Читать книгу Tausend und Ein Gespenst - Александр Дюма - Страница 16

Einleitung
Ein Tag in Fontenay-aux-Roses
XV.
Das Kloster Hango

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Als ich wieder erwachte, befand ich mich in meinem Zimmer auf meinem Bette liegend; eine der beiden Frauen wachte bei mir.

Ich fragte, wo Smeranda wäre, man antwortete mir, daß sie bei der Leiche ihres Sohnes wachte.

Ich fragte, wo Gregoriska wäre; man antwortete mir, daß er in dem Kloster Hango wäre.

Es war keine Rede mehr von Flucht. War Kostaki nicht todt? Es war keine Rede mehr von Heirath. Konnte ich den Brudermörder heirathen?

Drei Tage und drei Nächte verflossen so unter seltsamen Träumen. Im Nachen oder im Schlafe sah ich immer diese beiden lebendigen Augen in diesem todten Gesichte; es war eine gräßliche Erscheinung.

Am dritten Tage sollte die Beerdigung Kostakis stattfinden. Am Morgen dieses Tages brachte man mir im Namen von Smeranda ein vollständiges Wittwenkostüm. Ich kleidete mich an und ging hinab.

Das Haus war öde; Jedermann befand sich in der Kapelle.

Ich ging nach dem Versammlungsorte. In dem Augenblicke, wo ich über die Schwelle trat, trat Smeranda, welche ich seit drei Tagen nicht gesehen hatte, über die Schwelle und kam zu mir.

Sie schien eine Statue des Schmerzes. Mit einer langsamen Bewegung gleich der einer Statue drückte sie ihre eisigen Lippen auf meine Stirn, und sprach mit einer Stimme, welche bereits aus dem Grabe zu kommen schien, ihre gewöhnlichen Worte aus:

– Kostaki liebt Sie.

Sie vermögen sich keinen Begriff von dem Eindrucke zu machen, welche diese Worte auf mich hervorbrachten. Diese im Präsens, statt im Imperfectum gemachte Liebeserklärung: dieses liebt Sie, statt liebte Sie, diese Liebe jenseits des Grabes, welche mich in dem Leben aufsuchte, brachte auf mich einen schrecklichen Eindruck hervor.

Zu gleicher Zeit bemächtigte sich meiner ein seltsames Gefühl, wie als ob ich in der That die Frau dessen gewesen wäre, der todt war, und nicht die Verlobte dessen, welcher lebte. Dieser Sarg zog mich unwillkürlich, schmerzlicher Weise an, wie man sagt, daß die Schlange den Vogel anzieht, den sie bezaubert. Ich suchte Gregoriska mit den Augen, ich erblickte ihn bleich und an einen Pfeiler gelehnt; seine Augen waren gen Himmel gerichtet, – ich vermag nicht zu sagen, ob er mich sah.

Die Mönche des Klosters von Hango umgaben die Leiche, indem sie die Psalmen des griechischen Ritus sangen, die zuweilen so harmonisch, weit öfter noch sehr eintönig sind. Ich wollte gleichfalls beten, aber das Gebet erstarb auf meinen Lippen, mein Kopf war dermaßen verwirrt, daß es mir weit eher schien einer Versammlung von Teufeln beizuwohnen, als einer Versammlung von Priestern.

In dem Augenblicke, wo man die Leiche forttrug, wollte ich ihr folgen, aber meine Kräfte versagten mir den Dienst. Ich fühlte meine Beine unter mir krachen, und ich lehnte mich an die Thür.

Nun kam Smeranda zu mir und gab Gregoriska einen Wink.

Gregoriska gehorchte und näherte sich.

Nun redete Smeranda mich in moldauischer Sprache an.

– Meine Mutter befiehlt mir, Ihnen Wort vor Wort das zu wiederholen, was Sie sagen wird, äußerte Gregoriska.

Nun sprach Smeranda von Neuem; als sie geendigt hatte, sagte er:

– Hier sind die Worte meiner Mutter:

»Sie beweinen meinen Sohn, Hedwig, Sie liebten ihn, nicht wahr? Ich danke Ihnen für Ihre Thränen und für Ihre Liebe; von nun an sind Sie eben so sehr meine Tochter, als wenn Kostaki Ihr Gatte gewesen wäre; Sie haben von nun an ein Vaterland, eine Mutter, eine Familie. Vergießen wir die Thränen, welche man den Todten schuldig ist, und werden wir nachher wieder Beide dessen würdig, der nicht mehr ist. . . ich, seine Mutter, Sie, seine Gattin! Leben Sie wohl, kehren Sie in Ihr Zimmer zurück; ich will meinem Sohne bis zu seiner letzten Wohnung folgen; bei meiner Rückkehr werde ich mich mit meinem Schmerze einfließen, und Sie werden mich nicht eher sehen, als bis ich ihn besiegt habe; sein Sie unbesorgt, ich werde ihn besiegen, denn ich will nicht, daß er mich umbringt.«

