Читать книгу Tausend und Ein Gespenst - Александр Дюма - Страница 15

Einleitung
Ein Tag in Fontenay-aux-Roses
XIV.
Die beiden Brüder

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Von diesem Augenblicke an wohnte ich auf dem Schlosse, und von diesem Augenblicke an begann das Drama, das ich Ihnen erzählen will.

Die beiden Brüder verliebten sich in mich, jeder nach der Art seines Charakters.

Kostaki sagte mir gleich am folgenden Tage, daß er mich liebe, erklärte, daß ich ihm, und keinem Andern angehören würde, und daß er mich eher tödten würde, als mich, wem es auch sein mögte, angehören zu lassen.

Gregoriska sagte nichts; aber er umgab mich mit Aufmerksamkeiten und Artigkeiten. Alle Mittel einer glänzenden Erziehung, alle Erinnerungen, einer an den edelsten Höfen Europas zugebrachten Jugend wurden angewandt, um mir zu gefallen. Ach! Das war nicht schwer; bei dem ersten Klange seiner Stimme hatte ich gefühlt. daß diese Stimme meiner Seele schmeichle; bei dem ersten Blicke seiner Augen hatte ich gefühlt. daß dieser Blick mir bis in das Herz drang.

Nach Verlauf von drei Monaten hatte mir Kostaki hundert Male wiederholt, daß er mich liebe, und ich haßte ihn; nach Verlauf von drei Monaten hatte mir Gregoriska noch kein einziges Wort von Liebe gesagt, und ich fühlte, daß ich ganz die seine sein würde, sobald er es verlangte.

Kostaki hatte auf seine Ausgänge verzichtet. – Er verließ das Schloß nicht mehr. Er hatte für den Augenblick zu Gunsten einer Art von Lieutenant abgedankt, der von Zeil zu Zeit kam, um seine Befehle zu holen und verschwand.

Smeranda liebte mich gleichfalls mit leidenschaftlicher Freundschaft, deren Ausdruck mir Furcht machte. Sie begünstigte sichtlich Kostaki, und schien weit eifersüchtiger auf mich, als er es selbst war. Nur, da sie weder polnisch noch französisch, und ich die moldauische Sprache nicht verstand, so konnte sie nicht sehr zu Gunsten ihres Sohnes in mich dringen; aber sie hatte drei Worte in Französischer Sprache sagen gelernt, die sie mir jedes Mal wiederholte, wenn sich ihre Lippen auf meine Stirn drückten:

– Kostaki liebt Hedwig.

Eines Tages empfing ich eine schreckliche Nachricht, welche mein Unglück auf das Höchste steigerte: die vier Männer, welche den Kampf überlebt hatten, waren wieder in Freiheit gesetzt worden; sie waren wieder nach Polen abgegangen, indem sie ihr Wort verpfändeten, daß einer von ihnen vor Ablauf von drei Monaten zurückkehren würde, um mir Nachrichten von meinem Vater zu bringen.

Einer von ihnen erschien in der That eines Morgens wieder. Unser Schloß war genommen, verbrannt und geschleift worden, und mein Vater hatte sich bei seiner Vertheidigung tödten lassen.

Ich stand von nun allein auf der Welt.

Kostaki verdoppelte seine Bewerbungen und Smeranda ihre Zärtlichkeit, aber dieses Mal schützte ich die Trauer um meinen Vater vor. Kostaki beharrte darauf, indem er sagte, daß ich um so mehr einer Stütze bedürfte, je einsamer ich dastände; seine Mutter beharrte wie er und mit ihm, vielleicht mehr noch als er darauf.

Gregoriska hatte mir von der Gewalt gesprochen, welche die Moldauer über sich selbst haben, wenn sie nicht in ihren Gefühlen lesen lassen wollen. Er war ein lebendiges Beispiel davon. Es war unmöglich, von der Liebe eines Mannes überzeugter zu sein, als ich es von der seinigen war; wenn man mich indessen gefragt hätte, auf welchem Beweise diese Ueberzeugung beruhe, so wäre es mir unmöglich gewesen, es zu sagen; Niemand auf dem Schlosse halte seine Hand die meinige berühren, seine Augen die meinigen suchen sehen. Die Eifersucht allein konnte Kostaki über diese Nebenbuhlerschaft aufklären, wie meine Liebe allein mich über diese Liebe aufzuklären vermogte.

