Читать книгу Tausend und Ein Gespenst - Александр Дюма - Страница 13

Einleitung
Ein Tag in Fontenay-aux-Roses
XII.
Die karpathischen Gebirge

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Ich bin eine Polin, aus Sandomir gebürtig, das heißt, aus einem Lande, in welchem die Sagen Glaubensartikel werden, in welchem wir an unsere Familien-Ueberlieferungen eben so sehr, vielleicht mehr noch, als an das Evangelium glauben. Es gibt nicht eines unserer Schlösser, das nicht sein Gespenst hat, nicht eine unserer Hütten, die nicht ihren Hausgeist hat. Bei dem Reichen, wie bei dem Armen, in dem Schlosse, wie in der Hütte, erkennt man das Prinzip der Freundschaft wie das Prinzip der Feindschaft an. Zuweilen gerathen diese beiden Grundsätze in Streit und bekämpfen sich. Dann findet so geheimnißvolles Geräusch in den Corridors, so entsetzliches Gebrüll in den alten Thürmen, so entsetzliches Erbeben in den Mauern statt, daß man aus der Hütte, wie aus dem Schlosse flieht, und daß der Bauer wie der Edelmann nach der Kirche eilt, um das gesegnete Kreuz oder die geheiligten Reliquien zu holen, die einzigen Verwahrungsmittel gegen die Dämonen, welche uns quälen.

Aber dort stehen sich auch zwei noch weit schrecklichere, weit erbitterte, weit unversöhnlichere Prinzipe einander gegenüber; nämlich die Tyrannei und die Freiheit.

Das Jahr 1825 sah zwischen Rußland und Polen einen jener Kämpfe liefern, in denen man glauben könnte, daß alles Blut eines Volkes erschöpft sei, wie sich oft alles Blut einer Familie erschöpft.

Mein Vater und meine beiden Brüder hatten sich gegen den neuen Czaar erhoben und sich unter die Fahne der immer gestürzten, – immer wieder aufgerichteten polnischen Unabhängigkeit gestellt.

Eines Tages erfuhr ich, daß mein jüngster Bruder getödtet worden wäre; eines andern Tages meldete man mir, daß mein älterer Bruder tödtlich verwundet wäre; endlich sah ich nach einem Tage, während dessen ich voll Schrecken den sich beständig nähernden Donner der Kanonen gehört hatte, meinen Vater mit ohngefähr Hundert Reitern ankommen, dem Ueberreste von drei Tausend Mann, welche er anführte.

Er kam, sich in unser Schloß einzuschließen, mit der Absicht, sich unter dessen Trümmern zu begraben.

Mein Vater, der Nichts für sich fürchtete, zittertet für mich. Für meinen Vater handelte es sich in der That nur um den Tod, denn er war fest überzeugt, nicht lebendig in die Hände seiner Feinde zu fallen; aber für mich handelte es sich um die Sclaverei, um die Entehrung, um die Schande.

Mein Vater wählte unter den Hundert Mann, welche ihm übrig blieben, zehn, rief den Haushofmeister, übergab ihm alles Gold und alle Kleinodien, welche wir besaßen, und indem er sich erinnerte, daß zur Zeit der zweiten Theilung Polens meine Mutter, die fast noch ein Kind war, eine fast unzugängliche Zuflucht in dem mitten m den Karpathischen Gebirgen gelegenen Kloster Sahastru gefunden hatte, so befahl er, mich in dieses Kloster zu führen, welches gastfreundlich für die Mutter, ohne Zweifel es nicht minder für die Tochter sein würde.

Trotz der großen Liebe, welche mein Vater für mich hegte, war der Abschied nicht lang. – Aller Wahrscheinlichkeit nach mußten die Russen am folgenden Tage im Angesichte des Schlosses sein. Es war also keine Zeit zu verlieren.

Ich legte in der Eile einen Amazonen-Anzug an, in welchem ich gewöhnt war meine Brüder auf die Jagd zu begleiten. – Man sattelte mir das sicherste Pferd des Stalles, – mein Vater steckte eine eigenen Pistolen, ein Meisterstück der Fabrik von Toula, in meine Holfter, umarmte mich, und gab den Befehl zum Aufbruche.