Ich vermogte auf diese von Gregoriska übersetzten Worte Smerandas nur durch ein Stöhnen zu antworten. Ich ging wieder in mein Zimmer hinauf, der Leichenzug entfernte sich. Ich sah ihn an der Ecke der Straße verschwinden. Das Kloster Hango war in gerader Linie nur eine halbe Stunde weit von dem Schlosse entfernt, aber Hindernisse des Bodens nöthigten ihn, einen Umweg zu machen, und indem man die Straße befolgte, war die Entfernung ungefähr zwei Stunden.

Es war im Monate November. Die Tage waren wieder kalt und kurz geworden. Um fünf Uhr Abends war es gänzlich Nacht.

Gegen sieben Uhr sah ich die Fackeln wieder erscheinen. Es war der Leichenzug, der zurückkehrte. Die Leiche ruhte in dem Grabe seiner Väter. Alles war vorbei. Ich habe Ihnen gesagt, welchen seltsamen Plagen ich seit dem verhängnißvollen Ereignisse ausgesetzt war, das uns Alle in Trauer gekleidet hatte, und besonders seitdem ich die Augen, welche der Tod geschlossen hatte, sich wieder öffnen und sich auf mich richten sah. Von den Gemüthsbewegungen des Tages niedergebeugt, war ich an diesem Abende noch weit trauriger. Ich hörte auf der Uhr des Schlosses die verschiedenen Stunden schlagen, und ich wurde in dem Maße betrübt, als die entschwundene Zeit mich dem Augenblicke näherte, in welchem Kostaki gestorben sein mußte.

Ich hörte drei Viertel auf Neun schlagen.

Nun bemächtigte sich meiner eine seltsame Empfindung. Es war ein schaudernder Schrecken, der über meinen ganzen Körper lief und ihn erstarrte; dann mit diesem Schrecken irgend Etwas wie ein unüberwindlicher Schlaf, der meine Sinne betäubte; meine Brust wurde beklommen, meine Augen verschleierten sich. Ich streckte die Arme aus, und sank rückwärts schreitend auf mein Bett.

Meine Sinne waren indessen nicht dermaßen verschwunden, daß ich nicht Etwas wie einen Schritt hören konnte, der sich meiner Thür näherte; dann schien es mir, als ob meine Thür aufginge. Dann sah und hörte ich Nichts mehr.

Nur fühlte ich einen heftigen Schmerz am Halse.

Hierauf versank ich in gänzliche Erstarrung.

Um Mitternacht erwachte ich wieder, meine Lampe brannte noch; ich wollte aufstehen, aber ich war so schwach, daß ich es zwei Male versuchen mußte. Ich besiegte indessen diese Schwäche, und da ich wachend denselben Schmerz am Halse empfand, den ich in meinem Schlummer empfunden hatte, so schleppte ich mich, indem ich mich an die Wand stützte, bis nach dem Spiegel und sah hinein.

Etwas gleich einem Nadelstiche bezeichnete die Pulsader meines Halses.

Ich dachte, daß irgend ein Insect mich während meines Schlafes gestochen hätte, und da ich vor Ermüdung erschöpft war, so legte ich mich zu Bett und schlief ein.

Am folgenden Tage erwachte ich wie gewöhnlich. Wie gewöhnlich wollte ich aufstehen, sobald meine Augen geöffnet waren; aber ich empfand eine Schwäche, welche ich bis dahin nur ein einziges Mal in meinem Leben empfunden hatte, nämlich am Tage nach demjenigen, an welchem man mir zu Ader gelassen hatte.

Ich näherte mich meinem Spiegel, und war durch meine Blässe überrascht.

Der Tag verfloß traurig und trübselig; ich empfand etwas Seltsames; da, wo ich war, hatte ich das Bedürfniß zu bleiben, jede Ortsveränderung war eine Ermüdung.

Die Nacht kam herbei, man brachte mir meine Lampe; meine Frauen, ich verstand es zum Mindesten aus ihren Geberden, boten mir an, bei mir zu bleiben. Ich dankte ihnen; sie entfernten sich.