Ich gestehe indessen, daß diese Gewalt Gregoriskas über sich selbst mich beunruhigte. – Zuverlässig glaubte ich, aber das war nicht genug, ich hatte das Bedürfniß überzeugt zu werden, – als ich eines Abends, wo ich so eben in mein Zimmer zurückgekehrt war, leise an die eine jener beiden Thüren klopfen hörte, welche ich als sich von Innen schließend bezeichnet habe; nach der Art, mit welcher man klopfte, errieth ich, daß dieser Ruf der eines Freundes wäre. Ich näherte Mich und fragte wer da sei.

– Gregoriska, antwortete eine Stimme, über deren Ton ich mich zuverlässig nicht irrte.

– Was wollen Sie von mir? fragte ich ihn ganz bebend.

– Wenn Sie Vertrauen zu mir haben, sagte Gregoriska, wenn Sie mich für einen Mann von Ehre halten, so bewilligen Sie mir meine Bitte.

– Worin besteht sie?

– Löschen Sie Ihr Licht aus, wie, als ob Sie zu Bett gegangen wären, und öffnen Sie mir in einer halben Stunde Ihre Thüre.

Kommen Sie in einer halben Stunde wieder, war meine einzige Antwort. Ich löschte mein Licht aus und erwartete.

Mein Herz klopfte heftig, denn ich sah ein, daß es sich um irgend ein wichtiges Ereigniß handelte.

Die halbe Stunde verfloß; ich horte noch weit leiser als das erste Mal klopfen. Während der Zwischenzeit hatte ich die Riegel zurückgezogen, ich hatte daher nur die Thüre zu öffnen.

Gregoriska trat ein, und ohne daß er mir es nur sagte, machte ich die Thüre wieder hinter ihm zu und verschloß die Riegel.

Er blieb einen Augenblick lang stumm und regungslos, indem er mir mit der Geberde Schweigen auferlegte. Dann, als er sich versichert hatte, daß uns keine dringende Gefahr bedrohte, führte er mich in die Mitte des großen Zimmers, und indem er an meinem Zittern fühlte, daß ich nicht stehen zu bleiben vermögte, hatte er mir einen Stuhl.

Ich setzte mich oder ließ mich vielmehr auf diesen Stuhl sinken.

– O, mein Gott! sagte ich zu ihm, was gibt es denn, und wozu so viele Vorsichtsmaßregeln?

– Weil mein Leben, was nichts wäre, weil vielleicht auch das Ihrige von der Unterhaltung abhängt, welche wir mit einander haben werden.

Ich ergriff ihn ganz erschreckt bei der Hand.

Er drückte meine Hand an seine Lippen, indem er mich dabei anblickte, um mich über eine solche Vermessenheit um Verzeihung zu bitten.

Ich schlug die Augen nieder, das hieß einwilligen.

– Ich liebe Sie, sagte er mit seiner wie ein Gesang lieblichen Stimme zu mir, lieben Sie mich?

– Ja, – antwortete ich ihm.

– Würden Sie einwilligen, meine Gattin zu werden?

– Ja.

Er legte mit einem tiefen Seufzer des Glückes die Hand auf seine Stirn.

– Dann werden Sie sich nickt weigern mir zu folgen?

– Ich werde Ihnen überall hin folgen!

– Denn Sie werden begreifen, fuhr er fort, daß wir nur glücklich sein können, indem wir fliehen.

– O! ja, rief ich aus, lassen Sie uns fliehen.

– Still! äußerte er erbebend, – still!

– Sie haben Recht.

Und ich näherte mich ihm ganz zitternd.

