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Einleitung
Ein Tag in Fontenay-aux-Roses
VI.
Solange

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Während der Erzählung des Herrn Ledru war die Nacht gänzlich hereingebrochen. Die Bewohner des Salons erschienen nur noch wie Schatten, – nicht allein stumme, sondern auch noch regungslose Schatten, so sehr fürchtete man, daß Herr Ledru sich unterbrechen mögte; denn man sah ein, daß hinter der schrecklichen Erzählung, welche er gemacht hatte, sich eine noch weit schrecklichere befände.

Man hörte daher keinen Athemzug. – Der Doktor allein that den Mund auf, ich ergriff ihn bei der Hand, um ihn vom Sprechen abzuhalten, und er schwieg in der That.

Nach Verlauf einher Secunden fuhr Herr Ledru fort:

Ich hatte die Abtei verlassen, und ging über den Platz Taranne, um mich nach der Straße Turnon zu begeben, in welcher ich wohnte, als ich eine um Hilfe rufende weibliche Stimme hörte.

Es konnten keine Missethäter sein, es war kaum zehn Uhr Abends. Ich eilte nach der Ecke des Platzes, wo ich den Schrei gehört hatte, und sah bei dem Scheine des hinter einer Wolke hervortretenden Mondes eine Frau, welche sich in Mitte einer Runde Sans-Culotten sträubte.

Diese Frau erblickte mich gleichfalls, und da sie an meinem Kostüme bemerkte, daß ich nicht gänzlich ein Mann des Volkes wäre, stürzte sie auf mich zu, indem sie ausrief:

– Ah! Sehen Sie, da ist gerade Herr Albert, den ich kenne, er wird Ihnen sagen, daß ich wirklich die Tochter der Mutter Ledieu, der Wäscherin bin!

Und zu gleicher Zeit ergriff die arme, ganz bleiche und ganz zitternde Frau meinen Arm, indem sie sich wie der Schiffbrüchige an die rettende Planke an mich klammerte.

– Die Tochter der Mutter Ledieu so viel als Du willst, aber Du hast keine Bürgerkarte, schönes Kind, und Du wirst uns auf die Wache folgen!

Die junge Frau drückte mir den Arm; – ich fühlte Alles, was an Schrecken und an Bitte in diesem Drucke lag. – Ich hatte verstanden.

Da sie mich bei dem ersten besten Namen genannt hatte, der ihr eingefallen war, so nannte ich sie bei dem ersten besten Namen, der mir einfiel.

– Wie! Sie sind es, meine arme Solange, sagte ich zu ihr, was begegnet Ihnen denn?

– Da, sehen Sie, meine Herren, begann sie wieder.

– Es scheint mir, daß Du wohl sagen könntest: Bürger.

– Hören Sie, Herr Sergeant, es ist nicht meine Schuld, daß ich so spreche, sagte das junge Mädchen, meine Mutter hatte Kunden in der vornehmen Welt, sie hatte mich daran gewöhnt höflich zu sein, so daß es eine üble Gewohnheit ist, die ich angenommen habe, ich weiß es wohl, eine aristokratische Gewohnheit; aber dem ist nun einmal so, Herr Sergeant, und ich vermag nicht, sie mir abzugewöhnen.

Und es lag in dieser mit zitternder Stimme gegebenen Antwort ein unmerklicher Spott, den ich allein erkannte. Ich fragte mich, wer diese Frau sein könnte. Das Problem war unmöglich zu lösen. Nur war ich davon überzeugt, daß sie nicht die Tochter einer Wäscherin sei.

– Was mir begegnet? begann sie wieder, Bürger Albert, sehen Sie, was mir begegnet: stellen Sie sich vor, daß ich ausgegangen bin, um Wäsche zurückzubringen, daß die Herrin vom Hause ausgegangen war, daß ich gewartet habe, um mein Geld zu erhalten, bis sie nach Haus käme. Dam! Bei den jetzigen Zeiten hat jeder sein Geld nöthig. Die Nacht ist hereingebrochen, ich glaubte am Tage nach Haus zurückzukehren. Ich hatte meine Bürgerkarte nicht mitgenommen, ich bin mitten unter diese Herren gerathen, Verzeihung, ich wollte sagen unter diese Bürger, sie haben mich nach meiner Karte gefragt, ich habe ihnen gesagt, daß ich keine hätte, und sie haben mich auf die Wache führen wollen. Ich habe gerufen, Sie sind herbeigeeilt, gerade eine Bekanntschaft, nun bin ich beruhigt gewesen. Ich habe mir gesagt: da Herr Albert weiß, daß ich Solange heiße, da er weiß, daß ich die Tochter der Mutter Ledieu bin, so wird er für mich gut sagen, nicht wahr, Herr Albert?