Zu derselben Stunde, als am Abende zuvor, empfand ich dieselben Symptome. Ich wollte nun aufstehen und um Hilfe rufen; aber ich vermogte nicht, bis nach der Thür zu gehen. Ich hörte dunkel die Glocke der Uhr, welche drei Viertel auf neun Uhr schlug, Schritte erschallten, die Thür ging auf; aber ich sah und hörte Nichts mehr; wie am Tage zuvor war ich rückwärts auf mein Bett gesunken. ein Anfang von Wahnsinn scheinen würde, und ich schloß mit einer gewissen Schüchternheit, als ich im Gegentheile sah, daß er dieser Erzählung eine tiefe Aufmerksamkeit schenkte.

Wie am Tage zuvor empfand ich einen stechenden Schmerz an demselben Orte.

Wie am Tage zuvor erwachte ich um Mitternacht; nur erwachte ich noch weit schwacher und weit bleicher, als am Tage zuvor.

Am folgenden Tage erneuerte sich die gräßliche Plage nochmals.

Ich war entschlossen, zu Smeranda hinabzugehen, so schwach ich auch sein mogte, als eine meiner Frauen in mein Zimmer trat und den Namen Gregoriska aussprach.

Gregoriska kam hinter ihr.

Ich wollte aufstehen, um ihn zu empfangen, aber ich sank wieder auf meinen Sessel zurück.

Als er mich erblickte, stieß er einen Schrei aus und wollte auf mich zustürzen; aber ich hatte die Kraft, den Arm nach ihm auszustrecken.

– Was wollen Sie hier? fragte ich ihn.

– Ach! sagte er, ich kam, um Abschied von Ihnen zu nehmen! Ich kam, Ihnen zu sagen, daß ich diese Welt verlasse, welche mir ohne Ihre Liebe und ohne Ihre Gegenwart unerträglich ist; ich kam, Ihnen zu sagen, daß ich mich in das Kloster Hango zurückziehe.

– Meine Gegenwart ist Ihnen genommen, Gregoriska, antwortete ich ihm, aber nicht meine Liebe. Ach! ich liebe Sie immer noch, und mein großer Schmerz ist, daß diese Liebe von nun an fast ein Verbrechen ist.

– Dann kann ich hoffen, daß Sie für mich beten werden, Hedwig.

– Ja, nur werde ich nicht lange beten, fügte ich lächelnd hinzu.

– In der That, was haben Sie denn, und warum sind Sie so bleich?

– Gott hat ohne Zweifel Erbarmen mit mir und wird mich zu sich rufen!

Gregoriska näherte sich mir, ergriff mich bei der Hand, die ich nicht die Kraft hatte, zurückzuziehen, und indem er mich fest anblickte, sagte er:

– Diese Blässe ist nicht natürlich, Hedwig, woher kommt sie? reden Sie.

– Wenn ich es Ihnen sagte, Gregoriska, so würden Sie glauben, daß ich wahnsinnig sei.

– Nein, nein, reden Sie, Hedwig, ich bitte Sie inständigst darum, wir befinden uns hier in einem Lande, das keinem andern Lande gleicht, in einer Familie, die keiner andern Familie gleicht. Reden Sie, sagen Sie Alles, ich bitte Sie inständigst darum.

Ich erzählte ihm Alles: jene seltsame Verblendung, die mich zu der Stunde befiel, in welcher Kostaki gestorben sein müßte; den Schrecken, die Erstarrung, die eisige Kälte, die Hinfälligkeit, welche mich auf mein Bett legte, das Geräusch von Schritten, das ich zu hören glaubte, diese Thür, welche ich sich öffnen zu sehen glaubte, endlich den stechenden Schmerz, dem meine beständig zunehmende Blässe und Schwäche folgte.

Ich hatte geglaubt, daß meine Erzählung Gregoriska ein Anfang von Wahnsinn scheinen würde, und ich schloß mit einer gewissen Schüchternheit, als ich im Gegentheile sah, daß er dieser Erzählung eine tiefe Aufmerksamkeit schenkte.

Nachdem ich aufgehört hatte zu sprechen, überlegte er einen Augenblick lang.

– Demnach also, fragte er, schlafen Sie jeden Abend um drei Viertel auf neun Uhr ein?

– Ja, welche Mühe ich mir auch geben mag, um dem Schlafe zu widerstehen.

– Demnach also glauben Sie, Ihre Thüre sich öffnen zu sehen?

– Ja, obgleich ich sie verriegle.

– Demnach also empfinden Sie einen stechenden Schmerz am Halse?

– Ja, obgleich mein Hals kaum die Spur einer Wunde behält.

– Wollen Sie erlauben, daß ich sie sehe? sagte er. Ich warf meinen Kopf auf meine Schulter zurück. Er untersuchte diese Narbe.

– Hedwig, sagte er nach einem Augenblicke, haben Sie Vertrauen zu mir?

– Sie fragen es mich? antwortete ich.

– Glauben Sie an mein Wort?