– Hören Sie, was ich gethan habe, sagte er zu mir; hören Sie, warum ich so lange geschwiegen habe, ohne Ihnen zu gestehen, daß ich Sie liebte. – Ich wollte, daß sich Nichts mehr unserer Verbindung widersetzen könnte, sobald ich Ihrer Liebe gewiß wäre. Ich bin reich, Hedwig, unermeßlich reich, aber nach der Weise des moldauischen Adels: – reich an Ländereien, an Heerden, an Leibeigenen. – Nun denn! ich habe an das Kloster Hango für eine Million Ländereien, Heerden und Dörfer verkauft. Sie haben mir dagegen drei Mal Hundert Tausend Franken Werth an Edelsteinen, Hundert Tausend Franken in Gold, – das Uebrige in Wechseln auf Wien gegeben. Wird Ihnen eine Million genügen?

Ich drückte ihm die Hand.

– Ihre Liebe hätte mir genügt, Gregoriska, urtheilen Sie.

– Wohlan! hören Sie: ich gehe morgen nach dem Kloster Hango, um meine letzten Verabredungen mit dem Superior zu treffen. Er hält mir Pferde bereit; diese Pferde werden uns von neun Uhr an Hundert Schritte weit von dem Schlosse versteckt erwarten. Nach dem Abendessen gehen Sie wie heute wieder auf ihr Zimmer, löschen wie heute Ihr Licht aus, und wie heute werde ich zu Ihnen eintreten. Aber statt allein Ihr Zimmer zu verlassen, werden Sie mir morgen folgen, wir erreichen das Thor, welches auf das Feld führt, finden unsere Pferde, schwingen uns darauf, und übermorgen werden wir mit Tagesanbruche dreißig Stunden zurückgelegt haben.

– Warum ist es nicht schon Uebermorgen!

– Theure Hedwig.

Gregoriska drückte mich an sein Herz, – unsere Lippen begegneten sich. O! er hatte ganz richtig gesagt, daß ich einem Manne von Ehre die Thüre meines Zimmers geöffnet hätte; – aber er sah es wohl ein; wenn ich ihm nicht durch den Körper angehörte, so gehörte ich ihm durch die Seele an.

Die Nacht verfloß, ohne daß ich einen einzigen Augenblick lang schlafen konnte. Ich sah mich mit Gregoriska fliehend, – ich fühlte mich von ihm fortgetragen. Wie mich Kostaki fortgetragen hatte; – nur vewandelte sich dieses Mal dieses schreckliche, entsetzliche, grausige Rennen in eine süße und entzückende Umschlingung, welcher die Schnelligkeit Wollust hinzufügte, denn die Schnelligkeit hat gleichfalls eine ihr eigene Wollust.

Der Tag brach an. Ich ging hinab. Es schien mir, als ob noch Etwas bei Weitem Finstereres als gewöhnlich in der Art und Weise läge, mit der Kostaki mich begrüßte. – Sein Lächeln war sogar nicht mehr ein Spott, es war eine Drohung. Was Smeranda anbelangt, so schien sie mir dieselbe wie gewöhnlich.

Während des Frühstückes bestellte Gregoriskas seine Pferde. – Kostaki schien auf diesen Befehl durchaus nicht zu achten.

Gegen eilf Uhr grüßte er uns, indem er seine Rückkehr erst für den Abend meldete und seine Mutter bat, ihn nicht zum Mittagessen zu erwarten; indem er sich hierauf an mich wandte, bat er mich gleichfalls, ihn zu entschuldigen.

Er verließ das Zimmer. Das Auge seines Bruders folgte ihm bis zu dem Augenblicke, wo er über die Schwelle trat, und in diesem Augenblicke sprühte aus diesem Auge ein solcher Blitz des Hasses, daß ich schauderte.

Der Tag verstoß unter Bangigkeiten, welche Sie begreifen werden. Ich hatte Niemandem Etwas von unseren Plänen mitgetheilt, kaum sogar in meinen Gebeten, wenn ich es gewagt hätte, Gott davon zu sprechen, und es schien mir, als ob diese Pläne Jedermann bekannt wären, daß jeder Blick, der sich auf mich heftete, bis auf den Grund meines Herzens dränge und in ihm lesen könnte.

Das Mittagessen war eine Marter; finster und schweigsam, sprach Kostaki selten; dieses Mal begnügte er sich damit, zwei bis drei Male in moldauischer Sprache das Wort an seine Mutter zu richten, und jedes Mal ließ mich der Ausdruck seiner Stimme erbeben.

