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Drittes bis Sechstes Bändchen
VI.
Von der Gesellschaft, die sich in der Rue des Lombards, unter dem Schilde zum goldenen Mörser, zur Ausbeutung des Gedankens von Herrn d’Artagnan bildet

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Nach einem Augenblick, in welchem er nicht nur einen Gedanken, sondern alle seine Gedanken zu sammeln schien, fuhr d’Artagnan fort:

»Mein lieber Planchet, Du mußt wohl von Seiner Majestät König Karl I. von England haben sprechen hören?«

»Leider, ja, gnädiger Herr, denn Ihr habt Frankreich verlassen, um ihm Hilfe zu leisten, doch er fiel trotz dieser Hilfe und hätte Euch beinahe in seinen Sturz hineingerissen.«

»Ganz richtig, ich sehe, daß Du ein gutes Gedächtniß hast, Planchet.«

»Pest! gnädiger Herr, man müßte sich wundern, wenn ich dieses Gedächtniß, so schlecht es auch wäre, verloren hätte. Hat man Grimaud, der, wie Ihr wißt, nicht besonders viel erzählt, erzählen hören, wie der Kopf von König Karl gefallen ist, wie Ihr eine halbe Nacht in einem minirten Schiffe gefahren seid und den guten Herrn Mordaunt, einen gewissen Dolch mit goldenem Heft in der Brust, habt auf das Wasser zurückkommen sehen, so vergißt man dergleichen Dinge nicht.«

»Es gibt doch wohl Menschen, die sie vergessen, Planchet.«

»Ja, diejenigen, welche sie nicht gesehen haben oder nie von Grimaud erzählen hörten.«

»Nun, desto besser, da Du Dich aller dieser Dinge entsinnst, so brauche ich Dich nur an Eines zu erinnern, daran, daß König Karl I. einen Sohn hatte.«

»Er hatte sogar zwei, ohne Euch Lügen strafen zu wollen, Herr,« entgegnete Planchet, »denn ich habe den zweiten, den Herrn Herzog von York, eines Tags in Paris gesehen, als er sich in’s Palais-Royal begab, und man versicherte mich damals, es wäre dies der zweite Sohn von König Karl I. Was den ältesten betrifft, so habe ich nur die Ehre, ihn dem Namen nach, nicht aber von Gesicht zu kennen.«

»Das ist es gerade, worauf wir kommen müssen, Planchet: nämlich auf den ältesten Sohn, der früher Prinz von Wales hieß und sich nun Karl II. König von England nennt.«

»König ohne Königreich, Herr,« sprach Planchet mit gewichtiger Miene.

»Ja, Planchet, und Du kannst beifügen, ein unglücklicher Prinz, unglücklicher, als ein in dem elendesten Quartier von Paris verlorener Mensch aus dem Volk.«

Planchet machte eine Geberde voll jenes alltäglichen Mitleids, das man den Fremden bewilligt, von denen man denkt, man werde nie mit ihnen in Berührung kommen. Dabei sah er in dieser politisch sentimentalen Operation keinen Handelsgedanken von Herrn d’Artagnan zum Vorschein kommen, und ein solcher Gedanke war es hauptsächlich, worauf er wartete. D’Artagnan, der die Dinge und die Menschen zu begreifen gewohnt war, begriff auch Planchet.

»Ich komme zur Sache,« sagte er. »Dieser junge Prinz, dieser König ohne Königreich, wie Du richtig bemerktest, hat mich sehr interessirt. Ich, d’Artagnan, habe ihn bei Mazarin, der ein Knauser, um Beistand, bei Ludwig, der ein Kind ist, um Hilfe stehen sehen, und mir, der ich mich darauf verstehe, kam es vor, als ob in diesem verständigen Auge des entsetzten Königs, in dem Adel seiner ganzen Person, der über all seinem Unglück oben schwimmen geblieben ist, Stoff zu einem Mann von Herz und zu einem König läge.«

Planchet billigte stillschweigend: dies Alles gab, wenigstens in seinen Augen, noch keine Aufklärung über die Idee von d’Artagnan. Der Musketier fuhr fort:

»Ich habe nun folgendermaßen geurtheilt. Höre wohl, Planchet, denn wir nähern uns dem Schluß.«

»Ich höre.«

»Die Könige sind nicht so dicht auf der Erde gesät, daß sie die Völker da finden, wo sie ihrer bedürfen. Dieser König ohne Königreich aber ist meiner Ansicht nach ein vorbehaltenes Korn, das in irgend einer Jahreszeit zur Blüthe gelangen muß, vorausgesetzt, daß es eine geschickte, discrete und kräftige Hand, den Boden, den Himmel und den Zeitpunkt auswählend, einsät.«

Planchet billigte immer mit dem Kopf, und dies bewies, daß er immer noch nicht begriff.

