Читать книгу Tausend und Ein Gespenst - Александр Дюма - Страница 14

Einleitung
Ein Tag in Fontenay-aux-Roses
XIII.
Das Schloß der Brancovan's

Оглавление

Kostaki ließ mich aus seinen Armen auf den Boden gleiten, und stieg fast zugleich zu mir ab; – aber so rasch seine Bewegung auch gewesen sein mogte, er war nur der Gregoriska gefolgt.

Wie es Gregoriska gesagt hatte, war er auf dem Schlosse wirklich der Herr.

Als sie die beiden jungen Leute und die Fremde am kommen sahen, welche sie mitbrachten, eilten die Diener herbei, aber obgleich die Aufmerksamkeiten zwischen Kostaki und Gregoriska getheilt waren, so fühlte man doch, daß die größten Rücksichten, daß die tiefste Ehrerbietung für diesen letzteren waren.

Zwei Frauen näherten sich; Gregoriska ertheilte ihnen einen Befehl in moldauischer Sprache und gab mir einen Wink mit der Hand ihnen zu folgen.

Es lag so viel Ehrerbietung in dem Blicke, der diesen Wink begleitete, daß ich nicht zögerte. Fünf Minuten nachher befand ich mich in einem Zimmer, das, so kahl und unbewohnbar es auch dem am Leichtesten zu Befriedigenden scheinen mogte, augenscheinlich das schönste des Schlosses war.

Es war ein großes viereckiges Zimmer mit einer Art von Divan von grüner Sarsche; am Tage der Sitz, des Nachts das Bett. Fünf bis sechs große Sessel von Eichenholz, eine große Truhe, und in einer der Ecken dieses Zimmer ein Thronhimmel gleich einem großen und prachtvollen Kirchenstuhle.

Von Vorhängen an den Fenstern, von Vorhängen an dem Bette war keine Rede.

Man ging nach diesem Zimmer auf einer Treppe hinauf, auf welcher in Nischen drei Statuen der Brancovan's von mehr als natürlicher Größe standen.

In dieses Zimmer brachte man nach Verlauf eines Augenblickes das Gepäck, unter welchem sich meine Felleisen befanden. Die Frauen boten mir ihre Dienste an. Aber indem ich der Unordnung abhalf, welche dieses Ereigniß in meiner Toilette hervorgebracht hatte, behielt ich meinen Amazonen-Anzug bei, ein Kostüm, das mehr in Uebereinstimmung mit dem meiner Wirthe stand, als irgend eines von denen, welche ich hätte anlegen können.

Kaum waren diese kleinen Veränderungen vorgenommen, als ich leise an meine Thür klopfen hörte.

– Herein, sagte ich natürlicher Weise auf Französisch, da, wie Sie wissen, das Französische uns Polen fast eine Muttersprache ist.

Gregoriska trat ein.

– Ah! Madame, ich bin sehr erfreut, daß Sie Französisch sprechen.

– Und auch ich bin sehr erfreut, diese Sprache zu sprechen, mein Herr, antwortete ich ihm, da ich durch diesen Zufall Ihr großmüthiges Verfahren gegen mich habe würdigen können. – In dieser Sprache haben Sie mich gegen die Absichten ihres Bruders vertheidigt, in dieser Sprache biete ich Ihnen den Ausdruck meiner sehr aufrichtigen Dankbarkeit an.

– Ich danke, Madame. – Es war ganz natürlich, daß ich mich für eine Frau in der Lage interessirte, in welcher Sie Sich befanden. Ich jagte in den, Gebirge, als ich unregelmäßige und fortdauernde Schüsse hörte; ich sah ein, daß es sich um irgend einen Angriff mit bewaffneter Hand handelte, und ich rückte gegen das Feuer, wie man im militärischen Ausdruck sagt. – Ich bin, dem Himmel sei Dank, zur rechten Zeit gekommen; aber werden Sie mir erlauben, Madame, mich zu erkundigen, durch welchen Zufall eine Frau von Stande, wie Sie es sind, sich in unsere Gebirge gewagt hatte?

– Ich bin Polin, mein Herr, antwortete ich ihm, meine beiden Brüder sind in dem Kriege gegen Rußland gefallen; mein Vater, den ich verlassen habe, indem er bereit war unser Schloß gegen den Feind zu vertheidigen, wird zu dieser Stunde ohne Zweifel zu ihnen gegangen sein, und ich kam, indem ich auf den Befehl meines Vaters dieses Blutbad floh, eine Zuflucht in dem Kloster Sahastru zu suchen, in welchem meine Mutter in ihrer Jugend und unter ähnlichen Umständen eine sichere Freistätte gefunden hatte.