Während der Nacht und während des folgenden Tages legten wir zwanzig Meilen zurück, indem wir dem Ufer eines jener Flüsse ohne Namen folgten, welche sich in die Weichsel ergießen. – Diese erste verdoppelte Tagesreise hatte uns außer den Bereich der Russen gebracht. Bei den letzten Strahlen der Sonne hatten wir die Schneegipfel der Karpathen funkeln sehen. – Gegen das Ende des folgenden Tages erreichten wir ihren Fuß; endlich begannen wir in den Morgenstunden des dritten Tages eine ihrer Schluchten zu betreten.

Unsere Karpathischen Gebirge gleichen den cultivirten Gebirgen Ihres Abendlandes nicht. Alles, was die Natur Seltsames und Großartiges hat, bietet sich dort den Blicken in seiner vollständigsten Majestät. Ihre stürmischen Gipfel verlieren sich mit ewigem Schnee bedeckt in den Wolken; ihre unermeßlichen Tannenwälder neigen sich auf den glatten Spiegel von Seen, die Meeren gleichen, und diese Seen hat niemals ein Nachen durchfurcht; niemals hat das Netz eines Fischers ihren dem tiefen Blau des Himmels gleichen Krystall getrübt; – kaum erschallt die menschliche Stimme darin von Zelt zu Zeit, indem sie eine moldauische Gesangweise hören läßt, auf die das Geschrei der wilden Thiere antwortet; Gesang und Geschrei erwecken irgend ein einsames Echo, das ganz erstaunt ist, durch irgend ein Geräusch über sein eigenes Dasein belehrt zu werden. – Während gar vieler Meilen reiset man unter den dunkeln Gewölben der Wälder, die von jenen unerwarteten Wundern unterbrochen werden, welche die Einöde uns mit jedem Schritte offenbart, – und die unsern Geist von dem Erstaunen zu der Bewunderung übergehen lassen. – Dort ist die Gefahr überall, – und sie besteht aus tausend verschiedenen Gefahren; aber man hat keine Zeit sich zu fürchten, so sehr erhaben sind diese Gefahren. Bald sind es durch das Schmelzen des Eises verursachte Wasserfälle, welche, indem sie von Felsen zu Felsen springen, plötzlich den schmalen Fußpfad erfüllen, auf dem man geht, – ein von dem Vorüberkommen wilder Thiere und von dem sie verfolgenden Jäger gebahnter Fußpfad; bald sind es durch die Zeit untergrabene Bäume, welche sich von dem Boden los machen und mit einem schrecklichen Krachen fallen, welches das eines Erdbebens zu sein scheint; – bald sind es endlich Orkane, die uns mit Wolken umhüllen, in denen man den Blitz sprühen, sich gleich einer Flammenzunge ausstrecken und winden sieht.

Dann nach diesen alpenartigen Spitzbergen, nach diesen Urwäldern, nachdem man riesenhafte Berge, nachdem man grenzenlose Wälder gehabt hat, hat man endlose Steppen, ein wahres Meer mit seinen Wellen und mit seinen Stürmen, unfruchtbare und unebene Flächen, auf denen sich das Auge in einem Horizonte ohne Grenzen verliert; dann ist es nicht mehr der Schrecken, der sich unserer bemächtigt, es ist Traurigkeit, welche uns erfüllt; es ist eine unermeßliche und tiefe Schwermuth, von der nichts zu zerstreuen vermag, denn der Anblick der Gegend ist immer derselbe, so weit sich unser Auge zu erstrecken vermag. Man geht zwanzig Male sich ähnelnde Anhöhen hinauf und hinab, indem man vergebens einen gebahnten Weg sucht; indem man sich so mitten in der Wüste allein sieht, glaubt man allein in der Natur zu sein, und unsere Schwermuth wird Trostlosigkeit; in der That, das Gehen scheint nutzlos geworden zu sein und uns zu Nichts zu führen; man trifft weder Dorf, noch Schloß, noch Hütte, keine Spur einer menschlichen Wohnung an; nur zuweilen versperrt, wie eine neue Verlegenheit auf dieser traurigen Landschaft, ein kleiner See ohne Schilf und ohne Gebüsch, der, wie ein anderes todte's Meer, in der Tiefe einer Schlucht schläft, uns den Weg mit seinem grünen Wasser, über das sich bei unserer Annäherung einige Wasservögel mit langem und mißtönendem Geschrei erheben. Dann macht man einen Umweg, erklimmt den Hügel, der vor uns liegt, geht in ein anderes Thal hinab, erklimmt einen andern Hügel, und das dauert so fort, bis man die wellenförmige Gebirgskette erschöpft hat, die immer niedriger wird.