»Armes, kleines Königskorn! sagte ich zu mir selbst, und in der That, ich war wirklich gerührt, Mancher, was mich auf den Gedanken bringt, ich gehe mit einer Dummheit um, und deshalb wollte ich Dich um Rath fragen, mein Freund.«

Planchet erröthete vor Vergnügen und Stolz.

»Armes, kleines Königskorn! ich hebe dich auf und will dich in eine gute Erde werfen.«

»Ah! mein Gott,« rief Planchet, indem er seinen alten Herrn starr anschaute, als zweifelte er an dem Zustand seiner Vernunft.

»Nun, was?« fragte d’Artagnan, »was verletzt Dich?«

»Mich, nichts, gnädiger Herr.«

»Du hast gesagt: »»Ah! mein Gott!««

»Ihr glaubt?«

»Ich bin dessen sicher. Solltest Du schon begreifen?«

»Ich gestehe, Herr d’Artagnan, ich habe bange . . . «

»Zu begreifen?«

»Ja.«

»Zu begreifen, ich wolle Karl II., der keinen Thron mehr hat, wieder den Thron besteigen machen? Ist es so?«

Planchet sprang auf eine ganz wunderbare Weise von seinem Stuhle auf und rief:

»Ah! ah! das nennt Ihr also eine Restauration?«

»Ja, Planchet, nennt man die Sache nicht so?«

»Allerdings, allerdings. Aber habt Ihr Euch auch wohl überlegt?«

»Was?«

»Das, was dort ist.«

»Wo?«

»In England.«

»Und was ist dort, Planchet?«

»Vor Allem, gnädiger Herr, bitte ich Euch um Verzeihung, wenn ich mich in diese Dinge mische, welche nichts mit meinem Handel gemein haben: doch da Ihr mir ein Geschäft vorschlagt . . . denn nicht wahr, Ihr schlagt mir ein Geschäft vor?«

»Ein herrliches, Planchet.«

»Doch da Ihr mir ein Geschäft vorschlagt, so habe ich das Recht, zu bestreiten.«

»Streite, Planchet; aus dem Streite geht das Licht hervor.«

»Nun wohl, da es mir der gnädige Herr erlaubt, so sage ich ihm, daß es dort vor Allem die Parlamente gibt.«

»Sodann die Armee.«

»Gut. Siehst Du noch etwas?«

»Hernach die Nation.«

»Ist das Alles?«

»Die Nation, welche zum Sturz und zur Enthauptung des seligen Königs, des Vaters von diesem, eingewilligt hat und sich nicht wird Lügen strafen wollen.«

»Planchet, mein Freund,« sprach d’Artagnan, »Du urtheilst wie ein Käse! Die Nation . . . die Nation ist müde dieser Herren, welche barbarische Namen führen und ihr Psalmen vorsingen. Wenn es einmal gesungen sein soll, mein lieber Planchet, so habe ich bemerkt, daß die Nationen lieber ein lustiges Lied als einen Choral singen. Erinnere Dich der Fronde, wie hat man damals gesungen? Und das war die gute Zeit!«

»Nicht zu sehr, nicht zu sehr, denn ich wäre beinahe gehenkt worden.«

»Aber man hat Dich wirklich gehenkt?«

»Nein.«

»Und unter all diesen Liedern hat Dein Glück seinen Anfang genommen.«

»Das ist wahr.«

»Du hast also nichts zu sagen?« »Doch! ich komme auf die Armee und die Parlamente zurück.«

»Ich habe gesagt, ich entlehne zwanzigtausend Livres von Herrn Planchet und ich füge zwanzigtausend Livres von meiner Seite bei; mit diesen vierzigtausend Livres bringe ich eine Armee auf die Beine.«

Planchet faltete die Hände; er sah, daß d’Artagnan ernsthaft war, und glaubte ganz treuherzig, sein Herr habe den Verstand verloren.