– Gewiß werde ich für Sie gut sagen, und ich stehe für Sie gut.

– Gut! sagte der Anführer der Runde, und wer wird mir für Dich gut sagen, Herr Stutzer?

– Danton. Ist Dir das recht? Ist der ein guter Patriot?

– Ah! Wenn Danton für Dich bürgt, so ist Nichts dagegen zu sagen.

– Wohlan! Es ist Sitzungstag bei den Cordelliers, gehen wir dorthin.

– Gehen wir dorthin, – sagte der Sergeant. – Bürger Sans-Culotten, vorwärts, Marsch!

Der Club der Cordelliers wurde in dem ehemaligen Franziskaner Kloster Straße l'Observance gehalten, in welcher wir in einem Augenblicke waren. An der Thüre angelangt, riß ich ein Blatt aus meiner Schreibtafel, schrieb einige Zeilen mit Bleistift, und übergab sie dem Sergeanten, indem ich ihn aufforderte, sie Danton zu überbringen, während wir in den Händen des Corporals und der Runde bleiben würden.

Der Sergeant trat in den Clubb, und kehrte mit Danton zurück.

– Wie! sagte er zu mir. Du bist es, den man verhaftet, Du, mein Freund, – Du, der Freund Camiles, Du, einer der besten Republikaner, welche es gibt! Ei was! – Bürger Sergeant, fügte er hinzu, indem er sich wieder nach dem Anführer der Sans-Culotten umwandte, – ich bürge Dir für ihn. – Genügt Dir das?

– Du bürgst für ihn; aber bürgst Du auch für sie? begann der hartnäckige Sergeant wieder.

– Für sie? Von wem sprichst Du?

– Von dieser Frau, bei Gott!

– Für ihn, für sie, für Alles, was ihn umgibt; bist Du zufrieden?

– Ja, ich bin zufrieden, sagte der Sergeant, besonders Dich gesehen zu haben.

– Ah, bei Gott! Dieses Vergnügen kannst Du Dir umsonst gewähren; betrachte mich ganz nach Deinem Gefallen, – so lange als Du mich hast.

– Ich danke, – fahre fort die Interessen des Volkes zu behaupten, und sei unbesorgt, das Volk wird Dir dankbar sein.

– O, ja, ich rechne darauf! sagte Danton. – Willst Du mir eine Hand geben? fuhr der Sergeant fort.

– Warum nicht?

Und Danton gab ihm die Hand.

– Es lebe Danton! rief der Sergeant aus.

– Es lebe Danton! wiederholte die ganze Runde. Und sie entfernte sich unter Anführung ihres Sergeanten, der zehn Schritte weit entfernt sich umwandte, und indem er seine rothe Mütze schwenkte, noch ein Mal ausrief: Es lebe Danton! Ein Ruf, der von seiner Mannschaft wiederholt wurde.

Ich, wollte Danton danken, als sein mehrere Male in dem Innern des Clubbs wiederholter Name bis zu uns gelangte. Danton! Danton! riefen mehrere Stimmen, – auf die Tribüne! – Verzeihung, mein Lieber, sagte er zu mir, – Du hörst, – eine Hand, und laß mich zurückkehren. Ich habe dem Sergeanten die Rechte gegeben, – ich gebe Dir die Linke. – Wer weiß? der würdige Patriot hatte vielleicht die Krätze.

Und indem er sich umwandte, sagte er mit dieser mächtigen Stimme, welche die Stürme der Straße erhob und besänftigte:

– Hier bin ich, hier bin ich, erwartet mich.

Und er eilte wieder in das Innere des Clubbs.