Als ich aufstand, um wieder in mein Zimmer hinaufzugehen, umarmte mich Smeranda wie gewöhnlich, und indem sie wich umarmte, sagte sie mir jene drei Worte, welche ich seit acht Tagen nicht über ihre Lippen hatte treten hören:

– Kostaki liebt Hedwig!

Diese Worte verfolgten mich wie eine Drohung; sobald ich in meinem Zimmer war, schien es mir, als ob eine verhängnißvolle Stimme an meinem Ohre flüsterte: Kostaki liebt Hedwig!

Nun aber war die Liebe Kostakis, wie Gregoriska mir gesagt hatte, der Tod.

Gegen sieben Uhr Abends, und als der Tag sich zu neigen begann, sah ich Kostaki über den Hof gehen. – Er wandte sich um, um nach meiner Seite zu blicken, aber ich trat rasch zurück, damit er mich nicht sehen könnte.

Ich war besorgt, denn so lange als die Lage meines Fensters mir erlaubt hatte, ihm zu folgen, hatte ich ihn nach den Ställen zuschreiten sehen. – Ich wagte die Riegel meiner Thüre aufzuziehen, und in das anstoßende Zimmer zu schlüpfen, von wo aus ich Alles das sehen konnte, was er thun würde.

Er begab sich in der That nach den Ställen. – Er zog nun selbst sein Lieblingspferd heraus, sattelte es mit eigenen Händen und mit der Sorgfalt eines Mannes, der die größte Wichtigkeit auf die geringsten Umstände legt. – Er trug dasselbe Kostüm, unter welchem er mir zum ersten Male erschienen war. Nur trug er als ganze Waffe seinen Säbel.

Als sein Pferd gesattelt war, warf er nochmals die Augen auf das Fenster meines Zimmers. Dann, da er mich nicht sah, schwang er sich auf den Sattel, ließ sich dasselbe Thor öffnen, durch welches sein Bruder ausgeritten war und zurückkehren mußte, und entfernte sich in: Galopp in der Richtung des Klosters Hango.

Nun wurde mein Herz auf eine schreckliche Weise beklommen, eine unglückselige Ahnung sagte mir, daß Kostaki seinem Bruder entgegenginge.

Ich blieb an diesem Fenster, so lange als ich diesen Weg unterscheiden konnte, der eine Viertelstunde weit von dem Schlosse eine Krümmung machte und sich in dem Anfange eines Waldes verlor. Aber die Nacht wurde mit jedem Augenblicke finsterer, der Weg verschwand am Ende gänzlich. Ich blieb noch. Endlich gab mir meine Besorgniß gerade durch ihr Uebermaß meine Kraft wieder, und da es augenscheinlich war, daß ich in dem unteren Saale die ersten Nachrichten von dem Einen oder dem Andern der beiden Brüder haben müßte, so ging ich hinab.

Mein erster Blick war Smeranda. Aus der Ruhe ihres Gesichtes ersah ich, daß sie keine Befürchtung empfand; sie ertheilte ihre Aufträge für das gewöhnliche Abendessen, und die Gedecke der beiden Brüder lagen an ihren Plätzen.

Ich wagte Niemand zu befragen. Wen hätte ich außerdem befragen können? Mit Ausnahme von Kostaki und Gregoriska sprach Niemand auf dem Schlosse die beiden einzigen Sprachen, welche ich sprach.

Bei dem geringsten Geräusche erbebte ich.

Gewöhnlich setzte man sich um neun Uhr zum Abendessen zu Tisch. Ich war um halb neun Uhr Hinabgegangen, ich folgte mit den Augen dem Minutenzeiger, dessen Gang auf dem großen Zifferblatts der Uhr fast sichtbar war.

Der wandernde Zeiger überschritt den Raum, der ihn von dem Viertel trennte. Das Viertel schlug. – Die Glocke erschallte traurig und grausig, – dann begann der Zeiger seinen schweigenden Lauf wieder, und ich sah ihn von Neuem den Raum mit der Regelmäßigkeit und der Langsamkeit der Spitze einer Magnetnadel durchlaufen.