»Eine Armee! . . . ah! gnädiger Herr,« erwiederte er mit seinem freundlichsten Lächeln, aus Furcht, diesen Narren zu reizen und einen Wüthenden aus ihm zu machen. »Eine Armee . . . von wie viel?«

»Von vierzig Mann,« antwortete d’Artagnan.

»Vierzig gegen vierzigtausend, das ist nicht genug. Ich weiß wohl, Ihr seid für Euch allein so viel werth als tausend, Herr d’Artagnan; doch wo werdet Ihr neun und dreißig Männer finden, welche Euch an Werth gleichkommen, oder wenn Ihr sie findet, wer wird Euch das Geld geben, um sie zu bezahlen?«

»Nicht schlecht, Planchet. Ah! Teufel, Du wirst ein Höfling.«

»Nein, gnädiger Herr, ich sage, was ich denke, und deshalb sage ich, daß ich bange habe vor dem ersten regelmäßigen Treffen, das Ihr mit Euren vierzig Mann liefern werdet.«

»Ich werde auch kein regelmäßiges Treffen liefern, mein lieber Planchet,« erwiederte der Gascogner lachend. »Wir haben im Alterthum sehr schöne Beispiele von klugen Rückzügen und Märschen, welche darin bestanden, daß man den Feind vermied, statt ihn anzugreifen. Du mußt das wissen, Planchet, Du, der Du die Pariser an dem Tag befehligtest, wo sie sich hätten gegen die Musketiere schlagen sollen, und der Du die Märsche und Gegenmärsche damals so gut zu berechnen wußtest, daß Du die Place-Royale nicht verließest.«

Lachend erwiederte Planchet:

»Es ist wahr, wenn sich Eure vierzig Mann beständig verbergen, und wenn sie nicht ungeschickt sind, dürfen sie hoffen, nicht geschlagen zu werben; doch Ihr habt irgend ein Resultat im Auge?«

»Ohne allen Zweifel. Vernimm, welches Verfahren meiner Ansicht nach anzuwenden ist, um Seine Majestät König Karl II. rasch wieder auf den Thron zu bringen.«

»Gut!« rief Planchet, seine Aufmerksamkeit verdoppelnd, »laßt dieses Verfahren hören. Zuvor scheint mir aber, daß wir etwas vergessen.«

»Was?«

»Wir haben die Nation, welche lieber lustige Lieder als Psalmen singt, und die Armee, die wir nicht bekämpfen, beiseit gestellt; es bleiben jedoch noch die Parlamente, welche nicht singen.«

»Und die sich eben so wenig schlagen. Wie, Planchet, Du, ein Mann von Verstand, kümmerst Dich um einen Hausen solcher Schreier und Prahlhänse? Die Parlamente kümmern mich nichts.«

»Sobald sie Euch nichts kümmern, gehen wir darüber weg, gnädiger Herr.«

»Ja, und kommen wir zum Resultat. Du erinnerst Dich Cromwells, Planchet.«

»Ich habe viel von ihm reden hören, gnädiger Herr.«

»Es war ein gewaltiger Kriegsmann.«

»Und hauptsächlich ein furchtbarer Fresser.«

»Wie so?«

»Ja, er hat mit einem Mal England verschlungen.«

»Nun, Planchet, wenn Einer am Vorabend des Tages, wo er England verschlang, Herrn Cromwell verschlungen hätte?«

»Ah! Herr, es ist einer der ersten Grundsätze der Mathematik, daß das Enthaltende größer sein muß, als der Inhalt.«

»Sehr gut, Planchet! Das ist gerade unsere Angelegenheit.«

»Aber Herr Cromwell ist todt und sein Enthaltendes ist nun das Grab.«

»Mein lieber Planchet, ich sehe mit Vergnügen, daß Du nicht nur ein Mathematiker, sondern auch ein Philosoph geworden bist.«

»Gnädiger Herr, bei meinem Spezereigeschäft brauche ich viel gedrucktes Papier und dabei belehre ich mich.«

»Bravo! Dann weißt Du also, – denn Du hast die Mathematik und die Philosophie nicht ohne ein wenig Geschichte gelernt, – Du weißt, daß nach dem so großen Cromwell ein ganz kleiner gekommen ist.«

»Ja, der hieß Richard, und er hat es gemacht wie Ihr, Herr d’Artagnan, er hat seine Entlassung genommen.«