Ich blieb allein mit meiner Unbekannten vor der Thüre.

– Wohin muß ich Sie jetzt führen, Madame? sagte ich zu ihr, ich stehe zu Ihren Befehlen.

– Dam! Zu der Mutter Ledieu, antwortete sie mir lachend, Sie wissen wohl, daß sie meine Mutter ist.

– Aber wo wohnt die Mutter Ledieu?

– Straße Fèrou, Nr. 24.

– Gehen wir zu der Mutter Ledieu, Straße Fèrou Nr. 24.

Wir gingen die Straße des Fossès-Monsieur-le-Prince bis nach der Straße des Fossès-Saint-German, dann die Straße du Petit-Lion hinab, dann gingen wir den Platz Saint Sulpice und dann die Straße Fèrou wieder hinauf.

Dieser ganze Weg wurde zurückgelegt, ohne daß wir ein Wort ausgewechselt hätten.

Nur hatte ich sie bei dem Scheine des Monde, der in seinem ganzen Glanze leuchtete, nach meinem Gefallen aufmerksam betrachten können.

Sie war eine liebenswürdige Person von zwanzig bis zwei und zwanzig Jahren, braun, mit großen, mehr geistreichen als schwermüthigen blauen Augen, einer schmalen und geraden Nase, spöttischen Lippen, Zähne wie Perlen, Hände einer Königin, Füße eines Kindes. Alles das hatte unter dem Volkskostüme der Tochter der Mutter Les dieu ein aristokratisches Ansehen behalten, welches mit gutem Rechte den Verdacht des wackeren Sergeanten und seiner kriegerischen Runde erweckt hatte.

Als wir an der Thüre ankamen, blieben wir stehen, und blickten uns einen Augenblick lang schweigend an.

– Nun denn! Was wollen Sie von mir, mein lieber Herr Albert? sagte meine Unbekannte lächelnd zu mir.

– Ich wollte Ihnen sagen, meine liebe Demoiselle Solange, daß es nicht der Mühe werth war, uns zu begegnen, um uns so schnell wieder zu verlassen.

– Ich bitte Sie Tausend Male um Verzeihung. Ich finde, daß es im Gegentheile ganz der Mühe werth war, – weil, wenn ich Ihnen nicht begegnet wäre, man mich auf die Wache geführt hätte; – man hätte erkannt, daß ich nicht die Tochter der Mutter Ledieu bin; – man hätte entdeckt, daß ich eine Aristokratin wäre, und man hätte mir sehr wahrscheinlicher Weise den Hals abgeschnitten.

– Sie gestehen also, daß Sie eine Aristokratin sind?

– Ich. ich gestehe Nichts.

– Nun denn, sagen Sie mir zum Mindesten Ihren Namen.

– Solange.

– Sie wissen wohl, daß dieser Name, den ich Ihnen auf den Zufall hin gegeben habe, nicht der Ihrige ist.

– Gleich viel! Ich liebe und behalte ihn. . . zum Mindesten für Sie.

– Wozu haben Sie nöthig ihn für mich zu behalten, wenn ich Sie nicht wiedersehen darf?

– Das sage ich nicht. Ich sage nur, daß, wenn wir uns wiedersehen, es ebenso unnöthig ist, daß Sie wissen, wie ich heiße, als daß ich weiß, wie Sie heißen. Ich habe Sie Albert genannt, behalten Sie diesen Namen Albert, wie ich den Namen Solange behalte.

– Wohlan! Es sei; aber hören Sie, Solange, sagte ich zu ihr.

– Ich höre Sie, Albert, antwortete sie.

– Sie sind eine Aristokratin, Sie gestehen es?

– Wenn ich es nicht gestände, so würden Sie es errathen, nicht wahr? Mein Geständniß verliert demnach viel von seinem Verdienste.

– Und in Ihrer Eigenschaft als Aristokratin werden Sie verfolgt?

– Es findet wohl etwas derartiges statt.

– Und Sie verbergen sich, um den Verfolgungen auszuweichen?

– Straße Fèrou, Nr. 24. bei der Mutter Ledieu, deren Gatte Kutscher meines Vaters gewesen ist. Sie sehen, daß ich keine Geheimnisse für Sie habe.

