Читать книгу Tausend und Ein Gespenst - Александр Дюма - Страница 3

Einleitung
Ein Tag in Fontenay-aux-Roses
II.
Die Sackgasse des Sergens

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Mit dem letzten Schlage der Glocke vereinigte sich der Klang der ersten Worte des Maires.

– Jacquemin, sagte er, ich hoffe, daß die Mutter Antoine närrisch ist; sie hat mir in Deinem Auftrage gesagt, daß Deine Frau gestorben sei, und daß du sie umgebracht hättest.

– Es ist die reine Wahrheit, Herr Maire, antwortete Jacquemin. Sie müssen mich in das Gefängniß führen und mich schnell richten lassen.

Und indem er diese Worte sagte, versuchte er sich aufzurichten, indem er sich mit seinen Ellbogen an die Höhe des Ecksteines klammerte; aber nach einer Anstrengung sank er wieder zurück, wie als ob die Knochen seiner Beine gebrochen gewesen wären.

– Geh doch,! Du bist närrisch, sagte der Maire.

– Betrachten Sie meine Hände, antwortete er.

Und er erhob zwei blutige Hände, denen ihre krampfhaft zusammengezogenen Finger das Ansehn von zwei Krallen verliehen.

In der That, die Linke war roth bis über die Faust, die Rechte bis an den Ellbogen.

Außerdem floß an der rechten Hand ein Streifen frischen Blutes an der ganzen Länge des Daumens herab, der von einem Bisse herrührte, den das Opfer aller Wahrscheinlichkeit nach ihrem Mörder versetzt hatte, indem sie sich wehrte.

Während dieser Zeit hatten sich die beiden Gendarmen genähert, waren zehn Schritte weit von der Hauptperson stehen geblieben, und betrachteten von der Höhe ihrer Pferde das, was sich zutrug.

Der Maire gab ihnen einen Wink; sie stiegen ab, warfen den Zügel ihrer Pferde einem Gassenbuben zu, der mit einer Soldatenmütze bedeckt war, und ein Soldatenkind zu sein schien.

Worauf sie sich Jacquemin näherten, und ihn unter den Armen aufhoben.

Er ließ es sich ohne irgend einen Widerstand und mit der Schlaffheit eines Mannes gefallen, dessen Geist mit einem einzigen Gedanken beschäftigt ist.

In demselben Augenblicke kam der Polizeicommissär und der Arzt, sie waren von dem benachrichtigt worden, was sich zutrug.

– Ah! kommen Sie, Herr Robert! – Ah! kommen Sie, Herr Cousin! sagte der Maire.

Herr Robert war der Arzt, Herr Cousin war der Polizeicommissär.

– Kommen Sie; ich stand im Begriffe, Sie holen zu lassen.

– Nun denn! sagen Sie an, was gibt es? fragte der Arzt mit der lustigsten Miene von der Welt. – Ein kleiner Mord, wie man sagt?

Jacquemin antwortete Nichts.

– Sagen Sie doch. Vater Jacquemin, fuhr der Doctor fort, ist es etwa wahr, daß Sie Ihre Frau umgebracht haben?

Jacquemin sagte kein Wort.

– Zum Mindesten hat er sich dessen selbst angeklagt, sagte der Maire, – indessen hoffe ich noch, daß es ein Augenblick der Verblendung und kein wirkliches Verbrechen ist, das ihn sprechen läßt.

– Jacquemin, sagte der Polizeicommissär, antworten Sie. Ist es wahr, daß Sie Ihre Frau getödtet haben?

Dasselbe Schweigen.

– In jedem Falle werden wir es wohl sehen, sagte der Doctor Robert, wohnt er nicht in der Sackgasse des Sergens?

– Ja, antworteten die beiden Gendarmen.

– Nun denn! Herr Ledru, sagte der Doctor, indem er sich an der Maire wandte, lassen Sie uns nach der Sackgasse des Sergens gehen.

– Ich gehe nicht dorthin; – ich gehe nicht dorthin, rief Jacquemin aus, indem er sich den Händen der Gendarmen mit einer so gewaltsamen Bewegung entriß, daß, wenn er hätte fliehen wollen, er zuverlässig Hundert Schritte weit gewesen wäre, bevor Jemand daran gedacht hätte, ihn zu verfolgen.

– Aber warum willst Du nicht dorthin gehen? fragte der Maire.

– Wozu habe ich nöthig dorthin zu gehen, da ich Alles gestehe, – da ich Ihnen sage, daß ich sie umgebracht habe, mit diesem großen zweihändigen Schwerdte umgebracht, das ich im vorigen Jahre aus dem Artilleriemuseum genommen habe? Führen Sie mich in's Gefängniß, – ich habe dort Nichts zu thun, führen Sie mich in's Gefängniß.