– Wie ich an das heilige Evangelium glaube.

– Nun denn! Hedwig, auf mein Wort, ich schwöre Ihnen, daß Sie keine acht Tage mehr zu leben haben, wenn Sie nicht noch heute einwilligen das zu thun, was ich Ihnen sagen werde.

– Und wenn ich darein willige?

– Wenn Sie darein willigen, – so werden Sie vielleicht gerettet sein.

– Vielleicht?

Er schwieg.

– Was auch geschehen möge, Gregoriska, begann ich wieder, ich werde das thun, was Sie mir befehlen werden.

– Nun denn! Hören Sie, sagte er, und vor Allem erschrecken Sie nicht. In Ihrem Lande, wie in Ungarn, wie in unserem Romanien, besteht eine Sage.

Ich schauderte, denn diese Sage war mir in das Gedächtniß gekommen.

– Ah! sagte er, Sie wissen was ich sagen will?

– Ja, antwortete ich, ich habe in Polen diesem gräßlichen Verhängnisse unterworfene Personen gesehen.

– Sie wollen von Vampyren sprechen, nicht wahr?

– Ja, ich habe in meiner Kindheit auf dem Friedhofe eines meinem Vater gehörigen Dorfes vierzig Personen wieder ausgraben sehen, die in vierzehn Tagen gestorben waren, ohne daß man die Ursache ihres Todes errathen konnte. Siebzehn haben alle Anzeichen von Vampyren gehabt, das heißt, daß man sie frisch und roth, gleich Lebendigen wieder gefunden hat, – die Andern waren ihre Opfer.

– Und was that man, um die Gegend davon zu befreien?

– Man stieß ihnen einen Pfahl in das Herz und verbrannte sie nachher.

– Ja. so verfährt man gewöhnlich; aber für uns genügt das nicht. Um Sie von dem Gespenste zu befreien, will ich es zuvörderst kennen lernen, und beim Himmel! Ich werde es kennen lernen. Ja, und wenn es sein muß, so werde ich Leib gegen Leib mit ihm kämpfen, wer es auch sein möge.

– O, Gregoriska! rief ich erschreckt aus.

– Ich habe gesagt, wer es auch sein möge, und ich wiederhole es. – Aber um dieses schreckliche Abenteuer zu einem guten Ende zu führen, müssen Sie in Alles willigen, was ich von Ihnen verlangen werde.

– Reden Sie.

– Halten Sie sich um sieben Uhr bereit, – gehen Sie in die Kapelle hinab, gehen Sie allein hinab; – Sie müssen Ihre Schwäche überwinden, – es muß sein. – Dort werden wir die eheliche Einsegnung erhalten. Willigen Sie darein, meine Geliebte; um Sie zu beschützen, muß ich vor Gott und vor den Menschen das Recht haben über Sie zu wachen. Wir werden wieder hier hinaufgehen, und dann werden wir sehen.

– O! Gregoriska, rief ich aus, wenn er es ist, so wird er sie tödten.

– Fürchten Sie Nichts, meine geliebte Hedwig. Nur willigen Sie ein.

– Sie wissen wohl, daß ich Alles das thun werde, was Sie wollen, Gregoriska.

– Dann auf heute Abend.

– Ja. thun Sie Ihrerseits, was Sie thun wollen, und ich werde Ihnen nach meinen Kräften beistehen, gehen Sie.

Er entfernte sich. Eine Viertelstunde nachher sah ich einen Reiter, der auf der Straße des Klosters dahin sprengte. Er war es.

Kaum hatte ich ihn aus dem Gesicht verloren, als ich auf die Knie sank und betete, wie man in Ihrem Lande ohne Glauben nicht mehr betet, und wartete die siebente Stunde ab, indem ich Gott und den Heiligen das Opfer meiner Gedanken darbrachte; ich stand erst in dem Augenblicke wieder auf, wo es sieben Uhr schlug.

Ich war schwach wie eine Sterbende, bleich wie eine Gestorbene. Ich warf einen großen schwarzen Schleier über meinen Kopf, ging die Treppe hinab, indem ich mich an den Wänden stützte, und begab mich in die Kapelle, ohne Jemandem begegnet zu sein.

Gregoriska erwartete mich mit dem Vater Basilius, dem Superior des Klosters Hango. Er trug ein heiliges Schwert an der Seite, die Reliquie eines alten Kreuzfahrers, der mit Ville-Hartouin und Balduin von Flandern Constantinopel genommen hatte.

– Hedwig, sagte er, indem er mit der Hand auf sein Schwert schlug, mit dem Beistande Gottes wird dieses Schwert den Zauber brechen, der Ihr Leben bedroht. Nähern Sie sich daher entschlossen, hier ist ein heiliger Mann, der, nachdem er meine Beichte empfangen hat, unsere Schwüre empfangen wird.