– Und Ihr Vater?

– Ich habe keine Geheimnisse für Sie, mein lieber Herr Albert, so lange als diese Geheimnisse die meinigen sind; aber die Geheimnisse meines Vaters sind nicht die meinigen. Mein Vater verbirgt sich seiner Seits, bis daß er eine Gelegenheit zum Auswandern findet. Das ist Alles, was ich Ihnen sagen kann.

– Und Sie. was gedenken Sie zu thun?

– Mit meinem Vater abzureisen, wenn das möglich ist; wenn es unmöglich ist, ihn allein abreisen zulassen und ihm später zu folgen.

– Und heute Abend, als Sie verhaftet worden sind, kehrten Sie von Ihrem Vater zurück?

– Ich kehrte von ihm zurück.

– Hören Sie mich an, liebe Solange!

– Ich höre Sie an.

– Sie haben gesehen, was sich heute Abend zugetragen hat?

– Ja, und das hat mir einen Maßstab Ihres Ansehens gegeben.

– O! Mein Ansehen ist unglücklicher Weise nicht groß. Ich habe indessen einige Freunde.

– Ich habe heute Abend die Bekanntschaft des einen von ihnen gemacht.

– Und wie Sie wissen, gehört dieser mit zu den minder mächtigen Männern der Zeit.

– Sie gedenken keinen Einfluß anzuwenden, um die Flucht meines Vaters zu unterstützen?

– Nein, ich behalte ihn für Sie vor.

– Und für meinen Vater?

– Für ihren Vater habe ich ein anderes Mittel.

– Sie haben ein anderes Mittel! ruf Solange aus, indem sie sich meiner Hände bemächtigte und mich voll Bangigkeit anblickte.

– Werden Sie mich in gutem Andenken behalten, wenn ich Ihren Vater rette?

– O! Ich werde Ihnen mein ganzes Leben lang dankbar sein.

Und sie sprach diese Worte mit einem liebenswürdigen Ausdrucke im Voraus gehegter Dankbarkeit aus.

Indem sie mich hierauf anblickte, fragte sie mit einem bittenden Tone:

– Aber wird Ihnen das genug sein?

– Ja, antwortete ich.

– Nun denn! Ich hatte mich nicht geirrt, Sie sind ein edles Herz. Ich danke Ihnen im Namen meines Vaters und dem meinigen, und wenn es Ihnen in der Zukunft nicht gelingen sollte, so bin ich Ihnen nichts desto weniger für die Vergangenheit verpflichtet.

– Wann werden wir uns wiedersehen, Solange?

– Sobald Sie mich wieder zu sehen nöthig haben.

– Ich hoffe, daß ich Ihnen morgen irgend etwas Gutes mitzutheilen habe.

– Wohlan! sehen wir uns morgen wieder.

– Wo das?

– Hier, wenn Sie wollen.

– Hier, auf der Straße?

– Ei! mein Gott! Sie sehen, daß das noch das Sicherste ist; seit einer halben Stunde, welche wir vor dieser Thür sprechen, ist keine einzige Person vorübergekommen.

– Warum sollte ich nicht zu Ihnen hinaufkommen, oder warum sollten Sie nicht zu mir kommen?

– Weil, wenn Sie zu mir kommen, Sie diese wackeren Leute compromittiren, welche mir eine Zuflucht gewährt haben; weil, wenn ich zu Ihnen komme, ich Sie compromittire.

– Wohlan! es sei, ich werde die Karte einer meiner Verwandten nehmen, und sie Ihnen geben.

– Ja, damit man Ihre Verwandte guillotinirt, wenn ich zufällig vethaftet würde.

– Sie haben Recht, ich werde Ihnen eine Karte auf den Namen Solange bringen.

– Vortrefflich! Sie werden sehen, daß Solange am Ende mein einziger und wahrer Name werden wird.

– Ihre Stunde?

– Dieselbe, zu welcher wir uns heute getroffen,hoben.

– Um zehn Uhr, wenn Sie wollen.

– Es sei, um zehn Uhr.

– Und wie werden wir uns begegnen?

