Читать книгу Königin Margot - Александр Дюма - Страница 9

Erstes bis viertes Bändchen
IX.
Die Schlächter

Оглавление

Coconnas war nicht entflohen, er hatte seinen Rückzug genommen. La Hurière war nicht entflohen, er war weggelaufen. Der Eine war auf die Weise des Tigers, der Andere auf die des Wolfes verschwunden. So kam es, daß La Hurière sich bereits auf der Place Saint-Germain-l’Auxerrois befand, als Coconnas erst den Louvre verließ.

Als La Hurière sich mit seiner Büchse allein sah, mitten unter den Menschen, welche vorüberliefen, unter den Kugeln, welche pfiffen, und den Leichnamen, die theils ganz, theils in Stücken zu den Fenstern herausfielen, fing er an Furcht zu bekommen, und suchte kluger Weise nach seinem Gasthofe zurückzukehren. Als er aber durch die Rue d’Averon in die Rue de l’Arbre-Sec ausmündete, fiel er in eine Truppe von Schweizern und Chevauxlegers, welche unter dem Befehle von Maurevel standen.

»Nun!« rief dieser, der sich selbst den Namen Todtschläger des Königs gegeben hatte, »Ihr seid schon fertig, Ihr kehrt zurück, Herr Wirth? Was Teufels habt Ihr mit unserem piemontesischen Edelmann gemacht? Es wird ihm doch kein Unglück widerfahren sein? Das wäre Schade, denn er ging gut an das Werk.«

»Ich denke nicht,« versetzte La Hurière, »ich hoffe, er wird uns wieder einholen!«

»Woher kommt Ihr?«

»Aus dem Louvre, wo man uns, wie ich bekennen muß, ziemlich hart empfangen hat.«

»Wer dies?«

»Der Herr Herzog von Alençon. Ist er nicht bei der Sache?«

»Monseigneur, der Herr Herzog von Alençon ist bei nichts, was ihn nicht persönlich berührt; schlagt ihm vor, seine zwei älteren Brüder als Hugenotten zu behandeln, und er wird dabei sein, vorausgesetzt, daß sich die Sache abmachen läßt, ohne daß er dadurch gefährdet wird. Aber geht Ihr nicht mit diesen braven Leuten, Meister La Hurière?«

»Wohin gehen sie?«

»Oh, mein Gott! in die Rue Montorgueil; es wohnt dort einer meiner Bekannten, ein hugenottischer Geistlicher; er hat eine Frau und sechs Kinder. Diese Ketzer zeugen ungeheuer. Das wird interessant sein.«

»Und Ihr, wohin geht Ihr?«

»Oh! ich, ich gehe einer Privat-Angelegenheit nach.«

»Geht nicht ohne mich,« sprach eine Stimme, welche Maurevel beben machte. »Ihr kennt die guten Orte und ich will dabei sein.«

»Ah! das ist unser Piemontese,« sagte Maurevel.

»Es ist Herr von Coconnas,« versetzte La Hurière. »Ich glaubte, Ihr würdet mir folgen.«

»Pest! dazu reißt Ihr zu schnell aus; und dann habe ich mich ein wenig von der geraden Linie abgewendet, um ein abscheuliches Kind, das: »Nieder die Papisten! Es lebe der Admiral!« rief, in den Fluß zu werfen. Leider muß ich glauben, daß der Bursche zu schwimmen verstand. Wenn man diese elenden Parpaillots ersäufen will, so muß man sie wohl in das Wasser werfen, wie die Katzen, ehe sie hell sehen.«

»Ah! Ihr sagt, Ihr kommt vom Louvre. Euer Hugenott hatte sich dahin geflüchtet?« fragte Maurevel.

»Mein Gott, ja.«

»Ich habe ihm eine Pistolenkugel im Augenblick, wo er seinen Degen im Hofe des Admirals aufhob, zugesandt, aber ich weiß nicht, wie es kam, ich fehlte ihn.«

»Ich habe ihn nicht gefehlt,« sagte Coconnas, »ich stieß ihm meinen Degen in die Rippen, daß die Klinge fünf Zoll lang von der Spitze an feucht war. Auch sah ich ihn in die Arme von Frau von Margarethe fallen, eine schöne Frau, bei Gott! Doch ich gestehe, es würde mir nicht leid thun, wenn ich wüßte, er wäre todt. Dieser Bursche sieht aus, als hätte er einen sehr zanksüchtigen Charakter, und als wäre er fähig, mir sein ganzes Leben hindurch zu grollen. Aber sagtet Ihr nicht, Ihr würdet irgendwohin gehen?«

»Es liegt Euch also daran, mit mir zu kommen?«

»Es liegt mir daran, nicht auf dieser Stelle zu bleiben. Ich habe erst drei oder vier getödtet, und wenn ich mich erkälte, thut mir meine Schulter weh. Vorwärts, vorwärts!«