Wenn man aber, nachdem man diese Gebirgskette hinter sich hat, eine Wendung nach Süden macht, dann nimmt die Landschaft wieder das Großartige an, dann erblickt man eine weit höhere Gebirgskette von malerischerer Form, von weit reicherem Ansehen; diese ist ganz mit Wäldern gekrönt, ganz von Bächen durchschnitten; mit im Schatten und dem Wasser entsteht das Leim wieder in der Landschaft; man hört die Glocke einer Einsiedelei; man sieht an der Seite irgend eines Berges sich eine Karavane hinschlängeln. Endlich erblickt man bei den letzten Strahlen der Sonne gleich einer Schaar weißer, an einander gelehnter Vögel die Häuser irgend eines Dorfes, die sich aufgestellt zu haben scheinen, um sich vor irgend einem nächtlichen Angriffe zu bewahren; denn mit dem Leben ist die Gefahr zurückgekehrt, und es sind nicht mehr wie in den ersten Bergen, durch welche man gekommen ist, Schaaren von Bären und von Wölfen, die man fürchten muß, sondern Horden moldauischer Räuber, die man bekämpfen muß,

Wir näherten uns inzwischen. Zehn Tage des Marsches waren ohne Unfall verflossen. Wir konnten bereits den Gipfel des Berges Pion sehen, der mit dem Haupte diese ganze Riesen-Familie überragt, und auf dessen südlichem Abhange das Kloster Sahastru liegt, wohin ich mich begab. Noch drei Tage, und wir wären angekommen.

Es war gegen das Ende des Monats Juli, der Tag war glühend heiß gewesen, und mit einem Entzücken ohne Gleichen hatten wir gegen vier Uhr angefangen, die erste Frische des Abends einzuathmen. Wir waren an den verfallenen Thürmen von Niantzo vorüber gekommen. Wir gingen nach einer Ebene hinab, welche wir durch die Oeffnung des Gebirges zu erblicken begannen. Von dem Orte aus, wo wir uns befanden, konnten wir bereits mit dm Augen den Lauf der Bistriza mit buntscheckigen Ufern von rothen Wasserblumen und großen weißen Glockenblumen folgen. Wir gingen an einem Abgrunde hin, in dessen Tiefe der Fluß rollte, der dort nur erst ein Waldstrom war. Unsere Pferds hatten kaum Raum genug, um neben einander zu gehen.

Unser Führer ritt uns voraus, indem er auf seinem Pferde lag und ein morlachisches Lied von monotoner Melodie sang, dessen Worten ich mit außerordentlicher Theilnahme folgte.

Der Sänger war zugleich der Dichter. Was die Melodie anbelangt, so müßte man einer jener Gebirgsbewohner sein, um sie in ihrer ganzen wilden Traurigkeit, in ihrer ganzen traurigen Einfachheit zu wiederholen.

Hier sind die Worte davon:

Dans le marais de Stavila

Oùtant de sang guerrier coula,

Voyez-voas ce cadavre là!

Ce n'est point un fils d’lllyrie;

C'est un brigand plein de furie

Qui, trompant la douce Marie,

Extermina, trompa, brûla.


Une balle au cueur du brigand

A passé comme l'ouragan.

Dans sa gorge est un yatagan.

Mais depuis trois jours, ô mystére,

Sous le pin morne et solitaire,

Son sang tiède abreuve la terre

Et noircit le pâle Ovigan.


Ses yeux bleus pour jamais out lui,

Fuyons tous, malbeur à celui

Qui passe au morais près de lui

C'est un vampire! Le loup fauve

Loin da caduvre impur se sauve,

Et sur la montagne au front chauve,

Le funèbre vautour a fui.2


Plötzlich knallte ein Schuß, eine Kugel pfiff. Das Lied wurde unterbrochen, und der tödtlich getroffene Führer rollte in die Tiefe des Abgrundes, während sein Pferd schaudernd stehen blieb, indem es seinen verständigen Kopf nach der Tiefe des Schlundes ausstreckte, in welchem sein Herr verschwunden war.