»Gut! sehr gut! Nach dem Großen, der gestorben ist, nach dem Kleinen, der seine Entlassung genommen hat, kam ein Dritter. Dieser heißt Herr Monk: das ist ein sehr gewandter General, denn er hat sich nie geschlagen; es ist ein sehr starker Diplomat, denn er spricht nie, und ehe er zu einem Menschen: Guten Morgen! sagt, denkt er zwölf Stunden nach und sagt am Ende: Guten Abend! was man dann als ein Wunder ausschreit, da es sich gerade richtig trifft.«

»Ich finde das in der That sehr stark,« sprach Planchet; »doch ich kenne einen andern Politiker, der eine große Aehnlichkeit mit diesem hat.«

»Nicht wahr. Herr von Mazarin?«

»Er selbst.«

»Du hast Recht, Planchet; nur trachtet Herr von Mazarin nicht nach dem Thron von Frankreich, und das ändert das Ganze, siehst Du? Nun also, diesen Herrn Monk, der England ganz gebraten auf seinem Teller hat und schon den Mund aufsperrt, um es zu verschlingen, diesen Herrn Monk, der zu den Leuten von Karl II. und zu Karl II. selbst sagt: Nescio vos . . . «

»Ich verstehe das Englische nicht.«

»Ja, aber ich verstehe es. Nescio vos bedeutet: Ich kenne Euch nicht. Diesen Herrn Monk, den gewichtigsten Mann von England, wenn er es verschlungen haben wird . . . «

»Nun?«

»Nun, mein Freund, ich gehe hinüber, und mit meinen vierzig Mann entführe ich ihn, packe ich ihn ein und bringe ihn nach Frankreich, wo sich meinen geblendeten Augen zwei Partien zeigen.«

»Und den meinigen!« rief Planchet ganz entzückt vor Begeisterung. »Wir sperren ihn in einen Käfig und zeigen ihn für Geld.«

»Was Du da gefunden hast, ist eine dritte Partie, an die ich nicht dachte.«

»Findet Ihr sie gut?«

»Ja, gewiß, doch ich halte die meinigen für besser.«

»Laßt die Eurigen hören.«

»1. Ich setze ihn auf Lösegeld.«

»Auf wie viel?’

»Teufel! ein Bursche dieser Art ist wohl hunderttausend Thaler werth.«

»Oder?«

»Oder, was noch besser ist, ich überliefere ihn König Karl, der, da er weder mehr einen Armeegeneral zu fürchten, noch einen Diplomaten zu überlisten hat, sich selbst wieder auf den Thron setzen und mir, sobald er darauf sitzt, die fraglichen hunderttausend Thaler bezahlen wird. Das ist der Gedanke, den ich gehabt habe; was sagst Du dazu, Planchet?«

»Herrlich, herrlich!« rief Planchet zitternd vor Aufregung. »Und wie ist Euch dieser Gedanke gekommen?«

»Er ist mir eines Morgens am User der Loire gekommen, während Ludwig XIV., unser König, Thränen auf der Hand von Fräulein von Mancini vergoß.«

»Gnädiger Herr, ich stehe Euch dafür, der Gedanke ist erhaben. Aber . . . «

»Ah! es gibt ein aber!«

»Verzeiht. Aber er ist ein wenig wie die Haut von jenem schönen Bären, Ihr wißt, die man verkaufen wollte, welche man jedoch zuvor von dem lebendigen Bären nehmen mußte. Um Herrn Monk zu fangen, wird es nicht ohne einen Kampf abgehen.«

»Allerdings. Doch da ich eine Armee anwerbe . . . «

»Ja, ja, ich verstehe, ein Handstreich. Oh! dann werdet Ihr siegen, gnädiger Herr, denn Niemand kommt Euch in solchen Treffen gleich.«

»Es ist wahr, ich habe Glück darin,« erwiederte d’Artagnan mit stolzer Einfachheit; »Du begreifst, wenn ich hierzu meinen theuren Athos, meinen braven Porthos und meinen schlauen Aramis hätte, so wäre die Sache abgemacht; doch sie sind verloren, wie es scheint, und Niemand weiß, wo man sie finden soll. Ich werde also den Schlag allein ausführen. Dünkt Dir nun das Geschäft gut und die Anlage vortheilhaft?«