»Kapitän,« sagte Maurevel zu dem Anführer der Truppe, »gebt mir drei Mann, und fertigt Euren Geistlichen mit dem Reste ab.«

Drei Schweizer trennten sich von den Uebrigen und stießen zu Maurevel. Die zwei Truppen marschirten jedoch neben einander bis zu der Höhe der Rue Tirechappe. Hier schlugen die Chevauxlegers und die Schweizer den Weg nach der Rue de la Tonnellerie ein, während Maurevel, Coconnas, La Hurière und die drei Mann der Rue de la Ferronnerie folgten und durch die Rue Trousse-Vache in die Rue Saint-Avoye zogen.

»Aber wohin des Teufels führt Ihr uns?« sprach Coconnas, den dieser weite Marsch ohne ein Ziel zu langweilen anfing

»Ich führe Euch zu einem zugleich glänzenden und nützlichen Unternehmen; nach dem Admiral, nach Téligny, nach den hugenottischen Prinzen konnte ich Euch nichts Besseres anbieten. Habt also Geduld! Unser Geschäft ist in der Rue du Chaume, und wir sind in einem Augenblick dort.«

»Sagt mir,« fragte Coconnas, »ist die Rue du Chaume nicht in der Nähe des Temple?«

»Ja; warum?«

»Es wohnt dort ein alter Gläubiger unserer Familie, ein gewisser Lambert Mercandon, an den ich von meinem Vater hundert Rosenobles zu bezahlen beauftragt bin, welche ich zu diesem Behufe in meiner Tasche habe.«

»Wohl,« sagte Maurevel, »es ist eine schöne Gelegenheit, Euch Eurer Schuld zu entledigen.«

»Wie dies«

»Heute ist der Tag, an dem man seine alten Rechnungen ordnet. Ist Euer Mercandon ein Hugenott?«

»Oh, oh!« rief Coconnas, »ich verstehe, er muß es sein.«

»Stille, wir sind an Ort und Stelle.«

»Wem gehört dieses große Hotel mit dem Pavillon auf die Straße?«

»Es ist das Hotel Guise.«

»In der That,« sprach Coconnas, »ich mußte nothwendig hierher kommen, da ich unter der Patronschaft des großen Heinrich in Paris erscheine. Aber Mordi! in diesem Quartier ist Alles sehr ruhig, mein Lieber. Wenn man nicht zuweilen das Geräusch eines Büchsenschusses hören würde, müßte man glauben, man wäre in der Provinz. Der Teufel solle mich holen, alle Welt schläft.«

Das Hotel Guise schien in der That so ruhig, als in gewöhnlichen Zeiten. Alle Fenster waren geschlossen, und ein einziges Licht glänzte hinter dem Laden an dem Hauptfenster des Pavillon, der die Aufmerksamkeit von Coconnas bei seinem Eintritt in die Straße auf sich gezogen hatte.

Etwas jenseits des Hotel Guise, das heißt an der Ecke der Rue du Petit-Chantier und der des Quatre-Fils, hielt Maurevel stille.

»Hier ist die Wohnung desjenigen, welchen wir suchen.«

»Das heißt die Wohnung desjenigen, welche Ihr sucht,« sprach La Hurière.

»Insofern Ihr mich begleitet, suchen wir ihn.«

»Wie! dieses Haus, das einen so guten Schlaf zu schlafen scheint?«

«Allerdings. Ihr, La Hurière, benützt das ehrliche Gesicht, das Euch die Natur irrthümlicher Weise verliehen habt, und klopft an dieses Haus. Gebt Eure Büchse Herrn von Coconnas; er schielt schon eine Stunde darnach. Werdet Ihr eingelassen, so fragt Ihr nach dem Herrn von Mouy.«

»Ah! Ah!« sprach Coconnas, »ich begreife, Ihr habt auch einen Gläubiger im Quartiere des Temple, wie es scheint:

»So ist es,« fuhr Maurevel fort. »Ihr geht also, den Hugenotten spielend, hinauf, Ihr unterrichtet Herrn von Mouy von dem, was vorfällt. Er ist brav, er wird herunterkommen.«

»Und ist er einmal herunter?« fragte La Hurière.

»Ist er herunter, so bitte ich ihn, seinen Degen mit dem meinigen zu messen.«

»Bei meiner Seele, das ist ein braver Edelmann,« sprach Coconnas, »und ich denke genau dasselbe mit Lambert Mercandon zu thun. Ist er zu alt, um es anzunehmen, so geschieht es mit einem von seinen Söhnen oder seinen Neffen.«

La Hurière klopfte ohne Widerrede an die Thüre. Bei seinen in der Stille der Nacht wiederhallenden Schlägen öffneten sich die Thüren des Hotel Guise, und es kamen einige Köpfe durch die Oeffnungen hervor. Man sah nun, daß das Hotel nach Art der Citadellen ruhig war, das heißt, weil man es mit Soldaten gefüllt hatte.