Die Feierlichkeit begann; niemals hatte vielleicht eine einfachere und zugleich feierlichere stattgefunden. Niemand leistete dem Popen Beistand; er selbst setzte uns die Hochzeitslränze auf den Kopf. Beide in Trauer gekleidet, gingen wir mit einer Kerze in der Hand um den Altar; als hierauf der Geistliche die heiligen Worte ausgesprochen hatte, fügte er hinzu:

– Geht jetzt, meine Kinder, und möge Gott Euch Muth und Kraft verleihen, gegen den Feind der Menschheit zu kämpfen. Ihr seid mit Eurer Unschuld und seiner Gerechtigkeit gerüstet; Ihr werdet den Dämon besiegen. Geht, und seid gesegnet.

Wir küßten die heiligen Bücher und verließen die Kapelle.

Nun stützte ich mich zum ersten Male auf den Arm Gregoriskas, und es schien mir, als ob bei der Berührung dieses tapferen Armes, bei der Berührung dieses edlen Herzens das Leben in meine Adern wieder zurückkehrte. Ich glaubte mich gewiß zu triumphiren, da Gregoriska bei mir war; wir gingen wieder in mein Zimmer hinaus.

Es schlug halb neun Uhr.

– Hedwig, sagte nun Gregoriska zu mir, wir haben keine Zeit zu verlieren. Willst Du wie gewöhnlich einschlafen und daß sich Alles während Deines Schlafes zuträgt? Willst Du wach bleiben und Alles sehen?

– Bei Dir fürchte ich Nichts, ich will wach bleiben, ich will Alles sehen.

Gregoriska zog einen geweihten Buchsbaumzweig aus seinem Busen, der noch ganz feucht von dem Weihwasser war, und gab ihn mir.

– So nimm denn diesen Zweig, sagte er, lege Dich auf Dein Bett, sag die Gebete an die Jungfrau her und warte ohne Furcht. Gott ist mit uns. Vor Allem laß Deinen Zweig nicht fallen; mit ihm wirst Du selbst der Hölle gebieten. Rufe mich nicht, schreie nicht; bete, hoffe und warte.

Ich legte mich auf das Bett. Ich faltete meine Hände auf der Brust, auf welche ich den geweihten Zweig stützte.

Was Gregoriska anbelangt, so verbarg er sich hinter dem Thronhimmel, von dem ich bereits gesprochen habe, und der die Ecke meines Zimmers einnahm.

Ich zählte die Minuten, und ohne Zweifel zählte sie Gregoriska seiner Seite gleichfalls.

Es schlug drei Viertel.

Der Klang der Glocke bebte noch, als ich dieselbe Erstarrung, denselben Schrecken, dieselbe eisige Kälte wieder empfand; aber ich näherte den geweihten Zweig meinen Lippen, und diese erste Empfindung verschwand.

Nun hörte ich sehr deutlich das Geräusch jenes langsamen und abgemessenen Schrittes auf der Treppe erschallen und sich meiner Thüre nähern.

Hierauf ging meine Thüre langsam, geräuschlos, wie von einer übernatürlichen Macht geöffnet auf, und nun. . .

Die Stimme stockte wie erstickt in dem Munde der Erzählerin.

– Und nun, fuhr sie mit Anstrengung fort, erblickte ich Kostaki, bleich, wie ich ihn auf der Tragbahre gesehen hatte; seine langen, auf seiner Schulter zerstreuten Haare trieften von Blut; er trug sein gewöhnliches Kostüm; nur war es auf seiner Brust offen und ließ seine blutende Wunde sehen.

Alles war todt, Alles war Leiche. . . Fleisch, Kleider, Gang. . . die Augen allein, diese schrecklichen Augen, waren lebendig.

Wie sonderbar! statt mein Entsetzen zu verdoppeln, fühlte ich bei diesem Anblicke meinen Muth wachsen.

Gott sandte mir ihn ohne Zweifel, damit ich meine Lage beurtheilen und mich gegen die Hölle vertheidigen könnte. Bei dem ersten Schritte, den das Gespenst auf mein Bett zu that, kreuzte ich kühn meinen Blick mit diesem bleiernen Blicke und hielt ihm den geweihten Zweig entgegen.

Das Gespenst versuchte weiter zu schreiten, aber eine weit stärkere Gewalt, als die seinige, hielt es auf seiner Stelle zurück. Es blieb stehen.

– O! murmelte er, sie schläft nicht: sie weiß Alles.