Der Doctor und Herr Ledru sahen einander an.

– Mein Freund, sagte der Polizeicommissär, welcher, wie Herr Ledru noch hoffte, daß Jacquemin unter dein Einflusse irgend einer augenblicklichen Verwirrung des Verstandes wäre, – mein Freund, die Confrontation ist durchaus nothwendig; – außerdem müssen Sie dort sein, um die Gerechtigkeit zu leiten.

– In was hat die Gerechtigkeit nöthig geleitet zu sein? sagte Jacquemin; Sie werden die Leiche in dem Keller finden, – und neben der Leiche den Kopf auf einem Gypssacke; – was mich anbetrifft, so führen Sie mich in das Gefängniß.

– Es ist nothwendig, daß Sie mitgehen, sagte der Polizeicommissär.

– O! mein Gott! mein Gott! wenn ich gewußt hätte. . .

– Nun denn! was hättest Du gethan?

– Nun denn! ich hätte mich umgebracht.

Herr Ledru schüttelte den Kopf, und indem er sich mit dem Blicke an den Polizeicommissär wandte, schien er ihm zu sagen: dahinter steckt irgend etwas.

– Mein Freund, begann er wieder, indem er sich an den Mörder wandte, sag an, erkläre mir das.

– Ihnen, ja, Alles, was Sie wollen, Herr Ledru, fragen Sie, verhören Sie.

– Wie kömmt es, daß Du, da Du den Muth gehabt hast, den Mord zu begehen, nicht den hast, Dich Deinem Opfer wieder gegenüber zu befinden? Es hat sich also irgend Etwas zugetragen, das Du uns nicht sagst?

– O! ja! irgend etwas Schreckliches.

– Nun denn! laß hören, erzähle.

– O! nein, Sie würden sagen, daß es nicht wahr sei; Sie würden sagen, daß ich närrisch wäre.

– Gleich viel! was hat sich zugetragen? sage es mir.

– Ich will es Ihnen sagen, aber Ihnen.

Er näherte sich Herrn Ledru. Die beiden Gendarmen wollten ihn zurückhalten, aber der Maire gab ihnen einen Wink, und sie ließen den Gefangenen frei.

Außerdem, wenn er auch hätte entfliehen wollen, so war die Sache unmöglich geworden; die Hälfte der Bevölkerung von Fontenay-aux-Roses versperrte die Straße Diana und die Große Straße.

Wie ich gesagt, näherte sich Jacquemin dem Ohre des Herrn Ledru.

– Glauben Sie, Herr Ledru, fragte Jacquemin mit leiser Stimme, glauben Sie, daß ein Kopf sprechen kann, sobald er einmal von dem Körper getrennt ist?

Herr Ledru stieß einen Ausruf aus, der einem Schreie glich, und erbleichte sichtlich.

– Glauben Sie es? Sagen Sie, wiederholte Jacques min. Herr Ledru überwandt sich und sagte:

– Ja, ich glaube es.

– Nun denn!. . . Nun denn!. . . er hat gesprochen.

– Wer?

– Der Kopf. . . der Kopf Johannas.

– Du sagst?

– Ich sage, daß er die Augen aufgemacht hatte, – ich sage, daß er die Lippen bewegt hat. Ich sage, daß er mich angeblickt hat. Ich sage, daß er, indem er mich anblickte, mich einen Elenden genannt hat!

Indem er diese Worte sagte, welche er nach seiner Absicht Herrn Ledru ganz allein sagen wollte, und die indessen von Jedermann gehört werden konnten, war Jacquemin entsetzlich.

– O! eine schöne Aufschneiderei, rief der Doctor lachend aus; er hat gesprochen. . . ein abgeschlagener Kopf hat gesprochen! Gut, gut, gut!

Jacquemin wandte sich um.

– Wenn ich es Ihnen sage, äußerte er.

– Nun denn! sagte der Polizeicommissär, ein Grund mehr, daß wir uns nach dem Orte begeben, wo das Verbrechen begangen worden ist. Gendarmen, führen Sie den Gefangenen fort.

Jacquemin stieß einen Schrei aus, indem er sich sträubte.

– Nein, nein, sagte er, Sie mögen mich in Stücken zerhauen, wenn Sie wollen, aber ich werde nicht hingehen.

– Kommen Sie, mein Freund, sagte Herr Ledru. Wenn es wahr ist, daß Sie das schreckliche Verbrechen begangen haben, dessen Sie Sich anklagen, so wird das schon eine Buße sein. Außerdem, fügte er hinzu, indem er leise sprach, ist der Widerstand nutzlos; wenn Sie nicht gutwillig hingehen wollen, – so führen sie Sie mit Gewalt dorthin.