Diese Köpfe zogen sich beinahe in demselben Augenblick zurück, denn sie erriethen ohne Zweifel, um was es sich handelte.

»Er wohnt also hier, Euer Herr von Mouy?« sprach Coconnas auf das Haus deutend, an welches La Hurière zu klopfen fortfuhr.

»Nein, es ist die Wohnung seiner Geliebten.«

»Mordi! welche Höflichkeit erzeigt Ihr ihm da! Ihr bietet ihm Gelegenheit, den Degen unter den Augen seiner Schönen zu ziehen. Wir werden Kampfrichter sein. Es wäre mir indessen lieber, wenn ich mich selbst schlagen könnte; meine Schulter brennt mich.»

»Und Euer Gesicht,« fragte Maurevel, »es ist ebenfalls stark beschädigt?«

Coconnas stieß eine Art von dumpfem Knurren aus und erwiederte:

»Beim Teufel! ich hoffe, er ist todt, sonst würde ich wohl in den Louvre zurückkehren, um ihm den Garaus zu machen.«

La Hurière klopfte immer fort.

Bald öffnete sich ein Fenster des ersten Stockwerkes, und es erschien auf dem Balcon ein Mensch mit einer Nachtmütze, in Unterhosen und ohne Waffen.

»Wer ist da?« rief dieser Mensch.

Maurevel machte seinen Schweizern ein Zeichen. Sie zogen sich in einen Winkel zurück, während sich Coconnas an die Mauer druckte.

»Ah, Herr von Mouy,« sprach der Wirth mit seinem einfältigen Tone, »seid Ihr es?«

»Ja, ich bin es, was wollt Ihr?«

»Er ist es,« murmelte Maurevel, vor Freude zitternd.

»Ei, Herr,« fuhr La Hurière fort, »wißt Ihr nicht, was vorgeht? Man erwürgt den Herrn Admiral, man ermordet Eure Religionsgenossen. Eilt ihnen zu Hilfe!«

»Ah!« rief von Mouy, »ich vermuthete, daß für diese Nacht etwas angezettelt würde und hätte meine braven Kameraden nicht verlassen sollen. Ich komme, mein Freund, ich komme, wartet auf mich.«

Und ohne das Fenster wieder zu schließen, durch welches das Geschrei einer erschrockenen Frau und zarte Bitten drangen, suchte Herr von Mouy sein Wamms, seinen Mantel und seine Waffen.

»Er kommt herab! er kommt herab!« murmelte Maurevel, bleich vor Freude. »Aufgepasst, Ihr Anderen!« flüsterte er den Schweizern zu. Dann nahm er die Büchse aus den Händen von Coconnas, blies auf die Lunte, um sich zu versichern, daß sie gut brannte, und sagte zu dem Wirthe, der sich zu der Truppe zurückgezogen hatte: »Nimm Deine Büchse wieder!«

»Mordi!« rief Coconnas, »der Mond tritt aus einer Wolke hervor, um Zeuge dieses schönen Zweikampfes zu sein. Ich gäbe viel, wenn Herr Lambert Mercandon hier wäre und Herrn von Mouy als Secundant diente.«

»Wartet, wartet,« sprach Maurevel, »Herr von Mouy ist für sich allein so viel werth, als zehn Männer, und wir sechs werden vielleicht genug zu thun haben, um uns seiner zu entledigen. Rückt vor,« fuhr Maurevel fort, und machte den Schweizern ein Zeichen, an die Thüre zu schleichen, um ihn niederzuschlagen, wenn er herauskommen würde.

»Oho!« sagte Coconnas, diese Vorbereitungen betrachtend, »es scheint, die Sache wird nicht ganz so vor sich gehen, wie ich erwartete.«

Bereits hörte man das Geräusch des Balkens den Mouy zurückzog. Die Schweizer hatten ihr Versteck verlassen, um ihren Platz an der Thüre einzunehmen. Maurevel und La Hurière rückten auf der Fußspitze vor, während Coconnas in einem Ueberreste adeligen Gefühls an seiner Stelle blieb, als die junge Frau, an die man nicht mehr dachte, ebenfalls auf dem Balcon erschien und, die Schweizer, Maurevel und La Hurière erblickend, ein furchtbares Geschrei ausstieß.

Von Mouy, der die Thüre halb geöffnet hatte, hielt inne.

»Komm’ wieder herauf, komm’ herauf!« rief die junge Frau, »ich sehe Schwerter glänzen, ich sehe die Lunte einer Büchse schimmern: es ist ein Hinterhalt!«

»Oho!« versetzte die Stimme des jungen Mannes brummend, »wir wollen ein wenig nachsehen, was dies zu bedeuten hat.«

Und er schloß die Thüre wieder, schob den Balken ein, stieß den Riegel vor und stieg hinauf.