Er sprach in moldauischer Sprache, und dennoch verstand ich ihn, wie als ob diese Worte in einer Sprache ausgesprochen worden wären, die ich verstanden hätte.

Wir, das Gespenst und ich, befanden uns so einander gegenüber, ohne daß meine Augen sich von den seinigen abzuwenden vermogten, als ich, ohne daß ich nöthig hatte den Kopf nach seiner Seite zu wenden, Gregoriska hinter dem hölzernen Sessel gleich einem Vertilgungsengel Und mit seinem Schwerte in der Hand hervorkommen sah. Er machte das Zeichen des Kreuzes mit der linken Hand, und schritt langsam, das Schwert nach dem Gespenste ausgestreckt vor; bei dem Anblicke seines Bruders hatte dieses gleichfalls mit einem schrecklichen Gelächter seinen Säbel gezogen; aber kaum hatte der Säbel den geweihten Stahl berührt, als der Arm des Gespenstes schlaf an seinem Körper herabfiel.

Kostaki stieß einen Seufzer aus, der seinen innern Kampf und seine Verzweiflung bezeichnete.

– Was willst Du? sagte er zu seinem Bruder.

– Im Namen des lebendigen Gottes, sagte Gregoriska, beschwöre ich Dich, zu antworten.

– Sprich, sagte das Gespenst, indem es mit den Zähnen knirschte.

– War ich es, der Dich ermordet hat?

– Nein.

– War ich es, der Dich angegriffen hatte?

– Nein.

– War ich es, der Dich getroffen hat?

– Nein.

– Du hast Dich auf mein Schwert gestürzt, und das ist Alles. Ich bin daher in den Augen Gottes und der Menschen nicht des Verbrechens des Brudermordes schuldig; Du bist also nicht dem Rufe Gottes, sondern dem des Teufels gefolgt; Du hast also nicht das Grab wie ein heiliger Schatten verlassen, sondern wie ein verfluchtes Gespenst, und Du wirst in Dein Grab zurückkehren.

– Mit ihr, ja, rief Kostaki aus, indem er eine äußerste Anstrengung machte, um sich meiner zu bemächtigen.

– Allein, rief nun Gregoriska aus, diese Frau gehört mir.

Und indem er diese Worte aussprach, berührte er mit dem geweihten Stahle die frische Wunde.

Kostaki stieß einen Schrei aus, wie als ob ein Flammenschwert ihn berührt hätte, und indem er die linke Hand auf seine Brust legte, trat er einen Schritt zurück.

Zu gleicher Zeit und mit einer Bewegung, welche mit der seinigen in Verbindung zu stehen schien, trat Gregoriska einen Schritt vor; nun, die Augen aus die Augen des Todten geheftet, das Schwert auf die Brust seines Bruders gerichtet, begann ein langsamer, schrecklicher, feierlicher Marsch, in etwas ähnlich dem Vorüberkommen Don Juans und des Commandeurs; das Gespenst wich vor dem geheiligten Schwerte unter dem unwiderstehlichen Willen des Streiters Gottes zurück; dieser folgte ihm Schritt vor Schritt ohne ein Wort auszusprechen; Beide athemlos, Beide todtenbleich, trieb der Lebendige den Todten vor sich her, und zwang ihn, das Schloß, welches in der Vergangenheit seine Wohnung war, mit dem Grabe zu vertauschen, das in der Zukunft seine Wohnung sein sollte.

O! ich schwöre es Ihnen, es war gräßlich anzusehen.

Und, selbst von einer höheren, unsichtbaren, unbekannten Gewalt angetrieben, stand ich indessen auf und folgte ihnen, ohne mir Rechenschaft von dem abzulegen, was ich that. Wir gingen die nur von den glühenden Augen Kostakis erleuchtete Treppe hinab. Wir gingen so durch die Gallerte, so über den Hof. Wir überschritten so das Thor in demselben abgemessenen Schritte; das Gespenst rückwärts schreitend, Gregoriska mit ausgestrecktem Arm, ich ihnen folgend. Dir verziehen werden wird, wenn Du bereuest, versprichst Du in Dein Grab zurückzukehren, – versprichst Du es nicht mehr zu verlassen, – versprichst Du endlich Gott die Verehrung zu widmen, welche Du der Hölle gewidmet hast?

Dieser phantastische Marsch dauerte eine Stunde lang; man mußte den Todten nach seinem Grabe zurückführen; nur waren Kostaki und Gregoriska, statt den gewöhnlichen Weg einzuschlagen, in gerader Linie querfeldein gegangen, indem sie sich wenig um die Hindernisse bekümmerten, welche aufgehört hatten zu bestehen; unter ihren Füßen ebnete sich der Boden, die Ströme trockneten aus, die Bäume wichen zurück, die Felsen traten zur Seite; dasselbe Wunder, das sich für sie ereignete, ereignete sich für mich; nur schien mir der ganze Himmel mit einem schwarzen Flore bedeckt, der Mond und die Sterne waren verschwunden, und ich sah immer nur in der Nacht die flammenden Augen des Vampyrs leuchten.