Einige Minuten vor neun Uhr schien es mir, als ob ich den Galopp eines Pferdes auf dem Hofe hörte. – Smeranda hörte ihn auch, denn sie wandte den Kopf nach der Seite des Fensters; aber die Nacht war zu finster, als daß sie sehen konnte.

O! wie sie hätte errathen können, was in meinem Herzen vorging, wenn sie mich in diesem Augenblicke angeblickt hätte, – man hatte nur den Aufschlag eines einzigen Pferdes gehört, – und das war ganz natürlich. Ich wußte wohl, daß nur ein Reiter zurückkehren würde.

Aber welcher?

Schritte erschallten in dem Vorzimmer, – diese Schritte waren langsam und schienen voller Zögern, – jeder dieser Schritte schien auf meinem Herzen zu lasten.

Die Thüre ging auf, ich sah in der Dunkelheit einen Schatten erscheinen. Dieser Schatten blieb einen Augenblick lang unter der Thüre stehen. Mein Herz hörte auf zu schlagen.

Der Schatten schritt vor, und in dem Maße, als er in den Kreis des Lichtes trat, athmete ich wieder auf.

Ich erkannte Gregoriska. Ein Augenblick des Zweifels mehr, und mein Herz wäre gebrochen.

Ich erkannte Gregoriska, aber bleich wie ein Todter. Bei seinem bloßen Anblicke errieth man, daß sich irgend etwas Schreckliches zugetragen hatte.

– Bist Du es, Kostaki? fragte Smeranda.

– Nein, meine Mutter, antwortete Gregoriska mit dumpfer Stimme.

– Ah! Sie sind da, sagte sie. . . und seit wann muß Ihre Mutter auf Sie warten?

– Meine Mutter, sagte Gregoriska, indem er einen Blick auf die Uhr warf, es ist erst neun Uhr.

Und zu gleicher Zelt schlug es in der That neun Uhr.

– Es ist wahr, sagte Smeranda. Wo ist Ihr Bruder?

Unwillkürlich dachte ich, daß Gott dieselbe Frage an Kain gerichtet hatte.

Gregoriska antwortete nicht.

– Hat Niemand Kostaki gesehen? fragte Smeranda. Der Vatar, oder Haushofmeister, erkundigte sich um sich herum.

– Gegen sieben Uhr ist der Graf in den Ställen gewesen, sagte er, hat sein Pferd selbst gesattelt, und ist auf der Straße von Hango aufgebrochen.

In diesem Augenblicke begegneten meine Augen denen Gregoriskas. Ich weiß nicht, ob es eine Wirklichkeit war, es schien mir, als ob er einen Tropfen Blut auf der Stirn hätte.

Ich legte langsam meinen Finger auf meine eigene Stirn, indem ich die Stelle andeutete, wo ich diesen Fleck zu sehen glaubte.

Gregoriska verstand mich; er nahm sein Taschentuch und trocknete sich ab.

– Ja, ja, murmelte Smeranda, er wird irgend einen Bären, irgend einen Wolf angetroffen haben, den zu verfolgen er sich belustigt hat. Deshalb läßt ein Kind seine Mutter warten. Wo haben Sie ihn gelassen, Gregoriska? sagen Sie.

– Meine Mutter, antwortete Gregoriska mit bewegter aber zuversichtlicher Stimme, mein Bruder und ich sind nicht mit einander ausgegangen.

– Es ist gut', sagte Smeranda. Man richte das Essen an, man setze sich zu Tisch und verschließe die Thore; die, welche außerhalb sind, mögen außerhalb schlafen.,

Die beiden ersten Theile dieses Befehles wurden buchstäblich ausgeführt. Smeranda nahm ihren Platz ein, Gregoriska setzte sich zu ihrer Rechten, und ich mich zu ihrer Linken.

Hierauf entfernten sich die Diener, um den dritten auszuführen, das heißt um die Thore des Schlosses zu verschließen.

In diesem Augenblicke hörte man einen großen Lärm in dem Hofe, und ein ganz erschreckter Diener trat mit den Worten in den Saal:

– Fürstin, das Pferd des Grafen Kostaki ist allein und ganz mit Blut bedeckt in den Hof zurückgekehrt.