Zu gleicher Zeit erhob sich lautes Geschrei, und wir sahen an der Seite des Berges sich ohngefähr dreißig Räuber ausrichten; wir waren gänzlich umringt.

Jeder ergriff seine Waffen, und obgleich unversehens überfallen, ließen sich doch die, welche mich begleiteten, und alte an das Feuer gewöhnte Soldaten waren, nicht einschüchtern und leisteten Widerstand; – ich selbst ergriff eine Pistole, indem ich das Beispiel gab, und da ich den Nachtheil der Stellung fühlte, so rief ich aus: Vorwärts! – und gab meinem Pferde die Sporn, das in der Richtung der Ebene davon sprengte.

Aber wir hatten mit Gebirgsbewohnern zu thun, welche wie wahre Dämonen der Abgründe von Felsen zu Felsen sprangen, indem sie im Springen schossen und immer auf unserer Seite die Stellung behielten, die sie eingenommen hatten.

Außerdem war unser Manöver vorausgesehen worden. – An einem Orte, wo der Weg breiter wurde, wo der Berg eine Hochebene bildete, – erwartete uns ein junger Mann an der Spitze von ungefähr zehn Leuten zu Pferde; als sie uns erblickten, setzten sie ihre Pferde in Galopp und griffen uns von vorn an, während die, welche uns verfolgten, sich von der Seite des Berges herabrollen ließen und uns von allen Seiten umringten, nachdem sie uns den Rückzug abgeschnitten hatten.

Die Lage war gefährlich, indessen seit meiner Kindheit an Kriegsauftritte gewöhnt, konnte ich sie in's Auge fassen, ohne einen Umstand davon zu verlieren.

Alle diese in Schaaffelle gekleideten Männer trugen ungeheure, wie die der Ungarn mit Blumen bekränzte runde Hüte. Sie hatten jeder eine lange türkische Flinte in der Hand, welche sie unter grimmigem Geschrei schwenkten, nachdem sie geschossen hatten, und trugen in dem Gürtel einen krummen Säbel und ein Paar Pistolen.

Was ihren Hauptmann anbelangt, so war er ein junger Mann von kaum zwei und zwanzig Jahren, von bleicher Gesichtsfarbe, mit schwarzen Augen und mit in Locken auf seine Schultern herabfallenden langen Haaren, Sein Kostüm bestand aus dem mit Pelzwerk besetzten moldauischen Rocke, der über den Hüften mit einer Schärpe von goldenen und seidenen Streifen zusammengezogen war. Ein krummer Säbel glänzte in seiner Hand und vier Pistolen funkelten in seinem Gürtel. Während des Kampfes stieß er heisere und undeutliche Rufe aus, welche der menschlichen Sprache nicht anzugehören schienen, die indessen seinen Willen ausdrückten, denn seine Leute gehorchten auf diese Rufe, indem sie sich auf den flachen Leib warfen, um dem Schießen unserer Soldaten auszuweichen, wieder aufstanden, um gleichfalls Feuer zu geben, die niederschossen, welche noch standen, die Verwundeten vollends tödteten, und endlich den Kampf in ein Gemetzel verwandelten.

Ich hatte zwei Drittel meiner Vertheidiger nach einander fallen sehen. Vier blieben noch aufrecht, indem sie sich um mich drängten, – keine Gnade verlangten, die sie gewiß waren nicht zu erlangen, und nur an Eines dachten, nämlich ihr Leben so theuer als möglich zu verkaufen.

Nun stieß der junge Hauptmann einen weit ausdrucksvolleren Ruf als die früheren aus, indem er die Spitze seines Säbels nach uns ausstreckte. Ohne Zweifel war das der Befehl, diese letzte Gruppe in einen Feuerkreis einzuhüllen und uns Alle mit einander zu erschießen, – denn die langen moldauischen Flinten senkten sich mit ein und derselben Bewegung. Ich sah ein, daß unsere letzte Stunde gekommen wäre. – Ich erhob die Augen und die Hände mit einem letzten Gebete gen Himmel und erwartete den Tod.