– Sie sind die Feindin der Russen; dann um so besser, sagte der junge Mann, dieser Titel wird Ihnen ein mächtiger Beistand auf dem Schlosse sein, und wir haben alle unsere Kräfte nöthig, um den Kampf zu bestehen, der sich vorbereitet. Zuvörderst, da ich weiß, wer Sie sind, Madame, so erfahren Sie, wer wir sind; der Name Brancovan ist Ihnen nicht fremd, Madame, nicht wahr?

Ich verneigte mich.

Meine Mutter ist die letzte Fürstin dieses Namens, der letzte Nachkomme dieses erlauchten Oberhauptes, das die Cantimirs, diese elenden Höflinge Peters I. umbringen ließen. Meine Mutter heirathete in erster Ehe meinen Vater, Serban Waivady, Fürst wie sie, aber von minder berühmtem Stamme.

Mein Vater war in Wien erzogen worden, er hatte dort die Vorzüge der Civilisation schätzen gelernt. Er beschloß, aus mir einen Europäer zu machen. Wir gingen nach Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland.

Ich weiß wohl, daß es einem Sohne nicht geziemt, das zu erzählen, was ich Ihnen sagen will; da es aber für unser Heil nöthig ist, daß Sie uns genau kennen, so werden Sie die Gründe dieser Mittheilung würdigen. Meine Mutter, welche während der ersten Reisen meines Vaters, als ich in meiner frühesten Kindheit war, strafbare Verbindungen mit einem Hauptmanne von Parteigängern gehabt hatte, so nennt man in dieser Gegend die Leute, welche Sie angegriffen haben, fügte Gregoriska lächelnd hinzu, – meine Mutter, sage ich, welche strafbare Verbindungen mit einem Grafen Giordaki Koproly, halb Grieche, halb Moldauer, gehabt hatte, schrieb meinem Vater, um ihm Alles zu sagen und die Scheidung von ihm zu verlangen, indem sie dieses Verlangen darauf stützte, daß sie, – eine Brancovan, – nicht die Frau eines Mannes bleiben wollte, der sich mit jedem Tage seinem Vaterlande mehr entfremdete. – Leider hatte mein Vater nicht nöthig seine Einwilligung zu dieser Forderung zu geben, welche Ihnen sonderbar scheinen kann, die aber bei uns das Gewöhnlichste und das Natürlichste ist. – Mein Vater war an einer Pulsadergeschwulst gestorben, an welcher er seit langer Zeit litt, – und ich war es, der den Brief empfing.

Ich hatte nichts zu thun, als sehr aufrichtige Wünsche für das Glück meiner Mutter auszusprechen. – Diese Wünsche überbrachte ihr ein Brief von mir, indem er ihr meldete, daß sie Wittwe wäre.

Dieser selbe Brief verlangte von ihr für mich die Erlaubniß meine Reisen fortzusetzen, eine Erlaubniß, welche mir bewilligt wurde.

Meine sehr bestimmte Absicht war, mich in Frankreich oder in Deutschland niederzulassen, um mich nicht einem Manne gegenüber zu befinden, der mich verabscheute und den ich nicht lieben konnte, das heißt dem Gatten meiner Mutter, als ich plötzlich erfuhr, daß der Graf Giordaki Koproly, wie man sagte, von den ehemaligen Kosaken meines Vaters ermordet worden wäre.

Ich beeilte mich zurückzukehren; ich liebte meine Mutter; ich begriff ihr Alleinstehen, ihr Bedürfniß in einem solchen Momente die Personen bei sich zu haben, welche ihr theuer sein konnten. Ohne daß sie jemals eine sehr zärtliche Liebe für mich gehabt hatte, war ich ihr Sohn, Eines Morgens kehrte ich ohne erwartet zu sein auf das Schloß unserer Väter zurück.

Ich fand dort einen jungen Mann, den ich anfangs für einen Fremden hielt, und von dem ich nachher erfuhr, daß er mein Bruder wäre.

Das war Kostaki, der Sohn des Ehebruches, den eine zweite Ehe legitimirt hatte. – Kostaki, das heißt das unbändige Geschöpf, das Sie gesehen haben, dessen einziges Gesetz die Leidenschaften sind, dem nichts auf dieser Welt heilig ist, als seine Mutter, der mir nur gehorcht, wie der Tiger dem Arme gehorcht, der ihn gebändigt hat, aber mit einem ewigen, durch die dunkle Hoffnung, mich eines Tages zu zerreißen, unterhaltenem Brüllen. – In dem Innern des Schlosses, in der Wohnung der Brancovans und der Waivadys, bin ich noch der Herr; sobald er aber außer diesen Ringmauern, sobald er im freien Felde ist, so wird er wieder der wilde Sohn der Wälder und der Berge, der alles unter seinen eisernen Willen beugen will. Wie hat er heute nachgegeben? wie haben seine Leute nachgegeben? ich weiß es nicht; eine alte Gewohnheit, ein Rest von Ehrerbietung. Aber ich mögte keine neue Probe wagen. Bleiben Sie hier, verlassen Sie dieses Zimmer, diesen Hof, kurz das Innere der Mauern nicht, und ich stehe für Alles; thun Sie einen Schritt außerhalb des Schlosses, so stehe ich für Nichts mehr, als mich tödten zu lassen, um Sie zu vertheidigen.