–O! murmelte Smeranda, indem sie sich bleich und drohend aufrichtete, auf diese Weise ist eines Abends das Pferd seines Vaters zurückgekehrt.

Ich warf die Augen auf Gregoriska; er war nicht blässer, er war todtenbleich.

In der That, das Pferd des Grafen Koproly war eines Abends ganz mit Blut bedeckt in den Schloßhof zurückgekehrt, und eine Stunde nachher hatten die Diener die mit Wunden bedeckte Leiche gefunden und zurückgebracht.

Smeranda nahm eine Fackel aus den Händen eines der Diener, schritt auf die Thür zu, öffnete sie und ging in den Hof hinab.

Das ganz scheue Pferd ward mit Gewalt von drei bis vier Dienern gehalten, welche ihre Bemühungen vereinigten, um es zu beruhigen.

Smeranda schritt auf das Thier zu, betrachtete das Blut, welches den Sattel befleckte, und erkannte eine Wunde an der Höhe seiner Stirn.

– Kostaki ist von vorn getödtet worden, sagte sie, im Duell und durch einen einzigen Feind. Sucht seine Leiche, Kinder, späterhin werden wir seinen Mörder suchen.

Da das Pferd durch das Thor von Hango zurückgekehrt war, so stürzten alle Diener aus diesem Thore, und man sah ihre Fackeln in der Ebene herumirren und sich in den Wald vertiefen, wie man an einem schönen Sommerabende in den Ebenen von Nizza und von Pisa die Leuchtkäfer funkeln sieht.

Wie als ob sie überzeugt gewesen wäre, daß die Nachforschung nicht lange dauern würde, wartete Smeranda unter dem Thore stehend. Nicht eine Thräne floß aus den Augen dieser betrübten Mutter, und dennoch fühlte man die Verzweiflung auf dem Grunde ihres Herzens grollen.

Gregoriska stand hinter ihr, und ich stand neben Gregoriska.

Indem er den Saal verließ, hatte er einen Augenblick lang die Absicht gehabt, mir den Arm anzubieten, aber er hatte es nicht gewagt.

Nach Verlauf von ungefähr einer Viertelstunde sah man an der Wendung des Weges eine, zwei, dann alle Fackeln wieder erscheinen.

Nur hatten sie sich dieses Mal. statt sich in der Ebene zu vertheilen, um einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt vereinigt.

Bald konnte man sehen, daß dieser gemeinschaftliche Mittelpunkt aus einer Tragbahre und auf einem, auf dieser Tragbahre ausgestreckten Manne bestand.

Der Leichenzug kam langsam heran, aber er kam heran. Nach Verlauf von zehn Minuten befand er sich an dem Thore. Als sie die lebende Mutter erblickten, welche den todten Sohn erwartete, entblößten die, welche ihn trugen, instinctmäßig ihr Haupt, und kehrten dann schweigend in den Hof zurück.

Smeranda folgte ihnen, und wir folgten Smeranda. Auf diese Weise erreichte man den großen Saal, in welchem man die Leiche niederlegte.

Indem sie nun einen Wink hoher Majestät gab, entfernte Smeranda Jedermann, und sich der Leiche nähernd. setzte sie ein Knie auf den Boden, schlug die Haare zurück, welche ihrem Gesichte als Schleier dienten, und betrachtete sie lange und immer mit trockenen Augen. Indem sie hierauf den moldauischen Rock aufknöpfte, schlug sie das mit Blut befleckte Hemd zurück.

Die Wunde befand sich an der rechten Seite der Brust. Sie mußte von einer geraden und zweischneidigen Klinge gemacht worden sein.

Ich erinnerte mich, an demselben Tage an Gregoriskas Seite den langen Hirschfänger gesehen zu haben, der seiner Büchse zum Bajonette diente.

Ich suchte diese Waffe an seiner Seite; aber sie war verschwunden.

Smeranda verlangte Wasser, tauchte ihr Taschentuch in dieses Wasser und wusch die Wunde.

Frisches und reines Blut röthete die Lefzen der Wunde.