Die Schlachtordnung von Maurevel wurde verändert, als er sah, daß Mouy nicht herauskommen wurde. Die Schweizer stellten sich auf der andern Seite der Straße auf und La Hurière wartete, seine Büchse in der Faust, bis der Feind wieder am Fenster erschien. Er wartete nicht lange. Von Mouy rückte, vor, zwei Pistolen von so achtungswerther Länge in den Händen, daß La Hurière, der bereits auf ihn anschlug, plötzlich bedachte, die Kugeln des Hugenotten hätten nicht mehr Weg zu machen, um die Straße zu erreichen, als seine Kugel, um auf den Balcon zu gelangen.

»Allerdings,« sagte er zu sich selbst, »kann ich diesen Herrn tödten; dieser Herr kann zugleich aber auch mich tödten.«

Da nun Meister La Hurière, ein Wirth seines Standes, nur unter gewissen Umständen Soldat war, so bestimmte ihn diese Betrachtung, sich zurückzuziehen und Schutz in der Ecke der Rue de Brac zu suchen, die so weit entfernt war, daß er einige Mühe gehabt hätte, von hier aus, besonders bei Nacht, die Linie zu finden, welche seine Kugel verfolgen mußte, um zu Herrn von Mouy zu gelangen.

Von Mouy warf einen Blick um sich her und ging, sich deckend wie ein Mensch, der sich zu einem Duell anschickt, vor. Als er aber sah, daß nichts kam, rief er:

»He! Herr Rathgeber! es scheint, Ihr habt Eure Büchse an meiner Thüre vergessen. Hier bin ich, was wollt Ihr von mir?«

»Ah, ah!« sprach Coconnas zu sich selbst, »das ist ein Braver!«

»Nun!« fuhr Mouy fort, »Freunde oder Feinde, wer Ihr auch sein möget, seht Ihr nicht, daß ich warte?«

La Hurière beobachtete ein Stillschweigen, Maurevel antwortete nicht, und die drei Schweizer verhielten sich ruhig.

Coconnas wartete einen Augenblick; als er aber sah, daß Niemand das von La Hurière angefangene und von Mouy fortgesetzte Gespräch unterhielt, verließ er seinen Posten, ging bis mitten in die Straße, nahm seinen Hut in die Hand und sagte:

»Mein Herr, wir sind nicht eines Mordes wegen hier, wie Ihr glauben dürftet, sondern eines Zweikampfes wegen. Ich begleite einen von Euren Feinden, der mit Euch zu thun haben möchte, um auf muthige Weise einen alten Streit zu endigen. Ei, Mordi! kommt doch hervor, Herr von Maurevel, statt den Rücken zu wenden. Der Herr nimmt es an.«

»Maurevel!« rief von Mouy, »Maurevel, der Mörder meines Vaters! Maurevel, der Todtschläger des Königs! Ha, bei Gott, ja, ich nehme es an!«

Und auf Maurevel anschlagend, der an das Hotel Guise klopfen wollte, um Verstärkung zu holen, durchbohrte er seinen Hut mit einer Kugel.

Bei dem Lärmen des Schusses, bei dem Geschrei von Maurevel kamen die Wachen, welche die Herzogin von Nevers zurückgeführt hatten, begleitet von einigen Edelleuten, denen ihre Pagen folgten, heraus und rückten nach dem Hause der Geliebten des jungen von Mouy vor.

Ein zweiter Pistolenschuß, mitten unter die Truppe abgefeuert, streckte den Soldaten, der sich zunächst bei Maurevel befand, todt nieder, wonach sich von Mouy, da er keine Waffen oder wenigstens nur unnütze Waffen hatte, insofern seine Pistolen abgefeuert und seine Gegner außerhalb des Bereiches seines Degens waren, hinter der Gallerie des Balcon verbarg.

Indessen öffneten sich da und dort die Fenster in der Umgegend, und schlossen sich wieder oder wurden, je nach dem friedlichen oder kriegerischen Geiste der Bewohner, mit Musketen und Büchsen besetzt.

»Mir zu Hilfe, mein braver Mercandon!« rief von Mouy mit einem Zeichen gegen einen bereits alten Mann, der aus einem Fenster, das sich dem Hotel Guise gegenüber geöffnet hatte, in dieser Verwirrung etwas zu sehen suchte.

»Ihr fordert Hilfe, Herr von Mouy?« rief der Greis. »Will man an Euch?«

»An mich, an Euch, an alle Protestanten; seht hier den Beweis.«

In der That sah von Mouy in diesem Augenblick, wie die Büchse von La Hurière sich gegen ihn richtete. Der Schuß ging los, aber der junge Mann hatte Zeit sich zu bücken, und die Kugel durchbrach eine Scheibe über seinem Haupte.