In diesem Augenblicke sah ich, nicht herabschreiten, sondern herabstürzen, von Felsen zu Felsen springen, einen jungen Mann, der auf einem Steine stehen blieb, welcher diesen ganzen Auftritt überragte, und der gleich einer Statue auf einem Fußgestelle, die Hand über das Schlachtfeld ausstreckte und nur das einzige Wort aussprach:

– Genug!

Bei dieser Stimme erhoben sich Aller Augen, jeder schien diesem neuen Herrn zu gehorchen. Ein einziger Räuber legte sein Gewehr wieder an seine Schulter und feuerte es ab.

Einer unserer Leute stieß einen Schrei aus, die Kugel hatte ihm den linken Arm zerschmettert.

Er wandte sich sogleich um, um über den Mann herzufallen, der ihn verwundet hatte, aber bevor sein Pferd vier Schritte getan, leuchtete ein Blitz über uns, und der widerspänstige Räuber rollte mit von einer Kugel zerschmettertem Kopfe zu Boden.

So viele verschiedene Gemüthserschütterungen hatte meine Kräfte erschöpft, ich sank in Ohnmacht.

Als ich wieder zu mir kam lag ich auf dem Grase, dm Kopf auf den Schooß eines Mannes gestützt, von dem ich nur die Weiße und mit Ringen bedeckte Hand sah, die meinen Leib umschlang, während der junge moldauische Hauptmann, welcher den Angriff gegen uns geleitet hatte, mit übereinandergeschlagenen Armen und den Säbel unter dem einen seiner Arme vor mir stand.

– Kostaki, sagte der, welcher mich unterstützte in Französischer Sprache und in einem befehlenden Tone, du wirst auf der Stelle Deine Leute sich zurückziehen lassen, und mir die Pflege dieser jungen Frau überlassen.

– Mein Bruder, mein Bruder, antwortete der, an den diese Worte gerichtet waren, und der sich mit Mühe zu beherrschen schien, mein Bruder, nimm Dich in Acht, meine Geduld zu ermüden, ich lasse Dir das Schloß, laß mir den Wald. Auf dem Schlosse bist Du der Herr, aber hier bin ich allmächtig. Hier genügt mir ein Wort, um Dich zu zwingen mir zu gehorchen.

– Kostaki, ich bin der Erstgeborne, das sagt Dir, daß ich überall der Herr bin, in dem Walde wie auf dem Schlosse, dort wie hier. O! ich bin wie Du von dem Blute der Brancovans, – königliches Blut, das gewöhnt ist zu befehlen.

– Du befiehlst Deinen Dienern, Gregoriska, ja; aber nicht meinen Soldaten.

– Deine Soldaten sind Räuber, Kostaki. . . die ich an die Zinnen unserer Thürme hängen lassen werde, wenn sie mir nicht auf der Stelle gehorchen.

– Wohlan! so versucht es doch, ihnen zu befehlen. Nun fühlte ich, daß der, welcher mich unterstützte, sein Knie zurückzog und meinen Kopf vorsichtig auf einen Stein legte. Und ich folgte ihm voll Angst mit dem Blicke, und erblickte denselben jungen Mann, der in Mitte des Kampfes so zu sagen vom Himmel herabgefallen war, und den ich nur flüchtig hatte sehen können, da ich in demselben Augenblicke ohnmächtig geworden war, wo er gesprochen hatte.

Es war ein junger Mann von vier und zwanzig Jahren von hoher Gestalt, mit großen blauen Augen, in denen man eine außerordentliche Entschlossenheit und Festigkeit las. Seine langen blonden Haare, das Zeichen des slavischen Stammes, fielen wie die des Erzengels Michael auf seine Schultern herab, indem sie jugendliche und frische Wangen umgaben; seine Lippen waren durch ein geringschätzendes Lächeln erhoben, und ließen eine doppelte Reihe von Perlen sehen; sein Blick war der, welchen der Adler mit dem Blitze kreuzt. Er war in eine Art von Tunika von schwarzem Sammet gekleidet; eine kleine, mit einer Adlerfeder geschmückte Mütze, gleich der Raphaels, bedeckte seinen Kopf; er trug ein anschließendes Beinkleid und gestickte Stiefel. An seinem Gürtel trug er einen Hirschfänger und eine kleine Doppelflinte auf der Achsel, deren Richtigkeit der eine der Räuber hatte würdigen können.