– Könnte ich denn nicht den Wünschen meines Vaters gemäß meine Reise nach dem Kloster Sahastru fortsetzen?

– Thun Sie es, versuchen Sie es, befehlen Sie, ich werde Sie begleiten; – aber ich werde auf dem Wege bleiben, – und Sie, Sie . . . Sie werden nicht ankommen.

– Was dann thun?

– Hier bleiben, abwarten, sich nach den Ereignissen richten, die Umstände benutzen. – Nehmen Sie an, daß Sie in eine Räuberhöhle gefallen sind, und daß Ihr Muth allein Sie herauszuziehen, daß Ihre Kaltblütigkeit allein Sie zu retten vermag. Trotz ihrer Vorliebe für Kostaki, dem Sohne ihrer Liebe, ist meine Mutter gut und großmüthig. Außerdem ist sie eine Brancovan, das beißt eine wahre Fürstin. Sie werden sie sehen; sie wird Sie vor den rohen Leidenschaften Kostakis schützen. Stellen Sie Sich unter ihren Schutz; – Sie sind schön, sie wird Sie lieben. Außerdem, – er blickte mich mit einem unbeschreiblichen Ausdrucke an! – wer vermögte Sie zu sehen und Sie nicht zu lieben? Kommen Sie jetzt in den Speisesaal, wo sie uns erwartet. Zeigen Sie weder Verlegenheit noch Mißtrauen; sprechen Sie Polnisch: Niemand versteht hier diese Sprache; ich werde Ihre Worte meiner Mutter übersetzen, und, sein Sie ohne Sorgen, ich werde nur das sagen, was zu sagen nöthig ist. Vor Allem kein Wort über das, was ich Ihnen mitgetheilt habe; man darf nicht ahnen, daß wir uns verstehen. Sie kennen die List und die Verstellung des Aufrichtigsten unter uns noch nicht. Kommen Sie.

Ich folgte ihm auf diese Treppe, welche von Harzfackeln erleuchtet war, die in eisernen, aus den Mauern hervortretenden Händen brannten.

Es war augenscheinlich, daß man diese ungewöhnliche Erleuchtung meinetwegen gemacht hatte.

Wir kamen in den Speisesaal.

Sobald Gregoriska die Thüre desselben aufgemacht und in moldauischer Sprache ein Wort ausgesprochen hatte, von dem ich seitdem erfahren, daß es die Fremde bedeutete, schritt eine große Frau auf uns zu.

Es war die Fürstin Brancovan.

Sie trug ihre weißen Haare um ihren Kopf herum geflochten; sie war mit einer kleinen Mütze von Zobelpelz bedeckt, auf der sich eine Reiherfeder befand, das Zeug: niß ihres fürstlichen Ursprunges. Sie trug eine Art von Tunika von Goldtuch mit einem mit Edelsteinen gestickten Mieter, welche ein langes Kleid von türkischem Stoffe bedeckte, das mit Pelzwerk gleich dem der Mütze besetzt war.

Sie hielt einen Rosenkranz von Bernstein-Perlen in der Hand, die sie sehr rasch durch ihre Finger rollen ließ.

An ihrer Seite befand sich Kostaki, der das glänzende und majestätische magyarische Kostüm trug, unter welchem er mir noch weit seltsamer schien.

Es bestand in einem Rocke von grünem Sammet mit weiten Aermeln, der bis über das Knie herabfiel. Beinkleider von rothem Kasimir, Stiefeln von mir Gold gesticktem Saffian; sein Kopf war unbedeckt; und seine langen schwarzen Haare fielen auf seinen bloßen Hals herab, den nur der schmale weiße Streifen eines seidenen Hemdes umgab.

Er grüßte mich linkisch und sprach in moldauischer Sprache einige Worte aus, welche unverständlich für mich blieben.

– Du kannst Französisch sprechen, mein Bruder, sagte Gregoriska, Madame ist Polin und versteht diese Sprache.

Nun sprach Kostaki in französischer Sprache einige für mich fast eben so unverständliche Worte aus, als die, welche er in moldauischer Sprache ausgesprochen hatte; aber die Mutter unterbrach sie, indem sie würdevoll den Arm ausstreckte. Es war augenscheinlich für mich, daß sie ihren Söhnen erklärte, daß es an ihr wäre, mich zu empfangen.