– Nun denn! dann, sagte Jacquemin, – ich will es thun, aber versprechen Sie mir eines, Herr Ledru.

– Was?

– Während der ganzen Zeit, daß wir in dem Keller sein werden, – werden Sie mich nicht verlassen.

– Nein.

– Sie werden mich Ihre Hand halten lassen?

– Ja.

– Wohlan, sagte er, lassen Sie uns gehen.

Und indem er ein carrirtes Schnupftuch aus seiner Tasche zog, trocknete er sich seine mit Schweiß bedeckte Stirn ab.

Man ging nach der Sackgasse des Sergens.

Der Polizeicommissär und der Doctor gingen voraus, dann Jacquemin und die beiden Gendarmen.

Hinter ihnen kam Herr Ledru und die beiden Männer, welche zu gleicher Zeit, als er, an seiner Thüre erschienen waren.

Dann folgte wie ein Strom voller Wogen und Getöse die ganze Bevölkerung, unter welche ich gemischt war.

Nach Verlauf von ungefähr einer Minute des Weges kamen wir in der Sackgasse des Sergens an. – Es war eine kleine, zur Linken der Großen Straße gelegene Gasse, welche Berg unter bis an ein großes verfallenes hölzernes Thor führte, das sich zugleich durch zwei Flügel und eine kleine, in einem der großen Flügel angebrachte Pforte öffnete.

Diese kleine Pforte hielt nur noch an einer Angel.

Auf den ersten Blick schien Alles ruhig in diesem Hause; ein Rosenstock blühte an der Thüre, und neben dem Rosenstocke wärmte sich voll Behaglichkeit auf einer steinernen Bank eine große rothgelbe Katze in der Sonne.

Indem sie alle diese Leute erblickte, indem sie allen diesen Lärm hörte, bekam sie Furcht, entfloh und verschwand durch ein Kellerloch.

An der Thüre angelangt, welche wir beschrieben haben, blieb Jacquemin stehen.

Die Gendarmen wollten ihn mit Gewalt eintreten lassen.

– Herr Ledru, sagte er, indem er sich umwandte, Herr Ledru, Sie haben versprochen, mich nicht zu verlassen.

– Nun denn! hier bin ich, antwortete der Maire.

– Ihren Arm, Ihren Arm.

Und er wankte, wie als ob er dem Fallen nahe gewesen wäre.

Herr Ledru näherte sich, gab den beiden Gendarmen einen Wink, den Gefangenen loszulassen und reichte ihm den Arm.

– Ich stehe für ihn sagte er.

Es war augenscheinlich, daß Herr Ledru in diesem Augenblicke nicht mehr der Maire der Gemeinde war, der die Bestrafung eines Verbrechens verfolgte, sondern ein Philosoph, der das Gebiet des Unbekannten erforschte.

Nur war sein Führer bei dieser seltsamen Erforschung, ein Mörder.

Der Doctor und der Polizeicommissär traten zuerst ein, dann Herr Ledru und Jacquemin; hierauf die beiden Gendarmen, dann einige Bevorrechtigte, unter deren Zahl ich mich Dank der Berührung befand, die ich mit den Herren Gendarmen gehabt hatte, für welche ich bereits kein Fremder mehr war, da ich die Ehre gehabt hatte, ihnen in der Ebene zu begegnen und ihnen meinen Waffenpaß zu zeigen.

Die Thüre wurde vor der übrigen Bevölkerung wieder geschlossen, welche murrend außerhalb blieb.

Man ging nach der Thüre des kleinen Hauses.

Nichts deutete das schreckliche Ereigniß an, das sich in ihm zugetragen hatte; Alles war an seinem Platze: das Bett von grüner Sarsche in seinem Alkoven; an dem Kopfende des Bettes das Crucifix von schwarzem Holze mit einem vertrockneten Zweige von Buchsbaum von dem letzten Osterfeste. – Auf dem Kamin ein Jesuskind von Wachs, das unter Blumen zwischen zwei ehedem versilberten Leuchtern aus der Zeit Ludwig XVI. lag; an der Wand vier illuminirte Kupferstiche in Rahmen von schwarzem Holz, welche die vier Welttheile vorstellten.

Ein Tisch war gedeckt, in dem Kamine kochte ein Fleischtopf, und neben ein Kuckuck, an welchem es halb schlug, stand ein Brodschrank offen.

– Nun denn! sagte der Doctor in seinem lustigen Tone, bis jetzt sehe ich Nichts.