Er streckte die Hand aus, und diese ausgestreckte Hand schien selbst seinem Bruder zu gebieten.

Er sprach einige Worte in moldauischer Sprache aus. Diese Worte schienen einen tiefen Eindruck auf die Räuber hervorzubringen.

Nun sprach der junge Hauptmann gleichfalls in derselben Sprache, und ich errieth, daß seine Worte mit Drohungen und Verwünschungen untermischt wären.

Aber auf diese lange und feurige Rede antwortete der ältere der beiden Brüder nur ein Wort. Die Räuber verneigten sich.

Er gab einen Wink, und die Räuber stellten sich hinter uns.

– Nun denn! es sei, Gregoriska, sagte Kostaki, indem er wieder Französisch sprach. Diese Frau wird nicht in die Höhle gehen, aber sie wird darum nichts desto weniger mein sein. Ich finde sie schön, ich habe sie erobert und ich will sie.

Und indem er diese Worte sagte fiel er über mich her und hob mich in seinen Armen auf.

– Diese Frau wird auf das Schloß geführt und meiner Mutter übergeben werden, und ich werde sie bis dahin nicht verlassen, antwortete mein Beschützer.

– Mein Pferd! rief Kostaki in moldauischer Sprache aus.

Zehn Räuber beeilten sich zu gehorchen und führten ihrem Herrn das Pferd zu, das er verlangte.

Gregoriska blickte um sich, ergriff ein herrnloses Pferd bei dem Zügel und schwang sich hinauf, ohne die Steigbügel zu berühren.

Kostaki schwang sich fast eben so leicht auf den Sattel als sein Bruder, obgleich er mich noch in seinen Armen hielt, und sprengte im Galopp davon.

Das Pferd Gregoriskas schien denselben Eindruck erhalten zu haben, und legte seinen Kopf und seine Seite an den Kopf und an die Seile von Kostaki's Pferde.

Diese beiden Reiter, die finster, schweigend neben einander dahinflogen, indem sie sich keinen Augenblick lang aus dem Gesicht verloren, ohne daß sie das Ansehen hatten sich anzublicken, indem sie sich ihren Pferden überließen, deren verzweifelter Lauf sie durch die Wälder, die Felsen und über die Abgründe forttrug, war merkwürdig anzusehen. Mein zurückgeworfener Kopf erlaubte mir die schönen, auf die meinigen gehefteten Augen Gregoriskas zu sehen. – Kostaki wurde es gewahr, er erhob mir den Kopf, und ich sah nur noch seinen finstern Blick, der mich verschlang. – Ich schlug meine Augenlider nieder, aber es war vergebens, ich sah durch ihren Schleier fortwährend den stechenden Blick, der bis in die Tiefe meiner Brust drang und mir das Herz durchbohrte, – nun bemächtigte sich meiner ein seltsames Blendwerk; – es schien mir, als ob ich die von dem Pferde und dem gespenstigen Reiter fortgetragene Leonore der Ballade Bürgers wäre, und als ich fühlte, daß wir anhielten, schlug ich nur mit Schrecken die Augen auf, so sehr war ich überzeugt, nur zerbrochene Kreuze und offene Gräber zu sehen.

Das, was ich sah, war eben nicht heiterer, – es war der innere Hof eines im vierzehnten Jahrhunderte erbauten moldauischen Schlosses.

2

Seht Ihr in dem Sumpfe von Skavila, wo das

Blut so vieler Krieger floß, diese Leiche da! Es ist kein

Sohn Illyriens; es ist ein Räuber voller Grimm, der,

indem er diese sanfte Maria betrog, singend und brennend wüthete.


Eine Kugel in dem Herzen des Räubers,

ist wie der Orkan vorübergezogen.

In seiner Gurgel steckt ein türkischer Säbel.

Aber seit drei Tagen, welches Geheimniß,

tränkt unter der dunkeln und einsamen Fichte

sein laues Blut die Erde

und schwärzt den bleichen Ovigan.


Seine blauen Augen haben für immer geleuchtet,

laßt uns Alle fliehen, wehe dem,

der in dem Moraste an ihm vorüberkömmt,

er ist ein Vampyr! Der grimmige Wolf

flieht fern von der unreinen Leiche,

und auf dem Berge mit kahler Stirn entflieht der grausige Geier.


Tausend und Ein Gespenst

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