»Mercandon!« rief Coconnas, der beim Anblicke dieses Kampfes vor Vergnügen bebte und seinen Gläubiger vergessen hatte, aber durch die Anrede von Mouy wieder an ihn erinnert wurde, »Mercandon, Rue du Chaume, ja, so ist es! Ah, hier wohnt er! das ist gut. Wir werden es jeder mit unserem Manne zu thun haben.«

Und während die Leute des Hotel Guise die Thüren des Hauses einstießen, worin von Mouy sich befand, während Maurevel, eine Fackel in der Hand, das Haus in Brand zu stecken trachtete, während, sobald die Thüren eingestoßen waren, sich ein furchtbarer Kampf mit einem einzelnen Menschen entspann, der mit jedem Pistolenschusse, mit jedem Degenstiche seinen Feind niederstreckte, suchte Coconnas mit Hilfe eines Pflastersteines die Thüre von Mercandon einzustoßen, der, ohne sich um diese vereinzelte Anstrengung zu bekümmern, aus Kräften mit der Büchse aus seinem Fenster schoß.

Da war plötzlich dieses ganze verlassene, dunkle Quartier taghell beleuchtet und wie das Innere eines Ameisenhaufens bevölkert; denn aus dem Hotel Montmorency machten sechs bis acht hugenottische Edelleute mit Ihren Dienern und Freunden einen wüthenden Angriff und begannen, unterstützt durch das Feuern aus den Fenstern die Leute von Maurevel und die des Hotel Guise zurückzudrängen, welche sich endlich mit dem Rücken an das Hotel lehnten, aus dem sie hervorgekommen waren.

Coconnas, dem es noch nicht gelungen war, die Thüre von Mercandon einzustoßen, obgleich er aus Leibeskräften daran arbeitete, wurde mitten in seinem ungestümen Treiben überfallen. Er lehnte sich nun an die Mauer, nahm den Degen in die Hand und begann nicht nur sich zu vertheidigen, sondern auch mit so furchtbarem Geschrei anzugreifen, daß er das ganze Gemenge beherrschte. Er fuchtelte rechts und links, schlug Freund und Feind, bis sich ein weiter leerer Raum um ihn her gebildet hatte. Je öfter sein Degen eine Brust durchbohrte, je mehr das warme Blut seine Hände und sein Gesicht bespritzte, desto mehr gewann er, die Augen erweitert, die Nasenlöcher geöffnet, die Zähne zusammengepreßt, verlorenes Terrain, desto näher kam er dem belagerten Hause.

Nach einem furchtbaren Kampfe auf der Treppe und in der Flur verließ von Mouy sein Haus als wahrer Held. Mitten unter dem Gefechte schrie er unabläßig: »Herbei, Maurevel! Maurevel, wo bist Du?« wobei er ihn mit den beleidigendsten Beinamen überhäufte. Er erschien endlich auf der Straße, mit einem Arme seine halb nackte und beinahe ohnmächtige Geliebte unterstützend und einen Dolch zwischen den Zähnen haltend. Flammend durch die umdrehende Bewegung, die er ihm gab, zog sein Degen weiße oder rothe Kreise, je nachdem der Mond die Klinge versilberte oder eine Fackel die blutige Nässe glänzen machte. Maurevel war entflohen. La Hurière von Mouy bis zu Coconnas zurückgedrängt, der ihn nicht erkannte und mit der Degenspitze empfing, bat auf zwei Seiten um Gnade. In diesem Augenblick gewahrte ihn Mercandon und erkannte in ihm an seiner weißen Schärpe einen Schlächter. Der Schuß ging los. La Hurière stieß einen Schrei aus, streckte die Arme von sich, ließ seine Büchse fallen und stürzte, nachdem er es versucht hatte, die Mauer zu erreichen, um sich an irgend Etwas zu halten, mit dem Gesichte auf die Erde.

Von Mouy benützte diesen Umstand, warf sich in die Rue du Paradis und verschwand.

Die Hugenotten hatten so kräftigen Widerstand geleistet, daß die Leute aus dem Hotel Guise in dieses zurückgedrängt worden waren und die Thore des Hotel wieder verschlossen hatten, aus Furcht, belagert und im eigenen Hause gefaßt zu werden.

Berauscht von Blut und Lärmen, zu dem Zustande der Exaltation gelangt, wo sich, besonders bei den Südländern, der Muth in Wahnsinn verwandelt, hatte Coconnas nichts gesehen, nichts gehört. Er bemerkte nur, daß seine Ohren minder stark klangen, daß seine Hände und sein Gesicht ein wenig trockneten, und seine Degenspitze senkend sah er nichts mehr in seiner Nähe, als einen ausgestreckten Menschen, dessen Gesicht in eine rothe Lache getaucht war, und rings umher brennende Häuser.