– O! das ist nicht sehr schwierig. Sie werden um fünf Minuten vor zehn Uhr an der Thür sein; um zehn Uhr werde ich herabkommen.

– Also morgen um zehn Uhr, liebe Solange.

– Morgen um zehn Uhr, lieber Albert.

Ich wollte ihr die Hand küssen, sie bot mir die Stirn.

Am folgenden Abend war ich um halb zehn Uhr in der Straße.

Ein Viertel vor zehn Uhr machte Solange die Thür auf.

Jeder von uns war der Stunde zuvorkommen.

Ich that nur einen Sprung bis zu ihr.

– Ich sehe, daß Sie gute Nachrichten haben, sagte sie lächelnd.

– Vortreffliche; zuvörderst ist hier Ihre Karte.

– Zuvörderst mein Vater, und sie wies meine Hand zurück.

– Ihr Vater ist gerettet, wenn er es will.

– Wenn er es will, sagen Sie? was muß er thun?

– Er muß Vertrauen zu mir haben.

– Das ist eine abgemachte Sache.

– Sie haben ihn gesehen?

– Ja.

– Sie haben sich der Gefahr ausgesetzt?

– Das ist nicht zu ändern, es muß sein; aber Gott ist da!

– Und Sie haben Ihrem Vater Alles gesagt,?

– Ich habe ihm gesagt, daß Sie mir gestern das Leben gerettet hätten, und daß Sie ihm vielleicht morgen das Leben retten würden.

– Morgen, – ja, gerade morgen rette ich ihm das Leben, wenn er will.

– Wie das? sagen Sie, lassen Sie hören, sprechen Sie. Welche wundervolle Begegnung ich gemacht hätte, wenn Alles das gelänge!

– Nur, sagte ich zögernd zu ihr.

– Nun denn?

– Sie werden nicht mit ihm abreisen können.

– Was das anbetrifft, habe ich Ihnen nicht gesagt, daß mein Entschluß gefaßt wäre?

– Außerdem bin ich sicher, späterhin einen Paß für Sie zu erhalten.

– Sprechen wir zuvörderst von meinem Vater, wir werden nachher von mir sprechen.

– Wohlan! ich habe Ihnen gesagt, daß ich Freunde hätte, nicht wahr?

– Ja.

– Ich habe heute einen derselben besucht.

– Weiter?

– Einen Mann, dessen Namen Sie kennen, und dessen Name eine Bürgschaft des Muthes, der Rechtschaffenheit und der Ehre ist.

– Und dieser Name ist. . .

– Marceau.

– Der General Marceau?

– Ganz recht.

– Sie haben Recht, wenn dieser versprochen hat, so wird er Wort halten.

– Nun denn! er hat versprochen.

– Mein Gott! wie glücklich Sie mich machen! lassen Sie hören, was hat er versprochen? sagen Sie.

– Er hat versprochen uns zu dienen.

– Wie das?

– Ah! auf eine sehr einfache Weise. Kleber hat ihn zum kommandirenden General des Westens ernennen lassen. Er geht morgen Abend ab.

– Morgen Abend; aber wir werden nicht Zeit haben, irgend etwas vorzubereiten.

– Wir haben nichts vorzubereiten.

– Ich verstehe Sie nicht.

– Er nimmt Ihren Vater mit.

– Meinen Vater?

– Ja, als Secretär. In der Vendée angelangt, gibt Ihr Vater Morceau sein Wort, nicht gegen Frankreich zu dienen, und eines Nachts erreicht er das Vendéeische Lager; von der Vendée geht er nach der Bretagne, und von da nach England. Wenn er in London angekommen ist, läßt er Ihnen Nachrichten zukommen; ich verschaffe Ihnen einen Paß, und Sie gehen zu ihm nach London.

– Morgen! rief Solange aus. Mein Vater würde morgen abreisen!

– Aber es ist keine Zeit zu verlieren.

– Mein Vater ist nicht benachrichtigt.

– Benachrichtigen Sie ihn.

– Heute Abend?

– Heute Abend.

– Aber wie, zu dieser Stunde?

– Sie haben eine Karte und meinen Arm.

– Sie haben Recht, – meine Karte.