»Zu sehr! zu sehr!«

»Warum dies?«

»Weil die schönen Dinge nie zu Stande kommen.«

»Diese Sache ist unfehlbar, und zum Beweis hierfür dient, daß ich mich selbst dazu verwende. Das wird für Dich ein ziemlich hübscher Gewinn und für mich ein ziemlich interessanter Streich sein. Man wird sagen: »»So war das Alter von Herrn d’Artagnan.«« Und ich bekomme einen Platz in den Geschichten und sogar in der Geschichte. Planchet, ich bin lüstern nach Ehre.«

»Gnädiger Herr,« rief Planchet, »wenn ich bedenke, daß hier bei mir, mitten unter meiner Cassonade, meinen gedörrten Pflaumen und meinem Zimmt dieser riesige Plan zur Reise kommt, so ist es mir, als wäre mein Laden ein Pallast.«

»Nimm Dich in Acht, Planchet, nimm Dich in Acht, wenn das Geringste hiervon ruchbar wird, erfolgt die Bastille für uns Beide; nimm Dich in Acht, Freund, denn wir machen ein Complott. Herr Monk ist der Verbündete von Herrn von Mazarin, nimm Dich in Acht!«

»Herr, wenn man die Ehre gehabt hat, Euch anzugehören, so weiß man nichts von Furcht, und wenn man sich des Vortheils erfreut, durch ein gemeinschaftliches Interesse mit Euch verbunden zu sein, so schweigt man.«

»Sehr gut, das ist noch mehr Deine Sache, als die meinige, insofern ich in acht Tagen in England sein werde.«

»Geht, gnädiger Herr, je eher, desto besser.«

»Das Geld ist also bereit?«

»Morgen soll es bereit sein, morgen werdet Ihr es aus meiner Hand empfangen. Wollt Ihr Gold oder Silber?«

»Gold, das ist bequemer; doch sprich, wie werden wir das einrichten?«

»Oh! mein Gott, auf die allereinfachste Weise, Ihr gebt mir nur einen Empfangschein.«

»Nein, nein,« entgegnete d’Artagnan, »es muß in allen Dingen Ordnung sein.«

»Das ist auch meine Ansicht . . . doch bei Euch, Herr d’Artagnan . . . «

»Aber wenn ich dort sterbe, wenn ich durch eine Musketenkugel getödtet werde, wenn ich zerplatze, weil ich Bier getrunken habe?«

»Glaubt mir, Herr, in diesem Fall wäre ich so über Euren Tod betrübt, daß ich nicht an das Geld dächte.«

»Ich danke, Planchet, doch das ändert nichts. Wir fassen, wie zwei Anwaltsschreiber, einen Vertrag ab, den man einen Gesellschaftsvertrag nennen könnte.«

»Gern, gnädiger Herr.«

»Ich weiß wohl, daß das schwer abzufassen ist, doch wir werden es versuchen.«

»Versuchen wir es.«

»Planchet, hole Feder, Tinte und Papier.«

D’Artagnan nahm die Feder, tauchte sie in die Tinte und schrieb:

»Zwischen Messire d’Artagnan, Exlieutenant der Musketiere, gegenwärtig wohnhaft in der Rue Tiquetonne, im Wirthshaus zur Rehziege,

»Und dem Sieur Planchet, Spezereihändler, wohnhaft in der Rue des Lombards, mit dem Schilde zum goldenen Mörser,

»Ist folgender Vertrag abgeschlossen worden:

»Es bildet sich eine Gesellschaft mit dem Kapital von 40,000 Livres zum Behuf der Ausbeutung eines von Herrn d’Artagnan beigebrachten Gedankens.

»Der Sieur Planchet, der diesen Gedanken kennt und in allen Punkten billigt, wird zwanzigtausend Franken in die Hände von Herrn d’Artagnan bezahlen.

»Er wird weder Wiederbezahlung, noch Interesse fordern, ehe Herr d’Artagnan von einer Reise zurückkehrt, die er nach England unternimmt.

»Herr d’Artagnan macht sich seinerseits verbindlich, ebenfalls zwanzigtausend Livres zu bezahlen und diese den zwanzigtausend Livres beizufügen, die der Sieur Planchet schon bezahlt haben wird.

»Er wird von genannter Summe von vierzigtausend Livres nach seinem Gutdünken Gebrauch machen, wobei er sich jedoch zu Einem verpflichtet, was hier unten ausgesprochen werden wird.