Es war ein kurzer Waffenstillstand, denn in dem Augenblick, wo er sich dem Menschen nähern wollte, in welchem er La Hurière zu erkennen glaubte, öffnete sich die Thüre des Hauses, die er vergebens mit Pflastersteinen aufzubrechen gesucht hatte, und der alte Mercandon stürzte, gefolgt von seinem Sohne und zwei Neffen, auf den Piemontesen los, der damit beschäftigt war, wieder etwas Athem zu schöpfen.

»Hier ist er, hier ist er!« riefen Alle einstimmig.

Coconnas befand sich mitten in der Straße und machte, befürchtend, er könnte von diesen vier Menschen, die ihn zu gleicher Zeit angriffen, umzingelt werden, mit der Kraft von einer der Gemsen, die er so oft in den Gebirgen verfolgt hatte, einen Sprung rückwärts, und lehnte sich an die Mauer des Hotel Guise. Sobald er einmal hinsichtlich eines Ueberfalls beruhigt war, nahm er seine Fechterstellung und wurde wieder Spötter.

»Ah, ah! Vater Mercandon,« sagte er, »Ihr erkennt mich nicht?«

»Ah, Elender!« rief der alte Hugenott, »ich erkenne Dich im Gegentheil ganz wohl. Du trachtest mir nach dem Leben, mir, dem Freunde, dem Gefährten Deines Vaters!«

»Und seinem Gläubiger, nicht wahr?«

»Ja, seinem Gläubiger, da Du es sagst.«

»Wohl, gerade deshalb,« antwortete Coconnas. »Ich will seine Rechnungen in Ordnung bringen.«

»Packt ihn, bindet ihn!« rief der Greis den jungen Leuten zu, welche ihn begleiteten und bei seinem rufe gegen die Mauer losstürzten.

»Einen Augenblick,« sagte Coconnas lachend, »um die Leute zu verhaften, braucht Ihr einen Verhaftsbefehl, und Ihr habt es versäumt, einen solchen vom Prevot zu fordern.«

Bei diesen Worten kreuzte er sein Schwert mit demjenigen von den jungen Leuten, welcher ihm am nächsten war, und hieb ihm bei dem ersten Losmachen der Klinge die Handwurzel ab.

Der Unglückliche wich brüllend zurück.

»Einer,« sprach Coconnas.

In diesem Augenblicke öffnete sich ächzend das Fenster, unter welchem Coconnas Zuflucht gesucht hatte; Coconnas machte einen Sprung, denn er befürchtete einen Angriff von dieser Seite, aber statt eines Feindes erblickte er eine Frau; statt der mörderischen Waffe, die er zu bekämpfen sich anschickte, war es ein Strauß, der zu seinen Füßen fiel.

»Halt! eine Frau,« sagte er.

Er grüßte die Dame mit seinem Degen und bückte sich, um den Strauß aufzuheben.

»Nehmt Euch in Acht braver Katholik nehmt Euch in Acht!« rief die Dame.

Coconnas erhob sich, aber nicht so schnell, daß nicht der Dolch des zweiten Neffen seinen Mantel geschlitzt und die andere Schulter gestreift hätte.

Die Dame stieß einen durchdringenden Schrei aus.

Coconnas dankte ihr, beruhigte sie mit einer Geberde und warf sich auf den ersten Neffen, der gegen ihn auslegte; aber bei dem zweiten Stoße glitt sein Hinterfuß im Blute aus. Coconnas stürzte mit der Geschwindigkeit einer Tigerkatze auf ihn los und durchbohrte ihm die Brust mit seinem Degen.

»Gut, gut, braver Cavalier!« rief die Dame des, Hotel Guise, »gut, ich schicke Euch Hilfe.«

»Es ist nicht der Mühe werth, Euch deshalb zu belästigen, Madame,« rief Coconnas. »Schaut viel mehr bis zum Ende zu, wenn Euch die Sache interessirt, und Ihr werdet sehen, wie der Graf Annibal von Coconnas die Hugenotten in Ordnung bringt.«

In diesem Augenblick schoß der Sohn des alten Mercandon eine Pistole auf Coconnas ab, und dieser fiel auf ein Knie. Die Dame am Fenster stieß einen Schrei aus; aber Coconnas erhob sich wieder, er war nur niedergekniet, um die Kugel zu vermeiden, welche zwei Fuß von der schönen Zuschauerin in die Mauer drang.

Beinahe zu derselben Zeit vernahm man aus der Wohnung von Mercandon ein Geschrei der Wuth, und eine alte Frau, welche in Coconnas an seinem Kreuze und an seiner weißen Schärpe einen Katholiken erkannte, schleuderte einen Blumentopf nach ihm, der ihn über dem Knie traf.