So kamen wir nach Hango, so gingen wir durch die Hecke von Meerkirschen, welche dem Friedhofe zur Umzäunung diente. Kaum eingetreten, erkannte ich in der Dunkelheit das Grab Kostakis, das neben dem seines Vaters gegraben war; ich wußte nicht, daß es dort war, und dennoch erkannte ich es.

In dieser Nacht wußte ich Alles.

An dem Rande des offenen Grabes blieb Gregoriska stehen.

– Kostaki, sagte er, noch ist nicht Alles für Dich beendigt, und eine Stimme des Himmels sagt mir, daß Dir verziehen werden wird, wenn Du bereuest, versprichst Du in Dein Grab zurückzukehren, – verprichst Du es nicht mehr zu verlassen, – versprichst Du endlich Gott die Verehrung zu widmen, welche Du der Hölle gewidmet hast?

– Nein! antwortete Kostaki.

– Bereuest Du? fragte Gregoriska.

– Nein!

– Zum letzten Male. Kostaki?

– Nein!

– Wohlan! rufe den Satan zu Hilfe, wie ich Gott zu Hilfe rufe, und sehen wir auch dieses Mal, wem der Sieg bleiben wird.

Zwei Schreie erschallten zu gleicher Zeit; die Schwerter kreuzten sich Funken sprühend, und der Kampf dauerte eine Minute lang, welche mir ein Jahrhundert schien.

Kostaki fiel; ich sah das schreckliche Schwert sich erheben, ich sah es sich in seinen Leib senken und diesen Leib auf die frisch umgegrabene Erde aufspießen.

Ein letzter Schrei, der nichts Menschliches hatte, zog durch die Luft.

Ich eilte herbei.

Gregoriska war stehen geblieben, aber er wankte.

Ich eilte herbei und unterstützte ihn in meinen Armen.

– Bist Du verwundet? fragte ich ihn voll Bangigkeit.

– Nein, sagte er zu mir; aber in einem solchen Kampfe, theure Hedwig, ist es nicht die Wunde, welche tödtet, es ist der Kampf. Ich habe mit dem Tode gekämpft, ich gehöre dem Tode an.

– Freund! Freund! rief ich aus, entferne Dich, entferne Dich von hier, und das Leben wird vielleicht zurückkehren.

– Nein, sagte er, hier ist mein Grab, Hedwig; aber verlieren wir keine Zeit; nimm ein wenig von dieser mit seinem Blute getränkten Erde, und lege sie auf den Biß, den er Dir beigebracht hat; das ist das einzige Mittel, Dich in Zukunft vor seiner gräßlichen Liebe zu bewahren.

Ich gehorchte schaudernd. Ich bückte mich, um diese blutige Erde aufzuraffen, und indem ich mich bückte, sah ich die auf dem Boden aufgespießte Leiche, das geweihte Schwert durchbohrte ihr das Herz, und schwarzes Blut floß reichlich aus seiner Wunde, wie als ob er erst so eben gestorben wäre.

Ich knetete ein wenig Erde mit dem Blute, und legte den gräßlichen Talisman auf meine Wunde.

– Jetzt, meine angebetete Hedwig, sagte Gregoriska mit schwach gewordener Stimme, höre aufmerksam meine letzten Verhaltungsvorschriften an; verlaß das Land sobald als Du es vermagst. Die Entfernung allein ist eine Sicherheit für Dich. Der Vater Basilius hat heute meinen letzten Willen erhalten, und er wird ihn vollziehen. Hedwig! einen Kuß! den letzten, den einzigen, Hedwig! Ich sterbe.

Und indem er diese Worte sagte, sank Gregoriska neben seinem Bruder zu Boden.

Unter allen andern Umständen wäre ich auf diesem Friedhofe, neben diesem offenen Grabe, bei diesen neben einander liegenden beiden Leichen, wahnsinnig geworden; aber, wie ich bereits gesagt, Gott hatte mir Kraft verliehen, die den Ereignissen, zu deren Zeugen er mich machte, nicht allein gewachsen war, sondern an denen er mich auch noch thätigen Theil nehmen ließ.

In dem Augenblicke, wo ich um mich blickte, indem ich einige Hilfe suchte, sah ich das Thor des Klosters aufgeben, und von dem Vater Basilius angeführt, schritten die Mönche je zwei und zwei heran. Sie trugen brennende Fackeln und sangen die Todtengebete.