Ich gab sie ihr; sie steckte sie in ihren Busen.

– Jetzt, Ihren Arm.

Ich gab ihr meinen Arm, und wir brachen auf.

Wir gingen bis noch dem Platze Taranne hinab, das heißt bis nach dem Orte, wo ich ihr am Abende zuvor begegnet war.

– Erwarten Sie mich hier, sagte sie zu mir.

Ich verneigte mich und wartete.

Sie verschwand an der Ecke des ehemaligen Hotels Matignon; – dann erschien sie nach Verlauf einer Viertelstunde wieder.

– Kommen Sie, sagte sie, mein Vater will Sie sehen und Ihnen danken.

Sie nahm meinen Arm wieder, und führte mich in die Straße Saint Guillaume dem Hotel Mortemart gegenüber.

Dort angelangt, nahm sie einen Schlüssel aus ihrer Tasche, schloß eine kleine Thür auf, nahm mich bei der Hand, führte mich bis auf den zweiten Stock und klopfte auf eine eigenthümliche Weise an.

Ein Mann von acht und vierzig bis fünfzig Jahren machte die Thür auf. Er war als Arbeiter gekleidet, und schien das Gewerbe eines Buchbinders zu betreiben.

Aber bei den ersten Worten, welche er mir sagte, bei den ersten Danksagungen, die er an mich richtete, hatte sich der vornehme Herr verrathen.

– Mein Herr, sagte er zu mir, die Vorsehung sendet Sie uns, und ich empfange Sie wie einen Abgesandten der Vorsehung. Ist es wahr, daß Sie mich retten können, und besonders, daß Sie mich retten wollen?

Ich erzählte ihm Alles, ich sagte ihm, wie Marceau es übernehme, ihn als Secretär mitzunehmen, und nichts Anderes von ihm verlangte, als das Versprechen, nicht die Waffen gegen Frankreich zu tragen.

– Dieses Versprechen gebe ich Ihnen von ganzem Herzen, und ich werde es ihm erneuern.

– Ich danke Ihnen dafür in seinem Namen und in dem meinigen.

– Aber wann geht Marceau ab?

– Morgen.

– Muß ich mich heute Nacht zu ihm begeben?

– Wann Sie wollen, er wird Sie immer erwarten. Der Vater und die Tochter sahen einander an.

– Ich glaube, daß es weit vorsichtiger sein würde, sich heute Abend zu ihm zu begeben, mein Vater, sagte Solange.

– Es sei. Aber wenn man mich anhält, ich habe keine Bürgerkarte.

– Hier ist die meinige.

– Aber Sie?

– O! ich bin bekannt.

– Wo wohnt Marceau?

– Strafe der Universität, Nr. 40, bei seiner Schwester, Mademoiselle Desgraviers Marceau.

– Werden Sie mich dorthin begleiten?

– Ich werde Ihnen folgen, um Mademoiselle zurück führen zu können, sobald Sie eingetreten sind.

– Und wie wird Marceau wissen, daß ich der Mann bin, von dem Sie mit ihm gesprochen haben?

– Sie werden ihm diese dreifarbige Kokarde geben, sie ist das Erkennungszeichen.

– Was werde ich für meinen Retter thun?

– Sie werden mich mit der Rettung Ihrer Tochter beauftragen, wie sie mich mit der ihrigen beauftragt hat.

– Gehen wir.

Er setzte seinen Hut auf und löschte die Lichter aus.

Wir gingen bei dem Scheine des Mondes hinab, der durch die Fenster der Treppe fiel.

An der Thür nahm er den Arm seiner Tochter, wandte sich rechts und erreichte durch die Straße des Saint Pères die Straße der Universität.

Ich folgte ihnen immer in der Entfernung von zehn Schlitten.

Man gelangte an die Nr. 40, ohne irgend Jemand begegnet zu sein.

Ich näherte mich ihnen.

– Das ist von guter Vorbedeutung, sagte ich; wollen Sie jetzt, daß ich warte, oder daß ich mit Ihnen hinaufgehe?

– Nein, compromittiren Sie Sich nicht weiter; erwarten Sie meine Tochter hier.

Ich verneigte mich.