»Gut!« rief Coconnas, »die Eine wirft mir die Blumen, die Andere die Töpfe zu! Wenn das so fortgeht, wird man die Häuser zerstören.«

»Ich danke, meine Mutter, ich danke!« rief der junge Mann.

»Geh, Frau, geh,« sprach der alte Mercandon, »aber gib wohl auf uns Acht.«

»Wartet, Herr von Coconnas, wartet,« sagte die. junge Dame vom Hotel Guise, »ich will nach den Fenstern schießen lassen.«

»Oh! das ist eine Hölle von Frauen, von denen die Einen für mich, die Andern gegen mich sind,« sagte Coconnas, »machen wir der Sache ein Ende.«

Die Scene hatte sich in der That sehr verändert und nahte sich offenbar ihrer Entwickelung Coconnas gegenüber, der allerdings verwundet, aber in der ganzen Kraft seiner vierundzwanzig Jahre stand, an die Waffen gewöhnt und durch die drei bis vier Schrammen, die er erhalten hatte, mehr gereizt, als geschwächt war, blieben nur noch Mercandon und sein Sohn, Mercandon, ein Greis von sechzig bis siebzig Jahren, sein Sohn, ein Kind von sechzehn bis achtzehn Jahren. Bleich, blond, schwächlich, hatte der Letztere seine entladene und folglich unnütz gewordene Pistole weggeworfen und handhabte zitternd einen Degen, welcher halb so lang war, als der des Piemontesen. Nur mit einem Dolche und einer leeren Büchse bewaffnet, rief der Vater um Hilfe. Eine alte Frau, an einem Fenster, der Mutter des jungen Mannes gegenüber, hielt ein Stück Marmor in der Hand. Einerseits durch die Drohungen, andererseits durch die Ermuthigungen aufgereizt, stolz durch seinen doppelten Sieg, berauscht durch Pulver und Blut, beleuchtet von dem Wiederscheine eines in Flammen stehenden Hauses, begeistert durch den Gedanken, daß er unter den Augen einer Frau kämpfte, deren Schönheit ihm so erhaben gedünkt hatte, als ihm ihr Rang unbestreitbar vorkam, fühlte Coconnas seine Kräfte sich verdoppeln, und als er sah, daß der junge Mensch zögerte, kreuzte er auf dessen kleinem Degen sein furchtbares, blutiges Schwert. Zwei Stöße genügten, um es ihm aus der Hand zu schlagen. Mercandon suchte nun Coconnas zurückzustoßen, damit das aus dem Fenster geschleuderte Wurfgeschoß ihn sicherer erreichen würde. Aber um den doppelten Angriff des alten Mercandon, der ihn mit seinem Dolche zu durchbohren versuchte, und der Mutter des jungen Menschen, welche ihm mit dem Stein, den sie in der Hand hielt, den Kopf zu zerschmettern trachtete, zu vereiteln, ergriff Coconnas seinen Gegner mit dem Arme um den Leib, hielt ihn gegen alle Stöße und Würfe wie einen Schild vor und erstickte ihn beinahe in seinem herculischen Drucke.

»Zu Hilfe! zu Hilfe!« rief der junge Mensch, »er drückt mir die Brust ein. Zu Hilfe! zu Hilfe!«

Und seine Stimme fing an sich in einem gepreßten, dumpfen Röcheln zu verlieren.

Jetzt hörte Mercandon auf zu drohen, und er flehte.

»Gnade, Gnade!« sagte er, »Herr von Coconnas, Gnade, es ist mein einziges Kind!l«

»Es ist mein Sohn! es ist mein Sohn!« rief die Mutter, »die Hoffnung unseres Alters. Tödtet ihn nicht, Herr, tödtet ihn nicht!«

»Ah, wahrlich,« rief Coconnas, in ein Gelächter ausbrechend, »ich soll ihn nicht tödten! Und was wollte er mir denn thun mit seinem Degen und seiner Pistole?«

»Mein Herr,« fuhr Mercandon die Hände faltend, fort, »ich habe in meinem Hause den von Eurem Vater unterschriebenen Schuldschein ich stelle ihn Euch zurück; ich habe zehntausend Goldthaler, ich gebe sie Euch; ich habe die Juwelen unserer Familie, sie sollen Euch gehören; aber tödtet ihn nicht, tödtet ihn nicht.«

»Und ich, ich habe meine Liebe,« sprach mit halber Stimme die Frau im Hotel Guise, »ich verspreche sie Euch.«

Coconnas überlegte eine Secunde und fragte dann rasch den jungen Menschen:

»Seid Ihr Hugenott?«

»Ich bin es,« murmelte das Kind.