»An dem Tag, wo Herr d’Artagnan, durch welches Mittel es auch sein mag, Seine Majestät König Karl II. wieder auf den Thron gebracht hat, wird er bezahlen in die Hände von Sieur Planchet die Summe von . . . «

»Die Summe von hundert und fünfzigtausend Livres,« sagte Planchet naiv, als er sah, daß d’Artagnan inne hielt.

»Ah! Teufel, wie?« rief d’Artagnan, »die Theilung kann nicht zur Hälfte stattfinden, das wäre nicht richtig.«

»Wir legen aber jeder die Hälfte ein,« entgegnete Planchet schüchtern.

»Ja, aber höre die Clausel, mein lieber Planchet, und findest Du sie nicht in jeder Hinsicht billig, wenn sie geschrieben ist, nun so streichen wir sie aus.«

Und d’Artagnan schrieb:

»Da jedoch Herr d’Artagnan zu der Association außer dem Kapital von zwanzigtausend Livres seine Zeit, seinen Gedanken, seine Industrie und seine Haut beibringt, Dinge, die er hoch schätzt, besonders das letztere, so soll Herr d’Artagnan von den dreimal hunderttausend Livres zweimal hunderttausend für sich behalten, wodurch sein Antheil zwei Drittel bilden wird.«

»Sehr gut!« rief Planchet.

»Ist das gerecht?« fragte d’Artagnan.

»Vollkommen gerecht.«

»Und Du wirst mit hunderttausend Livres zufrieden sein?«

»Bei Gott! ich glaube wohl. Hunderttausend Livres für zwanzigtausend!«

»Und verstehst Du wohl, in einem Monat.«

»Wie, in einem Monat?«

»Ja, ich verlange nicht mehr als einen Monat.«

»Herr d’Artagnan, ich gebe Euch sechs Wochen,« sagte Planchet großmüthig.

»Ich danke,« erwiederte höflich der Musketier.

Wonach die zwei Verbündeten die Urkunde noch einmal überlasen.

»Ganz vollkommen, gnädiger Herr,« sagte Planchet, »der selige Herr Coquenard, der erste Mann der Frau Baronin du Vallon, hätte es nicht besser machen können.«

»Findest Du? Nun! so wollen wir unterzeichnen.«

Und Beide unterzeichneten.

»Auf diese Art werde ich gegen Niemand eine Verbindlichkeit haben,« sagte d’Artagnan.

»Aber ich werde eine Verbindlichkeit gegen Euch haben,« erwiederte Planchet.

»Nein, denn so zärtlich ich auch an meiner Haut hänge, Planchet, so kann ich sie doch dort lassen, und dann verlierst Du Alles. Wetter! dabei fällt mir die Hauptsache ein, eine unerläßliche Clausel. Ich schreibe:

»In dem Fall, daß Herr d’Artagnan bei dem Werke unterliegen würde, wird die Liquidation gemacht sein, und der Sieur Planchet quittirt dem Schatten von Herrn d’Artagnan für die von ihm in die Kasse der genannten Association eingelegten zwanzigtausend Livres.«

Bei dieser letzten Clausel faltete Planchet die Stirne, als er aber das so glänzende Auge, die so muskelige Hand, den so kräftigen und geschmeidigen Rückgrath seines Associe ansah, da saßte er wieder Muth und fügte ohne Bedauern, ohne Reue seiner Unterschrift noch einen Federzug bei. D’Artagnan that dasselbe. So wurde der erste bekannte Gesellschaftsvertrag abgefaßt; vielleicht ist man seitdem der Form und dem Wesen nach ein wenig davon abgegangen.

»Nun aber,« sagte Planchet, während er d’Artagnan ein letztes Glas Wein einschenkte, »nun aber wollen wir schlafen, mein lieber Herr.«

»Nein,« erwiederte d’Artagnan, »denn das Schwierigste bleibt noch zu thun und über diesem Schwierigsten will ich träumen.«

»Bah!« rief Planchet, »ich habe so großes Vertrauen auf Euch, daß ich meine hunderttausend Livres nicht für neunzigtausend geben würde.«

»Und der Teufel hole mich, ich glaube, Du hättest Recht.«

Hiernach nahm d’Artagnan ein Licht, stieg in sein Zimmer hinauf und legte sich zu Bette.

Der Graf von Bragelonne

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