Nun begann sie in moldauischer Sprache eine Bewillkommungsrede, welcher ihr Gesicht einen leicht anzuwendenden Sinn gab. Sie zeigte mir den Tisch, bot mir einen Sessel neben sich an, bezeichnete mir mit der Geberde das ganze Haus, wie um mir zu sagen, daß es das meinige wäre, und indem sie sich zuerst mit einer wohlwollenden Geberde setzte, machte sie ein Zeichen des Kreuzes und begann ein Gebet. Nun nahm jeder seinen Platz ein; einen durch die Etikette bestimmten Platz. Gregoriska saß neben mir. Ich war die Fremde, und schuf dem zu Folge Kostaki einen Ehrenplatz neben seiner Mutter Smeranda.

So hieß die Gräfin.

Gregoriska hatte gleichfalls das Kostüm gewechselt. Er trug die magyarische Tunika wie sein Bruder, nur war diese Tuinka von granatfarbigem Sammet und seine Beinkleider von blauem Kasimir. Ein glänzender Orden hing an seinem Halse: es war der Nisham des Sultans Mahmud.

Die übrigen Hausgenossen aßen an demselben Tische, jeder in dem Range, den ihm seine Stellung unter den Freunden oder unter den Dienern verlieh.

Das Abendessen war traurig, nicht ein einziges Mal richtete Kostaki das Wort an mich, obgleich sein Bruder immer die Aufmerksamkeit hatte, Französisch mit mir zu sprechen. Was die Mutter anbetrifft, so bot sie mir mit dieser feierlichen Miene, welche sie niemals ablegte, von Allem selbst an. Gregoriska hatte die Wahrheit gesagt, sie war eine wahre Fürstin.

Nach dem Abendessen schritt Gregoriska auf seine Mutter zu. Er erklärte ihr in moldauischer Sprache das Bedürfnis, das ich haben müßte allein zu sein, und wie sehr nach den Gemüthserschütterungen eines solchen Tages die Ruhe mir nothwendig wäre. Smeranda machte mit dem Kopfe ein Zeichen der Billigung, reichte mir die Hand, küßte mich auf die Stirn, wie sie es mit ihrer Tochter gethan hätte, und wünschte mir eine gute Nacht auf ihrem Schlosse.

Gregoriska hatte sich nicht geirrt; ich wünschte diesen Augenblick der Einsamkeit sehnlichst. Ich dankte daher auch der Fürstin, welche mich bis an die Thüre zurückbegleitete, wo mich die beiden Frauen erwarteten, die mich bereits in mein Zimmer geführt hatten.

Ich grüßte sie gleichfalls, so wie ihre beiden Söhne, und kehrte in das nämliche Zimmer zurück, aus welchem ich eine Stunde zuvor gekommen war.

Ich dankte den Frauen. Ich gab ihnen einen Wink, daß ich mich allein auskleiden würde; sie entfernten sich sogleich mit Beweisen der Ehrerbietung, welche Andeuteten, daß sie den Befehl hätten, mir in allen Dingen zu gehorchen.

Ich blieb in diesem unermeßlichen Zimmer, von dem mein Licht, indem ich es weiter trug, nur die Theile erleuchtete, welche ich durchschritt, ohne jemals das Ganze derselben erleuchten zu können. Ein seltsames Spiel des Lichtes, das zwischen dem Scheine meiner Kerze und dem Scheine des Mondes, der durch meine Fenster ohne Vorhänge fiel, einen Kampf entstehen ließ.

Außer der Thüre, durch welche ich eingetreten war, und die auf die Treppe führte, befanden sich zwei andere Thüren in meinem Zimmer; aber ungeheure, an diesen Thurm auf meiner Seite angebrachte Riegel genügten, um mich zu beruhigen.

Ich ging an die Eingangsthüre, welche ich untersuchte. Diese Thüre hatte, wie die andern, ihre Vertheidigungsmittel.

Ich machte mein Fenster auf, es ging auf einen Abgrund.

Ich sah ein, daß Gregoriska mit diesem Zimmer eine überlegte Wahl getroffen hatte.

Indem ich nach meinem Sopha zurückkehrte, fand ich endlich auf einem an meinem Bette stehenden Tische ein kleines zusammengeschlagenes Billet.

Ich machte es auf und las in polnischer Sprache:

»Schlafen Sie ruhig, Sie haben Nichts zu fürchten, so lange als Sie in dem Innern des Schlosses bleiben.

Gregoriska.«

Ich befolgte den mir gegebenen Rath, und indem die Ermüdung über meine Sorgen den Sieg davon trug, legte ich mich zu Bett und schlief ein.

Tausend und Ein Gespenst

Подняться наверх