zuvorkommen schuldig. Wollt Beides, wie ich es biete, von gutem Herzen annehmen. Legt Euch nieder, und gute Nacht.«

Margarethe schlug zu ihrem Gemahl ein Auge, glänzend von Dankbarkeit auf, reichte ihm ebenfalls die Hand und sprach:

»Es ist abgemacht.«

»Politisches Bündniß frei und redlich?« fragte Heinrich.

»Frei und redlich.«

Dann ging der Bearner nach der Thüre, mit dem Blicke Margarethe wie bezaubert nach sich ziehend. Als der Vorhang zwischen ihnen und dem Schlafgemache niedergefallen war, sprach Heinrich rasch und mit leiser Stimme:

»Ich danke, Margarethe, ich danke! Ihr seid eine wahre Tochter von Frankreich. Ich scheide ruhig. In Ermangelung Euerer Liebe wird mir wenigstens Euere Freundschaft nicht entgehen. Ich zähle auf Euch, wie ihr auf mich zählen könnt. Gott befohlen, Madame!«

Und Heinrich küßte die Hand seiner Frau, während er dieselbe sanft drückte. Dann kehrte er mit schnellem Schritte in seine Wohnung zurück. Im Corridor aber sagte er zu sich selbst:

»Wer Teufel ist bei ihr? ist es der Königs ist es der Herzog von Alençon? ist es der Herzog von Guise? ist es ein Bruder? ist es ein Liebhaber? ist es das Eine und das Andere? In der That, es thut mir jetzt beinahe leid, daß ich mir von der Baronin die Zusammenkunft erbeten habe. Da aber mein Wort verpfändet ist, und Dariole mich erwartet… gleich viel;… ich fürchte, sie wird ein wenig dadurch verlieren, daß ich durch das Schlafgemach meiner Gemahlin gegangen bin, denn Ventre-saint-gris! diese Margot, wie sie mein Schwager, Karl IX. nennt, ist ein bewunderungswürdiges Geschöpf.

Mit einem Schritte, in dem sich ein leichtes Zögern verrieth, stieg Heinrich von Navarra die Treppe hinauf, welche zu den Gemächern von Frau von Sauves führte.

Margarethe war ihm mit den Augen gefolgt, bis er verschwand, und dann in ihr Zimmer zurückgekehrt.

Sie fand den Herzog an der Thüre des Cabinets. Dieser Anblick verursachte ihr beinahe einen Gewissensbiß.

Der Herzog war ernst, und seine gefaltete Stirne deutete bittere Gedanken an.

»Margarethe ist heute neutral,« sprach er, »Margarethe wird in acht Tagen feindselig sein.«

»Ihr, Ihr habt gehört?« versetzte Margarethe.

»Was sollte ich in dem Cabinet thun?«

»Und Ihr findet, »daß ich mich anders benommen habe, als sich die Konigin von Navarra benehmen mußte?«

»Nein, aber anders, als sich die Geliebte des Herzogs von Guise zu benehmen hatte.

»Mein Herr,« antwortete die Königin, »ich kann meinen Gemahl nicht lieben, aber Niemand ist berechtigt, von mir zu verlangen, daß ich ihn verrathe. Sprecht ehrlich, würdet Ihr die Geheimnisse der Prinzessin von Porcian, Euerer Gemahlin, verrathen?«

»Gut, gut, Madame,« versetzte der Herzog, den Kopf schüttelnd. »Ich sehe, daß ihr mich nicht mehr liebt, wie in den Tagen, wo Ihr mir erzähltet, was der König gegen mich und die Meinigen anzettelte.«

»Der König war der Starke, und Ihr waret die Schwachen. Heinrich ist der Schwache und ihr seid die Starken. Ich spiele immer dieselbe Rolle, wie Ihr seht.«

»Nur geht Ihr von einem Lager in das andere über.«

»Das ist ein Recht, welches ich erlangte, indem ich Euch das Leben rettete.«

»Wohl, Madame, und da man, wenn man sich trennt, unter Liebenden Alles das zurückgibt, was man sich zuvor geschenkt hat, so werde ich Euch ebenfalls das Leben retten, und wir sind quitt.«

Und der Herzog verbeugte sich und ging ab, ohne daß Margarethe auch nur eine Geberde machte, um ihn zurückzuhalten.

Im Vorzimmer fand er Gillonne, die ihn bis in das Zimmer des Erdgeschosses führte, und in dem Graben seinen Pagen, mit welchem er in das Hotel Guise zurückkehrte.

Während dieser Zeit stellte sich Margarethe, in Träume versunken, an ihr Fenster.

»Welch eine Hochzeitnacht!« murmelte sie, »der Gemahl flieht mich und der Geliebte verläßt mich!«

In diesem Augenblick ging auf der andern Seite des Grabens ein von der Tour de Bois zurückkehrender Schüler, die Faust auf der Hüfte, vorüber und sang:

Pourquoi doncques quand je veux

Ou mordre tes beaux cheveux,

Ou baiser ta bouche aimée,

Ou toucher à ton beau sein,

Contrefais-tu la nonnain

Dedans un cloitre enfermée?


Pourquoi gardes-tu tes yeux

Et ton sein delicieux,

Ton front, ta lèvre jumelle?

En veux-tu baiser Plutou,

Là-bas après que Caron,

T’aura mise en sa nacelle?


Après ton dernier trépas,

Belle, tu n’auras là-bas

Qu’une bouchette blêmie;

Et quand, mort, je te verrai,

Aux ombres je n’avouerai

Que jadis tu fus ma mie!


Doncques tandis que tu vis,

Change, maîtresse, d’avis,

Et ne m'épargne ta bouche

Car au jour ou tu mourras

Lors tu te repentiras

De m’avoir été farouche.1


Margarethe hörte schwermüthig lächelnd auf diesen Gesang. Als aber die Stimme des Schülers sich in der Ferne verloren hatte, schloß sie das Fenster wieder und rief Gillonne, um sich auskleiden zu lassen.

1

Darf die Wollust ich nicht fühlen,

Dir in Deinem Haar zu wühlen,

Küssen nicht der Lippen Gluth,

Oder Deinem Busen schmeicheln,

Willst Du denn die Nonne heucheln

In des Klosters strenger Hut?


Warum sich das Aug verhülle,

Stirn’ und Lipp’, des Busens Fülle,

Ist ein Räthsel, Schöne, mir —

Willst Du denn erst Plato lachen,

Wenn Du fährst in Charons Nachen,

Warum küssen nicht schon hier?


Schöne, nach der Todesstunde

Prangt kein Roth auf Deinem Munde,

Farblos ist die Lippe Dir;

Würd’ ich dort Dich wiedersehen,

Würd’ ich still vorübergehen,

Schweigen, daß Du lieb einst mir.


Darum, Liebste, noch im Leben

Laß den Blick zu Dir mich heben,

Und den Mund Dir küssen süß,

Denn in Deiner Todesstunde

Bricht Dir auf der Reue Wunde,

Daß Dein Herz mich spröd verstieß.


Königin Margot

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