»Dann müßt Ihr sterben,« antwortete Coconnas, die Stirne faltend, und näherte der Brust seines Gegners das scharfe, spitzige Schwert.

»Sterben!« rief der Greis, »mein armes Kind sterben.«

Und ein Mutterschrei erscholl so voll tiefen Schmerzes, daß er für einen Augenblick den wilden Entschluß des Piemontesen erschütterte.

»Oh, Frau Herzogin!« rief der Vater, sich nach dem Fenster des Hotel Guise wendend, »sprecht für uns, und jeden Morgen und jeden Abend soll Euer Name in unsern Gebeten genannt werden.«

»Dann bekehre er sich,« versetzte die Dame im Hotel Guise.

»Ich bin Protestant,« sagte das Kind.

»Stirb also,« sprach Coconnas, seinen Degen erhebend, »stirb also, da Du das Leben nicht willst, das Dir dieser schöne Mund anbot.«

Mercandon und seine Frau sahen die furchtbare Klinge wie einen Blitz über dem Haupte ihres Sohnes schimmern.

»Mein Sohn, mein Olivier,« heulte die Mutter, »schwöre ab, schwöre ab!«

»Schwöre ab, schwöre ab, liebes Kind,« sagte der Vater, sich zu den Füßen von Coconnas wälzend. »Laß uns nicht allein auf Erden!«

»Schwört all mit einander ab,« rief Coconnas, »für ein Credo drei Seelen und ein Leben!«

»Ich will es wohl thun,« erwiederte der Junge Mensch.

»Wir wollen es thun,« riefen Mercandon und seine Frau.

»Dann auf die Kniee!« sprach Coconnas, »und Dein Sohn wiederhole Wort für Wort das Gebet, das ich ihm vorsprechen werde.«

Der Vater gehorchte zuerst.

»Ich bin bereit,« sagte das Kind und kniete ebenfalls nieder.

Coconnas fing nun an, ihm lateinisch die Worte des credo vorzusprechen. Aber mag es Zufall, mag es Berechnung gewesen sein, der junge Olivier hatte sich in der Nähe der Stelle niedergekniet, wohin sein Degen geflogen war. Kaum sah er diese Waffe im Bereiche seiner Hand, als er, ohne daß er die Worte von Coconnas zu wiederholen aufhörte, den Arm ausstreckte, um sie zu ergreifen. Coconnas bemerkte die Bewegung, er gab sich jedoch den Anschein, als gewahrte er nichts. In dem Augenblicke aber, wo der junge Mensch mit den Fingerspitzen den Griff der Waffe berührte, stürzte er auf ihn zu, warf ihn nieder, rief: »He, Verräther!« und bohrte ihm seinen Degen in die Kehle.

Der junge Mensch stieß einen Schrei aus, erhob sich krampfhaft auf ein Knie und fiel dann todt nieder.

»Ah, Henker!« brüllte Mercandon, »Du ermordest uns, um uns die hundert Rosenobles zu stehlen, die Du uns schuldig bist …«

»Meiner Treue, nein,« sagte Coconnas, »Zum Beweise …«

Und bei diesen Worten warf Coconnas dem Greise die Börse zu Füßen, die ihm sein Vater bei seiner Abreise gegeben hatte, um seine Schuld bei seinem Gläubiger zu bezahlen.

»Und zum Beweise,« fuhr er fort, »Ist hier Dein Geld!«

»Und Du Deinen Todt« schrie die Mutter aus dem Fenster.«

»Nehmt Euch in Acht, Herr von Coconnas, nehmt Euch in Ach!« rief die Dame im Hotel Guise.

Aber ehe Coconnas den Kopf drehen konnte, um diesen Rath zu befolgen oder um der Drohung zu entgehen, durchschnitt pfeifend eine gewichtige Waffe die Luft, fiel platt auf den Hut des Piemontesen, zerbrach ihm seinen Degen in der Hand und streckte ihn betäubt auf den Boden nieder, ohne daß er den doppelten Schrei der Freude und des Jammers, der sich von der Rechten zur Linken antwortete, nicht vernehmen konnte.

Mercandon stürzte sogleich, den Dolch in der Hand, über den ohnmächtigen Coconnas, aber in diesem Augenblick öffnete sich die Thüre des Hotel Guise, und der Greis entfloh, als er die Partisanen und Schwerter glänzen sah, während diejenige, welche er Frau Herzogin genannt hatte, schön in einer furchtbaren Schönheit bei dem Schimmer des Brandes, glänzend von Diamanten und Edelsteinen, sich halb aus dem Fenster legte, um den Neuankommenden, den Arm gegen Coconnas ausgestreckt, zuzurufen:

»Dort, dort! mir gegenüber! Ein Edelmann in einem rothen Wamms. Dieser … ja, ja, dieser …«

Königin Margot

Подняться наверх