Das Schauspiel, welches ich vor Augen hatte, bot etwas Gräßliches und zugleich Erhabenes. Dieses große, von den Harzfackeln mit Rauch erfüllte Zimmer, diese barbarischen Gesichter, diese von Grausamkeit funkelnden Augen, diese seltsamen Kostüme, diese Mutter, welche bei dem Anblicke des noch warmen Blutes berechnete, seit wie lange der Tod ihr ihren Sohn geraubt hätte, dieses liefe, nur durch das Schluchzen der Räuber, deren Hauptmann Kostaki war, unterbrochene Schweigen, Alles das, ich wiederhole es, war ein gräßlicher und zugleich erhabener Anblick.

Endlich näherte Smeranda ihre Lippen der Stirn ihres Sohnes, indem sie sich dann wieder aufrichtete, – indem sie dann die langen Flechten ihrer weißen Haare zurückwarf, die sich aufgelöst hatten, sagte sie:

– Gregoriska!

Gregoriska erbebte, schüttelte den Kopf, und indem er aus seiner Gefühllosigkeit erwachte, antwortete er:

– Meine Mutter!

– Kommen Sie hierher, mein Sohn, und hören Sie mich an.

Gregoriska gehorchte schaudernd, aber er gehorchte.

In dem Maße, als er sich der Leiche näherte, floß das Blut weit reicher und weit röther aus der Wunde. Glücklicher Weise sah Smeranda nicht mehr nach dieser Seite, denn bei dem Anblicke dieses anklagenden Blutes hätte sie nicht mehr nöthig gehabt zu suchen, wer der Mörder wäre.

– Gregoriska, sagte sie, ich weiß wohl, daß Kostaki und Du Euch nicht liebtet. Ich weiß wohl, daß Du ein Waivady durch Deinen Vater bist, und er ein Koproly durch den seinigen; aber durch Eure Mutter waret Ihr beide Brancovans. Ich weiß, daß Du ein Mann der Städte des Abendlandes bist, und er ein Sohn der Berge des Morgenlandes; aber durch den Schooß, der Euch beide getragen hat, seid Ihr am Ende Brüder. Wohlan! Gregoriska, ich will wissen, ob wir meinen Sohn zu seinem Vater tragen werden, ohne daß der Schwur ausgesprochen worden ist, ob ich endlich ruhig wie eine Frau weinen kann, indem ich mich auf Dich, das heißt auf einen Mann, hinsichtlich der Strafe verlasse.

– Nennen Sie mir den Mörder meines Bruders, Madame, und befehlen Sie, ich schwöre Ihnen, daß er vor Verlauf einer Stunde, wenn Sie es verlangen, aufs gehört haben wird zu leben.

– Schwöre immerhin, Gregoriska, schwöre, bei Strafe meines Fluches, verstehst Du, mein Sohn? – Schwöre, daß der Mörder sterben wird, – schwöre, daß Du keinen Stein seines Hauses auf dem andern lassen wirst; – schwöre, daß seine Mutter, seine Kinder, seine Brüder, seine Gattin oder seine Verlobte von Deiner Hand umkommen werden. Schwöre, und rufe, indem Du schwörst, den Zorn des Himmels auf Dich herab, wenn Du diesen geheiligten Schwur brichst. – Wenn Du diesen geheiligten Schwur brichst, so unterwirf Dich dem Elende, dem Abscheue Deiner Freunde, dem Fluche Deiner Mutter.

Gregoriska streckte die Hand über die Leiche aus.

– Ich schwöre, daß der Mörder sterben wird, sagte er. Bei diesem seltsamen Schwure, dessen wahren Sinn ich und der Todte vielleicht nur allein verstehen konnten, sah ich, oder glaubte ich, ein entsetzliches Wunder zu sehen. Die Augen der Leiche öffneten sich wieder und hefteten sich weit lebendiger auf mich, als ich sie jemals gesehen hatte, und ich fühlte, wie als ob dieser doppelte Strahl fühlbar gewesen wäre, als dringe ein glühendes Eisen in mein Herz.

Das war mehr, als ich zu ertragen vermochte; ich sank in Ohnmacht.

Tausend und Ein Gespenst

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