– Schlagen Sie die Thüre zur Rechten ein, murmelte Jacquemin mit dumpfer Stimme.

Man folgte der Andeutung des Gefangenen und befand sich in einer Art von Vorratskammer, in deren Ecke sich eine Fallthüre öffnete, an deren Mündung ein Lichtschein zitterte, der von unten kam.

– Dort, dort, murmelte Jacquemin, indem er sich mit der einen Hand an den Arm des Herrn Ledru klammerte, und mit der andern die Oeffnung des Kellers zeigte.

– Ah! ah! sagte der Doctor mit dem schrecklichen Lächeln von Leuten, auf die Nichts Eindruck macht, weil sie an Nichts glauben, leise zu dem Polizeicommissär, es scheint, daß Madame Jacquemin die Vorschrift des Meister Adams befolgt hat. und er summte:

Im Keller sollst Du mich begraben, wo ich so. . .

– Still, unterbrach ihn Jacquemin mit todtenbleichem Gesichte, gesträubten Haaren und Schweiß bedeckter Stirn, singen Sie hier nicht.

Durch den Ausdruck dieser Stimme überrascht, schwieg der Doctor.

Aber indem er fast sogleich die ersten Stufen der Treppe hinabging, fragte er:

– Was ist das?

Und indem er sich bückte, raffte es ein Schwerdt mit breiter Klinge auf.

Das war das zweihändige Schwerdt, das Jacquemin, wie er es gesagt hatte, am 29. Juli 1830 aus dem Artilleriemuseum genommen hatte; die Klinge war mit Blut gefärbt.

Der Polizeicommissär nahm es aus den Händen des Doctors.

– Erkennen Sie dieses Schwerdt? sagte er zu dem Gefangenen.

– Ja, antwortete Jacquemin. Gehen Sie! gehen Sie! machen Sie ein Ende.

Das war die erste Spur des Mordes, welche man angetroffen hatte.

Man trat in den Keller, indem jeder die Stelle einnahm, welche wir bereits genannt haben.

Der Doctor und der Polizeicommissär voran, dann Herr Ledru und Jacquemin, dann die beiden Personen, welche sich bei ihm befanden, dann die Gendarmen, dann die Bevorrechtigten, unter deren Zahl ich mich befand.

Nachdem ich die siebente Stufe hinabgeschritten war, senkte sich mein Auge in den Keller und übersah das schreckliche Ganze, das ich zu schildern versuchen will.

Der erste Gegenstand, auf welchem die Augen verweilten, war eine Leiche ohne Kopf, die neben einem Fasse lag, dessen halb offener Hahn fortwährend einen dünnen Strahl von Wein fließen ließ, der im Fließen eine Rinne bildete, die sich unter den Lagerbalken verlor.

Die Leiche war halb zusammengezogen, wie als ob der nach den Rücken zu gezogene Rumpf eine Bewegung des Todeskampfes begonnen hätte, welche die Beine nicht hatten folgen können. – Das Kleid war auf der einen Seite bis zum Strumpfband hin aufgeschlagen.

Man sah, daß das Opfer in dem Augenblicke getroffen worden war, wo es vor dem Fasse knieend anfing eine Flasche zu füllen, welche den Händen entfallen war und an ihrer Seite auf dem Boden lag.

Der ganze obere Körper schwamm in einer Pfütze von Blut.

Auf einem Sacke voll Gyps, der an die Mauer gelehnt war, erblickte oder errieth man vielmehr einen Kopf, der in seinen Haaren verborgen war; ein Blutstreif färbte den Sack von der Höhe bis zur Hälfte roth.

Der Doctor und der Polizeicommissär hatten bereits die Runde der Leiche gemacht, und befanden sich der Treppe gegenüber.

Ungefähr in der Mitte des Kellers befanden sich die beiden Freunde des Herrn Ledru und einige Neugierige, die sich beeilt hatten, so weit vorzugehen.

Unten an der Treppe stand Jacquemin, den man nicht vermogt hatte, weiter als auf die letzte Stufe vorzuschreiten.

Hinter Jacquemin standen die beiden Gendarmen.

Hinter den beiden Gendarmen standen fünf bis sechs Personen, unter deren Zahl ich mich befand, und die sich mit mir auf der Treppe gruppirten.

Dieses ganze grausige Innere war von dem zitternden Scheine eines Talglichtes erleuchtet, welches auf dem Fasse selbst stand, aus dem der Wein floß, und dem gegenüber die Leiche der Frau Jacquemins lag.

– Einen Tisch, einen Stuhl, sagte der Polizeicommissär, und nehmen wir das Protokoll auf.

Tausend und Ein Gespenst

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