– Haben Sie nochmals Dank und leben Sie wohl, sagte er zu mir, indem er mir die Hand reichte. Die Sprache hat keine Worte, um die Gefühle auszudrücken, die ich Ihnen gewidmet habe. Ich hoffe, daß mich Gott eines Tages in den Stand setzen wird, Ihnen meine ganze Dankbarkeit auszudrücken.

Ich antwortete ihm durch einen einfachen Händedruck.

Er trat ein. Solange folgt ihm, aber auch sie drückte mir die Hand, bevor sie eintrat.

Nach Verlauf von zehn Minuten öffnete sich die Thür wieder.

– Nun denn? sagte ich zu ihr.

– Nun denn? erwiderte sie, Ihr Freund ist ganz würdig, Ihr Freund zu sein; – das heißt, daß er jedes Zartgefühl besitzt. – Er sieht ein, daß ich glücklich sein würde bei meinem Vater bis zu dem Augenblicke seiner Abreise zu bleiben. Seine Schwester läßt mir ein Bett in ihrem Zimmer zurecht machen. Morgen Nachmittag um drei Uhr wird mein Vater außer aller Gefahr sein. Wenn Sie glauben, daß der Dank einer Tochter, welche Ihnen ihren Vater verdanken wird, der Mühe werth ist sich zu bemühen, so kommen sie morgen Abend um zehn Uhr, ihn in der Straße Fèrou zu holen.

– O! gewiß, ich werde hingehen. Hat Ihnen Ihr Vater nichts für mich gesagt?

– Er dankt Ihnen für Ihre Karte, die ich Ihnen hier zurückbringe, und bittet Sie, mich so bald als es Ihnen möglich sein würde, ihm nachzusenden.

– Das wird geschehen, wann Sie es wünschen, Solange, antwortete ich mit beklommenem Herzen.

– Ich muß zum Mindesten wissen, wo ich meinen Vater finde, sagte sie, dann fügte sie lächelnd hinzu: – O! Sie sind meiner noch nicht entledigt.

Ich ergriff ihre Hand und drückte sie an mein Herz. Aber, indem sie mir wie am Abende zuvor die Stirn bot, sagte sie:

– Auf morgen.

Und indem ich meine Lippen auf ihre Stirn drückte, drückte ich nicht mehr allein ihre Hand an mein Herz, sondern ihr bebender Busen, ihr klopfendes Herz berührte das meine.

Ich kehrte von Herzen so vergnügt nach Haus zurück, wie ich es niemals gewesen war. War es das Bewußtsein der guten That, welche ich vollbracht hatte, oder liebte ich bereits das liebenswürdige Wesen?

Ich weiß nicht ob ich schlief, oder ob ich wachte; ich weiß nur, daß alle Harmonien der Natur in mir sangen; ich weiß nur, daß die Nacht mir endlos, der Tag mir unermeßlich schien; ich weiß nur, daß, indem ich immerhin die Zeit drängte, ich sie hätte zurückhalten mögen, um nicht eine Minute der Tage zu verlieren, die ich noch zu leben hatte.

Am folgenden Tage war ich um neun Uhr in der Straße Fèrou.

Um halb zehn Uhr erschien Solange.

Sie kam auf mich zu, und schlang mir die Arme um den Hals.

– Gerettet, sagte sie, mein Vater ist gerettet, und Sie sind es, dem ich seine Rettung verdanke! O! wie ich Sie liebe!

Vierzehn Tage nachher empfing Solange einen Brief, welcher ihr meldete, daß ihr Vater in England war.

Am folgenden Tage brachte ich ihr einen Paß.

Indem sie ihn empfing, brach Solange in Thränen aus.

– Sie lieben mich also nicht? sagte sie.

– Ich liebe Sie mehr als mein Leben, antwortete ich; aber ich habe Ihrem Vater mein Wort verpfändet, und ich muß vor Allem mein Wort halten.

– Dann, sagte sie, bin ich es, die ich das meinige brechen wird. Wenn Du den Muth hast mich abreisen zu lassen, Albert, so habe ich nicht den Muth, Dich zu verlassen.

Ach! sie blieb.

Tausend und Ein Gespenst

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