Der Vater Basilius war so eben in dem Kloster angekommen; er hatte das vorausgesehen, was sich zugetragen hatte, und er begab sich an der Spitze der ganzen Gemeinde auf den Friedhof.

Er fand mich lebend neben zwei Todten.

Das Gesicht Kostakis war durch einen letzten Krampf entstellt.

Gregoriska war dagegen ruhig und fast lächelnd.

Wie es Gregoriska anempfohlen hatte, begrub man ihn neben seinem Bruder, – so daß der Christ den Verdammten bewachte.

Als sie dieses neue Unglück und den Antheil erfuhr, den ich daran genommen hatte, wollte mich Smeranda sehen; sie besuchte mich in dem Kloster Hango, und erfuhr aus meinem Munde alles das, was sich in dieser schrecklichen Nacht zugetragen hatte.

Ich erzählte ihr die phantastische Geschichte in allen ihren Umständen, aber sie hörte mich an, wie mich Gregoriskas angehört hatte, ohne Erstaunen und ohne Schrecken.

– Hedwig, antwortete sie nach einem Augenblicke des Schweigens, so seltsam das auch sein möge, was Sie so eben erzählt haben, so haben Sie dennoch nur die reine Wahrheit gesagt. – Das Geschlecht der Brancovans ist bis zur dritten und vierten Generation verflucht, – und das, weil ein Brancovan einen Priester getödtet hat. Aber das Ziel des Fluches ist gekommen; – denn obgleich Gattin, sind Sie Jungfrau, und mit mir stirbt das Geschlecht aus. – Wenn mein Sohn Ihnen eine Million vermacht hat, so nehmen Sie dieselbe. Nach meinem Tode werden Sie, mit Ausnahme der frommen Vermächtnisse, die ich zu machen gedenke, den Rest meines Vermögens erhalten. Jetzt befolgen Sie so schnell als möglich den Rath Ihres Gatten. Kehren Sie so schnell als möglich in die Länder zurück, in denen Gott nicht zugibt, daß diese schrecklichen Wunder sich zutragen. Ich bedarf Niemandes, um meine Sohne mit mir zu beweinen. Mein Schmerz verlangt die Einsamkeit. Leben Sie wohl, kümmern Sie Sich nicht mehr um mich. Mein zukünftiges Schicksal gehört nur noch mir und Gott an.

Und nachdem sie mich wie gewöhnlich auf die Stirn geküßt halt, verließ sie mich und schloß sich in das Schloß Brancovan ein.

Acht Tage nachher reiste ich nach Frankreich ab. Wie es Gregoriska gehofft hatte, hörten meine Nächte auf, von dem schrecklichen Gespenste besucht zu werden. Selbst meine Gesundheit hatte sich wieder hergestellt, und ich habe von diesem Ereignisse nur diese Todtenblässe behalten, welche jedes menschliche Wesen, das den Kuß eines Vampyrs bekommen, bis zum Grabe begleitet.

Die Dame schwieg, es schlug Mitternacht, und ich mögte fast zu sagen wagen, daß der Herzhafteste von uns bei dem Klange der Standuhr erbebte.

Es war Zeit, sich zurückzuziehen; wir nahmen Abschied von Herrn Ledru. Ein Jahr nachher starb dieser vortreffliche Mann.

Dies ist das erste Mal, daß ich, seit diesem Tode, Gelegenheit habe, dem guten Bürger, dem bescheidenen Gelehrten, besonders dem rechtschaffenen Manne einen Tribut abzutragen. – Ich beeile mich, es zu thun.

Ich bin niemals nach Fontenay-aux-Roses zurückgekehrt.

Aber die Erinnerung dieses Tages ließ einen so tiefen Eindruck in meinem Leben zurück, alle diese seltsamen Geschichten, welche sich an einem einzigen Abende aufgehäuft hatten, gruben eine so tiefe Furche in meinem Gedächtnisse, daß ich in der Hoffnung, bei Anderen eine Teilnahme zu erwecken, die ich selbst empfunden hatte, in den verschiedenen Ländern, welche ich seit achtzehn Jahren durchwandert habe, das heißt in der Schweiz, in Deutschland, in Italien, in Spanien, in Sicilien, in Griechenland und in England, alle die Sagen derselben Art sammelte, welche die Erzählungen der verschiedenen Völker in meinem Ohre wieder aufleben ließen, und aus ihnen diese Sammlung bildete, welche ich jetzt meinen gewöhnlichen Lesern unter dem Titel liefere:

Tausend und Ein Gespenst

Tausend und Ein Gespenst

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